Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.03.2004, Az.: 9 K 121/98

Abziehbarkeit von Abbruchkosten und Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Werbungskosten als durch die mit der Einkunftsart wirschaftlich verbundene Betätigung veranlasste Aufwendungen; Maßgeblichkeit des Zusammenhangs der Aufwendungen mit den Einnahmen; Maßgeblichkeit der vorherigen Nutzung des (abgebrochenen) Objekts für die Abziehbarkeit von Abbruchkosten und AfaA

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.03.2004
Aktenzeichen
9 K 121/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 30839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0317.9K121.98.0A

Fundstellen

  • BBV 2005, 4
  • NWB direkt 2005, 3

Redaktioneller Leitsatz

Abrisskosten und Abschreibungen für außergewöhnliche Abnutzung gehören zu den nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der vorherigen Vermietung besteht. Der wirtschaftliche Zusammenhang wird auch nicht dadurch unterbrochen, dass die Abbrucharbeiten wegen eines möglichen Verkaufs des Grundstücks eingestellt und später wieder aufgenommen werden.

Tatbestand

1

Im Rahmen der (Zusammen-)Veranlagung zur Einkommensteuer für 1996 ist streitig, ob Abbruchkosten und Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung - AfaA - als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind.

2

Die Klägerin erwarb im Mai 1985 im Wege der Erbauseinandersetzung das alleinige Eigentum an dem an einen Brennstoffhandel vermieteten Geschäftsgrundstück. Auf dem Grundstück befanden sich neben einem Wohnhaus und einer Scheune, beide um 1900 erbaut, Garagen aus dem Jahre 1930 und eine Halle aus dem Jahre 1970.

3

Als dieser Mietvertrag in 1987 endete, stand das Grundstück in der Folgezeit größtenteils leer. Die Klägerin konnte lediglich von Zeit zu Zeit einzelne kleinere Wohnungen vermieten. Eine weitere Vermietung des gesamten Grundstücks an einen Fuhrunternehmer gelang erst in 1989. In dieser Zeit wurde das Grundstück nicht nur für das Fuhrunternehmen genutzt, sondern es befand sich auch ein An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, die Mieter warteten Autos für Stock-Car-Rennen und führten Auto-Crash-Veranstaltungen durch. Nachdem die Mietzahlungen ausblieben und die Mieter begannen, Teile des Grundstücks zu demontieren und zu verwerten - sie entfernten die gesamte Hofpflasterung und verkauften sie -, kündigte die Klägerin den Vertrag, erhielt den Besitz des Grundstücks aber erst im Jahre 1993 auf Grund einer Räumungsklage zurück.

4

Nachdem die Klägerin zunächst ohne eine entsprechende Genehmigung mit dem Abbruch der Gebäude begonnen hatte, setzte sie diesen nach Erhalt der Abrissgenehmigung für sämtliche Gebäude im Mai 1994 fort, sah dann jedoch von ihrem Vorhaben ab und ließ die verbleibenden Bauten in halb abgebrochenem Zustand stehen. Verkaufsversuche in der Folgezeit blieben erfolglos.

5

Im März 1995 schaltete sich erstmals die Stadt ein und wies die Klägerin darauf hin, ihre Baustelle ordnungsgemäß herzurichten. Im Dezember 1995, nur kurze Zeit nachdem die Stadt die Klägerin auf den Rattenbefall ihres Grundstücks und die erforderliche Bekämpfung hingewiesen hatte, erfolgte eine Anhörung der Klägerin. Die Stadt drohte ihr den Erlass einer kostenpflichtige Ordnungsverfügung mit der Verpflichtung zum vollständigen Abbruch der Garagen, der Lagerhalle und der Scheune an. Daraufhin ließ die Klägerin im Januar 1996 die restlichen Gebäudeteile durch ein von ihr beauftragtes Abbruchunternehmen abreißen.

6

Nachdem weitere Verkaufsversuche in der Folgezeit erfolglos blieben, stellte die Klägerin im Mai 1997 eine Voranfrage zum Bau eines Wohn- und Geschäftshauses. Sie erhielt daraufhin einen Bauvorbescheid mit ganz erheblichen kostenintensiven Auflagen betreffend die Zu- und Abfahrt des Grundstücks, was sie veranlasste, die Baupläne aufzugeben. Im April 1998 verkaufte sie schließlich das Grundstück.

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In ihrer Einkommensteuererklärung 1996 beantragten die Kläger, die Abbruchkosten und die AfaA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu, da sie ihre Ursache nicht in der Erzielung von Einkünften, sondern im privaten Vermögensbereich gehabt hätten. Der Einspruch blieb erfolglos.

8

Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiterhin die Anerkennung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten. Sie tragen vor, es habe ein Vollverschleiß der Gebäude vorgelegen. Der Abriss sei erforderlich geworden, da sich das Grundstück nicht mehr hätte vermieten lassen, Vermietungsversuche seien erfolglos geblieben. Die Vermietungsabsicht sei jedoch nie endgültig aufgegeben worden, auch wenn einzelne Verkaufsversuche unternommen worden seien. Zudem seien diese Verkaufsversuche für den Abriss völlig unerheblich gewesen, da sich die Abrisskosten in jedem Fall auch im - dann entsprechend geringeren - Kaufpreis niedergeschlagen hätten.

9

Die Kläger beantragen,

die Steuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ... und Änderung des Bescheids vom ... auf ... DM herabzusetzen.

10

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Abbrucharbeiten mit der vorhergehenden Vermietung sei nicht vorhanden, insbesondere auf Grund des zeitlichen Auseinanderfallens der letztmaliger Vermietung in 1993 und dem endgültigen Abbruch in 1996.

12

Das Gericht hat die Bauakten der Stadt betreffend das Grundstück ... gemäß § 86 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) beigezogen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist begründet.

14

Die entstandenen Abbruchkosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und die AfaA nach § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 7 Abs. 4 S. 3, Abs. 1 S. 5 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.

15

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1, 2 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind. Unter den Begriff der Werbungskosten fallen darüber hinaus nach ständiger Rechtsprechung des BFH alle Aufwendungen, die durch die mit dieser Einkunftsart verbundene wirtschaftliche Betätigung veranlasst sind. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einnahmen ist maßgebend (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. März 1981 VIII R 195/77 BStBl II 81, 470; Entscheidung des Großen Senats vom 4. Juli 1990 2-3/88 BStBl II 90, 817, unter C II 2 b, bb). Dieser wirtschaftliche Zusammenhang ist auch für so genannte nachträgliche Werbungskosten - Aufwendungen, die nach Aufgabe einer mit Einnahmeerzielungsabsicht verbundenen Tätigkeit entstanden sind - maßgebend ( vgl. Thürmer in Blümich EStG § 9 Rz. 167).

16

Vorliegend gehören sowohl die Abrisskosten wie auch die AfaA zu den nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, da ein wirtschaftlicher Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der vorherigen Vermietung bestand. Der maßgebliche Grund für den Abriss der Gebäude war nämlich während der Vermietung des Grundstücks entstanden (vgl. Urteil des BFH vom 26. Juni 2001 IX R 22/98, nicht veröffentlicht).

17

Die Gebäude waren nicht nur auf Grund des Alters, sondern insbesondere auch wegen der sehr grundstücksbelastenden Nutzung der Mieter, sowohl des Brennstoffhandels wie auch des Fuhrunternehmers, spätestens nach der letzten Vermietung in 1993 endgültig verbraucht, eine weitere Vermietung war nicht mehr möglich.

18

Das Grundstück befand sich nicht erst nach Beendigung der letzten Vermietung in 1993 in einem sehr verwahrlosten, nicht mehr vermietbaren Zustand. Dieser schlechte Zustand zeigte sich bereits in 1987 bei Beendigung des Mietvertrages mit dem Brennstoffhandel, da die Klägerin das Grundstück nur mit großer Mühe noch einmal vermieten konnte, zunächst nur einzelne kleinere Wohnungen und erst 2 Jahre später, 1989, das gesamte Grundstück. Auch die Nutzung in der Folgezeit durch die neuen Mieter belasteten das Grundstück in erhöhtem Maße, insbesondere durch das Herrichten und Warten und das damit in Zusammenhang stehende Probefahren der schrottreifen Autos, der Stock-Cars, sowie dem eigenmächtigen Handeln der damaligen Mieter, der Demontage und Verwertung einzelner Grundstücksteile (z.B. der gesamten Pflasterung).

19

Auch wenn die Klägerin die in 1994 begonnenen Abbrucharbeiten zunächst wieder einstellte, halb abgerissene Gebäudeteile auf dem Grundstück beließ und zunächst versuchte, das Gelände zu veräußern, ändert dies nichts an dem wirtschaftlichen Zusammenhang der restlichen Abbrucharbeiten in 1996 mit der ursprünglichen Vermietung. Die Kläger haben lediglich das fortgesetzt, was sie bereits in 1994 begonnen hatten. Maßgebend für den endgültigen Abbruch der Gebäude war auch hier ihr schlechter Zustand auf Grund des Alters und der vorherigen Vermietungen. Die Gebäude waren verbraucht, das Grundstück war in einem verwahrlosten Zustand, es war von Ratten befallen. Dieser verwahrloste Zustand des Grundstücks wird noch einmal besonders in dem behördlichen Druck bestätigt, den die Bauverwaltung gegenüber der Klägerin ausübte, in dem sie eine kostenpflichtige Ordnungsverfügung in Aussicht stellte, mit der die Klägerin zum Abbruch der verbleibenden Gebäude gezwungen werden sollte. Der endgültige Abbruch der restlichen Gebäudeteile war auch Folge dieser angedrohten Ordnungsverfügung, insbesondere da die Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Pläne für die weitere Nutzung des Grundstücks hatte. Neben verschiedenen Verkaufsversuchen, war auch die Vermietungsabsicht noch nicht endgültig aufgegeben, die Kläger haben selber in 1997 noch einmal eine Bauvoranfrage bezüglich eines größeren Wohn- und Geschäftshauses bei der Stadt ... gestellt.

20

Ein unmittelbarer Zusammenhang der Abbrucharbeiten mit dem zwei Jahre später erfolgten Verkauf des Grundstücks ist nicht gegeben. Die Kläger unternahmen unterschiedlichen Versuche, das Grundstück nach dem vollständigen Abbruch der Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen - verschiedene Verkaufsversuche und auch eigene Baupläne für ein größeres Mietwohn- und Geschäftsgrundstück.

21

Der dargestellte Zusammenhang der Abbruchkosten mit der vorherigen Nutzung des Gebäudes steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach für die Abziehbarkeit von Abbruchkosten und AfaA die vorherige Nutzung des (abgebrochenen) Objekts maßgebend bleibt. Wenn ein später abgebrochenes Gebäude zuvor auf einkommensteuerrechtlich bedeutsame Weise genutzt wurde, tritt der Zusammenhang des Abbruchvorgangs mit der späteren Herstellung eines neuen Gebäudes in den Hintergrund (Urteil des BFH vom 16.04.2002 IX R 50/00 BStBl. II 2002, 805). Dieser Grundsatz ist folgerichtig nicht nur auf die spätere Herstellung eines neuen Gebäudes beschränkt, sondern gilt ganz allgemein für jede vorstellbare spätere Nutzung: Maßgebend für die Abziehbarkeit bleibt die vorherige Nutzung, und zwar unabhängig davon, welches Schicksal das Grundstück später nimmt.

22

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.