Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.09.2004, Az.: 7 ME 168/04
Abschaltautomatik; Geräuschimmission; Immissionsrichtwert; Lüfter; Nennleistung; Schallwert; Schattenwurf; Windenergieanlage
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.09.2004
- Aktenzeichen
- 7 ME 168/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50712
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.05.2004 - AZ: 2 B 693/04
Rechtsgrundlagen
- § 4 BImSchG
- § 146 VwGO
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) rechtfertigen eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nicht.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Interesse der Beigeladenen an der mit Bescheid vom 19. März 2004 angeordneten sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Antragsgegners vom 22. Dezember 2003 für die Errichtung von 9 Windenergieanlagen (Typ Enercon E-66/18.70, Nennleistung 1800 kW, Nabenhöhe 64,84 m, Rotordurchmesser 70 m) das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt, weil dieser nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Diese Beurteilung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Zweifel gezogen.
Nach dem Lärmschutzgutachten des Ingenieurbüros für Energietechnik und Lärmschutz - Dipl.-Ing. D. (IEL) vom 9. April 2002 errechnet sich unter Zugrundelegung des Schallleistungspegels von 103 dB(A) ein Beurteilungspegel von 39 dB(A) am Immissionspunkt 2, dem Grundstück des Antragstellers. Damit wird der maßgebliche Immissionsrichtwert für Dorf- und Mischgebiete von 45 dB(A) nachts nicht nur eingehalten, sondern um 6 dB(A) unterschritten; für ein Außenbereichsgrundstück würde nichts anderes gelten. Diese Feststellung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
Das Verwaltungsgericht hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass drei Messberichte vorliegen, die - ungeachtet dessen, dass sie zu Anlagen unterschiedlicher Nabenhöhe erstellt worden sind - eine hinreichende Grundlage und Bestätigung für die Immissionsprognose abgeben. Die in dem schalltechnischen Gutachten/Messbericht der Fa. E. vom 21. Dezember 2000 enthaltene Umrechnung der Schallleistung auf andere Nabenhöhen lässt zudem erkennen, dass beachtliche Veränderungen insoweit nicht auftreten. Anhaltspunkte für eine Ton- oder Impulshaltigkeit der Anlagen, die besonders zu berücksichtigen wäre, sind den vorliegenden sachverständigen Äußerungen nicht zu entnehmen und werden auch von dem Antragsteller nicht dargelegt. Davon unabhängig ist nicht erkennbar, dass selbst bei Erforderlichkeit eines Zuschlags der hier einzuhaltende Immissionsrichtwert überschritten würde.
Auch sonst spricht nichts dafür, dass die zu erwartenden Emissionen zu gering bemessen worden sind. Wenn - wie hier - 95 % der Nennleistung bereits bei einer niedrigeren Windgeschwindigkeit als 10 m/s erzeugt werden, entspricht es anerkannten technischen Richtlinien, dass für die Immissionsprognose der Schallleistungspegel verwendet werden kann, der bei 95 % der Nennleistung erreicht wird (vgl. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Materialien Nr. 63, Windenergieanlagen und Immissionsschutz, S. 13; „Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen“ - Windenergie-Erlass NRW - vom 3.5.2002, MBl. S. 742, Nr. 5.3.1). Die Beschwerde legt nicht dar, dass insoweit bessere Erkenntnisse gewonnen worden sind und inwiefern sich der Antragsteller darauf zu seinen Gunsten berufen könnte. Im Übrigen steht die Vermessung der Anlage bei (nur) 95 % der Nennleistung auch nach Auffassung des OVG Münster nicht in Widerspruch zu Nr. 1.2 Buchst. a des Anhangs zur TA Lärm, nach der zur Bestimmung der durch die Anlage verursachten zusätzlichen Schallimmissionen diejenige bestimmungsgemäße Betriebsart zugrunde zu legen ist, die in ihrem Einwirkungsbereich die höchsten Beurteilungspegel erzeugt. Als hinreichende Näherung für die im Nennleistungsbereich erzeugten Geräuschimmissionen sind die bei 95 % der Nennleistung gemessenen Schallemissionen mit denen im Nennleistungsbetrieb vergleichbar (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 7.1.2004 - 22 B 1288/03 -, RdL 2004, 99). Mit dem in den Antragsunterlagen befindlichen Schreiben vom 14. August 2003 hat die Firma F. im Übrigen ausdrücklich angemerkt, dass sich der Schalldruckpegel oberhalb von 95 % der Nennleistung nicht signifikant erhöhe. Zudem können Anlagen, die - wie die hier in Rede stehenden - mit einer sogenannten „Pitch“-Steuerung versehen sind, sofern erforderlich mit verringerten Drehzahlen und gedrosselter Leistung betrieben werden (vgl. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, a. a. O., S. 12). Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre - ohne dass hier Anzeichen für eine derartige Notwendigkeit bestehen - hinreichend zu gewährleisten, dass der Antragsteller unzumutbaren Belästigungen nicht ausgesetzt wird.
Unzumutbare Beeinträchtigungen hat der Antragsteller auch nicht durch den Betrieb eines temperaturgesteuerten Lüfters zu befürchten, der sich unter bestimmten Betriebsbedingungen einschaltet. Nach den nicht fundiert in Zweifel gezogenen Herstellerangaben weisen die in dem hier in Rede stehenden Anlagentyp verwendeten Gondellüfter einen Schallleistungspegel von 88 bzw. 88,3 dB(A) auf. Damit wird bei einer energetischen Addition zum Schallleistungspegel der Anlage von 103 dB(A) eine Pegelerhöhung um weniger als 0,2 dB(A) bewirkt. Abgesehen davon, dass die Wettersituation, die zur Aktivierung des Lüfters führen kann, während des Nachtzeitraumes nur selten auftritt und der Lüfter zudem erst lange nach Erreichen des Nennleistungsbereichs bei hohen Windgeschwindigkeiten und hohen Nebengeräuschen durch den Wind anspringt, so dass die Geräuschsituation unter diesen Umständen stark von den Fremdgeräuschen dominiert wird, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Zuschaltung des Lüfters am Wohnhaus des Antragstellers zu einer relevanten Erhöhung des Beurteilungspegels führen kann.
Auch hinsichtlich des zu erwartenden Schattenwurfs wird der Antragsteller durch die angefochtene Genehmigung nicht in seinen Rechten verletzt. Aufgrund der als Nebenbestimmung (IV.2 der Genehmigung) angeordneten Installation von Abschaltvorrichtungen zur Steuerung der Schattenwurfzeiten ist gewährleistet, dass der Richtwert für die astronomisch maximal mögliche Beschattungsdauer von 30 Stunden pro Kalenderjahr (das entspricht einer tatsächlichen Beschattungsdauer von 8 Stunden pro Jahr) und der Wert für die tägliche Beschattungsdauer von 30 Minuten an dem Haus des Antragstellers nicht überschritten wird. Diese Werte entsprechen dem aktuellen Stand der Erkenntnisse und sind unter Auswertung auch der vom Antragsteller erwähnten wissenschaftlichen Studie gewonnen worden (vgl. dazu Schreiben des Nds. Landesamtes für Ökologie vom 25. August 2000; Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, a. a. O., S. 26, 40 ff.; Nr. 5.3.2 des Windenergie-Erlasses NRW; Ohms, DVBl. 2003, 958, 962). Durch die Nebenbestimmung IV.3 zur Genehmigung wird ferner sichergestellt, dass der Betreiber vor Inbetriebnahme der kritischen Windenergieanlage Nr. 1 eine Bescheinigung über den ordnungsgemäßen Einbau und die Programmierung des Abschaltmoduls vorzulegen hat. Damit ist den berechtigten Interessen auch des Antragstellers hinreichend Rechnung getragen.