Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.03.2008, Az.: 7 KS 48/04
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.03.2008
- Aktenzeichen
- 7 KS 48/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 47041
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0327.7KS48.04.0A
Fundstellen
- ImS 2008, 140 (Kurzinformation)
- Immissionsschutz 2008, 140
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat -
auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Kalz, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Bremer, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schulz sowie die ehrenamtlichen Richter E. und F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Gemeinde wendet sich gegen die eisenbahnrechtliche Plangenehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes für die Sanierung des bestehenden Streckenabschnitts von Buchholz (Nordheide) bis Hamburg-Harburg. Sie begehrt ergänzende Schallschutzmaßnahmen zugunsten eines von ihr geplanten Wohngebiets.
Da sich die vorhandenen Bahnanlagen auf der zweigleisigen elektrifizierten Bahnstrecke zwischen den Bahnhöfen Buchholz und Harburg in einem schlechten Zustand befanden, plante die Beigeladene, den Bahnkörper, den Oberbau, zwei Stellwerke und die Oberleitungen zu erneuern, die bisherigen Bahnhöfe Klecken und Hittfeld zu Haltepunkten nach dem Standard für den Öffentlichen Personennahverkehr um- sowie die in beiden Bahnhöfen vorhandenen Überhol- und Abstellgleise zurückzubauen.
Im September 2003 stellte die Beigeladene der Klägerin das Vorhaben zunächst mündlich vor und bat anschließend schriftlich um Zustimmung unter Hinweis auf die von der Planung teilweise in Anspruch genommenen Flurstücke Gemarkung Meckelfeld Flur 1 Flurstücke 4/103 , 4/4 und 340/04, die im Eigentum der Klägerin stehen. Auf diesen aneinandergrenzenden Grundstücken etwa in Höhe Bahn-km 339,5 sollte die vorhandene Böschung abgetragen und eine Tiefenentwässerung mit Graben hergestellt werden. Die vollständigen Planunterlagen wurden der Klägerin nicht vorgelegt. Mit Schreiben vom 22. September 2003 teilte die Klägerin mit, dass sie grundsätzlich keine Bedenken gegen die geplanten Maßnahmen der Beigeladenen in Fleestedt und Meckelfeld habe und regte an, die benötigten Flächen gegen benachbarte bahneigene zu tauschen, auf denen sie Jahre zuvor einen Weg angelegt hatte. Bereits im Dezember 2002 hatte sich die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu Fragen der Entwässerung der Gleisanlagen geäußert.
Mit Plangenehmigung vom 12. Februar 2004 genehmigte das Eisenbahn-Bundesamt - Außenstelle Hannover - das Projekt, also den Umbau des Streckenabschnitts Buchholz (Nordheide) - Hamburg-Harburg von km 323,719 bis km 340,315, und folgte dabei den Anregungen der Klägerin zur Entwässerung.
Das Vorhaben ist mittlerweile ausgeführt. Die bisherige Leitgeschwindigkeit von 160 km/h ist ebenso unverändert geblieben wie die durch die Bogenverhältnisse im Bahnhof Hittfeld (und damit im Gebiet der Klägerin) bedingten "Geschwindigkeitseinbrüche" auf 130 bzw. 150 km/h.
Gegen die ihr am 17. Februar 2004 zugestellte Plangenehmigung hat die Klägerin am 12. März 2004 Klage erhoben. Sie meint, das Vorhaben habe eine Erhöhung der Durchgangsgeschwindigkeit der passierenden Züge zur Folge, so dass es zu einer spürbaren Zunahme der Lärmbelastung für die angrenzende Wohnbebauung kommen werde. Seit 1993 plane sie mittels des Bebauungsplans "Fleestedt 19 Auf dem Wittenberg" eine Wohnbebauung auf Höhe Bahn-km 334,6 bis 334,8. Im September 2003 habe es bereits einen Entwurf mit einer Flächenverteilung für 121 Wohneinheiten (Einzel-, Doppel- und Reihenhausbebauung) gegeben. Diese Bauleitplanung habe die Beklagte in ihrem Plangenehmigungsverfahren nicht berücksichtigt. Das erforderliche Benehmen sei nur selektiv zur Entwässerungsproblematik und zur Eigentumsbeanspruchung, nicht aber hinsichtlich des Belangs Bauleitplanung hergestellt worden. In der Abwägung sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass eine Einbindung des betreffenden Streckenabschnitts in die sog. Y-Trasse möglich sei. Das Raumordnungsverfahren zur Y-Trasse sei im März 2001 abgeschlossen worden.
Die Klägerin hat am 09. Oktober 2006 den Bebauungsplan Fleestedt 19 "Auf dem Wittenberg" beschlossen. Er sieht eingeschossige Einzel- und Doppelhäuser sowie zweigeschossige Mehrfamilienhäuser als allgemeines Wohngebiet (WA) vor. Um weitgehend den am Tag geltenden Immissionsgrenzwert einzuhalten, ist der Bau eines 5 m hohen Lärmschutzwalls geplant, zur Einhaltung des nächtlichen Immissionsgrenzwerts legt der Bebauungsplan für die zu errichtenden Häuser detaillierte Anforderungen passiven Schallschutzes fest.
Die Klägerin hält mit dem mittlerweile beschlossenen Bebauungsplan ihren Klageanspruch nicht für erledigt, weil der Lärmschutzwall noch nicht gebaut sei und sie gegebenenfalls auf diese bauleitplanerische Festsetzung verzichten werde, wenn ihre Klage Erfolg habe und der von ihr geplante Lärmschutz dadurch entbehrlich werde. Hilfsweise erhebe sie Fortsetzungsfeststellungsklage, weil sie sich etwaige Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche vorbehalte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die Plangenehmigung vom 12. Februar 2004 dahingehend zu ergänzen, dass auf dem Abschnitt zwischen Bahn-km 334,6 bis 334,8 durch Errichtung entsprechender Lärmschutzmaßnahmen in dem geplanten Wohngebiet "Auf dem Wittenberg" die Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts durch den Bahnbetrieb nicht überschritten werden,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Plangenehmigung vom 12. Februar 2004 um die Nebenbestimmung zu ergänzen, wonach die Beigeladene auf dem Abschnitt zwischen Bahn-km 334,6 bis 334,8 durch Errichtung entsprechender Lärmschutzmaßnahmen sicherzustellen hat, dass in dem geplanten Wohngebiet "Auf dem Wittenberg" die Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts durch den Bahnbetrieb nicht überschritten werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, dass zum Zeitpunkt der Plangenehmigung die Planungen der Klägerin noch nicht hinreichend konkretisiert gewesen seien, weil angesichts der vorhanden gewesenen Bahnstrecke seitens der Klägerin ein etwa 4 m hohes Lärmschutzbauwerk (zuzüglich Festsetzungen passiven Lärmschutzes) vorzusehen gewesen sei, um die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV in dem geplanten Wohngebiet einhalten zu können. Auch die daraus folgenden planerischen Konflikte mit den Belangen Natur und Landschaft seien noch nicht bewältigt gewesen, so dass es an dem für eine Berücksichtigung in der Fachplanung notwendigen Grad an Planreife gefehlt habe. Selbst wenn die Planungen der Klägerin zu berücksichtigen gewesen wären, hätte das von der Klägerin ohnehin vorzusehende Lärmschutzbauwerk nur um wenige Zentimeter erhöht werden müssen. Die Streckengeschwindigkeit sei durch die Ertüchtigung der Bahnstrecke nicht erhöht worden. Die angefochtene Plangenehmigung habe mit der Y-Trasse nichts zu tun, zudem sei die Realisierung jenes Projekts auf unbestimmte Zeit verschoben und der Verlauf der Trasse noch nicht vorherzusagen. Die Variante 3 der landesplanerischen Feststellung beträfe das geltend gemachte Planvorhaben nicht einmal mittelbar.
Der mittlerweile beschlossene Bebauungsplan mit der Bewältigung des schienenverkehrsbedingten Lärms zeige im Übrigen, dass die kommunale Planungshoheit nicht beeinträchtigt gewesen sei. Dessen Festsetzungen zum Schallschutz seien vorbehaltlos formuliert und deshalb für die Klägerin verbindlich, so dass das Rechtsschutzinteresse für den Hauptantrag nachträglich entfallen sei. Das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsbegehren sei unzulässig.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen,
und unterstützt das Vorbringen des Beklagten.
Die Klägerin hat mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Dezember 2007 von der Beigeladenen Grundflächen zwischen dem geplanten Wohngebiet und der Eisenbahnstrecke gekauft. Aus diesem Vertrag ergibt sich, dass die Klägerin inzwischen im Gebiet des Bebauungsplans einen Lärmschutzwall aufgeschüttet hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage, über die das Oberverwaltungsgericht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO zu entscheiden hat, ist zulässig. Die missverständliche gesetzliche Formulierung "Änderung neuer Strecken" erfasst alle Änderungsplanungen (vgl. Senat , Urt.v. 30.04.1997 - 7 K 3887/96 -, NVwZ-RR 1998, 718).
Die Klägerin ist klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, weil die Weigerung der Beklagten, ihr aktiven Schallschutz zuzugestehen, eine Verletzung eigener Rechte, nämlich ihrer Planungshoheit, als möglich scheinen lässt. Der Hauptantrag ist auch noch nicht erledigt, weil die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, den von ihr geplanten Lärmschutzwall noch nicht vollständig hergestellt hat. Obwohl sie die hier geltend gemachten Einwendungen im Plangenehmigungsverfahren nicht erhoben hat, ist die Klage zulässig, denn der Ausschluss von Einwendungen (materielle Präklusion) gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG a.F. gilt nur für das Planfeststellungs-, nicht für das Plangenehmigungsverfahren. Auf die Erteilung einer Plangenehmigung finden die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren grundsätzlich keine Anwendung, § 18 Abs. 2 Satz 2 AEG a.F..
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
2.1 Es kann offenbleiben, ob die der Klägerin von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen ausreichend waren, um den Umfang der geplanten Arbeiten und die etwaigen Auswirkungen auf das Gemeindegebiet zu erkennen, oder ob die Beigeladene und die Beklagte die Stellungnahme der Klägerin vom 22. September 2003 als ausschließlich zu Fragen der Grundstücksinanspruchnahme hätten werten müssen. Wie bereits unter 1. dargelegt, unterliegt das Vorbringen der Klägerin nicht der Präklusion. Ein etwa bestehender Verfahrensfehler wäre nach § 46 VwVfG unbeachtlich, weil die Klägerin sich im gerichtlichen Verfahren ausführlich geäußert und die Beklagte dazu erklärt hat, sie hätte selbst bei Kenntnis des damaligen Standes des Bebauungsplanverfahrens das Vorhaben ebenso, insbesondere ohne die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen, genehmigt. Im Übrigen geht es der Klägerin nicht um eine Anfechtung der Plangenehmigung, sondern um deren Ergänzung, für die selbst das Vorliegen von Verfahrensfehlern als solches nicht die erforderliche Anspruchsgrundlage darstellen kann.
Da die Klägerin ausdrücklich einen Aufhebungsanspruch nicht geltend macht, kommt es auch auf ihre Rüge, die Beklagte habe das Benehmen gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG a.F. nicht (vollständig) hergestellt, nicht an. Im Übrigen stehen selbst negative Stellungnahmen beteiligter Behörden einem Plangenehmigungsverfahren nicht im Wege (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 74 Rn. 166).
2.2 Die Klägerin hat weder Anspruch auf Ergänzung der Plangenehmigung durch Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen zugunsten ihres Baugebiets "Auf dem Wittenberg" noch auf eine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung solcher Maßnahmen, sofern man das Hauptbegehren doch als erledigt ansähe.
2.2.1 Ein Anspruch der Klägerin auf den geltend gemachten Schallschutz gemäß §§ 41 ff. BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV besteht nicht. Derartige dem Schutz der "Nachbarschaft", § 43 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG, § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV, dienende Ansprüche stehen Gemeinden auf der Grundlage ihrer Planungshoheit grundsätzlich ebenso wenig zu wie grundrechtliche Abwehransprüche gegen eine gesundheitsgefährdende Lärmgesamtbelastung (vgl. OVG R-P, Urt.v. 23.05.2005 - 8 C 10728/05 -, juris unter Hinweis auf BVerwG, Urt.v. 02.04.2000, - 11 A 23.98 -, juris; ebenso BVerwG, Urt.v. 12.04.2000 - 11 A 18.98 -, BVerwGE 111, 108 = DVBl 2000, 1344 = NVwZ 2001, 82).
Gemeinden können dann zum Kreis der Nachbarschaft im immissionsschutzrechtlichen Sinne gehören, wenn ihr Eigentum oder ihre Einrichtungen betroffen sind. Dies hat die Klägerin indessen nicht geltend gemacht.
2.2.2 Die Klägerin hat auch nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG keinen Anspruch auf Festsetzung von Lärmschutzmaßnahmen. Diese Vorschrift wird grundsätzlich durch § 41 Abs. 1 BImSchG verdrängt, soweit es um schädliche Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche geht (vgl. BVerwG, Urt.v. 09.02.1995 - 4 C 26.93 -, BVerwGE 97, 367 = DVBl. 1995, 750 = NVwZ 1995, 907).
2.2.3 Weiter besteht kein Anspruch auf von der Beigeladenen herzustellenden aktiven Schallschutz aus dem Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG wegen Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit. Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind, dass die Gemeinde zum Zeitpunkt der Plangenehmigung ihre Planungshoheit bereits durch eine zu berücksichtigende Planung konkretisiert hat und dass diese Planung durch die Plangenehmigung nachhaltig gestört wird (vgl. BVerwG, Urt.v. 17.03.2005 - 4 A 18.04 -, Frankenschnellweg, BVerwGE 123, 152 = DVBl 2005, 1044). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
2.2.3.1 Das von der Klägerin seinerzeit geplante Baugebiet "Fleestedt 19 Auf dem Wittenberg" war im Februar 2004 noch nicht hinreichend konkretisiert, um daraus einen Anspruch auf aktiven Schallschutz herleiten zu können. Der von der Klägerin vorgelegte Flächenverteilungsplan vom September 2003 sah zugunsten der geplanten Wohnbebauung keinerlei Schutzvorkehrungen gegen den von der bereits seit langem bestehenden Eisenbahnstrecke (eingleisig seit 1874 als "Paris-Hamburger Bahn", zweigleisig spätestens vor dem 1. Weltkrieg, elektrifiziert seit den 60er Jahren, vgl. http://de.wikipedia.org /wiki/Rollbahn_(Eisenbahnstrecke)) ausgehenden Schall vor. Anstelle des später festgesetzten Lärmschutzwalls war eine Grünfläche mit einem Regenrückhaltebecken vorgesehen, und auch der Anordnung der Wohnbauflächen ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die Lage des Gebiets im Emissionsgebiet der Eisenbahnstrecke planerisch in den Blick genommen hatte. Dies war aber notwendig, weil bereits vor den plangenehmigten Änderungen an der Bahnstrecke im Gebiet des Bebauungsplans Schallpegel von bis zu 59,4 dB(A) tags und 55,1 dB(A) nachts bestanden haben. Die für die städtebauliche Planung heranzuziehenden Schalltechnischen Orientierungswerte für Baugebiete nach dem Beiblatt I der DIN 18 005 (abgedruckt in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl.) sehen für Allgemeine Wohngebiete (WA) Orientierungswerte von 55 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts vor.
Den dieser bestehenden Eisenbahnstrecke zuzuordnenden Schall emittiert der Betrieb der Eisenbahn aufgrund eines bestandkräftigen Planfeststellungsbeschlusses. Eine Änderungsplanfeststellung oder -genehmigung kann die Klägerin nur angreifen, wenn sie durch deren Festsetzungen erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird, d.h. der vom Verkehr auf der bestehenden Bahnstrecke ausgehende Schall ist nicht ohne weiteres zu berücksichtigen. Soweit eine bereits erfolgte wirksame Anlagenzulassung durch Planfeststellung reicht, bedarf es einer neuen Zulassungsentscheidung und damit Abwägung nicht (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt.v. 19.02.2007 - 9 A 22.06 -, DVBl. 2008, 518 m.w.N.). Dies gilt entsprechend für die Prüfung eines Anspruchs auf Anordnung von Schallschutzmaßnahmen auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG.
Der gemeindlichen Planung fehlten zum Zeitpunkt der Plangenehmigung nicht nur Festsetzungen zum Lärmschutz sondern auch zur Bewältigung der planerischen Konflikte mit den Belangen Natur und Landschaft, auch war das Problem der Oberflächenentwässerung seinerzeit noch ungelöst (vgl. dazu BVerwG, Urt.v. 18.06.1997 - 11 A 65.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 27 = UPR 1997, 470).
2.2.3.2 Selbst wenn die Planung des Baugebiets "Auf dem Wittenberge" als hinreichend konkretisiert anzusehen gewesen wäre, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Ergänzung der Plangenehmigung vom 12. Februar 2004, weil die dort vorgesehenen Maßnahmen nicht geeignet sind, bestehende Planungen oder konkrete Planungsabsichten nachhaltig zu stören ( BVerwG, Urt.v. 17.03.2005 - 4 A 18.04 -, a.a.O.). Der potentiell Schallschutz auch für Gemeinden auslösende Tatbestand kann mithilfe der Definition der wesentlichen Änderung in § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV angenommen werden. Der vorhandene Schienenweg wird hier jedoch weder um ein oder mehrere durchgehende Gleise erweitert (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV) - vielmehr werden u.a. im Bereich des Bahnhofs Hittfeld und in Höhe des Baugebiets "Auf dem Wittenberg" Gleise entfernt -, noch ist wegen erheblicher baulicher Eingriffe mit einer Steigerung des vom Schienenverkehr ausgehenden Lärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) tags oder 60 dB(A) nachts zu rechnen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV).
Es ist bereits zweifelhaft, ob ein erheblicher baulicher Eingriff i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV Gegenstand der angefochtenen Plangenehmigung ist. Ein derartiger Eingriff setzt eine bauliche Änderung voraus, die in die Substanz des Verkehrswegs eingreift und über eine bloße Erhaltungsmaßnahme hinausgeht, indem sie die Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges steigert (vgl. BVerwG, Urt.v. 09.02.1995 - 4 C 26.93 -, BVerwGE 97, 367 (369) = DVBl. 1995, 750 = NVwZ 1995, 907, vorgehend Nds. OVG, Urt.v. 16.09.1993 - 7 K 1875/92 -, juris). Für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit in dem Sinne, dass die bleibenden und geringfügig verlegten Gleise zur vermehrten Aufnahme von Schienenverkehr und/oder seiner schnelleren Abwicklung führen sollen, fehlt es an Anhaltspunkten. So heißt es im Erläuterungsbericht zur Plangenehmigung, mittelfristig sei auf dem Streckenabschnitt Hamburg-Harburg - Buchholz/N. nicht mit zusätzlichen Zügen zu rechnen, so dass das gegenwärtige Betriebsprogramm mit 120 Zügen je Richtung zugrunde gelegt werde. Die im Bereich Hittfeld beengten Bogenverhältnisse würden zwar etwas aufgeweitet, gleichwohl müssten die Geschwindigkeitseinbrüche auf 130 km/h bzw. 150 km/h in diesem Bereich weiter hingenommen werden, da die örtliche Situation insgesamt eine großzügigere Linienverbesserung nicht zulasse (vgl. Planunterlage 2, S. 7 und 12). Die Klägerin hat zwar mehrfach behauptet, die Durchgangsgeschwindigkeit der passierenden Züge erhöhe sich, dies jedoch nicht substantiiert.
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil sich aus der im Gerichtsverfahren vorgelegten 1. Ergänzung der schalltechnischen Untersuchung vom 28. Mai 2004 ergibt, dass selbst ohne bauliche Änderungen an der Bahnstrecke im Gebiet des Bebauungsplans ein Beurteilungspegel von bis zu 59,4 dB(A) tags und 55,1 dB(A) nachts besteht, der durch die Baumaßnahme um 0,8 dB(A) tags und 0,6 dB(A) nachts auf 60,2 dB(A) tags und 55,8 dB(A) nachts steigt (alles bezogen auf einen Immissionsort in Höhe eines 1. OG im Abstand von 40 m zum nächstgelegenen Gleis). Die höchsten Steigerungswerte gegenüber dem Zustand vor den plangenehmigten Maßnahmen werden im Erdgeschoss in 100 m Entfernung vom nächstgelegenen Gleis erreicht und liegen bei 1,1 dB(A) tags und 0,9 dB(A) nachts und damit im nicht hörbaren Bereich. Auch Anwohner im neuen Baugebiet hätten aus diesem Grund keinen Anspruch auf Schallschutz. Da die Klägerin ein allgemeines Wohngebiet geplant hat, obwohl dort schon durch eine unverändert bleibende Eisenbahnstrecke der Nachtwert selbst für Dorf- und Mischgebiete nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV (wenn auch geringfügig) überschritten wird, war sie unabhängig von der angefochtenen Fachplanung gehalten, für Lärmschutz zugunsten der geplanten Wohnbebauung zu sorgen. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegen die schalltechnische Untersuchung vorgebrachte Einwand, das Gutachten gehe von einer Nutzung der Fläche als "grüner Wiese" aus, ist nicht stichhaltig. Die Untersuchung berechnet den von der Bahntrasse ausgehenden Schall und differenziert nach der Entfernung von der Trasse und der Geschosshöhe. Die so ermittelten Werte sind unabhängig von der gegenwärtigen oder zukünftigen Nutzung der Fläche, die erst entscheidend ist für die Festlegung, welche Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV zur Beurteilung der Verkehrsgeräusche heranzuziehen sind.
Eine nachhaltige Störung ihrer Planungsabsichten und damit einen Anspruch auf Festsetzung von Lärmschutzmaßnahmen kann die Klägerin auch nicht aus der Vorplanung der sog. "Y-Trasse" herleiten. Dieses Projekt musste das Eisenbahnbundesamt nicht in die Änderungsplanung einbeziehen, denn derzeit steht noch nicht einmal fest, ob der über eine zukünftige Y-Trasse geführte Verkehrsanteil von und nach Hamburg überhaupt die hier ertüchtigte Strecke als Anschluss nutzen wird. Die landesplanerische Feststellung vom März 2001 schließt mit drei möglichen Varianten, von denen die dritte das Gebiet der Klägerin gar nicht berührt. Entsprechend weist die landesplanerische Feststellung darauf hin, dass erst im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zur Y-Trasse diese genauer geplant und die Betroffenheit jedes Grundstücks festgestellt und geregelt werde. Entgegen der Ansicht der Klägerin entfaltet das Ergebnis der Raumordnungsverfahren eine Bindungswirkung nicht (vgl. BVerwG, Urt.v. 16.08.1995 - 11 A 2.95 -, NVwZ 1996, 267 [BVerwG 16.08.1995 - BVerwG 11 A 2.95]). Es handelt sich vielmehr um eine bloße gutachterliche Äußerung der Raumordnungsbehörde, die der dem eigentlichen Zulassungsverfahren vorgeschalteten verwaltungsinternen Abklärung der raumordnerischen Verträglichkeit des Vorhabens dient (vgl. BVerwG, Beschl.v. 15.07.2005 - 9 VR 43.04 -, Buchholz 406.14 § 4 ROG 1998 Nr. 1 m.w.N.). Ungeachtet der fehlenden Bindungswirkung dient es als Grundlage weiterer Planung, indem einige, wenn auch nicht alle Alternativen ausgeschieden werden. Diese in raumordnerischer Hinsicht gutachtliche Äußerung ist im Hinblick auf die Variantenwahl nach Würdigung der einem zukünftigen Planfeststellungsverfahren erhobenen Daten von der Beklagten neu zu bewerten, die Klägerin kann - im Fall ihrer Betroffenheit - ihre Belange in jenem Planfeststellungsverfahren geltend machen. Eine solche Betroffenheit kann vorliegen, wenn als Folge eines Verkehrswegevorhabens der Verkehr auf einer anderen, vorhandenen Trasse zunimmt und der von ihr ausgehende Lärmzuwachs mehr als unerheblich ist sowie ein eindeutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem planfestgestellten Vorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf der anderen Trasse besteht. Sind von dem Lärmzuwachs ausgewiesene Baugebiete betroffen, können Gemeinden ihr Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen als eigenen abwägungserheblichen Belang geltend machen (vgl. BVerwG, Urt.v. 17.03.2005 - 4 A 18.04 -, Frankenschnellweg, a.a.O.).
2.2.3.3 Schließlich müsste sich die Klägerin - wenn ihre Planungshoheit nachhaltig gestört würde - entgegenhalten lassen, dass sie in freier Ausübung dieser Planungshoheit trotz des Trennungsgrundsatzes des § 50 BImSchG das Heranrücken von Wohnbebauung an die Bahnlinie geplant hat und für den sich dann verschärfenden städtebaulichen Konflikt selbst verantwortlich wäre (vgl. BVerwG, Urt.v. 12.04.2000, - 11 A 23.98 -, juris). Etwas anderes könnte gelten, wenn trotz Abstimmung der Bauleitplanung auf die vorgegebene Situation einer bestehenden Bahnlinie mit der daraus entstehenden Beeinträchtigungen bauleitplanerische Mittel nicht ausreichen, den Konflikt zwischen Wohnnutzung und Betrieb der Bahnstrecke zu lösen (vgl. BVerwG, Urt.v. 30.09.1993 - 7 A 14.93 -, NVwZ 1994, 371 (372) [BVerwG 30.09.1993 - 7 A 14/93]). Dies ist indes nicht ersichtlich. Vielmehr zeigen die dem Lärmschutz dienenden Festsetzungen im später beschlossenen Bebauungsplan, dass die Klägerin planerisch in der Lage war, an ihrem Vorhaben in geringfügig modifizierter Form festzuhalten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind danach erstattungsfähig, weil sie die Abweisung der Klage beantragt und sich so nach § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 S. 1 und 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 50 000 EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).