Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.12.2016, Az.: 6 C 297/16

Außerkapazitäre Zulassung; Psychologie; TU Braunschweig

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.12.2016
Aktenzeichen
6 C 297/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43089
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

Die Anträge, mit denen die Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie (Bachelor/Master) bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2016/2017 erreichen wollen, haben keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Dazu muss der Antragsteller, der eine vorläufige Zulassung zum Studium begehrt, sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) als auch einen Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO).

Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin, die von einer Aufnahmekapazität von 62 Studienplätzen für den Studiengang Psychologie (Bachelor) und 41 Studienplätzen für den Studiengang Psychologie (Master) ausgegangen ist, ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft hat, zumal im Bachelor-Studiengang tatsächlich 66 Studienplätze vergeben wurden.

Maßstab für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl von 62 bzw. 41 Studienplätzen ist die auf der Grundlage des § 9 NHZG ergangene Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen vom 23.06.2003 (Nds. GVBl. S. 222, i. d. F. der Verordnung vom 25.08.2015, Nds. GVBl. S. 169 - KapVO -). Das in allen Bundesländern weitgehend einheitliche Regelungswerk der Kapazitätsverordnungen, nach denen sich die Zahl der zum Studium zuzulassenden Studierenden aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage ergibt, ist ein geeignetes und daher verfassungsgemäßes Instrument zur Erfassung der Aufnahmekapazitäten der Hochschulen (vgl. BVerwG, U. v. 20.04.1990 - 7 C 74/87 -, juris Rn. 5).

Es ist nicht ersichtlich, dass die Berechnung der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Kapazitätsverordnung fehlerhaft ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KapVO ist die Aufnahmekapazität auf der Grundlage der Daten eines Stichtages zu ermitteln, der nicht mehr als neun Monate vor Beginn des Zeitraumes liegt, für den die zu ermittelnden Zulassungszahlen gelten (Berechnungszeitraum). Dieser Berechnungszeitraum setzt sich hier aus dem Wintersemester 2016/2017 und dem Sommersemester 2017 zusammen. Die Antragsgegnerin hat klargestellt, dass sie ihrer Kapazitätsberechnung den Berechnungsstichtag „01.02.2016“ zugrunde gelegt hat, sodass die Anforderungen der Stichtagsregelung erfüllt sind.

Die jährliche Aufnahmekapazität wird in zwei Verfahrensschritten ermittelt (§ 3 Abs. 1 KapVO). Zunächst ist die Aufnahmekapazität nach Maßgabe der §§ 6 ff. KapVO anhand der zur Verfügung stehenden personellen Ausstattung und unter Anwendung der Curricularnormwerte (CNW) zu berechnen (I.). Dieses Ergebnis ist sodann anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den §§ 14 ff. KapVO - insbesondere eines Schwundausgleichs - zu überprüfen (II.).

I. Die jährliche Aufnahmekapazität − ohne Berücksichtigung des Schwundfaktors − errechnet sich aus dem bereinigten Lehrangebot (Sb), dem gewichteten Curricularanteil aller einer Lehreinheit zugeordneten Studiengänge (CA) und dem Anteil der jährlichen Aufnahmekapazität eines zugeordneten Studiengangs an der Aufnahmekapazität der Lehreinheit (zp) nach folgender Formel (vgl. Abschn. II Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO):

Ap = 2 x Sb : CA x zp

1. Das in die Kapazitätsberechnung einzustellende bereinigte Lehrangebot für den Studiengang ist auf der Grundlage des sog. unbereinigten Lehrangebots zu ermitteln, das um die Dienstleistungen zu reduzieren ist, die die Lehreinheit für ihr nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen hat (Abschn. I der Anlage 1 zur KapVO).

Das unbereinigte Lehrangebot einer Lehreinheit ist in Deputatstunden auszuweisen und errechnet sich aus den Lehrdeputaten der verfügbaren Stellen und der durch Lehraufträge zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputate; abzuziehen sind Verminderungen der Deputate nach der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 02.08.2007 (Nds. GVBl. S. 408 i. d. F. d. Änd.VO v. 04.08.2014, Nds. GVBl. S. 235 - LVVO -, vgl. Abschn. I Nr. 1 der Anlage 1 zur KapVO).

Für die Berechnung sind demnach gemäß § 8 Abs. 1 und 3 KapVO zunächst alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrpersonals und der sonstigen Lehrpersonen nach Stellengruppen den Lehreinheiten zuzuordnen.

Nach den vorliegenden Unterlagen stehen der Antragsgegnerin für die Studiengänge Psychologie (Bachelor und Master) insgesamt 19,7 Planstellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:

3 W3/C4 - Stellen         (Professor/Professorin)

3 W2/C3 - Stellen         (Professor/Professorin)

5 A 13 - Stellen a. Z.       (Akademischer Rat auf Zeit)

5,5 EG 13 TV-L- Stellen   (Wiss. Mitarbeiter/Mitarbeiterin zur Förderung des wiss. Nachwuchses - FwN -)

3,2 weitere Stellen (Stellen aus Mitteln des Hochschulpaktes 2020, wiss. Dienst)

Das Lehrdeputat ist gemäß § 9 Abs. 1 KapVO die aufgrund der LVVO festgesetzte Lehrverpflichtung einer Lehrperson, gemessen in Lehrveranstaltungsstunden (im Folgenden: LVS).

Vorliegend ergibt sich eine Summe von 128 LVS, die sich wie folgt zusammensetzt:

54 LVS für 3 W3/C4 - Stellen und 3 W2/C3 - Stellen mit jeweils 9 LVS gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 LVVO

20 LVS für 5 A 13 - Stellen auf Zeit mit jeweils 4 LVS gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 LVVO

22 LVS für 5,5 Stellen (wiss. Mitarb., Umsetzung des Hochschulpakts 2020) mit jeweils 4 LVS gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 LVVO

32 LVS für 3,2 Stellen (wiss. Mitarb., Umsetzung des Hochschulpakts 2020) mit jeweils 10 LVS gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO

Die so errechnete Summe der Deputatstunden ist nach den Regelungen der KapVO um die durch Lehraufträge zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputate zu erhöhen. Nach § 10 Satz 1 KapVO werden als Lehrauftragsstunden Lehrveranstaltungsstunden, die nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen, in die Berechnung einbezogen, soweit sie der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben. Eine Lehrveranstaltung dient dem Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO, wenn sie nach der zugrunde liegenden Prüfungsordnung dem Pflicht- oder Wahlpflichtbereich des Studiengangs zuzurechnen ist (ebenso VG Osnabrück, B. v. 27.10.2010 - 1 C 7/10 -, www.rechtsprechung.nieder-sachsen.de; Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., § 10 KapVO Rn. 3; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 2, Rn. 406). Lehrveranstaltungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem nach Studien- oder Prüfungsordnungen erforderlichen Lehrangebot stehen und bei der Berechnung des CNW deswegen unberücksichtigt geblieben sind, werden nicht einbezogen. Die Regelung will sicherstellen, dass „Sonderveranstaltungen“ von Vertretern der Berufspraxis und von Wissenschaftlern nahestehender Disziplinen oder zentrale Lehrveranstaltungen der Hochschule, die besondere Bedeutung für das gesamte Lehrangebot der Hochschule haben, möglich sind, ohne dass dies zur Erhöhung der rechnerischen Ausbildungskapazität und damit zur Erhöhung der Zulassungszahlen führt (vgl. Bahro/Berlin, a. a. O., § 10 KapVO Rn. 3).

Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei ein für vergütete Lehrauftragsstunden zusätzlich zu berücksichtigendes Deputat von 6LVS angenommen.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, der Fortfall der Stelle eines akademischen Rates werde durch eine (umgewandelte) Stelle eines Akademischen Rates auf Zeit, eine zusätzlich halbe FwN-Stelle und die Nichtberücksichtigung einer Deputatsermäßigung, die der Vizepräsidentin für Lehre und Diversity Prof. Dr. J. zustünde, kompensiert, ist dies kapazitätsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. zu Rechtmäßigkeit der Deputatsermäßigung von Prof. Dr. J. und deren Fortsetzung auch Nds. OVG, B. v. 25.04.2016 - 2 NB 416/15 -).

Von der danach errechneten Summe aus den Lehrdeputaten der zur Verfügung stehenden Lehrpersonen (128 LVS) und den durch vergütete Lehraufträge verfügbaren Deputaten (6 LVS) sind die Verminderungen der Lehrdeputate nach der LVVO abzuziehen.

Die Verlängerung der bereits vom Sommersemester 2013 bis zum Wintersemester 2014/2015 (einschl.) erfolgten Lehrverpflichtungsreduzierung für Frau Prof. Dr. K. als Studiendekanin und Oberstudiendekanin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 LVVO und § 7 Abs. 1 Nr. 3 LVVO bis zum Wintersemester 2016/17 mit Beschluss des Präsidiums vom 08.05.2017 ist rechtmäßig (vgl. VG Braunschweig, B. v. 24.11.2015, a. a. O. sowie zuvor B. v. 22.12.2014, - 6 C 255/14 -, www.rechtsprechung.niedersachsen.de). Das Präsidium hat die Interessen der Professorin und der Hochschulverwaltung mit den Interessen der Studienplatzbewerber ermessensfehlerfrei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVVO abgewogen (vgl. Protokoll der Präsidiumssitzung v. 08.05.2015, Anl. 5 zum Schriftsatz v. 22.10.2015).

Wie ausgeführt, wird eine Deputatsermäßigung von Prof. Dr. J. nicht in Anspruch genommen und in der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin dementsprechend nicht berücksichtigt (s. dazu im Übrigen B. d. Kammer v. 24.11.2015, a. a. O.).

Damit steht für die Studiengänge Psychologie (Bachelor und Master) ein sog. unbereinigtes Lehrangebot von 132 LVS zur Verfügung. Für die Berechnung des sog. bereinigten Lehrangebots ist das unbereinigte Lehrangebot zu reduzieren um die Dienstleistungen (gemessen in Deputatstunden), die die Lehreinheit für ihr nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen hat. Dabei sind die Curricularanteile zugrunde zu legen, die für die Dienstleistungen für nicht zugeordnete Studiengänge auf die Lehreinheit entfallen (vgl. Abschn. I Nr. 2 der Anlage 1 zur KapVO).

Der Dienstleistungsaufwand für den der Lehreinheit Sozialwissenschaften zugeordneten Studiengang Integrierte Sozialwissenschaften (Bachelor) und den gemeinsam mit der Hochschule für Bildende Künste (HBK) angebotenen Studiengang Medienwissenschaften (2-Fächer-Bachelor ohne Lehramt) ist von der Antragsgegnerin zutreffend berücksichtigt worden (§ 11 KapVO, s. Schriftsatz v. 20.10.2016, S. 7 sowie Anl. 7 a u. b). Wegen des Dienstleistungsbedarfs der beiden genannten Studiengänge sind insgesamt 6,0765 LVS abzuziehen. Damit beläuft sich das bereinigte Lehrangebot auf insgesamt 125,9235 LVS.

2. Der gewichtete Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie (Bachelor) beträgt nach der auf vier Nachkommastellen begrenzten Berechnung 1,9171; der gewichtete Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie (Master) 0,6267. Der CA-Wert beläuft sich daher auf 2,5438. Er setzt sich aus der Summe der gewichteten Curricularanteile der einzelnen zugeordneten Studiengänge zusammen (vgl. Abschn. II Formel 4 der Anlage 1 zur KapVO). Ausgangspunkt für diese Berechnung ist der Curricularnormwert, der den insgesamt erforderlichen Lehraufwand für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem Studiengang bezeichnet und in Deputatstunden zu messen ist (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO). Dieser Curricularnormwert beläuft sich für den Studiengang Psychologie (Bachelor) auf insgesamt 3,2 und für den Studiengang Psychologie (Master) auf 1,6 (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO i. V. m. Abschn. A der Anlage 3 zur KapVO).

Für die Ermittlung des Curricularanteils des Studiengangs Psychologie (Bachelor) sind die Anteile abzusetzen, die auf die am Lehrangebot für diesen Studiengang beteiligte Lehreinheit Biowissenschaften (0,0483) entfallen (vgl. § 13 Abs. 4 KapVO). Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin die Curricularanteile gemäß § 13 Abs. 4 KapVO ordnungsgemäß gebildet hat. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Gruppengrößen für Vorlesungen und Übungen im Studiengang Psychologie (Bachelor; vgl. Anl. 8 zum Schriftsatz vom 20.10.2016) nicht abstrakt, sondern nach den in der Hochschulwirklichkeit in den letzten Jahren durchschnittlich festgestellten Gruppengrößen bestimmt hat (vgl. BVerwG, B. v. 04.03.2015 - 6 B 39/14 -, juris).

Danach ergibt sich ein von der Antragsgegnerin zutreffend ermittelter Curricularanteil des Studiengangs Psychologie (Bachelor) von 3,1517 und des Studiengangs Psychologie (Master) von 1,6 (vgl. zu dieser Berechnungsweise: VG Braunschweig, B. v. 03.05.1991 - 6 C 6055/91 u. a. -; Nds. OVG, B. v. 22.12.1993 - 10 N 5838/93 u. a. -).

Der CNW für den Masterstudiengang Psychologie enthält keine weiteren beteiligten Lehreinheiten, sodass ein CNW-Anteil für Psychologie nicht errechnet werden musste.

Zur Berechnung der gewichteten Curricularanteile aller der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengänge (CA) sind die Curricularanteile der zugeordneten Studiengänge mit der jeweiligen Anteilsquote zu multiplizieren und anschließend zu addieren. Die Anteilsquote eines einer Lehreinheit zugeordneten Studiengangs ist das Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität dieses Studiengangs zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge (§ 12 KapVO). Die Antragsgegnerin ist von Anteilsquoten von 0,6083 für den Bachelor- und 0,3917 für den Masterstudiengang ausgegangen. Dies ist angesichts des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums der Antragsgegnerin (vgl. VG Osnabrück, B. v. 27.10.2010,
a. a. O.) nicht zu beanstanden. Für eine willkürliche und kapazitätsvernichtende Bemessung der Anteilsquoten durch die Antragsgegnerin und damit für einen Verstoß gegen das Gebot der erschöpfenden Nutzung der Kapazitäten gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. dazu Bahro/Berlin, a. a. O., § 12 KapVO Rn. 3). Nach Multiplikation der beiden Curricularanteile für den Bachelor- und den Masterstudiengang mit der jeweiligen Anteilsquote und anschließender Addition ergibt sich nach der Berechnung des Gerichts folgender Wert:

CA = (3,1517 x 0,6083) + (1,6 x 0,3917)

  CA = 2,544

Unter Berücksichtigung dieses Wertes, des bereinigten Lehrangebots und des Curricularanteils des Studiengangs Psychologie (Bachelor) ergibt sich nach der oben dargestellten Formel 5 (Abschn. II Anlage 1 zur KapVO) die folgende Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität (Ap) für den Bachelor - Studiengang:

Ap = (2 x 125,9235) : 2,544 x 0,6083

Ap = 60,22

Die jährliche Aufnahmekapazität (Ap) im Studiengang Master ist wie folgt zu berechnen:

Ap = (2 x 125,9235) : 2,544 x 0,3917

Ap = 38,78

II. Die nach den §§ 6 ff. KapVO ermittelte Aufnahmekapazität ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, soweit zu erwarten ist, dass wegen Studienabbruchs, Fach- oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Die Antragsgegnerin hat entsprechend den Vorgaben des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 13.11.2015 nach dem sog. Hamburger Modell einen Schwundfaktor von 1,0348 für den Bachelor-Studiengang und 1,0575 für den Master-Studiengang errechnet. Diese Werte sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat für ihre in dem errechneten Wert zum Ausdruck kommende Prognoseentscheidung die tatsächlichen Studienanfängerzahlen zugrunde gelegt und beurlaubte Studierende mitgezählt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie von unzutreffenden Daten ausgegangen ist oder unzulässige Faktoren berücksichtigt hat. Nachträglich durch Gerichtsentscheidungen zugelassene Studierende waren nicht zu berücksichtigen, weil die Kammer die Antragsgegnerin in ihren Entscheidungen der letzten Jahre nicht zu einer Aufnahme weiterer Bewerber verpflichtet hat. Das sog. Hamburger Modell ist ein anerkanntes Verfahren zur Ermittlung der Schwundquote (vgl. zu allem Bahro/Berlin, a. a. O., § 16 KapVO Rn. 3, 5 f.).

Allein die Tatsache, dass nach den Angaben der Berechnung des Schwundausgleichs (Anl. 1 zum Schriftsatz v. 20.10.2016) in einzelnen Kohorten die Bestandszahlen teilweise ansteigen, macht die Berechnung des Schwundausgleichs nicht rechtswidrig. Da es bei der Berechnung der Schwundquote auf eine Prognose ankommt, ist diese gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Bahro/Berlin, a. a. O., § 16 KapVO Rn. 6). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die zuständige Behörde von zutreffenden Abgrenzungen und Daten ausgegangen ist und sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bei der Schwundberechnung bedient hat (vgl. Nds. OVG, B. v. 18.11.2014 - 2 NB 391/13 -). Da das teilweise leichte Ansteigen der Bestandszahlen mit der notwendigen Kapazitätsauffüllung (mit Hochschulwechslern und Quereinsteigern) begründet werden kann, ist die Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden (vgl. dazu Bahro/Berlin, a. a. O., § 16 KapVO Rn. 8 sowie B. d. Kammer v. 24.11.2015, a. a. O.).

Damit ergibt sich nach den Regelungen der KapVO unter Berücksichtigung eines Schwundausgleichs eine jährliche Aufnahmekapazität im Studiengang Psychologie (Bachelor) von insgesamt 62,32 und damit gerundet 62 Studienplätzen (60,22 x 1,0348). Für den Studiengang Psychologie (Master) errechnet sich eine jährliche Aufnahmekapazität von insgesamt 41,01 und damit gerundet 41 Studienplätzen (38,78 x 1,0575).

III. Die errechneten 62 Studienplätze im Studiengang Psychologie (Bachelor) sind von der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch tatsächlich im Wege einer Überbuchung um 4 Studienplätze vergeben worden.

Die 4 überbuchten Studienplätze sind zu berücksichtigen. Zu entsprechenden Überbuchungen hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 20.02.2013 (2 NB 386/12, juris Rn. 20 n- 24; bestätigt und ergänzt durch B. v. 25.04.2016 - 2 NB 416/15 -) Folgendes ausgeführt:

„Überbuchungen sind grundsätzlich zulässig (vgl. etwa Beschl. v. 22.5.2012 - 2 NB 306/11 -; Beschl. v. 15.12.2011 - 2 NB 104/11 -, juris; Beschl. v. 23.12.2010 - 2 NB 93/10 u.a. -; Beschl. v. 25.11.2009 - 2 NB 648/08 u.a. -; Beschl. v. 21.1.2008 - 2 NB 283/07 -, jeweils m.w.N.). Nach § 5 Abs. 4 der Hochschul-Vergabeverordnung kann die Hochschule durch eine Überbuchung berücksichtigen, dass Studienplätze voraussichtlich nicht angenommen werden. Damit wird keine neue Kapazität erschlossen, sondern lediglich die in der Zulassungszahl erfasste Kapazität wirksam genutzt. Ob die Hochschule überbucht oder nachrücken lässt, ist keine Frage der verfassungsrechtlich gebotenen vollständigen Kapazitätsausnutzung, sondern richtet sich nach verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeitserwägungen. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Hochschule zu entscheiden, welcher der beiden Maßnahmen sie den Vorzug gibt (Senatsbeschl. v. 21.1.2008 - 2 NB 283/07 - unter Hinweis auf Beschl. d. ehemals für das Kapazitätsrecht zuständigen 10. Senat des erkennenden Gerichts v. 25.8.1981 - 10 B 770/81 -, SchlHA 1981, 165).

Überbuchungen zehren die vorhandene Kapazität auf. Für einen Zuteilungsanspruch des Studienplatzbewerbers müsste deshalb vom Gericht das Vorhandensein einer über die bereits vorgenommenen Überbuchungen hinaus bestehenden freien Kapazität festgestellt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 29.6.2004 - 2 NB 859/04 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.8.2009 - 5 NC 7.09 -, juris Langtext Rdnr. 10 m. w. N.).

Zwar kann eine Überbuchung infolge von Prognoseunsicherheiten dazu führen, dass mehr Studierende zugelassen werden als in der Zulassungszahlenverordnung vorgesehen, was die Chancen anderer Studienbewerber schmälert, im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens an einen Studienplatz zu gelangen (vgl. dazu auch Schemmer, DVBl. 2011, 1338, und Maier, DVBl. 2012, 615). Das ist jedoch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wer sich für einen Platz unter den Begünstigten einer Überbuchung durch seine Rangziffer qualifiziert (vgl. zu dieser Erwägung in anderer Einkleidung auch BVerwG, Urt. v. 23.3.2011 - 6 CN 3.10 -, BVerwGE 139, 210 = NVwZ 2011, 1135; dazu Müller, NVwZ 2011, 1113, 1114: "zulassungsnahe Qualifikation"), braucht nicht hinter Eilantragstellern zurückzustehen, zumal ihm ebenfalls das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zur Seite steht.

An Grenzen mag das Instrument der Überbuchung freilich dort stoßen, wo es "rechtsmissbräuchlich" gehandhabt wird, etwa um die tatsächlich vorhandenen Kapazitäten zu verschleiern oder um den vom Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil vom 23. März 2011 angesprochenen "Anreiz" zur Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren. Führen Überbuchungen wiederholt zu deutlich mehr Zulassungen als der Zulassungszahlenverordnung entspricht, kann dies unter Umständen einen Hinweis darauf geben, dass die Hochschule ihre Kapazität grundsätzlich unrichtig ermittelt oder angibt. Da die Überbuchung allerdings auf einer Prognose über das Annahmeverhalten der Studierenden beruht, ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die gerichtliche Überprüfung von Prognosen ihrem Wesen nach auf die Frage beschränkt ist, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt und der Prognose eine geeignete Methode zugrunde gelegt worden ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40 = NVwZ 1993, 666; BVerfG, 3. K. d. 1. Senats, Beschl. v. 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 -, BVerfGK 16, 418 = NVwZ 2010, 435).

Insoweit ist allerdings kein enger Maßstab anzulegen, denn eine großzügige Überbuchung ist "kapazitätsfreundlich" und verliert diese aus der Sicht der Studierwilligen positive Eigenschaft auch nicht dadurch, dass sie zu Verschiebungen der Zulassungsquoten zwischen der Gruppe der Bewerber mit "zulassungsnaher Qualifikation" einerseits und der Gruppe der Eilantragsteller andererseits führt. Bei der Einschätzung des Annahmeverhaltens der zugelassenen Bewerber darf deshalb Raum gelassen werden für Prognosefehler zugunsten von Studienbewerbern mit "zulassungsnaher Qualifikation". Für eine Argumentation mit mathematischen Scheingenauigkeiten ist in diesem Zusammenhang deshalb von vornherein kein Raum.“

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Überbuchung nach diesen Grund-sätzen, denen auch die Kammer folgt, rechtsmissbräuchlich oder willkürlich herbeigeführt hat, sind nicht ersichtlich. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Sachverhalt unzutreffend ermittelt und der Prognose keine geeignete Methode zugrunde gelegt wurde. Nachdem die Überbuchungsquote in den beiden vergangenen Jahren bei 4,68 lag (s. B. v. 24.11.2015, a. a. O.), ist sie jetzt deutlich gesunken. Das ist unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Gerichts erst recht nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob den Antragstellern überhaupt ein subjektives Recht zusteht, zum Zwecke der Ausschöpfung der Kapazität vorgenommene Überbuchungen zu rügen (verneinend: OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 03.11.2014 - OVG 5 NC 1.14 -; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 28.11.2014 - 13 B 1119/14 -; VG Potsdam, B .v. 26.02.2015 - 9 L 814/14 -, alle juris; vgl. auch Zimmerling/Brehm, a. a. O., Rn. 799 f.).