Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.12.2009, Az.: 4 T 684/09 (141)

Begrenzung des Vorrechts einer Wohnungseigentümergemeinschaft bzgl. Forderungen i.R.d. Vollstreckung in ein Wohnungseigentum

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
09.12.2009
Aktenzeichen
4 T 684/09 (141)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 37532
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2009:1209.4T684.09.141.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Clausthal-Zellerfeld - 14.07.2009 - AZ: 2 K 88/07
nachfolgend
BGH - 24.06.2010 - AZ: V ZB 17/10

Verfahrensgegenstand

Der im Wohnungsgrundbuch von xxx eingetragene 82/100.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück lfd. BV-Nr. 1, 2, zu 1. verbunden mit Sondereigentum

In der Zwangsversteigerungssache
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 09.12.2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx,
die Richterin xxx und
die Richterin am Landgericht xxx
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde des betreibenden Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 14.07.2009 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

  3. 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

  4. 4.

    Der Beschwerdewert wird auf 1.190,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der betreibende Gläubiger hat die Zwangsvollstreckung betrieben aus dem vollstreckbaren Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 09.10.2006 (Aktenzeichen 12 UR II 37/06) wegen eines persönlichen Anspruchs, und zwar 1.559,95 Euro Hauptforderung (Wohngeld) nebst Zinsen und Kosten sowie dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 07.12.2006 (Aktenzeichen 12 UR II 37/06) wegen festgesetzter (Rest-)Kosten in Höhe von 254,89 Euro nebst Zinsen und Kosten aus dem Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Durch Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 23.11.2007 wurde auf Antrag des betreibenden Gläubigers vom 20.11.2007 wegen dieser Forderungen die Zwangsversteigerung des im Rubrum genannten Grundbesitzes angeordnet.

2

Durch Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 10.04.2009 ist der Verkehrswert des Grundbesitzes nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf 23.800,00 Euro festgesetzt worden.

3

Mit Schriftsatz vom 15.05.2008 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten des betreibenden Gläubigers den Zwangsversteigerungsantrag zurück, soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.12.2006 betrieben worden ist.

4

Mit Schriftsatz vom 04.02.2008 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten des betreibenden Gläubigers den Zwangsversteigerungsantrag vom 20.11.2007 zurück, da der betreibende Gläubiger in Höhe seiner durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG privilegierten Forderung, in Höhe von 1.190,00 EUR, durch Zahlung der das Verfahren betreibenden Grundpfandgläubigerin, der xxx, befriedigt worden war. Gleichzeitig wurde bestätigt, dass die xxx auch den von dem betreibenden Gläubiger gezahlten Kostenvorschuss für das Sachverständigengutachten mit 1.000,00 EUR erstattet habe.

5

Durch Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 05.02.2009 wurde das Verfahren aufgehoben, soweit es von dem Gläubiger xxx, aus dem Anordnungsbeschluss betrieben worden ist, weil der Gläubiger den Antrag zurückgenommen hat.

6

Im zweiten Zwangsversteigerungstermin, am 18.02.2009, wurde das Verfahren gemäß § 77 ZVG einstweilen eingestellt, weil in dem Versteigerungstermin Gebote nicht abgegeben worden sind, bzw. sämtliche abgegebene Gebote erloschen waren.

7

Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat durch Beschluss vom 17.03.2009 beschlossen, dass das Verfahren aus dem Anordnungsbeschluss vom 23.07.2007 auf Antrag der xxx fortgesetzt wird.

8

Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat durch Beschluss vom 15.04.2009 auf Antrag der betreibenden Gläubigerin den Beitritt zu der angeordneten Zwangsversteigerung des im Rubrum genannten Grundsbesitzes im Range des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG zugelassen wegen einer Hauptforderung in Höhe von 477,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf -mindestens jedoch 8% jährlich- nebst festgesetzter Kosten insgesamt mit 706,39 EUR mit 5% Zinsen über dem Basiszinssatz auf a) 443,71 EUR seit dem 20.11.2008 und b) 262,68 EUR seit dem 06.03.2009 aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 27.02.2009 (AZ: 4 C 31/09) und aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 11.03.2009 (AZ: 4 C 299/08) bzw. vom 12.03.2009 (AZ: 4 C 31/09).

9

Mit Schreiben vom 03.07.2009 bat die xxx um Überprüfung des Beschlusses vom 15.04.2009 hinsichtlich der erneuten Zulassung des Beitritts der WEG, vertreten durch den Hausverwalter xxx in Höhe von 477,00 EUR zuzüglich Zinsen und Kosten aus der bevorrechtigten Rangklasse II. Die Hausverwaltung habe bereits im gleichen Verfahren mit einer Forderung von 1.559,95 EUR nebst Zinsen aus Rangklasse II die Zwangsversteigerung betrieben und sei von der Gläubigerin xxx am 01.02.2009 mit einem Betrag in Höhe von 5% des Verkehrswertes = 1.190,00 EUR zuzüglich des Kostenvorschusses für das Sachverständigengutachten in Höhe von 1.000,00 EUR befriedigt worden. Unter Hinweis auf den Aufsatz von Prof. Dipl. Rpfl. Udo Hintzen (Rpfl. 2008, S. 165 bis 176) weisen sie darauf hin, dass ein Gläubiger aus Rangklasse II lediglich einen bevorrechtigten Anspruch von maximal 5% des Verkehrswertes im gesamten Verfahren beanspruchen könne, dabei handele es sich um eine Höchstgrenze.

10

Durch Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 14.07.2009 wurde der Beitrittsbeschluss vom 15.04.2009 aufgehoben. Es wurde festgestellt, dass bestrangig betreibende Gläubigerin nunmehr die xxx sei. In den Gründen wird ausgeführt, dass der Beschluss vom 15.04.2009, der den Beitritt des Hausverwalters xxx in Rangklasse II ausweise, rechtlich fehlerhaft und nicht haltbar sei. Die Zulassung des Beitritts hätte nur in Rangklasse V, jedoch nicht in Rangklasse II erfolgen dürfen. Die Obergrenze der privilegierten Rangklasse II betrage 5% des festgesetzten Verkehrswertes. In diesem Verfahren seien dies insgesamt 1.190,00 EUR. In Höhe dieses Betrages sei der Gläubiger Herr xxx bereits durch die xxx abgelöst worden und damit in dieser Höhe auch vollumfänglich befriedigt. Durch die Ausschöpfung der 5% im Rahmen des Anordnungsbeschlusses sei das Vorrecht für weitere Forderungen des Verwalters verbraucht, die durch die Ablösung der xxx auf diese übergegangen sei.

11

Gegen diesen, seinen Verfahrensbevollmächtigten am 15. Juli 2009 zugestellten, Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des betreibenden Gläubigers vom 23.07.2009, eingegangen beim Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld am 24.07.2009. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. In der Beschwerdebegründung vom 07.08.2009 wird darauf hingewiesen, dass eine Zahlung seitens der Grundpfandgläubigerin in Höhe von 5% des Verkehrswertes gezahlt worden sei. Diese Zahlung betreffe aber nicht diejenige Forderung, deretwegen der betreibende Gläubiger nunmehr erneut die Zulassung des Beitritts zum Zwangsversteigerungsverfahren in der Klasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG beantragt habe. Er vertritt die Auffassung, dass, sofern eine neue Forderung in dieser Rangklasse entstanden sei, diese berechtige, den Antrag auf Zulassung des Beitritts wegen dieser erneut entstandenen Forderung zu stellen, auch wenn die ursprüngliche Forderung, die zunächst die Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ausgefüllt habe, durch die Grundpfandgläubigerin abgelöst worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 07.08.2009 verwiesen (Bl. 245 bis 249 d.A.).

12

Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten mit Verfügung vom 11.08.2009 dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt. In den Gründen heißt es, dass das Problem der Ablösung und des anschließenden Beitritts wegen neuerer "Wohngeldforderungen" dort in mehreren Verfahren auftrete. Die Rechtslage sei, wie vom Gläubigervertreter zutreffend ausgeführt, nicht eindeutig. Da eine einheitliche Verfahrensweise gewünscht wird, würden die Akten dem Landgericht Braunschweig mit der Bitte um Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

13

Mit Verfügung vom 31.08.2009 teilte die zuständige Einzelrichterin den Verfahrensbevollmächtigten mit, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde zurückzuweisen.

14

Mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des betreibenden Gläubigers vom 08.09.2009 beantragten diese, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die im vorstehenden Verfahren zu entscheidende Rechtsfrage bislang noch nicht geklärt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung seiner Rechtsauffassung wird auf den Schriftsatz verwiesen (Bl. 254 bis 273 d.A.).

15

Nach Anhörung der Parteien ist durch Beschluss vom 23.09.2009 der Rechtsstreit wegen der grundsätzlichen Bedeutung von der Kammer übernommen worden. Mit Verfügung vom 19.10.2009 wurde darauf hingewiesen, dass nach Beratung der Kammer an der mit Hinweis der Einzelrichterin vom 31.08.2009 geäußerten Rechtsauffassung festgehalten werde.

16

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß § 95 ZVG, §§ 567 ff. ZPO, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

17

Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass § 268 Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt, dass der Übergang der Forderung auf den Dritten nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden kann. Jedoch kann diese Vorschrift nicht isoliert betrachtet werden, sondern in einer Gesamtbetrachtung mit § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Nach dieser Norm besteht ein begrenztes Vorrecht der WEG bezogen auf die dort genannten Forderungen. Die Grenze liegt dabei darin, dass das Vorrecht sich nur auf Forderungen in Höhe von 5% des Verkehrswertes bezieht. Hintergrund ist, dass versucht werden sollte, einen Ausgleich zwischen den Interessen der WEG und den Interessen der nachrangigen Gläubiger zu erzielen. Für die nachrangigen Gläubiger sollte das Risiko in überschaubaren Grenzen gehalten werden (vgl. hierzu GE der BReg vom 9. 3. 2006, BT-Dr 16/887).

18

Um diesem Ausgleichsgedanken gerecht zu werden, muss im Ergebnis sowohl das der Höhe nach begrenzte Vorrecht der WEG als auch das von den nachrangigen Gläubigern zu tragende Risiko eingehalten werden. Dieses Ergebnis wird dadurch erzielt, dass bei Ablösung der Forderung der WEG bis zur Kappungsgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG die Forderung unter Wahrung der Vorrangstellung auf den Ablösenden übergeht. Damit werden die gegenläufigen Interessen beider Parteien ausreichend und entsprechend der Gesetzesbegründung geschützt. Eine unangemessene Benachteiligung der Beschwerdeführerin tritt nicht ein. Denn diese erhält den ihr zugedachten Forderungsbetrag vorrangig und steht damit so, wie sie stünde, als wenn das Zwangsvollstreckungsverfahren erfolgreich durchgeführt worden wäre.

19

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

20

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen worden, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

21

Der festgesetzte Beschwerdewert orientiert sich an dem Interesse des Beschwerdeführers an einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung und ist mit 5% des festgesetzten Verkehrswertes berücksichtigt worden, dem Interesse des Beschwerdeführers mit den noch nicht abgelösten Forderungen erneut vorrangig in Höhe dieser Summe bedient zu werden.