Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.2010, Az.: 11 K 84/08

Kürzung einbehaltener Lohnsteuer bei Einschiffsgesellschaften; Abziehbarkeit von Lohnsteuer bei auf einem Handelsschiff beschäftigten Seeleuten i.R.e. zusammenhängenden Arbeitsverhältnisses von mehr als 183 Tagen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.09.2010
Aktenzeichen
11 K 84/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 28198
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0930.11K84.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 13.07.2011 - AZ: VI R 84/10

Fundstelle

  • EFG 2011, 530-533

Haftung für Lohnsteuer Januar 2000 bis Dezember 2004

Voraussetzungen für die Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 EStG bei Einschiffsgesellschaften - Einschiffsgesellschaft als Arbeitgeber

Tatbestand

1

Streitig ist die Anwendung des § 41a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Die Klägerin betreibt das im deutschen Seeschiffsregister (Nr. __ - Amtsgericht __) eingetragene Frachtmotorschiff (Containerschiff) MS "W" unter deutscher Flagge in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (MS "W" KG - KG), einer sog. Einschiffsgesellschaft.

3

Bis zum 31. Dezember 2001 war ihr Komplementär W für die Bereederung des Schiffs in seiner Eigenschaft als Komplementär zuständig. Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 übertrug die KG die Bereederungsaufgaben sodann auf die neu gegründete B GmbH & Co. KG (Bereederungs-KG) als "Vertragsreeder". Kommanditist der Bereederungs-KG und zugleich Geschäftsführer deren Komplementärin, der S GmbH, ist wiederum W. Die Bereederungs-KG erwarb zudem mit Wirkung zum 1. Januar 2002 einen Anteil in Höhe von nominal __ DM (0,008%) von dem Komplementäranteil des W (__ DM) an der KG.

4

Der Bereederungsvertrag vom 21. Januar 2002 lautet auszugsweise wie folgt:

§ 2

1.

Der Vertragsreeder nimmt im Namen der Gesellschaft oder im eigenen Namen alle Geschäfte und Rechtshandlungen vor, die der Geschäftsbetrieb der Reederei gewöhnlich mit sich bringt und welche im Interesse der Reederei erforderlich sind und bis dahin vom Komplementär der MS W KG (W) persönlich ausgeübt worden sind. Ihm obliegt insbesondere:

...

b) die Versorgung des Schiffes mit erforderlichem Proviant und Bunker, den notwendigen Ausrüstungsgegenständen sowie Bemannung;

...

§ 6

1. Der Vertragsreeder erhält für die Bereederung des Schiffs von der Gesellschaft eine Vergütung in Höhe von __% der nach handelsrechtlichen Vorschriften abgegrenzten Bruttofrachterträge einschließlich verdienter Hilfslöhne und Bergungsmaßnahmen (...) oder Pooleinnahmen sowie der Versicherungsentschädigung für Zeitausfälle.

2.

Die Kosten für ..., die Heuerabrechnungen, ... gehen zu Lasten der Gesellschaft.

...

5

Neben seiner Beteiligung an der "W" ist W auch Komplementär von weiteren Einschiffgesellschaften - der MS "C" KG, der MS "S" KG und der MS "A" KG - die ebenfalls Schiffe unter deutscher Flagge unterhalten. Auch diese Schwestergesellschaften schlossen entsprechende Bereederungsverträge mit der Bereederungs-KG. Die Bereederungs-KG ist an diesen Gesellschaften seit dem 1. Januar 2002 ebenfalls als Komplementärin wie folgt beteiligt:

WBereederungs-KG
MS "W"... DM(99,992%)... DM(0,008%)
MS "C"... DM(99,706%)... DM(0,294%)
MS "A"... DM(99,886%)... DM(0,114%)
MS "S"... DM(99,986%)... DM(0,014%)
6

Auch nach Abschluss des Bereederungsvertrags meldete die Klägerin unter Verwendung der ihr ursprünglich zugewiesenen Steuernummer (__) die Lohnsteuer in ihrem Namen gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt - FA) an. Entsprechend erfolgten die Meldungen zur See-Sozialversicherung unter Nennung der Klägerin bzw. der Schwestergesellschaften als jeweiliger Arbeitgeber und unter Verwendung unterschiedlicher Betriebsnummern. Die Heuerabrechnungen gegenüber den Arbeitnehmern erfolgten unter Verwendung eines für die jeweilige Einschiffsgesellschaft erteilten Zusatzes zur Personalnummer.

7

Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung durch den Beklagten für den Zeitraum 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2004 stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin für die von ihr beschäftigten Seeleute bei der Abführung der Lohnsteuer den Kürzungsbetrag nach § 41a Abs. 4 EStG in Anspruch genommen hatte. Die vorgelegten Heuerscheine wiesen laut Stempel die Klägerin als Arbeitgeberin der Seeleute aus.

8

Der Prüfer stellte zum einen fest, dass einige der Besatzungsmitglieder generell im Jahr nicht mehr als 183 Tage an Bord (bezogen auf alle vier Schiffe) waren.

9

Zum anderen stellte der Prüfer fest, dass einige Seeleute nicht immer zusammenhängend mehr als 183 Tage an Bord der Klägerin waren. Tatsächlich wurden die Seeleute vielmehr auch auf den Schiffen MS "A", MS "S" und MS "C" eingesetzt und erhielten für diese Zeiten von diesen KGs die entsprechende Heuer. Nach einer derartigen Unterbrechung wurden die Seeleute dann wieder bei der Klägerin auf ihrem Schiff beschäftigt, ohne dass ein neuer Heuerschein ausgestellt wurde. Nach Ansicht des Prüfers waren die Voraussetzungen für eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 EStG auch bei diesen Seeleuten nicht erfüllt. Zur Begründung stützte er sich auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18. März 2004 11 K 38/03 (EFG 2004, 1456).

10

Auf der Grundlage des Prüfungsberichts nahm der Beklagte die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für Lohnsteuer in Höhe von 56.341,54 EUR als Haftende in Anspruch und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid.

11

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FA an, nach Auffassung der Finanzverwaltung beziehe sich der 183-Tage-Zeitraum nicht nur auf das Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, sondern das Besatzungsmitglied müsse auch an mehr als 183 Tagen an Bord eines qualifizierten Schiffes (Handelsschiff i.S.d. § 1a Abs. 2 Satz 2 EStG) desselben Arbeitgebers tätig gewesen sein. Die Rechtslage hinsichtlich der Einschiffsgesellschaften sei nach den Grundsätzen des Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18. März 2004 11 K 38/03 zu beurteilen.

12

Zur Begründung seines Entschließungsermessens verwies der Beklagte auf den Umstand, die Klägerin habe die einbehaltene Lohnsteuer in unzutreffender Höhe abgeführt. Die Inanspruchnahme anstelle der Arbeitnehmer stützte das FA auf die Erwägung, die betreffenden Lohnsteuerbeträge könnten bei diesen nicht nachgefordert werden, da der Einbehalt zutreffend erfolgt sei.

13

Die Beteiligten gehen zunächst übereinstimmend davon aus, dass die Inhaftungnahme der Klägerin in Höhe von 14.770,06 EUR zu Recht erfolgt ist, weil die Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 EStG insoweit unstreitig nicht vorlagen.

14

Im Übrigen ist die Klägerin der Ansicht, den Kürzungsbetrag nach § 41a Abs. 4 EStG zu Recht in Anspruch genommen zu haben, da nicht die Einschiffsgesellschaften, sondern W bzw. die Bereederungs-KG in ihrer Eigenschaft als - einem Korrespondentreeder gleichstehenden - Vertragsreeder und Miteigentümer als Arbeitgeber i.S. der Vorschrift anzusehen seien.

15

§ 41a Abs. 4 EStG verwende den Begriff des Arbeitgebers, ohne diesen zu definieren. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Besonderheiten ergebe die Auslegung des § 41a Abs. 4 EStG, dass zu einer Inanspruchnahme des Kürzungsbetrages derjenige berechtigt sein solle, der die Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers fordern könne und zusätzlich zumindest Miteigentümer des betriebenen Handelsschiffes sei. Dies werde auch von der Finanzverwaltung durch die Begrifflichkeit des Korrespondent- bzw. Vertragsreeders in R 41a.1 Abs. 5 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) anerkannt.

16

Im Streitfall seien W (bis zum 31. Dezember 2001) bzw. die Bereederungs-KG (ab dem 1. Januar 2002) in ihrer Eigenschaft als Vertragsreeder berechtigt, die Arbeitsleistungen der Seeleute zu fordern und jederzeit von ihrem Weisungsrecht Gebrauch zu machen.

17

Dies werde durch § 23 Seemannsgesetz (SeemannsG) untermauert, da danach Heuerverhältnisse zwischen Reeder und Besatzungsmitgliedern geschlossen würden und der Reeder somit Arbeitgeber sei. Mehrere Partenreedereien bzw. Einschiffs-KGs seien zusammen über den Korrespondentreeder bzw. Vertragsreeder und überall beteiligten Miteigentümer als ein Reeder zu betrachten. Ausgeschlossen von der Begünstigung des § 41a Abs. 4 EStG sei z.B. der reine Vertragsreeder, der - anders als im Streitfall - nicht zugleich Miteigentümer der bereederten Schiffe sei.

18

Wenn der Beklagte den Lohnsteuereinbehalt ausschließlich deshalb versage, weil allein der Unterschriftenstempel auf den Heuerscheinen die Klägerin als Arbeitgeberin ausweise, greife dies zu kurz, was sich letztlich auch daran zeige, dass selbst bei Springern lediglich zu Beginn der Beschäftigung ein Heuerschein ausgestellt und bei einem späteren Schiffswechsel kein neuer Heuerschein ausgefertigt werde.

19

Sei aber der Vertragsreeder, der zugleich Miteigentümer des Schiffes sei, als Arbeitgeber i.S.d. § 41a Abs. 4 EStG anzusehen, müssten folgerichtig für die Prüfung der Frage des zusammenhängenden Arbeitsverhältnisses von mehr als 183 Tagen sämtliche Beschäftigungszeiten auf allen von dem Vertragsreeder bereederten Schiffen einbezogen werden. Wie sich die Beschäftigungszeiten dann auf die einzelnen bereederten Schiffe verteilten, sei unerheblich. Auch der Einsatz auf mehreren Schiffen in einem ununterbrochenen, nicht suspendierten Beschäftigungsverhältnis von mehr als 183 Tagen erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41a Abs. 4 EStG.

20

Die Auffassung des Beklagten führe zu einer unangemessenen Benachteiligung von Reedern mit mehreren Seeschiffen, da danach letztlich nur Reeder, die lediglich ein Schiff betrieben und bei denen daher kein Schiffswechsel möglich sei, den Kürzungsbetrag geltend machen könnten.

21

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2000 bis Dezember 2004 vom 9. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2008 dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 14.770,06 EUR herabgesetzt wird.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest, wonach es darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer auf einem Schiff mehr als 183 Tage verbracht habe. Als Subventionsvorschrift sei § 41a Abs. 4 EStG eng auszulegen.

Entscheidungsgründe

24

I.

Die Klage ist unbegründet.

25

Der Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 9. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2008 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO) als diese für Lohnsteuer in Höhe von 41.571,48 EUR in Anspruch genommen wird.

26

Der Kürzungsbetrag nach § 41a Abs. 4 EStG stand der Klägerin auch insoweit nicht zu, als er Löhne an Seeleute betraf, die nur durch Zusammenrechnung mit Beschäftigungszeiten auf den Schwesterschiffen mehr als 183 Tage zusammenhängend beschäftigt waren.

27

1.

Nach § 41a Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, vom Gesamtbetrag der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer einen Betrag von 40% der Lohnsteuer der auf solchen Schiffen in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigten Besatzungsmitglieder abziehen und einbehalten. Gemäß Satz 2 der Vorschrift ist weitere Voraussetzung, dass das Handelsschiff in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen ist, die deutsche Flagge führt und zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See betrieben wird.

28

a)

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 Satz 2 EStG ist unstreitig gegeben. Auch hinsichtlich der Ermittlung und Berechnung des streitigen Betrags von 41.571,48 EUR besteht Einvernehmen zwischen den Beteiligten.

29

b)

Allerdings sind die Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 Satz 1 EStG insoweit nicht erfüllt, als die Klägerin - und nicht W oder die Bereederungs-KG - als Arbeitgeberin anzusehen ist und ihr gegenüber die Besatzungsmitglieder in dem durch den streitigen Betrag von 41.571,48 EUR repräsentierten Umfang nicht in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis mehr als 183 Tage beschäftigt waren (qualifizierten Beschäftigungsverhältnis).

30

Ist aber als Arbeitgeberin für den gesamten Streitzeitraum die jeweilige Einschiffsgesellschaft anzusehen, kann die Klägerin § 41a Abs. 4 EStG nur in Anspruch nehmen, wenn das betreffende Besatzungsmitglied auf dem von ihr betriebenen Schiff in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis mehr als 183 Tage durchgehend beschäftigt war. Eine Zusammenrechnung mit Zeiten, die ein Besatzungsmitglied als Springer oder Aushilfskraft auf einem von einer anderen Einschiffsgesellschaft betriebenen Schiff tätig ist, ist auch dann nicht möglich, wenn es sich um Schwestergesellschaften handelt. Insoweit ist eine Korrelation zwischen dem Arbeitgeber, dem zu betreibenden Schiff und dem Arbeitsverhältnis erforderlich (ebenso Voß/Unbescheid, DB 1998, S. 2341, 2343).

31

Mit Urteil vom 18. März 2004 (11 K 38/03, EFG 2004, 1456) hat der erkennende Senat zum Begriff des zusammenhängenden Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 41a Abs. 4 EStG Stellung genommen und entschieden, dass die Begünstigung der Reeder gegenüber anderen Arbeitgebern durch § 41a Abs. 4 EStG nur insoweit sachlich vertretbar ist, als dadurch den besonderen Verhältnissen dieses Wirtschaftszweiges Rechnung getragen werden soll. Der Senat hat ausgeführt, § 41a Abs. 4 EStG sei nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass sich die entsprechenden Arbeitnehmer durchgängig in einem aktiven und nicht suspendierten Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen befinden müssen und daher Unterbrechungen durch eine einvernehmliche Vereinbarung zum Ruhen eines Arbeitsverhältnisses schädlich seien. Auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen, an denen der Senat festhält, wird insoweit verwiesen.

32

(1)

Zeitraum 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2001

33

Der der vorgenannten Entscheidung 11 K 38/03 zugrunde liegende Sachverhalt war mit dem des Streitfalles für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2001 gegebenen Sachverhalt identisch. Auch in dem bereits entschiedenen Fall ging es um den wechselnden Einsatz von Besatzungsmitgliedern auf Schwesterschiffen, die in der Rechtsform von Einschiffsgesellschaften betrieben wurden. Die Bereederung wurde ebenfalls von dem Komplementär der Schwestergesellschaften übernommen. Anders als im Streitfall ging die damalige Klägerin in Übereinstimmung mit dem Beklagten schließlich davon aus, die Arbeits-/Heuerverhältnisse seien mit den Einschiffsgesellschaften geschlossen.

34

Das Gericht hat insoweit keine Zweifel, dass für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2001 auch im Streitfall Arbeitgeber die jeweilige Einschiffsgesellschaft als Reeder war und nicht W als mittelbarer Inhaber der gesamten Flotte.

35

Dies ergibt sich zunächst daraus, dass nach den - letztlich nicht bestrittenen - Feststellungen des Beklagten, die Heuerscheine jeweils von der Einschiffsgesellschaft als Vertragspartner gestempelt wurden, auf deren Schiff das jeweilige Besatzungsmitglied zuerst angeheuert hat. Der Prozessbevollmächtigte hat dies in der mündlichen Verhandlungen ausdrücklich bestätigt und weiter eingeräumt, dass im weiteren Beschäftigungsverlauf keine Änderungen vorgenommen, insbesondere kein neuer Heuerschein ausgestellt wurde, sondern die von der Klägerin angeheuerten Seeleute einfach faktisch nach Bedarf auf den Schiffen der Schwestergesellschaften und umgekehrt eingesetzt wurden.

36

Sodann ist Reeder laut § 484 des Handelsgesetzbuches (HGB) der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Entsprechend ist die Klägerin als KG Eigentümerin des Containerschiffes MS "W". Als solche hat sie Seeleute für den Einsatz auf der MS "W" angeheuert, ebenso wie die Schwestergesellschaften Seeleute für den Einsatz auf ihrem jeweiligen Schiff angeheuert haben. Etwas anderes ergibt sich weder aus den Heuerscheinen, noch aus den Heuerabrechnungen oder den Meldungen zur See-Sozialversicherung bzw. aus den Lohnsteuer-Anmeldungen. Sowohl gegenüber dem Besatzungsmitglied als Vertragspartner als auch gegenüber den Behörden trat die Klägerin als Arbeitgeberin auf. Sie unterzeichnete in ihrem Namen den Heuerschein, rechnete die Heuer für die Zeit der Beschäftigung auf ihrem Schiff ab, zahlte die Heuer, behielt die Lohnsteuer ein, meldete diese an und führte den von ihr unter Zugrundelegung des § 41a Abs. 4 EStG berechneten Anteil an den Beklagten ab und meldete die Beschäftigungszeit auch bei der See-Sozialversicherung an.

37

Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des erkennenden Senats kein Raum für die von der Klägerin vertretene Ansicht, nicht sie sei als Arbeitgeberin i.S. des § 41a Abs. 4 EStG anzusehen, sondern W als derjenige, der die Bereederungsaufgaben auf sämtlichen Schiffen der Flotte letztlich wahrgenommen habe. Ein schriftlicher Vertrag hinsichtlich der Bereederung der MS "W" bzw. der Schwesterschiffe durch W ist nicht existent. Die Klägerin spricht selbst davon, dass W in seiner Eigenschaft als Komplementär für die Bereederung der MS "W" zuständig war. Auch wenn W zugleich in seiner Eigenschaft als Komplementär der Schwestergesellschaften die Bereederung deren Schiffe ebenfalls übernommen hat, ist nichts dafür ersichtlich, dass er dies für alle Schiffe gleichsam in eigenem Namen getan hat. Insbesondere die Bemannung und sodann die Durchführung des Heuerverhältnis erfolgte nach außen hin im Namen der jeweiligen Einschiffsgesellschaft. Dass die Seeleute ihre Arbeitskraft nicht der jeweiligen Einschiffsgesellschaft, sondern W schuldeten, ist nicht erkennbar.

38

Auch ist die Frage, zwischen welchen Parteien das Heuerverhältnis abgeschlossen ist, entscheidend nach den Angaben des Heuerscheins zu beurteilen (BAG-Urteil vom 21. Dezember 1972 5 AZR 310/72, [...]). Demzufolge kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin sehr wohl auf die Angaben des Heuerscheins und damit maßgeblich auf den die Klägerin oder eine der anderen Einschiffsgesellschaften der Flotte als Reederei bezeichnenden Stempel an.

39

Angesichts der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen wirtschaftlichen Durchführung führen auch die von der Klägerin für ihre Sichtweise angeführten lohnsteuerrechtlichen Besonderheiten nicht zu einem von den arbeits- und sozialrechtlichen Begrifflichkeiten abweichenden Verständnis des Arbeitgeberbegriffs.

40

Für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2001 steht es nach Ansicht des Gerichts außer Frage, dass Arbeitgeber die jeweilige Einschiffsgesellschaft war und die im Urteil vom 18. März 2004 11 K 38/03 aufgestellten Grundsätze damit uneingeschränkt Anwendung finden.

41

(2)

Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004

42

Nach Würdigung der Gesamtumstände kommt der Senat aber auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2002 zu dem Ergebnis, dass Arbeitgeberin die jeweilige Einschiffsgesellschaft und nicht die Bereederungs-KG war.

43

Für den Bereich des Steuerrechts ergibt sich der Arbeitgeberbegriff mittelbar aus § 1 Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV). Arbeitgeber ist danach derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet und unter dessen Leitung und Weisungsbefugnissen der Arbeitnehmer steht (Schmidt-Drenseck, EStG, 29. Aufl. 2010, § 19 Rz. 12), zu dem also eine bestimmte Person, um deren einzubehaltene Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitsverhältnis steht (Schmidt-Drenseck a.a.O. § 38 Rz. 4).

44

Auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2002 standen die Seeleute (Arbeitnehmer) ausschließlich in einem Arbeitsverhältnis zu den Einschiffsgesellschaften und nicht zu der Bereederungs-KG.

45

Zunächst hat die Klägerin - ebenso wie die weiteren Einschiffsgesellschaften - ihre Praxis hinsichtlich Anheuerung und Durchführung der Heuerverhältnisse nicht umgestellt. So hat sie bspw. am 12. März 2002 ein Heuerverhältnis mit P begründet, diesen als ersten technischen Offizier für die MS "W" (= MS __) angeheuert und den entsprechenden Heuerschein als Reeder bzw. Reederei gestempelt und unterzeichnet. Entsprechend haben die Schwestergesellschaften in dieser Zeit ebenfalls im eigenen Namen Besatzungsmitglieder angeheuert, z.B. die MS "C" KG am 16. September 2003 T als Schiffsmechaniker für die MS "C". Dafür dass die Bereederungs-KG in ihrer Eigenschaft als Vertragsreeder in eigenem Namen Seeleute angeheuert hat, liegen demgegenüber keine Hinweise vor. Insoweit sind auch für diesen Zeitraum die Angaben des Heuerscheins maßgeblich für die Frage, zwischen wem ein Heuerverhältnis begründet wurde (BAG-Urteil vom 21. Dezember 1972 5 AZR 310/72, [...]).

46

Die Klägerin - und nicht die Bereederungs-KG - hat weiter auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 für die Beschäftigung auf ihrem Schiff die Heuer abgerechnet und gezahlt, entsprechend die Lohnsteuer einbehalten, angemeldet und abgeführt sowie - als Arbeitgeberin - die Meldung zur See-Sozialversicherung unter Angabe ihrer Betriebsnummer getätigt.

47

Dieser "tatsächlichen Handhabung" stand auch nicht der mit der Bereederungs-KG abgeschlossene Bereederungsvertrag entgegen. Zwar hatte die Klägerin der Bereederungs-KG nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 Buchst. b ausdrücklich auch die Bemannung (Crewing) übertragen. In § 2 Ziffer 1 Satz 1 war jedoch vorgesehen, dass die Bereederungs-KG die ihr übertragenen Aufgaben sowohl im Namen der Gesellschaft als auch im eigenen Namen vornehmen konnte. In § 6 Ziffer 2 war weiter geregelt, dass die Kosten der Heuerabrechnungen zu Lasten der Klägerin gingen.

48

Dies ist nach Ansicht des Senats dahin zu würdigen, dass die Bemannung tatsächlich im Namen der Klägerin erfolgte und gerade nicht in eigenem Namen der Bereederungs-KG erfolgte, letztere somit nicht als Arbeitgeberin i.S. des § 41a Abs. 4 EStG anzusehen ist. Dass es durch den Abschluss des Bereederungsvertrag zu einem offiziellen Wechsel der Arbeitgeberstellung (aus Sicht der Klägerin von W) auf die Bereederungs-KG kam, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat die Bereederungs-KG bspw. dem von der Klägerin im Jahre 1990 angeheuerten Kapitän L erst mit Schreiben vom 8. Februar 2005 mitgeteilt, sein Heuerverhältnis werde mit Wirkung vom 1. Januar 2005 von ihr übernommen.

49

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den Verweis der Klägerin auf die Lohnsteuerrichtlinien. Nach R 41a.1 Abs. 5 Satz 1 LStR ist Bemessungsgrundlage für den Steuereinbehalt nach § 41a Abs. 4 EStG die Lohnsteuer, die auf den für die Tätigkeit an Bord von Schiffen gezahlten Arbeitslohn entfällt, wenn der betreffende Arbeitnehmer mehr als 183 Tage bei dem betreffenden Reeder beschäftigt ist. R 41a.1 Abs. 5 Satz 3 LStR sieht vor, dass der Lohnsteuereinbehalt durch Korrespondent- oder Vertragsreeder nur vorgenommen werden kann, wenn diese mit der Bereederung des Schiffes in ihrer Eigenschaft als Mitgesellschafter an der Eigentümergesellschaft beauftragt sind.

50

Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin zusammen mit ihren Schwestergesellschaften und der Bereederungs-KG danach durch eine entsprechende vertragliche Gestaltung die Anwendung des § 41a Abs. 4 EStG durch die Bereederungs-KG hätte erreichen können. Jedenfalls für den Streitzeitraum fehlt es jedoch an einer solchen Gestaltung, so dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, die Beschäftigungszeiten auf sämtlichen Schiffen der Flotte seien für die Anwendung des § 41a Abs. 4 EStG zusammenzurechnen. Im Übrigen würde in diesem Fall auch der Vertragsreeder und nicht die Schiffgesellschaft von der Subventionsvorschrift des § 41a Abs. 4 EStG profitieren.

51

Gemessen an ihrem gesamten Verhalten hat sich die Klägerin augenscheinlich für den gesamten Streitzeitraum jedoch selbst als Arbeitgeberin i.S. des Lohnsteuerrechts und damit als von § 41a Abs. 4 EStG Begünstigte gesehen. Ansonsten ist für den Senat letztlich nicht verständlich, warum diese den, einem Arbeitgeber obliegenden, Pflichten zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer nachgekommen ist bzw. warum sie den gegen sie als Arbeitgeberin gerichteten Lohnsteuerhaftungsbescheid in Höhe von 14.770,06 EUR letztlich anerkennt.

52

2.

Da § 41a Abs. 4 EStG im Streitfall bereits nicht zur Anwendung kommt, kann die in der Literatur aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit der Norm (hierzu Schmidt/Drenseck, EStG 29. Aufl. 2010, § 41a Rz. 10; Diebold in Herrmann/Heuer/Raupach, § 41a EStG Anm. 24) dahinstehen, sie ist nicht entscheidungserheblich.

53

3.

Die Entscheidung des Beklagten, die Klägerin für die zu Unrecht nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung zu nehmen, ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die zutreffend einbehaltene Lohnsteuer nicht vollständig an den Beklagten abgeführt und haftet insoweit nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer kam - wie vom Beklagten ausgeführt - nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG nicht in Betracht.

54

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

55

III.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.