Landgericht Braunschweig
Urt. v. 22.12.2009, Az.: 6 S 60/09
Kaution; insolventer Vermieter; Zwangsversteigerung; Erwerberhaftung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 22.12.2009
- Aktenzeichen
- 6 S 60/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 42622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2009:1222.6S60.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 14.01.2009 - AZ: 115 C 465/08
- nachfolgend
- BGH - 07.03.2012 - AZ: XII ZR 13/10
Rechtsgrundlagen
- BGB §§ 551
- 566a
- ZVG § 57
Fundstelle
- ZMR 2010, 361-362
In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig im Einverständnis der Parteien im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatzfrist bis zum 15.12.2009 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 14. Januar 2009 abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 310,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz (nach § 247 BGB) seit dem 21.12.2007 sowie weitere 78,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2008 zu zahlen. Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die geringfügig weitergehende Berufung wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 53 % und die Beklagte zu 47 %. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1 000,00 € abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1 200,00 € abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 813,14 €.
Gründe
I.
Der Kläger fordert in diesem Rechtsstreit unter anderem Mietkautionen in Höhe von insgesamt 1 123,42 € für drei gewerblich genutzte Mietobjekte zurück.
Der Kläger hatte unter anderem zwei als Büroräume genutzte Mietobjekte angemietet und an den damaligen Eigentümer und Vermieter Mietsicherheiten (Kautionen) in Höhe von insgesamt 813,14 € gezahlt. Nachdem über das Vermögen des Voreigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, veranlasste der Insolvenzverwalter die Zwangsversteigerung der Objekte. Die Beklagte ersteigerte sie. Nach dem Ende des Mietverhältnisses verlangt der Kläger von der Beklagten als jetziger Vermieterin die Kautionen zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die erstinstanzliche Entscheidung nebst der weiteren Verweisung auf die erstinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich der Mietkautionen stattgegeben, weil die Beklagte in die Rückzahlungspflicht nach § 566a Satz 1 BGB eingetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das angefochtene Urteil ist der Beklagten am 24.01.2009 zugestellt worden. Ihre Berufung ist am 10.02.2009 und die Berufungsbegründung per Vorab - Telefax am 17.03.2009 beim Landgericht eingegangen.
Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Kautionen seien nicht zurückzuerstatten, wenn sie beim insolventen Vorvermieter infolge einer nicht insolvenzfesten Anlage untergegangen seien.
Sie behauptet, der Vorvermieter habe die Kautionen nicht gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB getrennt von seinem Vermögen angelegt.
Die Beklagte beantragt,
das amtsgerichtliche Urteil wie erkannt mit der Maßgabe abzuändern, dass sich der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten um 60,30 € vermindere.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsansicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird ergänzend auf die gegenseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.09.2009 Bezug genommen.
Die Kammer hat durch die Einholung einer schriftlichen Aussage Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Rechtsanwalts ... vom 05.10.2009 Bezug genommen.
Die Parteivertreter haben sich in den Schriftsätzen vom 19.11.2009 und 24.11.2009 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Diese Verfahrensweise ist am 30.11.2009 beschlossen worden.
II.
Die Berufung ist zulässig und bis auf einen geringen Teil der Nebenforderung begründet.
Die Klage ist in der Hauptsache im angefochtenen Umfang unbegründet.
Die allein noch streitigen Ansprüche des Klägers auf Rückzahlung der beiden Kautionen bestehen nicht oder sind zumindest nicht fällig.
Zwar ist die Beklagte grundsätzlich nach § 566a Satz 1 BGB in die Verpflichtung des Voreigentümers eingetreten, die Kautionen nach dem Ende des Mietverhältnisses mit dem Kläger an diesen zurückzuzahlen. Insbesondere gilt diese Vorschrift nach § 57 ZVG auch im Fall des Erwerbs durch eine Zwangsversteigerung.
Diese Grundsatz erfährt aber eine Ausnahme, wenn und soweit die Kaution beim Vorbesitzer vor dem Erwerb rechtlich untergegangen oder mehr oder weniger undurchsetzbar geworden ist, weil sie nicht insolvenzfest von seinem Vermögen angelegt worden war und dadurch im Insolvenzfall zur bloßen Insolvenzforderung geworden ist (BGH v. 20.12.2007 - IX ZR 132/06, z.B. WuM 2008, S. 149 [BGH 20.12.2007 - IX ZR 132/06]). In diesem Fall steht dem Mieter gegenüber dem Erwerber zumindest insoweit und so lange kein Rückzahlungsanspruch zu, wie der Erwerber seinerseits an der Durchsetzung seines Anspruchs gegenüber dem Veräußerer auf Auskehrung der Kaution insolvenzrechtlich gehindert ist.
Nach § 566a Satz BGB soll der Mieter vor Rechtsverlusten infolge der Veräußerung des Mietobjekts geschützt werden. Umstritten ist, ob dieser Schutz so weit geht, dass er durch den Wechsel des Vermieters hinsichtlich der Kaution auch eine Position erlangen kann, die er zuvor nicht (mehr) gehabt hat (so z.B. Häublein in: Münchner Kommentar zum BGB, Schuldrecht, Besonderer Teil, 5. Auflage 2008, § 566a, Rn. 13, m.w.N. zum Streitstand). Indessen erscheint es nicht zwingend, dass durch die seit dem 01.09.2001 in dieser Fassung bestehende Vorschrift die Position des Mieters derart weitgehend gestärkt werden sollte. Nach dem Wortlaut tritt der Erwerber vielmehr nur in die ... Pflichten" ein. Bereits die sprachliche Fassung legt es näher, dass damit nur die zum Zeitpunkt des Rechtsübergangs tatsächlich noch bestehenden Pflichten gemeint sind.
Diese Auslegung widerspricht auch nicht dem Zweck der Vorschrift. Denn es ist grundsätzlich Sache des Mieters, auf die insolvenzfest vom Vermögen des Vermieters getrennte Anlage der Kaution zu achten (so z.B. - in anderem Zusammenhang - BGH v. 04.04.2007 - VIII ZR 219/06, z.B. NJW 2007, S. 1818 [BGH 04.04.2007 - VIII ZR 219/06]). Andererseits hat der Erwerber keine Möglichkeit, die Kaution vom insolventen Veräußerer herauszuverlangen. Weil er sie auch nicht nochmals vom Mieter fordern kann, hätte er ein entgegen dem Mietervertrag, in den er im übrigen in vollem Umfang eintritt, ein nicht durch die Kaution gesichertes Mietverhältnis zu übernehmen (wie hier z.B. Blank in: Schmidt - Futterer, Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 551, Rn. 111, m.w.N.).
Der Kläger wendet dem gegenüber zu Unrecht ein, dass ihm als Mieter gewerblicher Räume kein Anspruch auf eine § 551 Abs. 3 BGB entsprechende Anlage zugestanden habe. Dieser Einwand widerspricht der Wertung, die der Beschränkung der Vorschrift auf Wohnraummiet verhältnisse zugrunde liegt. Danach ist es den Mietern gewerblicher Räume eher als den häufiger unerfahrenen und in einer weniger starken Verhandlungsposition befindlichen Mietern von Wohnraum zuzumuten, die insolvenzsichere Kaution in den ausgehandelten vertraglichen Vereinbarungen mit dem Vermieter durchzusetzen. Sie können deshalb im vorliegenden Fall nicht stärker geschützt werden.
Der Kläger wendet auch ohne Erfolg ein, der vorliegende Fall könne nicht anders behandelt werden als wenn die - unstreitig gezahlten - Kautionen ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in irgendeiner Weise untergegangen wären. Denn in diesem Fall hätte dem jeweiligen Mieter dennoch weiterhin ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückerstattung des als Kaution gezahlten Betrags zugestanden.
Zwar kann die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs im Fall einer nicht gesichert angelegten Kaution auch ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens daran scheitern, dass der Vermieter zahlungsunfähig ist. In diesen Fällen bestünde kein Zweifel, dass nach einer Veräußerung des Objekts und dem damit verbundenen Vermieterwechsel der Erwerber sogleich nach § 566a BGB zur Rückzahlung des vollen Kautionsbetrags verpflichtet ist. Es erscheint aber gerechtfertigt, den Fall eines Insolvenzverfahrens anders zu behandeln. Denn während die bloße - vorübergehende - Zahlungsunfähigkeit des Veräußerers den rechtlichen Bestand des dem Erwerber und nach Beendigung des Mietverhältnisses ggf. nach § 566a Satz 2 BGB dem Mieter zustehenden Rückzahlungsanspruchs nicht berührt, wird in einem Insolvenzverfahrens zumindest die Fälligkeit bis zur Verteilungsreife aufgeschoben. Nachfolgend führt eine Restschuldbefreiung häufig zum rechtlichen Untergang der Forderung.
Wie nach dem Ende des Insolvenzverfahrens weiterhin zu verfahren ist, kann dabei dahinstehen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Kläger nach der Schlussverteilung einen der Quote entsprechenden Teil der Kaution verlangen kann und ob und ggf. wann sein Anspruch ggf. wieder aufleben könnte, wenn es nicht zu einer Restschuldbefreiung kommen und der Beklagten somit grundsätzlich eine Regressmöglichkeit gegenüber dem Voreigentümer verbleiben sollte. Denn nach dem der hinreichend eindeutigen schriftlichen Aussage des Zeugen Rechtsanwalt ..., dessen Auskunft an Stelle der zunächst angestrebten Aussage des Insolvenzverwalters Steuerwald beide Parteien akzeptiert haben, ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Voreigentümers noch nicht abgeschlossen. Eine kurzfristige anderweitige Entwicklung hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger nicht behauptet.
Andererseits ist durch die schriftliche Aussage auch hinreichend sicher beweisen, dass die streitigen Kautionen zumindest zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aussonderungsfähig angelegt waren. Anderenfalls wäre mit hinreichender Sicherheit damit zu rechnen gewesen, dass der Insolvenzverwalter entsprechende Sparbücher oder andere Sicherheiten vorgefunden hätte. Ob die Kautionsbeträge bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens überhaupt noch in irgendeiner Weise im Vermögen des Voreigentümers identifizierbar vorhanden waren, kann aus den ausgeführten Gründen dahinstehen.
Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, der im übrigen nicht weiter angegriffen wird, ist auf einen Streitwert in der Gebührenstufe bis 600,00 € anzupassen. Der Höhe nach vermindert er sich um 52,00 € auf 78,50 € und somit um 10,30 € weniger als beantragt; Mehrwertsteuer hatte der Kläger nicht beantragt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, Abs. 1, 97Abs. 1, 92Abs. 2 Nr. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10,711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO geboten. Die Behandlung der Mietkautionen nach Erwerb des Mietobjekts von einem in Insolvenz geratenen Vorvermieter bedarf der höchstrichterlichen Klärung.