Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 23.06.2005, Az.: 1 A 21/05

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
23.06.2005
Aktenzeichen
1 A 21/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2005:0623.1A21.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 04.03.2008 - AZ: 10 LA 62/08
OVG Niedersachsen - 31.03.2008 - AZ: 10 LA 73/08

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Milchrefenzmenge

hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2005 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Müller für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

  3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Inhaber eines Milcherzeugerbetriebes. Am 18.09.2003 beantragte der Beigeladene die Ausstellung einer Bescheinigung gem. § 17 Abs. 1 Ziff. 1 MilchAbgV aufgrund der Pachtrückübergabe einer 12,47 ha großen Teilfläche, die bisher der Milcherzeugung gedient habe. Er erklärte, er habe das Pachtverhältnis mit dem Kläger am 16.09.2003 fristlos gekündigt. Durch Bescheid vom 07.01.2004 bescheinigte die Beklagte dem Beigeladenen den Übergang einer Referenzmenge in Höhe von 43 269 kg. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger das Übernahmerecht gem. § 12 Abs. 3 MilchAbgV nicht wirksam ausgeübt habe, weil er seiner Verpflichtung, dem Beigeladenen innerhalb von 14 Tagen nach Ausübung des Übernahmerechts einen Betrag in Höhe von 67 % des Gleichgewichtspreises zu zahlen, nicht erfüllt habe. Der dagegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14.06.2004 zurückgewiesen. Ausweislich des zwischen dem Beigeladenen und dem Vater des Klägers geschlossen Nachtragsvertrag zum Pachtvertrag vom 21.09.1992 wurde dieser ursprünglich für die Dauer von 10 Jahren geschlossene Pachtvertrag am 24.09.1993 bis zum 30.09.2003 verlängert.

2

Mit der am 14.07.2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, das Pachtverhältnis zwischen ihm und dem Beigeladenen sei nicht durch die fristlose Kündigung beendet worden. Der Kläger und der Beigeladene hätten sich vielmehr beim Landwirtschaftsgericht auf eine Rückgabe der Pachtflächen zum 10.11.2003 geeinigt. Daraufhin sei der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Nach diesem Zeitpunkt habe er das Übernahmerecht durch Einschreiben vom 09.12.2003 rechtzeitig geltend gemacht. Allerdings habe der Beigeladene die Annahme des Einschreibens verweigert. Außerdem sei der Beigeladene kein Milcherzeuger.

3

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2004 aufzuheben.

4

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

5

Sie verweist darauf, dass eine wirksame Übernahme auch daran scheitere, dass eine Zahlung durch den Kläger nicht erfolgt sei.

6

Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen.

7

Er macht geltend, der Pachtvertrag sei spätestens am 30.09.2003 ausgelaufen. Wenn sich der Kläger rechtswidrig geweigert habe, die Pachtflächen zurückzugeben, handele es sich um verbotene Eigenmacht, aus der der Kläger keine weiteren rechte herleiten könne. Nichts anderes sei auch gegenüber dem Landwirtschaftsgericht erklärt worden.

8

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht in eigenen Rechten verletzt.

10

Die rechtliche Zuordnung einer verpachteten Referenzmenge bei Beendigung des Pachtvertrags ist in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405 vom 31. Dezember 1992, S. 1) geregelt. Danach werden in den Fällen, in denen bei der Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge eine Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist oder ein rechtlich gleichgelagerter Fall vorliegt und zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung getroffen wurde, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen. Diese nach Art. 249 Abs. 2 Satz 2 des EG-Vertrages (EG in der Fassung des Vertrages von Amsterdam, BGBl. 1998 II S. 386, vormals Art. 189 Abs. 2 Satz 2 EG) in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltende Bestimmung, die durch die Verordnung (EG) Nr. 1256/99 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl. L 160 vom 26. Juni 1999, S. 73) keine Änderung erfahren hat, ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Juni 2002 in der Rechtssache Thomsen so auszulegen, daß bei der Beendigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrags über einen Milchwirtschaftsbetrieb die vollständige oder teilweise Übertragung der daran gebundenen Referenzmenge auf den Verpächter nur dann möglich ist, wenn dieser die Eigenschaft eines Erzeugers im Sinne des Art. 9 lit. c der Verordnung Nr. 3950/92 (aaO) hat oder im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrags die verfügbare Referenzmenge auf einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt; dabei reicht es für die Zuteilung der relevanten Referenzmengen an die Verpächter aus, dass sie bei Pachtvertragsende nachweisen, konkrete Vorbereitungen dafür zu treffen, in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Erzeugers auszuüben (EuGH, Urt.v.  20. Juni 2002, Rs. C-401/99, Thomsen, Slg. 2002, I-5775; ebenso OVG Schleswig, RdL 2002, 330, 331; VG Oldenburg, RdL 2003, 80, 81). Zwar ist der Europäische Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung von dem in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3950/92 (aaO) enthaltenen Grundsatz der Flächenbindung der Referenzmengen ausgegangen, der auch nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1256/99 (aaO) vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch die Mitgliedstaaten (Art. 8a lit. b der Verordnung Nr. 3950/92 [aaO]) weitergilt.

11

Wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, kann jedoch für die nach Art. 8, 4. Spiegelstrich der Verordnung Nr. 3950/92 (aaO) alter Fassung in Verbindung mit § 7 Abs. 2a der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994, BGBl. I S. 586) zulässige flächenlose Überlassung von Referenzmengen nichts anderes gelten (Günther, AgrarR 2002, 305, 307). Denn aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung über die Zusatzabgabe für Milch folgt, dass einem Landwirt eine Referenzmenge nur dann eingeräumt werden kann, wenn er die Eigenschaft eines Milcherzeugers hat (EuGH, aaO, Slg. 2002, I-5775, Rdn. 32; ebenso EuGH, Urt.v. 15. Januar 1991, Rs. C-341/89, Ballmann, Slg. 1991, I-25 Rdn. 9; EuGH, Urt.v.  20. Juni 2002, Rs. C-313/99, Mulligan, Slg. 2002, I-5719 Rdn. 30). Dies schließt allerdings die Rückübertragung einer verpachteten Referenzmenge auf einen Verpächter ohne Erzeugereigenschaft in den Fällen der flächengebundenen und auch der flächenlosen Verpachtung aus. Gerade wenn die Referenzmenge zum alleinigen Gegenstand des Pachtvertrags gemacht worden ist, besteht die Gefahr, dass sie der Verpächter nach erfolgter Rückübertragung nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet, aus ihr - sei es durch erneute Verpachtung, sei es durch Veräußerung - einen finanziellen Vorteil zu ziehen. Dies zu verhindern, ist Hauptziel des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3950/92 (EuGH, aaO, Slg. 2002, I-5775 Rdn. 45; vgl. auch EuGH, Urt.v.  13. April 2000, Rs. C-292/97, Karlsson, Slg. 2000, I-2737 Rdn. 57; EuGH, aaO, Slg. 2002, I-5719 Rdn. 30). Diese europarechtlichen Vorgaben sind durch die Milchabgabenverordnung (MilchAbgV) in nationales recht umgesetzt worden.

12

Gem. § 12 Abs. 1 MilchAbgV gehen bei Pachtverträgen, die vor dem 01.04.2000 geschlossen und nach dem 31.03.2000 beendet werden, die Anlieferungsreferenzmengen auf den Verpächter nach Abzug der Landesreserve über. Soweit der Verpächter nicht selbst Milcherzeuger ist oder die übergehende Anlieferungs- Referenzmenge unverzüglich nach Ende des Pachtvertrages überträgt, ist diese von der zuständigen Landesstelle einzuziehen.

13

Gem. § 12 Abs. 3 MilchAbgV hat der Pächter bei Beendigung des Pachtvertrages das Recht, die zurückzugewährende Referenzmenge innerhalb eines Monats nach Ablauf des Pachtvertrages zu übernehmen, dies gilt nicht, wenn der Pächter den Pachtvertrag kündigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene den Pachtvertrag wirksam fristlos gekündigt hat. Er endete jedenfalls fristgemäß zum 30.09.2003 aufgrund des Nachtragsvertrages zum Pachtvertrag vom 24.09.1993. Damit hätte das Übernahmebegehren spätestens bis zum 24.10.2003 geltend gemacht werden müssen. Das hat der Kläger aber unstreitig nicht getan. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, das Pachtverhältnis sei einvernehmlich am 10.11.2003 vor dem Landwirtschaftsgericht beendet worden. Aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen vom 11.11.2003 (Bl. 29 GA) geht vielmehr eindeutig hervor, dass aufgrund der nunmehr erfolgten Rückgabe der Pachtfläche eine Nutzungsentschädigung aufgrund verbotener Eigenmacht gefordert werde. Eine einvernehmliche Verlängerung des Pachtvertrages bis zu diesem Zeitpunkt vermag die Kammer daraus nicht zu erkennen. Im Übrigen wären auch die Voraussetzungen für die Verlängerung eines Landpachtvertrages gem. § 594 BGB nicht gegeben. Denn Voraussetzung dafür wäre die schriftliche (Palandt, § 594 BGB, Rn. 4) Anfrage des Klägers, ob der Beigeladene zur Fortsetzung des Pachtverhältnisses bereit sei. Eine solche schriftliche Anfrage ist nicht gestellt worden.

14

Damit hat der Kläger die Referenzmenge, die nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut an die verpachtete Fläche gebunden ist, an den Beigeladenen nach Beendigung des Pachtverhältnisses mangels rechtzeitiger Übernahmeerklärung verloren. Dem Beigeladenen kann insoweit nicht vorgehalten werden, dass er bisher die Milchquote noch nicht veräußert hat. Denn Widerspruch und Klage haben im vorliegenden verfahren aufschiebende Wirkung. Eine Veräußerung ist danach noch nicht möglich.

15

Selbst wenn der Beigeladene - wofür allerdings keine Anhaltspunkte bestehen - die Flächen nicht erneut an einen Milcherzeuger verpachten will, kann dies nicht zu einem Verbleib der Quote beim Kläger führen. Denn dann wäre die Quote gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 MilchAbgV einzuziehen. Der Kläger wäre damit nicht in eigenen Rechten verletzt. Nur darauf kann er sich aber gem. § 42 VwGO berufen.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 3 VwGO.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

18

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4326,90 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG (43269 kg × 0,10 €/kg).

Müller