Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.03.2004, Az.: 6 K 201/02

Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA); Lohnzuschläge für Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und Nachtarbeit unter dem Aspekt einer verdeckten Gewinnausschüttung; Begriff des "sonstigen Bezuges" im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung; Erfassung von steuerfrei gezahlten Überstundenvergütungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.03.2004
Aktenzeichen
6 K 201/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 31865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0318.6K201.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 14.10.2004 - AZ: I B 106/04

Fundstelle

  • NWB direkt 2005, 7

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) wegen der an die Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Lohnzuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.

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Gegenstand der mit Vertrag vom ... 1998 gegründeten Klägerin ist der Betrieb eines Hotels mit Restaurant, Kino, Kiosk und Imbiss. Am Stammkapital von 200.000 DM sind beteiligt CH und UH mit jeweils 52.000 DM, HR mit 76.000 DM und d.h. mit 20.000 DM. UH und HR wurden zu Geschäftsführern bestellt. In § 2 des jeweiligen Geschäftsführervertrages ist die Aufgabenstellung des Geschäftsführers im Einzelnen beschrieben. Beide Geschäftsführer erhalten ein monatliches Festgehalt i.H.v. 5.000 DM (UH) bzw. 5.650 DM (HR). Neben dieser Vergütung erhalten die Geschäftsführer jeweils Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge in der in § 3 b EStG bestimmten Höhe. Bei der Berechnung der Zuschläge ist laut Vertrag von einer tariflichen Arbeitszeit von 173 Monatsstunden (40 Wochenstunden) auszugehen. Die Zuschläge werden in den Lohnabrechnungen gesondert ausgewiesen. Die Ableistung der betreffenden Arbeit hat der Geschäftsführer nachzuweisen. Die Geschäftsführer erhalten zusätzlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie unter näher bezeichneten Bedingungen eine Tantieme. Für die Einzelheiten wird auf § 6 des jeweiligen Vertrages bzw. auf die Vereinbarungen über die Tantiemen verwiesen.

3

Bei einer Außenprüfung stellte das Finanzamt (FA) fest, dass die Geschäftsführer im Streitjahr 1999 4.285,32 DM (UH) bzw. 10.791,08 DM (HR) als steuerfreie Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge erhalten hatten.

4

Das FA wertete diese steuerfreien Zahlungen im Hinblick auf die dazu ergangene BFH-Rechtsprechung als vGA (15.076 DM) bzw. als andere Ausschüttung i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG a.F. und erließ unter dem ... 2001 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid. Den Einspruch wies es mit Bescheid vom ... 2002 zurück.

5

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie trägt vor, die Geschäftsführer seien aufgrund ihrer Arbeitnehmereigenschaft an Zeitvorgaben gebunden. Wenn die Geschäftsführer einerseits Arbeitnehmer hinsichtlich aller Einschränkungen beim Steuerabzug und der Sozialversicherung seien, weiter im Anstellungsvertrag feste Zeiten vereinbart seien, so müsse auch konsequenterweise bei angeordneter Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit die Steuerbefreiung nach § 3 b EStG gewährt werden. Anderen Mitarbeitern der Klägerin seien entsprechende Leistungen ohne Beanstandung durch das FA gewährt worden.

6

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 1999 über Körperschaftsteuer vom ... 2001 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom ... 2002 zu ändern und die Steuer unter Außerachtlassung des Ansatzes von vGA i.H.v. 15.076 DM anderweitig festzusetzen.

7

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es hält an seiner Auffassung fest und verweist auf die Rechtsprechung des BFH.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das FA hat die streitigen Zuschläge zu Recht als vGA behandelt.

10

Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) mindern vGA das Einkommen der Körperschaft nicht. Unter einer vGA i.S. dieser Vorschrift ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhindert Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nicht-Gesellschafter nicht gewährt hätte. Die Annahme einer vGA setzt zusätzlich voraus, dass die Unterschiedsbetragsminderung bei der Körperschaft die Eignung hat, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auszulösen (BFH-Urteil vom 7. August 2002 I R 2/02, GmbH R 2003, 118 m.w.N.).

11

Der BFH hat wiederholt entschieden, dass eine Vereinbarung zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer über die gesonderte Vergütung von Überstunden grundsätzlich nicht dem entspreche, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH mit einem Fremd-Geschäftsführer vereinbaren würde. Dies indiziere die Veranlassung der Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis. Das gelte auch für Fälle, in denen die Überstundenvergütung an mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlt werde und die Geschäftsführer keine Ansprüche auf eine Gewinntantieme hätten. Der BFH hat sich bei seinen Entscheidungen davon leiten lassen, dass sich die Vereinbarung einer gesonderten Vergütung von Überstunden in den Anstellungsverträgen der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers vertrage. Die GmbH-Gesellschafter vertrauten die Geschicke der Gesellschaft weitgehend den Geschäftsführern an, sie erwarteten von ihnen, dass sie sich mehr noch als andere Beschäftigte der GmbH für die Gesellschaft einsetzten und sich mit deren Wohl und Wehe identifizierten. Den Gesellschaftern komme es entscheidend auf das Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Geschäftsführers an und nicht - jedenfalls nicht vorrangig - darauf, dass der Geschäftsführer eine bestimmte Anzahl von Stunden für die GmbH tätig sei. Deshalb erwarteten sie, dass er die ihm übertragenen Aufgaben auch dann erfülle, wenn er dazu die etwaigen für die anderen Beschäftigten der GmbH geltenden Arbeitszeiten überschreiten müsse. Das gelte nicht nur für Geschäftsführer, die ausschließlich geschäftsleitende Aufgaben wahrzunehmen hätten. Es sei unerheblich, ob der Geschäftsführer dieÜberstundenvergütung statt einer Gewinntantieme erhalte. Die Regelung der Steuerfreiheit bestimmter Zahlungen in § 3 b EStG stehe der Annahme von vGA nicht entgegen, denn der sachliche Anwendungsbereich des § 3 b EStG beschränke sich auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, erfasse aber nicht vGA, da diese bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer zu Einkünften aus Kapitalvermögen führten. Die Erfassung von steuerfrei gezahlten Überstundenvergütungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes im Hinblick darauf, dass bei einem Fremd-Geschäftsführer derartige Leistungen nicht zu vGA führten (BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 40/00, BStBl II 2001, 655 m.w.N.).

12

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung und überträgt in eigener ständiger Rechtsprechung die Grundzüge der Entscheidungen des BFH zu steuerfrei gewährtenÜberstundenvergütungen auf steuerfrei gewährte Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge (so auch BFH-Beschluss vom 19. Juli 2001 I B 14/00, BFH/NV 2001, 1608). Von der Interessenlage der GmbH einerseits und des Gesellschafter-Geschäftsführers andererseits bestehen keine inhaltlichen Unterschiede danach, ob eine Zulage für Überstunden oder für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gewährt wird. Das gilt auch, wenn wegen der besonderen Eigenart des Unternehmensgegenstands einer Körperschaft von dem Gesellschafter-Geschäftsführer Arbeit typischerweise auch an Sonntagen, Feiertagen und in der Nacht geleistet wird, wie dies im Hotel- und Gaststättengewerbe der Fall ist.

13

Die Entscheidung des FG Nürnberg vom 4. November 2003, DB 2004, 254 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung führt aus, dass die Gewährung steuerfreier Zuschläge zusätzlich zum Festgehalt und zu einer Gewinntantieme dann nicht zum Ansatz von vGA führt, wenn erst durch die Zuschläge der Gesellschafter-Geschäftsführer eine angemessene Gesamtvergütung erreicht (gegen das Urteil ist Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH I R 111/03). Das Gericht braucht nicht darüber zu befinden, ob es dieser Entscheidung folgt. Im zu entscheidenden Fall bestehen nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer erst durch die Zuschläge eine angemessene Gesamtvergütung erreichen. Diese haben ein Festgehalt von 5.000 DM bzw. 5.650 DM monatlich sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten. Eine Tantieme ist im Streitjahr 1999 bei einem in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn von 13.000 DM offenbar nicht gezahlt worden; jedenfalls stand den Gesellschafter-Geschäftsführern nach den Tantiemevereinbarungen bis zu einem Gewinn von 20.000 DM keine Tantieme zu. Allein die Gewährung des Festgehalts ist hier im Hinblick auf den verbleibenden Gewinn der Klägerin als angemessen anzusehen.

14

Die streitigen Leistungen an die Gesellschafter-Geschäftsführer sind andere Ausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. Das FA hat zu Recht die Ausschüttungsbelastung hergestellt.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.