Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.09.2004, Az.: 1 LA 23/04

allgemeine Stromversorgung; Brandmeldezentrale; feuerbeständige Wand; Lager; Rauchabzugsanlage; sicherheitstechnische Anlage; Stromversorgung; Verkaufsstätte; Wand

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.09.2004
Aktenzeichen
1 LA 23/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.12.2003 - AZ: 4 A 979/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Regelung in § 21 VKVO, wonach Verkaufsstätten eine Sicherheitsstromversorgungsanlage haben müssen, die bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung den Betrieb der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen übernimmt, ist so zu verstehen, dass eine "Notstromversorgung" unabhängig von der öffentlichen Stromversorgung zu gewährleisten ist.

2. Die Vorgaben in § 5 Abs. 2 VKVO, Lagerräume von anderen Räumen durch feuerbeständige Wände zu trennen, und in Ziffer 2.16 der DIN VDE 0833 Teil 1, Gefahrenmeldeanlagen in abgeschlossenen Räumen beziehungsweise abgeschlossenen Gehäusen unterzubringen, dienen unterschiedlichen brandschutztechnischen Zielsetzungen.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr von der Beklagten erteilte Baugenehmigung, mit der in den Nebenbestimmungen besondere Brandschutzanforderungen, unter anderem zur Rauchabführung, gestellt werden. Gegenstand der Klage ist ferner eine Verfügung, mit der die Beklagte die Beseitigung von Brandschutzmängeln angeordnet hat.

2

Die Beklagte erteilte der Klägerin am 8. März 2001 die Baugenehmigung zum Umbau eines ehemaligen Fachmarktes in ein Küchenstudio auf dem Grundstück Annenheider Straße 141 im Stadtgebiet der Beklagten. Die Baugenehmigung enthält umfangreiche brandschutztechnische Nebenbestimmungen, die auf Vorgaben der Brandschutzprüferin der Beklagten beruhen. Nach Ziffer 4.2 zur Rauchabführung ist bei der Installation von automatischen Rauchabzugsanlagen mit maschinellen Rauchabzügen (Auflage M 2.) eine rauchfreie Schicht von 2,00 m über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten sicherzustellen. Unter Ziffer 5.2 zur Ersatzstromversorgung wird angeordnet, dass das Gebäude mit einer vom Versorgungsnetz unabhängigen, bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung sich selbsttätig einschaltenden Ersatzstromversorgung auszustatten ist.

3

Gegen die brandschutztechnischen Nebenbestimmungen erhob die Klägerin unter dem 28. März 2001 Widerspruch.

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Nach Durchführung der Gebrauchsabnahme des fertig gestellten Gebäudes gab die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2001 unter anderem auf, folgende Mängel zu beseitigen:

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„1. Die RWA-Anlage entspricht nicht den brandschutztechnischen Nebenbestimmungen. Sie ist entsprechend umzubauen und betriebsbereit herzurichten (siehe hierzu Pkt. 4.2 der brandschutztechnischen Nebenbestimmungen). Für die RWA-Anlage ist außerdem eine Funktionsbeschreibung vorzulegen.

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2. Für den F 30-Anstrich der Stahlkonstruktion im Eingangsbereich ist eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen.

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3. Die gemäß Pkt. 5.2 der brandschutztechnischen Nebenbestimmung geforderte Ersatzstromversorgung ist nicht vorhanden. Sie ist entsprechend nachzurüsten und von einem öffentlich bestellten Sachverständigen abzunehmen. Die entsprechende Bescheinigung ist dem Bauordnungsamt vorzulegen.

(...)

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7. Die Brandmeldezentrale ist im Lager von der Lagernutzung baulich abzutrennen.“

9

Dagegen erhob die Klägerin unter dem 18. Juni 2001 Widerspruch. Beide Widersprüche wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2002 als unbegründet zurück.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Dezember 2003 die der Klägerin unter dem 8. März 2001 erteilte Baugenehmigung für den Umbau des Geschäftshauses Annenheider Straße 141 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Ferner hat es die Verfügung der Beklagten vom 13. Juni 2001 hinsichtlich der Ziffer 1 aufgehoben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Forderung der Beklagten, bei der Konzeption von Rauchabzugsanlagen eine rauchfreie Schicht von 2,00 m über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten sicherzustellen, sei rechtswidrig. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 18. September 2002 - 1 LB 2855/01 -, BauR 2003, 226, zu einer vergleichbaren Auflage in der Baugenehmigung für einen Büromarkt im Stadtgebiet der Beklagten ausgeführt, dass das von der Beklagten zur Begründung der Nebenbestimmung herangezogene technische Regelwerk nicht anwendbar sei. Die Grundsätze des genannten Urteiles seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Deckenhöhe betrage hier nach der Schnittzeichnung lediglich 2,75 m, so dass auch hier eine ausreichende Raumhöhe für die Bildung einer rauchfreien Schicht von 2,00 m nicht vorhanden sei. Die Rechtswidrigkeit der Brandschutzauflagen in der erteilten Baugenehmigung schlage auf Ziffer 1 der Mängelbeseitigungsverfügung vom 13. Juni 2001 durch, wonach sinngemäß der Nachweis einer Rauchabzugsanlage vorzulegen sei, die eine 2,00 m hohe rauchfreie Schicht über mindestens 30 Minuten gewährleiste. Die Anordnungen in den noch streitigen Ziffern 2, 3 und 7 der Verfügung vom 13. Juni 2001 fänden ihre Rechtfertigung in den Vorschriften der Verkaufsstättenverordnung - VKVO -.

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Der Zulassungsantrag der Beklagten, der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützt wird, ist begründet. Der Antrag der Klägerin, der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.

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Die Beklagte hat gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die vorliegende Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist. Der genannte Zulassungsgrund ist gegeben, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das angefochtene Urteil Fragen solcher Schwierigkeiten aufwerfen, die sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen (Beschl. d. Sen. v. 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsVBl. 1999, 95).

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Im Zulassungsverfahren ist nicht klärungsfähig, ob die Bestimmungen der DIN 18232 auf das Vorhaben der Klägerin anwendbar sind. Das Verwaltungsgericht nimmt Bezug auf das Urteil des Senats vom 18. September 2002 - 1 LB 2855/01 -, BauR 2003, 226, in dem der Senat ausgeführt hat, dass die DIN 18232, Teil 2, vom November 1989 auf Verkaufsräume mit geringer Höhe im Erdgeschoss eines zweigeschossigen Gebäudes nicht anwendbar sei. Der Bürofachmarkt im Erdgeschoss des zweigeschossigen Gebäudes sei den Verkaufsräumen mit geringer Raumhöhe zuzuordnen. Der geringe Abstand zwischen Fußboden und Decke (4,16 m) beziehungsweise Unterzügen (2,93 m) verhindere die Bildung einer Rauchschicht, die noch genügend Raum für eine rauchfreie Zone von mindestens 2,00 m Höhe gewährleiste. Gegen die daran anknüpfende Annahme des Verwaltungsgerichts, im vorliegenden Fall betrage die Deckenhöhe lediglich 2,75 m, so dass eine ausreichende Raumhöhe für die Bildung einer rauchfreien Schicht von 2,00 m nicht vorhanden sei, wendet die Beklagte ein, dass die Deckenhöhe des Gebäudes ausweislich der von der Klägerin eingereichten Schnittzeichnung mindestens 4,20 m betrage. In einer Höhe von 2,75 m befinde sich lediglich eine abgehängte „Sichtschutz“-Decke, die für die Bestimmung der brandschutztechnischen Forderungen nicht maßgeblich sei. Nach der DIN 18232 sei auf die Gebäudedecke und nicht auf die Sichtdecke abzustellen. Die Beklagte stützt sich dabei auf den Beteiligten bekannte Anmerkungen vom 31. März 2003 und 23. April 2003 des zuständigen Obmanns der DIN 18232 im NABau, Dipl.-Ing. E. F., zum Urteil des Senats vom 18. September 2002 - 1 LB 2855/01 -. Die von der Beklagten dargelegten brandschutztechnischen Fragen lassen sich nur in einem Berufungsverfahren in angemessener Weise beantworten. Die Berufung ist deshalb gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

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Der Zulassungsantrag der Klägerin ist unbegründet.

15

Die Zulassungsrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO greift nicht durch. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an - „die besseren Gründe sprechen“, das heißt wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2. Kam. d. Ersten Sen., Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459) die Anforderungen an die Darlegungslast der Beteiligten nicht überspannt werden und sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils schon dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Wird eine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Erwägungen gestützt, so müssen diese Voraussetzungen für jede dieser Erwägungen erfüllt sein (Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl. 2002, § 124 a Rdn. 81). Danach kommt die Zulassung der Berufung nicht in Betracht. Die Anordnung der Mängelbeseitigung in den Ziffern 2, 3 und 7 der Verfügung vom 13. Juni 2001 ist rechtmäßig.

16

Die Bauausführung der Klägerin verstößt gegen Vorschriften der Verkaufsstättenverordnung - VKVO - vom 17. Januar 1997 (NdsGVBl. 1997, 31), die hier anwendbar sind, weil die Verkaufsfläche des Objekts insgesamt mehr als 2.000 m² beträgt (vgl. § 1 VKVO). Gegen die Anordnung unter Ziffer 3 der Verfügung vom 13. Juni 2001, die nach Ziffer 5.2 der brandschutztechnischen Nebenbestimmungen zu der Baugenehmigung geforderte Ersatzstromversorgung nachzurüsten, wendet die Klägerin zu Unrecht ein, die Forderung nach einem vom öffentlichen Versorgungsnetz völlig unabhängigen Notstromaggregat sei vom Wortlaut der Vorschrift des § 21 VKVO nicht gedeckt. Nach der genannten Vorschrift müssen Verkaufsstätten eine Sicherheitsstromversorgungsanlage haben, die bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung den Betrieb der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen übernimmt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Begriff „Allgemeine Stromversorgung“ nicht gebäudebezogen zu verstehen. Gemeint ist nicht die hausinterne Stromversorgung. Die Regelung in § 21 VKVO ist dahin auszulegen, dass eine „Notstromversorgung“ unabhängig von der öffentlichen Stromversorgung zu gewährleisten ist. Anderenfalls wäre die Funktion der in der Vorschrift genannten Anlagen und Einrichtungen nur bei einem internen, nicht aber bei einem externen Stromausfall gesichert. Den Vorgaben in § 21 VKVO genügen die in dem Gebäude der Klägerin installierten Stromversorgungsanlagen nur teilweise, so zum Beispiel hinsichtlich der Sicherheitsbeleuchtung, die über Batterien versorgt wird, nicht aber hinsichtlich der Rauchabzugsanlagen, deren Funktion bei Ausfall des öffentlichen Stromversorgungsnetzes nicht gesichert ist.

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Der Angriff der Klägerin gegen Ziffer 7 der Verfügung vom 13. Juni 2001 bleibt ebenfalls erfolglos. Die Anordnung, die Brandmeldezentrale im Lager von der Lagernutzung baulich abzutrennen, stützt die Beklagte zu Recht auf § 5 Abs. 2 VKVO. Nach dieser Vorschrift müssen in Verkaufsstätten ohne Sprinkleranlagen Lagerräume mit einer Fläche von jeweils mehr als 100 m² durch feuerbeständige Wände von anderen Räumen abgetrennt werden. Die Brandmeldezentrale ist als anderer Raum im Sinne des § 5 Abs. 2 VKVO anzusehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen nicht darauf an, ob die Brandmeldezentrale der DIN VDE 0833 Teil 1, Ziffer 2.16, entspricht. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass die Vorgaben in § 5 Abs. 2 VKVO, Lagerräume von anderen Räumen durch feuerbeständige Wände zu trennen, und in Ziffer 2.16 der DIN VDE 0833 Teil 1, Gefahrenmeldeanlagen in abgeschlossenen Räumen beziehungsweise abgeschlossenen Gehäusen unterzubringen, unterschiedlichen brandschutztechnischen Zielsetzungen dienen. In § 5 Abs. 2 VKVO geht es um die Verhinderung der Brandausbreitung, während Ziffer 2.16 der DIN VDE 0833 Teil 1 allein die Sicherung gegen unbefugten Gebrauch im Blick hat. Die Anforderungen einer feuerbeständigen Abtrennung erfüllt die Brandmeldezentrale nicht. Es kann daher offen bleiben, ob die Brandmeldezentrale auch die Voraussetzungen der Ziffer 2.16 der DIN VDE 0833 Teil 1 erfüllt.

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Der uneingeschränkt gestellte Zulassungsantrag ist ebenfalls unbegründet, soweit er sich gegen Ziffer 2 der Verfügung vom 13. Juni 2001 richtet. Das Zulassungsvorbringen enthält hierzu keine Ausführungen, so dass die Voraussetzung der Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt ist.

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Die Verfahrensrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist unbegründet. Ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, den von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Die von der Klägerin unter Beweis gestellte Tatsache, dass die eingebauten Sicherheitseinrichtungen über eine eigene batteriegepufferte Notstromversorgung verfügen, ist nicht entscheidungserheblich. Nach den weiteren erläuternden Ausführungen der Klägerin wird damit unter Beweis gestellt, dass die Stromversorgung sämtlicher Brandschutzeinrichtungen im Falle eines internen Stromausfalls gesichert ist. Darauf kommt es nach den vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht an, weil nach § 21 VKVO bei Ausfall der öffentlichen Stromversorgung der Betrieb der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen gewährleistet sein muss. Auf die weitere, unter Beweis gestellte Tatsache, dass die vorhandene Brandmeldezentrale der zurzeit geltenden DIN VDE 0833 Teil 1, Ziffer 2.16, entspricht, kommt es nach den vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht an. Die genannte Ziffer der DIN VDE 0833 Teil 1 hat eine andere Zielrichtung als § 5 Abs. 2 VKVO.

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Die Nebenentscheidungen hinsichtlich des Teils des Beschlusses, mit dem der Zulassungsantrag der Klägerin zurückgewiesen wird, folgen aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 13 Abs. 1 und Abs. 2 GKG a.F., wobei der Senat hinsichtlich der Höhe der Wertannahmen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Streitwertbeschluss vom 10. Dezember 2003 folgt. Danach entfällt auf den Zulassungsantrag der Klägerin ein Betrag von 86.573,62 € (90.000,-- DM = 46.016,26 €, 71.500,-- DM = 36.557,36 € und 4.000,-- €).