Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.05.2009, Az.: 8 T 344/09 (123)

Internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes für die Erteilung eines Fremdrechtserbscheines für das in Deutschland belegende Vermögen eines türkischen Erblassers

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
18.05.2009
Aktenzeichen
8 T 344/09 (123)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 36396
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2009:0518.8T344.09.123.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 25.03.2009 - AZ: 7 VI 30/09

Fundstelle

  • IPRax 2010, 255-256

In dem Nachlassverfahren
...
.hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 18.05.2009
durch
xxx
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde xxx hin, wird der Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt - Abteilung für Nachlasssachen - 7 VI 30/09 - vom 25.03.2009 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Amtsgericht Helmstedt zurück verwiesen.

Gründe

1

I.

Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Deutschland. Die Erbfolge ist nach türkischem Recht eingetreten. Zum Nachlass gehört kein Grundbesitz in Deutschland. Der Wert des reinen Nachlasses in Deutschland beträgt xxx Der Antragsteller ist Sohn des Erblassers. Er beantragt,

die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins nach § 2369 BGB für das in Deutschland belegende Vermögen des Erblassers, nach dem die Ehefrau des Erblassers sowie seine drei Söhne jeweils zu 1/4 den Erblasser beerben.

2

Das Amtsgericht Helmstedt hat mit Beschluss vom 25.03.2009 den Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass deutsche Gerichte zur Erteilung des Erbscheins international nicht zuständig seien.

3

Gegen den Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.04.2009 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht Helmstedt hat mit Verfügung vom 19.04.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt.

4

II.

Die gemäß §§ 19,20 FGG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Für die Erteilung des Erbscheins sind deutsche Gerichte international zuständig.

5

Die internationale Zuständigkeit folgt aus Artikel 25 EGBGB. Zwar gehen bilaterale Verträge, wie das Nachlassabkommen in der Anlage zu Artikel 20 des am 28.05.1929 abgeschlossenen und am 18.11.1931 in Kraft getretenen Konsularvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei als Sonderregelung den allgemeinen Regelungen des EGBGB vor. Das umfangreiche Nachlassabkommen enthält auch in § 14 ff. von Artikel 25 abweichende Kollisionsnormen. Die internationale Zuständigkeit für die Erteilung eines Erbscheins ist in dem Nachlassabkommen jedoch nicht geregelt.

6

Die entscheidenden Paragraphen lauten wie folgt:

7

§ 15

8

Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen, sowie Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, sind, soweit es sich um beweglichen Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates anhängig zu machen, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte, soweit es sich um unbewegliches Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates, in dessen Gebiet sich der unbewegliche Nachlass befindet. Ihre Entscheidungen sind von den anderen Staaten anzuerkennen.

9

§ 17

10

Ein Zeugnis, über ein erbrechtliches Verhältnis, insbesondere über das Recht des Erben oder eines Testamentvollstreckers, das von der zuständigen Behörde des Staates, dem der Erblasser angehörte, nach dessen Gesetzen ausgestellt ist, genügt, soweit es sich um beweglichen Nachlass handelt, zum Nachweis dieser Rechtsverhältnisse auch für das Gebiet des anderen Staates. Zum Beweis der Echtheit genügt die Beglaubigung durch einen Konsul oder einen diplomatischen Vertreter des Staates, dem der Erblasser angehörte.

11

§ 15 des Nachlassabkommens regelt allein die Zuständigkeit für streitige Verfahren. In Fällen, in denen das materielle Erbrecht selbst strittig ist, ist dieses nach den Gesetzen des Staates zu bestimmen, dem der Erblasser angehört. Dafür sind die Gerichte dieses Landes international zuständig, so dass materielles Recht und Zuständigkeit parallel laufen. Dieser Gleichlauf mag zwar auch für das Erbscheinserteilungsverfahren sinnvoll erscheinen, von § 15 des Nachlassabkommens erfasst sind jedoch ausdrücklich nur streitige Verfahren. Hierunter fällt das Erbscheinsverfahren nicht.

12

§ 17 des Nachlassabkommens enthält lediglich die Regel, dass ein Zeugnis über ein erbrechtliches Verhältnis über den beweglichen Nachlass, das von der zuständigen Behörde im Heimatstaat des Erblassers nach dem Heimatrecht des Erblassers ausgestellt worden sind, zum Nachweis dieses Rechtsverhältnisses auch im anderen Vertragsstaat genügt. Für Erbscheine sind die Zuständigkeit der Behörden des Heimatstaates und die Anwendung des Heimatrechts als Anerkennungsvoraussetzung positiv formuliert. Daraus folgt nicht, dass die Behörden des Heimatstaates ausschließlich zuständig sind. Sie schließt ein Tätigwerden deutscher Nachlassgerichte nicht aus.

13

Auch die weitreichenden Befugnisse, die dem Konsul in den §§ 1 - 11 des Nachlassabkommens hinsichtlich der Nachlasssicherung und - regelung eingeräumt sind, hindern nach dem Wortlaut des Abkommens die Erben eines türkischen Erblassers nicht, die deutschen Nachlassgerichte in Anspruch zu nehmen. Die dem Konsul in den §§ 1 - 4 eingeräumten Befugnisse greifen nach allgemeinem Konsularvölkerrecht erst dann, wenn der Staatsangehörige oder eine Nichtstaatsangehöriger im Interesse des Nachlasses eines Staatsangehörigen den Schutz und das Tätigwerden des Konsuls beansprucht. Ist dies nicht der Fall, sind die inländischen Nachlassgerichte nicht gehindert, auf Antrag von Erben im Rahmen ihrer Zuständigkeit Fremdrechts- und Eigenrechtserbscheine auszustellen (vgl. Ermann-Hohloch BGB ,12. Auflage 2008, Artikel 25 EGBGB, Rz 57; Staudinger - Dörne BGB, 2007, Vorb. zu Artikel 25 EGBGB, Rz 190; Frank Bauer, FamRZ 2007, 1252 ff.).

14

Die Sache war zu Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuweisen, da bislang allein die Zuständigkeit des Amtsgerichts Helmstedt geprüft worden ist.

xxx
xxx
xxx