Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2008, Az.: 10 LA 62/08
Aufhebung eines Bescheides über den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge (Milchquote); Anwendungsbereich einer Gegenvorstellung neben einer Anhörungsrüge; Beachtung des Vertretungserfordernisses nach § 67 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2008
- Aktenzeichen
- 10 LA 62/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 14565
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0304.10LA62.08.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 67 Abs. 1 VwGO
- § 152a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Für eine Gegenvorstellung besteht kein substantieller Anwendungsbereich, der es rechtfertigen könnte, sie im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit neben der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO weiter zuzulassen.
Das Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 1 VwGO ist sowohl im Falle der Anhörungsrüge als auch einer Gegenvorstellung - deren Statthaftigkeit unterstellt - zu beachten.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 7. Januar 2004 begehrt, mit dem sie den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge (Milchquote) vom Kläger auf den Beigeladenen bescheinigte. Das Verwaltungsgericht Osnabrück - 1. Kammer (Einzelrichter) - hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 23. Juni 2005 abgewiesen. Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Juli 2007 den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt. Der Kläger beantragt mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten am 8. August 2007, den Beschluss des Senats aufzuheben und das Verfahren vorläufig auszusetzen.
II.
Der Senat sieht sich durch den Befangenheitsantrag des Klägers mit Schriftsatz vom 4. März 2008 an einer Entscheidung nicht gehindert. Nach § 54 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 42 Zivilprozessordnung - ZPO - kann ein bestimmter Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden; die Ablehnung eines ganzen Gerichts als Spruchkörper ist jedoch nicht möglich. Des Weiteren ist das o.a. Ablehnungsgesuch unzulässig, weil der Kläger entgegen § 44 Abs. 2 ZPO einen konkreten Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Er hat bezogen auf die nunmehr mitwirkenden Mitglieder des Senats sein Ablehnungsgesuch nicht begründet. Deshalb ist der Senat in seiner Besetzung zugleich nicht gehindert, über das (unzulässige) Ablehnungsgesuch zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar VwGO - 15. Auflage, 2007 - § 54 Rdnr. 16).
Der Senat wertet das gegen seinen unanfechtbaren Beschluss vom 17. Juli 2007 gerichtete Begehren des Klägers als Anhörungsrüge nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach dieser Bestimmung ist das gerichtliche Verfahren auf die Rüge eines durch die gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn zum einen ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und zum anderen das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Ein anderer statthafter Rechtsbehelf kommt hier nicht in Betracht. So ist nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügegesetz) am 1. Januar 2005 für eine Gegendarstellung als außerordentlicher Rechtsbehelf kein Raum mehr (Nds. OVG, Beschlüsse vom 8. Februar 2006 - 11 LA 82/05 -, NJW 2006, 2506 und vom 3. Mai 2005 - 11 ME 131/05 -, NJW 2005, 2171 [VG Braunschweig 21.02.2005 - 5 A 319/04]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 1 L 101/07 -, [...]; Bay. VGH, Beschlüsse vom 13. November 2007 - 12 ZB 07.2882 - und vom 19. Januar 2006 - 4 CE 05.690 -, [...]; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 2 OG 1/06 -, [...]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Februar 2005 - 3 S 83/05 -, NJW 2005, 920; a. A. Thür. OVG, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 4 VO 249/05 -, [...]).
Die Anhörungsrüge des Klägers ist unzulässig und deshalb nach § 152a Abs. 4 Satz 1 VwGO zu verwerfen.
Die Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben wird; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 152 a Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dabei gelten formlos mitgeteilte Entscheidungen mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Die mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8. August 2007 erhobene Rüge ist verspätet. Der Kläger hätte spätestens mit Ablauf des 6. August 2007 seine Rüge erheben müssen. Der Beschluss des Senats über den Antrag auf Zulassung der Berufung ist am 18. Juli 2007 zur Post gegeben worden, so dass er als am 21. Juli 2007 bekannt gegeben gilt. Demnach ist die zweiwöchige Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge am 6. August 2007 abgelaufen (§ 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch).
Soweit sich der Kläger selbst in zahlreichen Schriftsätzen gegen den Beschluss des Senats vom 17. Juli 2007 wendet, ist sein Begehren unabhängig davon, dass es als Gegenvorstellung nicht statthaft ist, auch deshalb zu verwerfen, weil das ebenso für eine Gegenvorstellung geltende Vertretungserfordernis nach § 67 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die Gegenvorstellung - deren Statthaftigkeit unterstellt - stellt einen verfahrensmäßigen Annex zu dem zugrunde liegenden gerichtlichen Verfahren - hier dem Verfahren auf Zulassung der Berufung - dar, so dass auch die Regelungen über die Vertretung in den Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (§ 67 Abs. 1 VwGO) gelten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2007 - 6 A 288/07 -, [...]).
Schließlich kann dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Anhörungsrüge oder einer Gegenvorstellung nicht gewährt werden, weil aus den vorstehenden Gründen die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).