Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.09.2004, Az.: 8 ME 77/04
Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz; Rechtsbehelf gegen einen Bußgeldbescheid wegen Schwarzarbeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2004
- Aktenzeichen
- 8 ME 77/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34866
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:0930.8ME77.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 18.03.2004 - AZ: 5 B 86/03
Rechtsgrundlagen
- § 359 Abs. 1 Nr. 3 StPO
- § 364 StPO i.V.m. § 85 OwiG
- § 16 Abs. 3 S. 2 HwO
Fundstellen
- NVwZ 2005, 173-174 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ-RR 2005, V Heft 2 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2005, 173-174 (Volltext mit amtl. LS)
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 8. Senat -
am 30. September 2004
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt erfolglos.
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die "Ablehnung" des gegen die Antragsgegnerin zu 2) gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrages wendet. Gemäß § 146 Abs. 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts statthaft. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) ist eine solche Entscheidung jedoch - offenbar versehentlich - durch den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 18. März 2004 nicht getroffen worden und daher auch keine Beschwerdemöglichkeit gegeben.
Soweit die Beschwerde sich gegen die Ablehnung des gegen den Antragsgegner zu 1) gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag wendet, ist sie zwar zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Feststellungsantrag zu Nr. 1 zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Antragsteller begehrt insoweit die vorläufige Feststellung, dass er in der Zeit vom Juli 1997 bis April 2000 berechtigt war, ohne Meisterbrief im Sinne der Handwerksordnung, ohne Ausnahmebewilligung und ohne Eintragung in die Handwerksrolle die im Einzelnen in der Beschwerdeschrift aufgeführten Tätigkeiten selbstständig im stehenden Gewerbe auszuüben. Für eine solche Feststellung fehlt dem Antragsteller jedoch das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht gegeben, wenn der Antrag für den Antragsteller keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringt (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, § 40 Rn. 38 m.w.N.). Die von dem Antragsteller begehrte vorläufige Feststellung hätte für ihn jedoch keine Vorteile.
Sie hätte insbesondere auf das durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 19. Juli 2000 abgeschlossene Ordnungswidrigkeitsverfahren keinen Einfluss und könnte ihn daher nicht vom Vorwurf der "Schwarzarbeit" rehabilitieren. Als Rechtsbehelf gegen den Bußgeldbescheid kommt allenfalls eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 85 OWiG in Verbindung mit §§ 359 ff. StPO in Betracht. Ein solches Verfahren ist jedoch bislang nicht eingeleitet worden und kann auch nicht aufgrund der unter Nr. 1 begehrten Feststellung eingeleitet werden. Eine solche Feststellung würde nämlich keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 85 OWiG i.V.m. § 359 StPO darstellen. Ebenso wenig sind sonstige Wiederaufnahmegründe, insbesondere ein solcher nach § 359 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 364 StPO i.V.m. § 85 OwiG, ersichtlich. Schließlich hätte die beantragte vorläufige Feststellung auch auf die Vollstreckung aus dem o.a. Bußgeldbescheid keinen Einfluss.
Die hilfsweise begehrte Umdeutung der Beschwerde "in eine Anfechtung des Bußgeldbescheides" bzw. eine "Aussetzung des Verfahrens, um das Bußgeldverfahren wieder aufzunehmen", kommen in diesem Beschwerdeverfahren vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ersichtlich nicht in Betracht.
Ein schutzwürdiges Interesse an der unter Nr. 1 des Antrages begehrten vorläufigen Feststellung ergibt sich auch nicht aus der nicht näher substantiierten Ankündigung, das Verfahren solle zugleich der Vorbereitung einer Klage auf Schadensersatz dienen. Denn die Absicht, eine Amtshaftungsklage zu erheben, begründet kein schutzwürdiges Interesse an einer verwaltungsrechtlichen Klage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts festzustellen, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat. Dem Kläger obliegt es in diesem Fall vielmehr, wegen des von ihm erstrebten Schadensersatzes zugleich das hierfür zuständige Zivilgericht anzurufen, das im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Fragen und damit auch öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.1.1989 - 8 C 30/87 - BVerwGE 81, 226 ff.). Dies gilt erst recht für die vorliegend begehrte, lediglich vorläufige Feststellung der Zulässigkeit einer in der Vergangenheit ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Ebenso wenig besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den unter Nr. 2 der Antragsschrift gestellten Feststellungsantrag, soweit er sich auf Tätigkeiten des Antragstellers in der Vergangenheit ab dem April 2000 bezieht. Denn auch insoweit ist nicht ersichtlich, welche Vorteile ihm die beantragte vorläufige Feststellung verschaffen würde. Der Antragsgegner zu 1) hat in diesem Zeitraum bewusst kein Betriebsschließungsverfahren oder ein weiteres Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, sondern nach dem Abschluss des o.a. Ordnungswidrigkeitsverfahrens ausdrücklich abgewartet, ob der Betrieb des Antragstellers nicht legalisiert werden kann.
Soweit der Antragsteller unter Nr. 2 der Antragsschrift die vorläufige Feststellung begehrt, dass er gegenwärtig berechtigt ist, ohne Meisterbrief im Sinne der Handwerksordnung, ohne Ausnahmebewilligung und ohne Eintragung in die Handwerksrolle folgende Tätigkeiten ausüben zu dürfen: "Kotflügel (Neuteil) lackieren, Reparaturlackierungen am Kfz durchführen, Lack nach Vorlage anmischen und neu lackierte Teile am Kfz anbringen" ist der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Der Antrag ist zu Recht gegen den Antragsgegner zu 1) gerichtet (vgl. VGH Mannheim, Beschl. vom 22.7.2004 - 6 S 19/04 -, m.w.N.), weil dieser als zuständige Behörde nach § 4 Nr. . 7 und 12 der Verordnung über die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vom 24. August 1999 (GVBl. S. 325) über die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der Handwerksordnung und des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit entscheidet und insoweit als Vorfrage auch darüber zu befinden hat, ob die Tätigkeiten des Antragstellers nach der Handwerksordnung zulassungsfrei ausgeübt werden dürfen; an die Rechtsansicht oder gar die Zustimmung der Beigeladenen ist der Antragsgegner zu 1) dabei nicht gebunden. Eine § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO vergleichbare Bestimmung, wonach die Beigeladene und die Industrie- und Handelskammer vor einer Untersagung mitgeteilt haben müssen, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen, fehlt für die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens.
Für die vorläufige Klärung der Frage, ob der Antragsteller die von ihm bezeichneten Tätigkeiten gegenwärtig nach der Handwerksordnung zulassungsfrei ausüben kann, steht ihm auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegenüber dem Antragsgegner zu 1) zu, da dieser die Eintragung in die Handwerksrolle für erforderlich hält. Außerdem sind die Bemühungen des Antragstellers, seinen Betrieb z.B. durch Einstellung eines Meisters zu legalisieren, nach Aktenlage fehlgeschlagen, sodass auch insoweit kein Anlass für den Antragsgegner zu 1) besteht, die Tätigkeiten des Antragstellers weiterhin zu dulden.
Der insoweit zulässige Antrag ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der begehrten Feststellung § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I S. 3074), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934), entgegensteht. Nach dieser Bestimmung ist der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Der Antragsteller betreibt jedoch selbstständig ein zulassungspflichtiges Handwerk im Sinne dieser Bestimmung, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Nach § 1 Abs. 2 HwO setzt der Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks voraus, dass zumindest wesentliche Tätigkeiten eines in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerbes handwerksmäßig verrichtet werden. Zu den in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerben gehören nach Nr. 10 die des "Maler und Lackierers", nach Nr. 15 die eines "Karosserie- und Fahrzeugbauers" und nach Nr. 20 die eines "Kraftfahrzeugtechnikers". Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Übergangsgesetzes aus Anlass des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 25. März 1998 (BGBl. I S. 596, 694), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934, 2949), ausdrücklich bestimmt, dass die "Lackierung von Karosserien und Fahrzeugen" eine wesentliche Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 HwO aller drei o.a. Gewerbe darstellt. Da der Gesetzgeber das Lackieren von Kraftfahrzeugen ausdrücklich als eine "wesentliche Tätigkeit" bezeichnet hat, treffen die Ausführungen des Antragstellers, dass die Handwerksordnung insoweit zu unbestimmt sei, nicht zu.
Die Lackierung von Kraftfahrzeugen als demnach "wesentliche Tätigkeit" eines zulassungspflichtigen Handwerks wird von dem Antragsteller auch handwerksmäßig und nicht nur im Rahmen eines handwerklichen Hilfs- oder Nebenbetriebes in unerheblichem Umfang betrieben. Dass Gleiches auch für das Anbringen der lackierten Teile an Kraftfahrzeugen gilt, hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt; hierauf wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen. Ohne Eintragung in die Handwerksrolle darf der Antragsteller diese Tätigkeiten daher nicht ausüben.
In dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf den insoweit ebenfalls nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen wird, ist weiterhin zutreffend dargelegt geworden, dass § 1 HwO verfassungskonform ist und die Anwendung der Handwerksordnung nicht zu einer unzulässigen sog. "Inländerdiskriminierung" führt. Diese Ausführungen gelten auch nach Erlass des o.a. Änderungsgesetzes vom 24. Dezember 2003 fort (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.4.2004 - 6 B 5.04 -, m.w.N.), zumal nunmehr mit der in § 7b HwO vorgesehenen Ausübungsberechtigung für zulassungspflichtige Handwerke eine erweiterte Möglichkeit besteht, als "Altgeselle" ohne Meisterprüfung selbstständig ein zulassungspflichtiges Handwerk auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene weder einen Antrag gestellt noch das Beschwerdeverfahren durch einen sachdienlichen Vortrag gefördert hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 GKG i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1, § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG a.F.).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 GKG i.V.m. §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F..
Meyer-Lang
Kurbjuhn