Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.02.2005, Az.: 5 A 319/04
Auswirkungen von Rechtsbeziehungen nach bürgerlichem Recht (hier: Kindesunterhalt) auf einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erhebung von Benutzungsgebühren (hier: Kindergartengebühren); Voraussetzungen der Gesamtschuldnerschaft von Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus einem Abgabenschuldverhältnis schulden; Voraussetzungen der Vereinbarkeit von Regelungen einer kommunalen Satzung (hier: Kindergartengebühren) mit höherrangigem Recht (hier: niedersächsisches Landesrecht u.a.)
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.02.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 319/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32613
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0221.5A319.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Ns.KAG
- § 11 Abs. 1 Nr. 2b Ns.KAG
- § 44 Abs. 1 AO
- § 1626 BGB
Fundstellen
- FStBay 2006, 746-747
- NJW 2005, XVI Heft 27 (Kurzinformation)
- NJW 2005, 2170-2171 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Kindergartengebühr
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Hachmann als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des fest-zusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 972,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Heranziehung zu Kindergartengebühren als Gesamtschuldner.
Der Kläger ist der sorgeberechtigte Vater des am 4. Februar 2001 geborenen D. Dieser besucht seit dem 1. Juli 2004 die Kindertagesstätte E. in F. Für diese Betreuung erhob die Beklagte durch Bescheid vom 12. August 2004 für die Monate Juli bis Dezember 2004 Kindertagesstättengebühren einschließlich Beköstigungsgeld in Höhe von 972,00 EUR. Diesen Bescheid erließ die Beklagte einerseits gegenüber der Mutter von G., Frau H., andererseits auch gegenüber dem Vater von G., dem Kläger. Letzterer Bescheid wurde mit dem Zusatz versehen, dass Abgabepflichtige Frau I. sei und der Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werde. Die Mutter von G. erteilte für den Einzug der Forderungen eine Einzugsermächtigung, so dass bisher keine Rückstände entstanden sind. Am 31. August 2004 legte der Kläger gegen den ihn betreffenden Bescheid vom 12. August 2004 Widerspruch ein. Zur Begründung führt er aus, dass er für seinen Sohn G. den regelmäßigen Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zahle. In den Unterhaltszahlungen seien auch die Kosten für die Unterbringung im Kindergarten enthalten. Bei den Kindertagesstättenkosten handele es sich nicht um einen Mehrbedarf, der von ihm zusätzlich zum Elementarunterhalt zu zahlen sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 2004 zurück. Zur Begründung führt sie aus, dass sie als öffentlich-rechtlicher Träger die Erhebung des Elternbeitrages nach § 20 des Kindertagesstättengesetzes (KitaG) über Satzung öffentlich-rechtlich geregelt habe. Nach § 3 der Satzung seien die zur Ausübung der elterlichen Sorge gem. § 1626 BGB Berechtigten als Gesamtschuldner gebührenpflichtig.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Oktober 2004 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Im Klageverfahren vertieft er seine Argumentation, wonach er neben der Zahlung von Unterhalt nicht noch zusätzlich für die Zahlung von Kindergartengebühren in Anspruch genommen werden könne. Die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB könnten nicht durch eine Satzung der Beklagten umgangen werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchbescheides vom 17. September 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass die Gebührenpflicht nach § 20 KitaG in Verbindung mit der Satzung die Erziehungsberechtigten gesamtschuldnerisch treffe. Privatrechtliche Unterhaltszahlungen Sorgeberechtigter untereinander hätten insoweit keine Auswirkungen auf eine öffentlich-rechtliche Gebührenschuld.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beklagte hat den Kläger für die im Streit befindlichen Kindertagesstättengebühren zu Recht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 3 der Satzung der Beklagten über die Gebühren für die Kindertagesstätten der Stadt Peine. Danach sind gebührenpflichtig die zur Ausübung der elterlichen Sorge gem. § 1626 des Bürgerlichen Gesetzbuches Berechtigten (im Folgenden als Sorgeberechtigte bezeichnet) als Gesamtschuldner. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
§ 3 verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Vielmehr gibt diese Regelung die Rechtslage wieder, die sich aus §§ 5 und 11 Abs. 1 Nr. 2b Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) i.d.F. vom 11. Februar 1972 (Nds. GVBl. S. 29), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 20. November 2001 (Nds. GVBl. S. 701) i.V.m. § 44 Abs. 1 der AO 1977 ergibt. Danach sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus einem Abgabenschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Abgabe zu veranlagen sind, Gesamtschuldner.
Es verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, dass die Beklagte in ihrer Satzung über die Gebühren für die Kindertagesstätten der Stadt Peine, die sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergebende unterhaltsrechtliche Lage zwischen dem Kläger und seinem Sohn bzw. der leiblichen Mutter des Sohnes nicht berücksichtigt. Derartige bürgerliche rechtliche Rechtsbeziehungen sind grundsätzlich nicht geeignet, einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erhebung von Benutzungsgebühren, hier Benutzungsgebühren für die Benutzung einer Kindertagesstätte, zu tangieren. Vielmehr betreffen diese unterhaltsrechtlichen Rechtsbeziehungen allein das Innenverhältnis zwischen den daran Beteiligten und haben keine Wirkungen Dritten gegenüber, d.h. hier der Beklagten.
Der Kläger ist deshalb darauf zu verweisen, seine in diesem Verfahren geäußerten unterhaltsrechtlichen Argumente in ein entsprechendes unterhaltsrechtliches Verfahren einzubringen.
Im öffentlich-rechtlichen Bereich räumt der Gesetzgeber in § 90 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII nur die Möglichkeit ein, einen Antrag auf ganz oder teilweisen Erlass einer Kindertagesstättengebühr bzw. eine entsprechende Übernahme der Gebühr durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu stellen, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist. Auch ein solcher Antrag würde das vorliegende Verfahren jedoch nicht berühren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist auch nicht gerichtskostenfrei, da Streitigkeiten über die Erhebung von Kindergartengebühren dem Abgabenrecht zuzurechnen sind und nicht dem Sachgebiet der Jugendhilfe, für das § 188 Satz 2 VwGO Gerichtskostenfreiheit gewährt (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2002 - 16 B 2228/02 -, NVwZ-RR 2003, 607 m.w.N.).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 972,00 EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 1 GKG (in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung).