Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.03.2004, Az.: 11 K 38/03
Anspruch auf Kürzung der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer ; Restrikitve Auslegung der Subventionsnormen entsprechend ihrem Begünstigungszweck ; Voraussetzungen für das Vorliegen eines zusammenhängenden Arbeitsverhältnisses
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.03.2004
- Aktenzeichen
- 11 K 38/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 14004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0318.11K38.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 41a Abs. 4 EStG
- § 23 SeemG
- § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
- § 1 Abs. 1 S. 1 LStDV
- § 1 Abs. 2 LStDV
Fundstellen
- DStR 2004, VIII Heft 34 (amtl. Leitsatz)
- DStRE 2004, 1075-1078 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2004, 1456-1458
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
§ 41a Abs. 4 EStG ist eine Subventionsnorm zur Förderung der Seeschifffahrt. Derartige Normen sind entsprechend ihrem Begünstigungszweck restriktiv auszulegen.
- 2.
Die Norm ist unter Berücksichtigung des Regelungszwecks, der systematischen Stellung im Lohnsteuerrecht und ihrer Entstehungsgeschichte dahin auszulegen, dass sich die entsprechenden Arbeitnehmer in einem aktiven Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen befinden müssen.
- 3.
Zum Begriff des zusammenhängenden Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 41a Abs. 4 EStG.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin für Lohnsteuer, die sie von ihren Arbeitnehmern einbehalten und nach§ 41 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht angemeldet und abgeführt hat, nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG zur Haftung herangezogen werden kann.
Die Klägerin betreibt das Seeschiff MS "M" unter deutscher Flagge in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Ihr Komplementär M ist nach dem Gesellschaftsvertrag mit der Bereederung des Schiffes beauftragt. Neben seiner Beteiligung an der Klägerin ist M. auch Komplementär der MS "D" M KG (KG), die ebenfalls ein entsprechendes Schiff unter deutscher Flagge unterhält.
Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung durch den Beklagten für den Zeitraum 1. Januar 1999 bis 30. September 2001 stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin für die von ihr beschäftigten Seeleute bei der Abführung der Lohnsteuer den Kürzungsbetrag nach § 41 a Abs. 4 EStG in Anspruch genommen hatte. Die vorgelegten Heuerscheine wiesen die Klägerin als Arbeitgeberin der Seeleute aus. Nach den vorgelegten Dokumenten waren teilweise befristete Arbeitsverhältnisse von drei bzw. sechs Monaten zwischen der Klägerin und ihren Beschäftigten vereinbart worden, teilweise waren die Arbeitsverhältnisse unbefristet.
Der Prüfer stellte fest, dass einige der Seeleute nicht durchgehend auf dem Schiff der Klägerin tätig gewesen waren. Tatsächlich wurden die Seeleute auch auf dem Schiff der KG eingesetzt und erhielten für diese Zeiten von dieser KG die entsprechende Heuer. Nach einer derartigen Unterbrechung wurden die Seeleute dann wieder bei der Klägerin auf ihrem Schiff beschäftigt, ohne dass ein neuer Heuerschein ausgestellt wurde. Schriftliche Kündigungen der Klägerin oder ihrer Seeleute bei einem bevorstehenden Wechsel fand der Prüfer nicht vor. Die während der Zeit auf der MS "M" entstandenen Ansprüche auf Urlaubsgeld wurden bei einem Wechsel auf die MS "D" nicht abgegolten.
Der Prüfer ging davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer nach§ 41 a Abs. 4 EStG bei diesen Seeleuten nicht erfüllt seien, sofern die ununterbrochene tatsächliche Beschäftigungsdauer auf der MS "M" nicht mehr als 183 Tage betragen hatte.
Auf der Grundlage des Prüfungsberichts nahm der Beklagte die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG als Haftende in Anspruch und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid. Zur Begründung seines Entschließungsermessens verwies er auf den Umstand, dass die Klägerin die einbehaltene Lohnsteuer nicht vollständig abgeführt habe. Die Inanspruchnahme anstelle der Arbeitnehmer wurde auf die Erwägung gestützt, dass die betreffenden Lohnsteuerbeträge bei diesen nicht nachgefordert werden könnten.
Gegen den Haftungsbescheid erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung verwies sie zunächst darauf, dass M mit der Bereederung beider Schiffe beauftragt worden und daher als Arbeitgeber der Besatzungsmitglieder anzusehen sei. Zwischen ihm und den Seeleuten sei ein zusammenhängendes Arbeitsverhältnis begründet worden, das durch den Einsatz der Arbeitskräfte auf den beiden Schiffen nicht unterbrochen worden sei. Selbst wenn man die beiden Gesellschaften als Arbeitgeberinnen ansehen würde, läge ein so genannter Gruppenheuervertrag vor, den die beiden Gesellschaften gemeinsam mit den Seeleuten abgeschlossen hätten. Dies folge schon daraus, dass nur bei der erstmaligen Begründung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses ein Heuerschein ausgestellt worden sei. Bei einem Schiffwechsel sei das Arbeitsverhältnis deshalb nicht beendet und ein neues begründet worden; vielmehr sei dieser nur als unschädliche Unterbrechung anzusehen. Zumindest müssten die Kürzungsbeträge bei Arbeitsverhältnissen gewährt werden, die sich erst nach dem Prüfungszeitraum auf einen Zeitraum von mehr als 183 Tagen verlängert hätten.
Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Der Beklagte erkannte für die Monate Juli bis September 2001 Kürzungsbeträge in Höhe von xxx DM nachträglich an. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht ergänzend zur ihrer bisherigen Begründung geltend, der Beklagte habe keinen Haftungsbescheid erlassen dürfen. Vielmehr hätte ihre Inanspruchnahme analog zur Regelung bei der pauschalen Lohnsteuer im Wege eines Nachforderungsbescheids erfolgen müssen. Zwar werde nunmehr die Auffassung des Beklagten geteilt, dass die beiden Einschiffgesellschaften jeweils Arbeitsverhältnisse mit den Seeleuten abgeschlossen hätten und deshalb als Arbeitgeber anzusehen seien. Die separaten Arbeitsverhältnisse seien aber nicht bei einem Wechsel beendet worden, denn eine Beendigung setze nach den Bestimmungen des Seemannsgesetzes (SeemG) eine schriftliche Kündigung voraus. Auch sofern ursprünglich befristete Arbeitsverhältnisse vorgelegen hätten, seien diese stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Damit hätten zusammenhängende Arbeitsverhältnisse von mehr als 183 Tagen vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie von der Lohnsteuer abzusetzende Beträge für die Zeit von Januar 1999 bis September 2001 vom xxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xxx aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Zur Begründung weist sie ergänzend auf R 133 Abs. 5 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 2003 und ein Rundschreiben des Verbands Deutscher Reeder vom 30. Juni 1999 hin.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Haftungsbescheid vom xxx in Gestalt des Einspruchsbescheids vom xxx ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Kürzungsbetrag nach § 41 a Abs. 4 EStG stand der Klägerin nicht zu, soweit er Löhne an Seeleute betraf, die in einem zusammenhängenden Zeitraum von nicht mehr als 183 Tagen auf ihrem Schiff aktiv beschäftigt waren. Der Beklagte war berechtigt, die zu Unrecht nicht an ihn abgeführten Lohnsteuern durch einen Haftungsbescheid festzusetzen. Die dabei getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden.
Die Vorschrift des § 41 a Abs. 4 EStG ist eine Subventionsnorm zur Förderung der Seeschifffahrt. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Schifffahrtsanforderungen in der Seeschifffahrt an den internationalen Standard 1998 in das Einkommensteuergesetz eingefügt und sollte die Senkung der Schiffsbetriebskosten den maritimen Standort Deutschland sichern (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr vom 31. März 1998, BT-Drs. 13/10271). Derartige Subventionsnormen sind entsprechend ihrem Begünstigungszweck restriktiv auszulegen. Die Begünstigung der Reeder gegenüber anderen Arbeitgebern ist unter Berücksichtigung des Gleichheitsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nur insoweit sachlich vertretbar, als dadurch den besonderen Verhältnissen dieses Wirtschaftszweigs Rechnung getragen werden soll (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 17. Februar 1995 VI R 51/94, BStBl II 1995, 392 zur Subventionsvorschrift des § 40 a Abs. 3 EStG). Unter Berücksichtigung des Regelungszwecks, der systematischen Stellung der Norm im Lohnsteuerrecht und ihrer Entstehungsgeschichte ist sie dahingehend auszulegen, dass sich die entsprechenden Arbeitnehmer in einem aktiven Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen befinden müssen und daher Unterbrechungen durch eine einvernehmliche Vereinbarung zum Ruhen eines Arbeitsverhältnisses schädlich sind (so im Ergebnis auch Heuermann, in: Blümich/Falk, EStG-KStG, Loseblattsammlung, Stand: März 2003, § 41 a EStG Rn. 42).
Die wörtliche Auslegung der Norm ergibt allerdings kein eindeutiges Ergebnis. Nach § 41 a Abs. 4 Satz 1 EStG müssen die Besatzungsmitglieder in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigt sein. Um den Bedeutungsgehalt einer Norm zu ermitteln, ist nach allgemeiner Ansicht zunächst auf den Wortsinn ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen zu beginnen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das Gesetz das will, was dem Wortsinn seiner Vorschrift entspricht (vgl. Gersch, in: Klein, AO, 8. Aufl. 2003, § 4 Rn. 27; Kruse/Drüen, in: Tipke/Kruse, AO-FGO, Loseblattsammlung, Stand: März 2003, § 4 AO Tz. 261). Möglich erscheint es dabei, das Merkmal der Beschäftigung zivilrechtlich in dem Sinne zu verstehen, dass ein zusammenhängendes Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Arbeitsvertrages von mehr als 183 Tagen bestehen muss, auf Grund dessen der jeweilige Arbeitnehmer tätig ist und Lohn bezieht, wobei die Dauer der tatsächlichen Tätigkeit unerheblich ist.
Der Klägerin ist auch zuzustimmen, dass sie bei einer derartigen Interpretation des § 41 a Abs. 4 EStG einen Anspruch auf Kürzung der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer hätte. Die von ihr durch die entsprechenden Verträge geschlossenen Arbeitsverhältnisse sind durch den vorübergehenden Wechsel der Arbeitnehmer auf das Schiff der KG nicht beendet worden. Nach § 23 SeemG werden Heuerverhältnisse zwischen Reeder und Besatzungsmitglied entweder auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen. Ob eine Befristung vereinbart wurde, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SeemG im Heuerschein festzulegen. Teilweise weisen die Heuerscheine auch entsprechende Eintragungen aus. Soweit im Übrigen in den Heuerscheinen die Kästchen zur Frage, ob ein befristetes oder ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, nicht explizit ausgefüllt wurden, wäre es denkbar, dass eine Befristung auf die Dauer der jeweiligen kleinen Fahrt nach § 622 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbart worden ist. In jedem Fall aber sind die Arbeitsverhältnisse ohne Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, der durch einen neuen Heuerschein hätte dokumentiert werden müssen, verlängert und damit in unbefristete Arbeitsverhältnisse überführt worden (§ 625 BGB). Unbefristete Arbeitsverhältnisse können nur durch schriftliche ordentliche Kündigung nach§ 62 SeemG oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages beendet werden. Derartige Willenserklärungen wurden nach dem Vortrag der Klägerin nicht abgegeben und sind auch nach Aktenlage nicht erkennbar.
Der einverständliche vorübergehende Wechsel der Arbeitnehmer zur KG unter Aufnahme einer Beschäftigung dort mit entsprechendem Anspruch auf Heuer ist nicht zwingend als Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Klägerin zu interpretieren. Arbeitsrechtlich können die Vertragsparteien einen Arbeitsvertrag einvernehmlichändern und die Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers unter gleichzeitiger Aufhebung seines Lohnanspruchs vorübergehend oder endgültig aufheben (vgl. Blomeyer, in: Richardi/Wlotzke [Hrsg.], Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 1992, § 47 Rn. 4, 21 ff.). Das Arbeitsverhältnis wird dadurch hinsichtlich dieser beiden Hauptpflichten der Vertragsparteien zum Ruhen gebracht, erlischt allerdings nicht. Aus dem Verhalten der Klägerin und ihrer Besatzungsmitglieder ist zu folgern, dass sie derartige Änderungsverträge geschlossen hatten, denn die Arbeitnehmer wurden für die Zeit der Beschäftigung bei der MS "D" von ihrer Dienstleistungspflicht nach § 29 Abs. 1 SeemG freigestellt unter Wegfall ihres Anspruchs auf Heuer gegenüber der Klägerin. Dafür spricht, dass die erdienten Ansprüche auf Urlaubsgeld nicht vor dem Wechsel ausgezahlt wurden, sondern offen blieben, bis das Besatzungsmitglied wieder bei der MS "M" beschäftigt wurde.
Denkbar ist jedoch auch, dass das Tatbestandsmerkmal der Beschäftigung in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen enger auszulegen ist in dem Sinne, dass ein aktives Arbeitsverhältnis mit einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohn für zu leistende Arbeit vorausgesetzt wird. Auch dieses Auslegungsergebnis, dem eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde liegt, hält sich im Rahmen des möglichen Wortsinns der Norm, und stellt eine zulässige Interpretation dar.
Eine systematische Auslegung des § 41 a Abs. 4 EStG im Vergleich mit § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) ergibt, dass die Norm in dem beschriebenen engeren wirtschaftlichen Sinne zu interpretieren ist. Bei der Auslegung einer Norm nach ihrer Stellung im Gesetz wird ermittelt, in welchem Zusammenhang sie innerhalb des Regelungsgefüges steht. Grundlage hierfür ist die Vermutung, dass ein Gesamtgesetz ein sinnvolles Ganzes darstellt und auf innere Widerspruchsfreiheit angelegt ist (vgl. Kruse/Drüen, in: Tipke/Kruse, AO-FGO, § 4 AO Tz. 268 f.). § 41 a Abs. 4 EStG ist eine Vorschrift, die sich mit der Abführung von Lohnsteuern auseinandersetzt, die bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit durch den Arbeitgeber bei Zufluss des Arbeitslohns einzubehalten, und bei Fälligkeit anzumelden und abzuführen ist (§§ 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 41 a Abs. 1 EStG). Sie steht in einem Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit definiert, und § 1 LStDV, der diese Definition ergänzend klarstellt. Voraussetzung für das Vorliegen einer Einnahme nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, dass der Vorteil "für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst" gewährt wird. Arbeitnehmer sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV Personen, die "imöffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren".
Bei der Auslegung der Voraussetzungen dieser Normen ist nach der Rechtsprechung des BFH zu berücksichtigen, dass das EStG nicht ohne Weiteres die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten übernommen hat. Vielmehr sind die Voraussetzungen unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Besonderheiten auszulegen (vgl. BFH, Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl II 1999, 534, 537 m.w.N.; Drenseck, in: Schmidt, EStG, 22. Aufl. 2003, § 19 Rn. 4; Giloy, in: Kirchhof/Söhn, EStG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2003,§ 19 Rn. B 13). Für den Bereich des Steuerrechts ist für die Beurteilung einer Arbeitnehmerstellung nicht so sehr die vertragliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses entscheidend als vielmehr die tatsächliche wirtschaftliche Durchführung, insbesondere die Art der geleisteten Arbeit (BFH, Urteile vom 29. September 1967 VI R 158/65, BStBl II 1968, 84, 86; vom 4. Mai 1972 IV R 35/69, BStBl II 1972, 618, 620; vom 14. Juni 1985 VI R 150 - 152/82, BStBl II 1985, 661, 663). Mit dem gesetzlichen Merkmal "Beschäftigung" wird somit klargestellt, dass die tatsächlich geleistete Tätigkeit des Betroffenen für die steuerrechtliche Beurteilung heranzuziehen ist, somit auch eine solche Tätigkeit vorhanden sein muss (vgl. Giloy, in: Kirchhof/Söhn, EStG,§ 19 Rn. B 113).
Mit dieser Auslegung stimmt auch der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG überein, der einen finalen Zusammenhang zwischen den Vorteilen und der geleisteten Beschäftigung fordert und ergänzend hierzu in § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG festlegt, dass darüber hinaus auch Vorteile für frühere Dienstleistungen erfasst werden sollen. Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn ist somit die Leistung der geschuldeten Dienstleistungen, für deren Erbringung der Leistungsempfänger ein entsprechendes Entgelt erbringt.
Die Berücksichtigung des mit der Einführung des§ 41 a Abs. 4 EStG verfolgten Zwecks der Förderung der deutschen Seeschifffahrt durch eine entsprechende Subvention im Rahmen einer Auslegung nach Sinn und Zweck stützt das Ergebnis, dass ein durchgängiges aktives und nicht suspendiertes Arbeitsverhältnis erforderlich ist. Mit der Norm sollten Reeder unterstützt werden, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe unterhalten, die in einem inländische Seeschiffsregister eingetragen sind, die deutsche Flagge führen und auf Hoher See betrieben werden. Die Norm bezweckte eine unmittelbare Entlastung der Reeder hinsichtlich der Lohnkosten für deutsche Seeleute, die arbeitsplatzbezogen wirken und so Investitionen in vorhandene und neue Arbeitsplätze ermöglichen sollte (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr vom 31. März 1998, BT-Drs. 13/10271 und Beschluss des Finanzausschusses vom 28. April 1998, BR-Drs. 342/1/98). Diese Zielsetzung könnte unterlaufen werden, wenn ein Besatzungsmitglied bei bestehendem, aber ruhendem Arbeitsverhältnis vorübergehend eine Aushilfstätigkeit auf einem nicht von der Norm begünstigten Schiff ausüben würde (vgl. Voß/Unbescheid, DB 1998, S. 2341, 2343). Die Subventionierung der Reeder zum Zwecke der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen im internationalen Wettbewerb der Hochseeflotten würde nicht konsequent umgesetzt, wenn entsprechende Arbeitsplätze nicht auf Dauer - also mehr als 183 Tagen - besetzt werden müssten.
Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht schließlich für die einschränkende Auslegung der Norm. In den Beratungen des Ausschusses für Verkehr im Deutschen Bundestag zum Gesetzgebungsverfahren wurde die Vorschrift noch in der Fassung diskutiert, wonach die Besatzungsmitglieder an mehr als 183 Tagen auf solchen Schiffen "tätig" sein mussten. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass eine arbeitsplatzbezogene Subventionierung beabsichtigt sei. In den Empfehlungen des Finanzausschusses wurde diese Voraussetzung insoweit verschärft, als die 183-Tage-Frist in einem Kalenderjahr vorliegen musste. Warum dann die Fassung letztlich geändert und auf eine Beschäftigung in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen abgestellt wurde, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Es erscheint aber ausgeschlossen, dass der historische Gesetzgeber in erheblichem Umfang von seiner ursprünglichen Intention abweichen wollte.
Der Beklagte war berechtigt, die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG zur Haftung für die nicht angemeldeten und abgeführten Lohnsteuerbeträge heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift haftet ein Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die Haftung knüpft damit an einen Verstoß des Arbeitgebers bei seinen Verpflichtungen zur Einbehaltung der Lohnsteuer bei der Auszahlung des Arbeitslohns (§ 38 Abs. 3 EStG) und zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuern nach § 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG an. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber gegen beide Verpflichtungen gleichzeitig verstoßen hat, auch die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuer erfüllt für sich den Haftungstatbestand (vgl. Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 42 d Rn. 3). Die Klägerin ist im vorliegenden Fall ihrer Verpflichtung zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer nicht vollständig nachgekommen, indem sie zu Unrecht von der Möglichkeit der Kürzung der abzuführenden Beträge nach § 41 a Abs. 4 EStG Gebrauch gemacht hat.
Die Ermessensentscheidung im Haftungsbescheid ist nicht zu beanstanden. Das Entschließungsermessen wurde mit dem Hinweis begründet, dass die Klägerin als Arbeitgeberin es unterlassen hat, die von ihr einbehaltenen Lohnsteuern an den Beklagten vollständig abzuführen. Die Entscheidung, sie anstelle der Arbeitnehmer als Haftende in Anspruch zu nehmen, weil die Lohnsteuer bereits bei den Lohnzahlungen einbehalten worden ist, ist vor dem Hintergrund des § 42 d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.