Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.2004, Az.: 3 K 10594/01
Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten; Voraussetzungen für das Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2004
- Aktenzeichen
- 3 K 10594/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 13998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0304.3K10594.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 EStG
- § 4 Abs. 4 EStG
- § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG
Fundstellen
- BBK 2004, 870
- DStR 2004, VIII Heft 29 (Kurzinformation)
- DStRE 2004, 868-869 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2004, 1198
- NWB 2004, 3367 (Kurzinformation)
- SteuerBriefe 2005, 118-119
- b&b 2004, 324-325
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Häusliches Arbeitszimmer ist ein Zimmer, das nach Lage, Funktion und Ausstattung in die häusliche Sphäre eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient.
- 2.
Ein Büroraum, der nicht nur vom Steuerpflichtigen, sondern auch von anderen Personen intensiv genutzt wird, ist kein Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG. Ob ein Raum einer häuslichen Einbindung an das eigengenutzte Wohnhaus unterliegt, ist daher ohne Belang.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Betriebsausgaben des Klägers bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) in den Jahren 1996 bis 1998.
Der Kläger hat in den Streitjahren als selbständiger Versicherungsagent eine Generalvertretung der ...versicherung sowie deren Partnergesellschaft ...Versicherungs AG betrieben. Hierzu hat er zwei Räume im sonst eigen genutzten Zweifamilienhaus in genutzt. Es handelt sich um ein kleines Büro 1 mit einer Größe von ca. 7,7 Quadratmetern, das direkt nach dem Hauseingang linksseitig zu erreichen ist. Weithin wird ein Büro 2 mit ca. 14 Quadratmetern genutzt, das durch eine Innendiele sowie die Garderobe erreicht werden kann. Die Generalvertretung hat regelmäßige Öffnungszeiten von 9.00 - 12.00 und 15.00 - 18.00 Uhr. Der Kläger hat seine Ehefrau mit 10 Stunden die Woche angestellt. Diese hat Bürotätigkeiten und Schriftverkehr erledigt. Weiterhin wurde Frau H mit 14 Stunden die Woche beschäftigt. Frau H ist eine gelernte Versicherungsangestellte, die auch einfache Geschäfte von spontan hereinschauenden Kunden abgewickelt hat. Zudem wurde ein angestellter Versicherungsagent beschäftigt, der sich zwischen seinen Außendienstterminen im größeren Büro 2 aufgehalten hat. Die beiden Mitarbeiterinnen waren im Büro 1 beschäftigt, das ein Fenster zur Straße hat. Es ist mit einem Schreibtisch und Regalen usw. ausgestattet. Sofern der Kläger im Büro anwesend war, hat er sich ebenfalls im größeren Büro 2 aufgehalten. Dies ist als Besprechungsraum eingerichtet. In diesem Raum wurden auch Kundengespräche geführt, sofern solche in der Generalvertretung durchgeführt wurden.
In den Einkommensteuererklärungen wurden pauschal DM 3.600,00 als Betriebsausgaben für die betrieblich genutzten Büroräume geltend gemacht. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurden allerdings gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG nur noch Betriebsausgaben in Höhe von DM 2.400,00 jährlich anerkannt, da der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen als im Außendienst gelegen angesehen wurde. Ein gegen die daraufhin erfolgten Änderungsbescheide eingelegter Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger macht geltend, dass es sich bei den beiden Büros nicht um ein Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG handele. Es sei hierbei zu berücksichtigen, dass keine kleine Versicherungsagentur, sondern eine Generalvertretung vorliegen würde. Das Büro 1 sei während der Öffnungszeiten und darüber hinaus ständig besetzt, so dass spontan hereinschauende Kunden immer einen Ansprechpartner hätten. Es herrsche auch ein reger Kundenverkehr. Manchmal käme zwar nur eine Person täglich, manchmal jedoch auch fünf oder sechs Personen unangemeldet zu der Generalagentur. Die Generalagentur sei verkehrsgünstig ca. 150 Meter von der Durchgangsstraße entfernt, so dass Kunden bei ihren Einkaufsfahrten oder Fahrten zur Arbeit vorbeischauen könnten. Auch in dem größeren Büro würden Kundengespräche durchgeführt, wenn der Termin in der Generalagentur wahrgenommen werde. Das Büro 2 werde nicht nur von ihm, sondern auch von dem angestellten Versicherungsagenten häufig genutzt. Es müssten deshalb die tatsächlichen Kosten ohne Begrenzung auf DM 2.400,00 jährlich berücksichtigt werden.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1998 jeweils vom in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1996 um weitere DM 2.250,00, 1997 um DM 2.357,00 und 1998 um DM 1.881,00 zu vermindern und die Einkommensteuer 1996 bis 1998 entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass es sich bei den Büroräumen um ein typisches Arbeitszimmer handeln würde. Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers sei der Außendienst gewesen. Die Büros seien deshalb nicht als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Klägers anzusehen, so dass sich eine Begrenzung auf DM 2.400,00 ergeben würde. Nach der Auffassung des BFH seien Büro- und Praxisräume nicht generell aus dem Anwendungsbereich der Abzugsbeschränkung gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG ausgenommen. Der Regelung hinsichtlich des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen hätte es nicht bedurft, wenn Büroräume trotz einer Einbindung in die private Lebenssphäre von vornherein nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen wäre. Durch die Lage der Räumlichkeiten würde sich eine Einbindung in das eigengenutzte Zweifamilienhaus des Klägers ergeben.
Gründe
Soweit die Kläger ihren Klagantrag noch aufrechterhalten haben, ist die Klage begründet.
Nach § 4 Abs. 4 EStG liegen hinsichtlich der Kosten für die Büroräume unbeschränkt abziehbare Betriebsausgaben vor. Die vom Kläger für die Generalvertretung genutzten Büroräume können nicht als häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG mit einer Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs angesehen werden.
1.
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift nicht, wenn die betriebliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der o. g. Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf DM 2.400,00 begrenzt. Diese Beschränkung der Höhe nach gilt gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3 2. Halbsatz jedoch nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung bildet.
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein häusliches Arbeitszimmer vor, wenn ein Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (BFH-Urteil vom 19. September 2002, VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247; BFH-Urteil vom 13. November 2002, VI R 164/00, BStBl II 2003, 350). Als eine typische Ausstattung für ein Arbeitszimmer wird es angesehen, wenn dieses mit Schreibtisch, Bücher- und Aktenschränken, Büchern, Akten, Schreibmaschine und Computer ausgestattet ist. In der Regel erfolgt eine Nutzung nur durch den Steuerpflichtigen, der kein Personal hat und keinen oder nur geringen Publikumsverkehr. Eine Nutzung durch Angestellte des Steuerpflichtigen sowie ein intensiver und dauerhafter Publikumsverkehr wird als untypisch angesehen. Im Wege einer wertenden Zuordnung muss festgestellt werden, ob es sich bei den zu beurteilenden Räumlichkeiten um ein Arbeitszimmer im Sinne der o. g. Vorschrift handelt (Loschelder, EStB 2003, 263). In der Rechtsprechung des BFH wurden eine kleine Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltspraxis den Abzugsbeschränkungen unterworfen (BFH-Urteil vom 19. September 2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139). Dasselbe gilt auch für die Beratungsstelle eines nebenberuflichen Mitarbeiters eines Lohnsteuerhilfevereins (BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7). In beiden Fällen fand jedoch keine Mitbenutzung durch Angestellte der Steuerpflichtigen statt.
2.
Die Büroräume stellen keine Arbeitszimmer dar. Die Ausstattung des Büro 1 entspricht zwar den typischen Ausstattungen eines Arbeitszimmers. Das Büro 2 hingegen ist mit einem Konferenztisch ausgestattet, an dem auch Kundengespräche durchgeführt werden. Auch aufgrund der Nutzung der Büroräumlichkeiten kann kein Arbeitszimmer angenommen werden. Das Büro 1 wird in der Regel nicht durch den Steuerpflichtigen, sondern durch dessen beide festangestellten Mitarbeiterinnen genutzt. Weiterhin wird das Büro 2 neben dem Steuerpflichtigen noch durch den angestellten Versicherungsagenten genutzt. Dass dieser und der Kläger typische Vor- bzw. Nacharbeiten eines Außendienstmitarbeiters dort durchführen, ist insoweit unbeachtlich. Zudem hat der Kläger nach der Auffassung der Berichterstatterin auch überzeugend dargelegt, dass bei der Generalvertretung nicht nur gelegentlicher, sondern intensiver und dauerhafter Publikumsverkehr vorliegt. Es muss quasi täglich mit dem Besuch eines oder mehrerer Kunden gerechnet werden. Auch wurden ausweislich der Terminkalender gelegentlich Besprechungen in der Generalagentur durchgeführt. Es ist durchaus glaubhaft, dass sich spontan ergebende Kundengespräche nicht im Terminkalender vermerkt wurden. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Büroräumlichkeiten in erheblichem Umfang von anderen Personen als dem Steuerpflichtigen genutzt werden. Bei solch einer intensiven Nutzung von Büroräumlichkeiten durch andere Personen als dem Steuerpflichtigen kann nicht von einem Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG ausgegangen werden.
Der Kläger war auch nicht nebenberuflich als Versicherungsagent tätig, sondern es war seine Haupttätigkeit. Es kann auch nicht von einer "kleinen Versicherungsagentur" im Sinne der BFH-Rechtsprechung zum Arbeitszimmer bei kleinen Steuerberatungs- oder Lohnsteuerhilfegesellschaften ausgegangen werden, da der Kläger eine Generalvertretung geleitet hat, die einen erheblich größeren Arbeitsumfang erfordert.
Da kein Arbeitszimmer im Sinne der o.g. Vorschrift vorliegt, ist es unerheblich, ob - insbesondere das Büro 2 - einer häuslichen Einbindung an das eigengenutzte Wohnhaus des Klägers unterliegt.
3.
Da bislang der Aufwand für das Arbeitszimmer nur mit DM 2.400 berücksichtigt wurde, waren weitere Betriebsausgaben wie beantragt zu berücksichtigen.
Die abziehbaren Betriebsausgaben setzen sich im Streitjahr aus der hälftigen AfA mit DM 884,30 sowie den anteiligen Betriebskosten (jeweils 13,52 %) zusammen. Diese wurden im Klagantrag der mündlichen Verhandlung richtig berechnet.
4.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Kosten waren im Maß des Obsiegens/Unterliegens zu teilen, da die Kläger erst in der mündlichen Verhandlung ihren Klagantrag eingeschränkt haben. Die Kosten bis zur mündlichen Verhandlung sind aus dem ursprünglichen höheren Streitwert zu berechnen.
6.
Die Kosten über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).