Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 01.02.2017, Az.: 6 A 227/16

Abstellen; Benutzungsart; Fahrrad; Fußgängerbereich; Fußgängerverkehr; Fußgängerzone; Teileinziehung; Widmung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
01.02.2017
Aktenzeichen
6 A 227/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

In Straßen, die im Wege der Teileinziehung nach § 8 NStrG auf die Benutzungsart Fußgängerverkehr beschränkt sind (Fußgängerzonen), stehen straßenrechtliche und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften dem Abstellen von Fahrrädern durch Fußgänger grundsätzlich nicht entgegen.

Tatbestand:

Der Kläger möchte die Beklagte veranlassen, gegen in der Fußgängerzone der Braunschweiger Innenstadt abgestellte Fahrräder vorzugehen, zumindest gegen Fahrräder und andere Fahrzeuge, die als Werbeträger dienen.

Er ist Miteigentümer des gewerblich genutzten Grundstücks A-Straße. Neben einer Galerie befinden sich dort eine Rechtsanwaltskanzlei, ein Personaldienstleister, ein Immobilienmakler, ein Druckbetrieb und zwei Modegeschäfte.

Nach ursprünglicher Widmung als öffentliche Straße mit Datum vom 01.03.1970 ist die Sch.-straße durch eine Widmungsbeschränkung im Wege der Teileinziehung gem. § 8 i. V. m. § 6 Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG) in einen Fußgängerbereich umgewandelt worden (siehe Bekanntmachung der Beklagten vom 27.07.1976). Im Straßenbestandsverzeichnis der Beklagten ist die Sch.-straße als Gemeindestraße eingestuft. Sie unterliegt danach der Nutzungsbeschränkung „Fußgängerzone“.

Die Beklagte hat eine Satzung über die Sondernutzung in Fußgängerbereichen der Beklagten (Fußgängerbereich-Satzung) vom 25.01.1977 erlassen. Diese Satzung regelt nach ihrem § 1 die Benutzung der Fußgängerbereiche in der Stadt Braunschweig, die über den Gemeingebrauch hinausgeht und durch die der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann (Sondernutzung). Der Fußgängerbereich umfasst danach auch die Sch.-straße. Nach § 2 der Satzung ist der Gemeingebrauch im Fußgängerbereich durch die Widmung auf den Fußgängerverkehr beschränkt. Soweit in der Satzung - wie für Sonderrechte nach § 35 StVO sowie den An- und Ablieferverkehr - nichts anderes geregelt ist, bedarf die Nutzung der Fußgängerbereiche nach § 3 der Satzung, wenn sie nicht vorwiegend dem Fußgängerverkehr dienenden Zwecken bestimmt ist, einer Erlaubnis der Beklagten. Einzelheiten regelt die Sondernutzungssatzung der Beklagten vom 19.03.2002.

Der Kläger hat am 27.06.2016 eine erste Klage erhoben (6 A 227/16). Er macht im Wesentlichen geltend, ein Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass eine gestörte Sicht auf das Geschäft in dem Gebäude A-Straße wirtschaftliche Einbußen hervorrufen könne. Dadurch werde der Mietwert der Geschäfte gesenkt. Er habe zwar kein Recht auf eine schöne Umgebung und hohe Lagequalität, doch bestehe ein subjektives Interesse an der baldigen Feststellung rechtswidriger Zustände, wenn der materielle Wert seines Miteigentums beeinträchtigt werden könne. Fahrräder könnten außerdem den Zugang zur Schaufensterfront behindern. Wegen der zusätzlichen Werbeaufbauten störten Werbefahrräder den Geschäftsbetrieb in dem Gebäude A-Straßein besonderer Weise, weil sie die Sicht auf das Schaufenster zusätzlich einschränkten und die Aufmerksamkeit der Nutzer der Fußgängerzone von den Schaufenstern ablenkten. Er wende sich aber auch gegen Anhänger und andere Fahrzeuge. Angesichts der Flüchtigkeit des ruhenden Verkehrs und regelmäßiger Wiederholungen solcher Vorgänge könne die Feststellungsklage auch nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage ersetzt werden.

Das Abstellen (Parken) von Fahrrädern sei dem ruhenden Fahrradverkehr zuzuordnen. Aufgrund der Teileinziehung sei der Gemeingebrauch der Braunschweiger Fußgängerzone auf den Fußgängerverkehr beschränkt. Der Gemeingebrauch sei für den Kraftfahrzeug- (Auto-) und den Fahrradverkehr ausgeschlossen. Sofern der Gemeingebrauch durch eine entsprechende Widmung auch dem Auto- und Fahrradverkehr eröffnet sei, regele das Straßenverkehrsrecht im Weiteren sowohl den fließenden als auch den ruhenden Auto- und Fahrradverkehr. Wenn dagegen, wie in der Braunschweiger Fußgängerzone, der Gemeingebrauch für den Auto- und Fahrradverkehr ausgeschlossen sei, dann sei damit sowohl der fließende wie auch der ruhende Auto- und Fahrradverkehr ausgeschlossen. Für das Straßenverkehrsrecht gebe es dann für den Fahrradverkehr nichts zu regeln. Deshalb dürfe auch das Parken von Fahrrädern als ruhender Verkehr nicht geregelt oder geduldet werden. Es sei schon nach der Widmung nicht erlaubt und damit rechtswidrig.

Der limitierende Rahmen, den die Widmung dem Gemeingebrauch setze, dürfe nämlich vom Straßenverkehrsrecht nicht durchbrochen und erweitert werden. Formelhaft spreche man vom „Vorbehalt des Straßenrechts“ gegenüber dem Straßenverkehrsrecht. Wenn der nach dem landesrechtlichen Straßengesetz verfügte Ausschluss des ruhenden Fahrradverkehrs aus der Braunschweiger Fußgängerzone nach Maßgabe des bundesgesetzlichen Straßenverkehrsrechts wieder zugelassen werde, sei dies ein Verfassungsbruch, da ein grundgesetzwidriger Übergriff bundesgesetzlicher Regelungen in die Kompetenz der Landesgesetzgebung stattfinde.

Gegen die Rechtswidrigkeit des Abstellens von Fahrrädern spreche auch nicht, dass Fahrräder von Fußgängern in den Fußgängerbereich hineingeschoben werden könnten. Das sei rechtlich zulässig. Die Fußgänger überschritten damit nicht die Grenzen der eingeschränkten Widmung. Sofern allerdings Fahrräder geparkt würden, könne dies straßenverkehrsrechtlich nur zugelassen werden, wenn die Straße auch dem Fahrradverkehr gewidmet worden sei. In der Sch.-straße handele es sich bei den abgestellten Fahrrädern daher um einen rechtswidrigen ruhenden Fahrradverkehr. Der öffentliche Straßengrund werde durch die abgestellten Fahrräder verkehrsfremd in Anspruch genommen. Ein Verkehrsgebrauch liege nämlich nicht mehr vor, wenn es schon an einem objektiven Verkehrsverhalten fehle. Das sei bei der Lagerung von Sachen oder dem Aufstellen von Gegenständen der Fall.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei bei dem Abstellen von Fahrrädern auch nicht von einem Verhalten von Verkehrsteilnehmern auszugehen, das weder eine Benutzungsart noch einen Benutzungszweck im Rahmen des Gemeingebrauchs darstelle. Die Beklagte konstruiere hier einen Gegensatz zwischen Nutzungen und Verhaltensweisen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen werde durch das Straßenrecht bestimmt, während das Straßenverkehrsverhalten durch das Straßenverkehrsrecht reglementiert werde. Es handele sich der Sache nach aber um identische Akte, welche von unterschiedlichen hermeneutischen Horizonten in Augenschein genommen und verstanden werden könnten: straßenrechtlich und straßenverkehrsrechtlich. Durch die Teileinziehung sei hier jegliches Fahrradverkehrsverhalten dem Gemeingebrauch entzogen worden. Es komme hier nicht darauf an, ob das Straßenverkehrsrecht ein Abstellen von Fahrrädern als ein solches Fahrradverkehrsverhalten grundsätzlich zulasse.

Eine Sondernutzung liege vor, wenn die Fortbewegung von Fahrrädern oder auch deren Abstellen überwiegend zum Zwecke der Werbung geschehe. Es handele sich nicht um eine Sondernutzung, wenn ein Händler mit einem mit Werbeflächen versehenen Fahrzeug seine Ware ausfahre und sie vom Ausgangsort der Leistung, seinem Handelsgeschäft, zum Ziel, dem Kunden, bringe. Dasselbe gelte für ein mit Werbung versehenes Handwerkerfahrzeug, wenn dieses für die Dauer der Leistungserbringung beim Kunden parke und in dieser Zeit mit dem Fahrzeug zugleich für das Handwerksgeschäft geworben werde. Auch liege keine Sondernutzung vor, wenn ein Apotheker auf einem Werbefahrrad in einem mit Werbeflächen versehenen Koffer Medikamente über eine öffentliche Verkehrsfläche schiebe und das Fahrrad dann kurz abstelle, um Kunden das gewünschte Medikament zu überbringen. Bestehe jedoch kein Bezug der Werbefahrzeuge zum Ausgangs- oder Zielort einer Leistung und lasse sich auch sonst kein Verkehrszweck plausibel geltend machen, liege kein widmungsgerechter Gemeingebrauch der Straße für den fließenden oder ruhenden Verkehr vor, sondern eine erlaubnispflichtige Sondernutzung zum Zwecke der Werbung.

Als Trägerin der Straßenbaulast stünden der Beklagten ordnungsrechtliche Mittel zur Verfügung, um gegen die rechtswidrige Sondernutzung einer Straße vorwiegend zum Zwecke der Werbung vorzugehen. Die vor dem Haus Sch.-straße 42/43 abgestellten Werbefahrzeuge dienten ausschließlich der Werbung, weshalb es sich um eine unerlaubte Sondernutzung handele, gegen die die Beklagte mit ordnungsrechtlichen Mitteln vorgehen könne.

Am 15.08.2016 hat der Kläger eine weitere Feststellungsklage erhoben (6 A 290/16).

Die Verfahren 6 A 227/16 und 6 A 290/16 sind in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 6 A 227/16 verbunden worden.

Der Kläger hat in seinen Schriftsätzen in beiden Klageverfahren verschiedene Anträge formuliert. In einem Erörterungstermin vom 19.10.2016 sind zwei Feststellungsanträge protokolliert worden. Nachfolgend hat der Kläger in einem Schriftsatz vom 18.01.2017 einen weiteren Antrag und schließlich mit Schriftsatz vom 30.01.2017 folgende Feststellungsanträge angekündigt:

Für das Verfahren 6 A 227/16:

1. Es wird beantragt, festzustellen, dass der ruhende Fahrradverkehr (Parken, Abstellen) vor dem Grundstück A-Straße in der straßenrechtlich gewidmeten Fußgängerzone ohne Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig ist.

2. In einer gewidmeten Fußgängerzone vor dem Grundstück A-Straße rechtswidrig abgestellte Fahrräder können vor den zuständigen Behörden regelmäßig aus der Fußgängerzone entfernt werden.

Für das Verfahren 6 A 290/17:

1. Es wird beantragt, festzustellen, dass regelmäßig vor dem Grundstück A-Straße im öffentlichen Verkehrsraum stehende, mit plakativer Werbegrafik versehene Fahrzeuge rechtswidrig dort abgestellt oder geparkt sind, soweit sie ohne erkennbaren Verkehrszweck und ohne die für den Fall erforderliche Sondernutzungserlaubnis ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke der Werbung dort abgestellt sind.

2. Im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Haus A-Straße ohne die erforderliche Sondernutzungsgenehmigung rechtswidrig abgestellte Werbefahrzeuge können von den zuständigen Behörden regelmäßig aus dem dortigen Verkehrsraum entfernt werden.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Anregung des Gerichts (siehe § 86 Abs. 3 VwGO) beantragt

festzustellen, dass das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Fußgängerzone rechtswidrig ist.

Hinsichtlich der Anträge zu 1. zu 6 A 290/17 sowie jeweils zu 2. zu beiden Verfahren hat der Kläger die Klage zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung könne der Klage nicht stattgegeben werden. Das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Braunschweiger Fußgängerzone sei nicht per se rechtswidrig. Im Rahmen der Widmung könne der Verkehr in Fußgängerbereichen zwar grundsätzlich beschränkt werden, positiv für bestimmte Benutzungsarten wie zum Beispiel den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Fahrrädern oder zu Fuß, oder negativ durch den Ausschluss bestimmter Benutzungsarten. Das Abstellen von Fahrrädern stelle jedoch weder eine Benutzungsart noch einen Benutzungszweck dar. Vielmehr handele es sich um ein Verhalten von Verkehrsteilnehmern. In einer Widmungsverfügung oder in der Teileinziehung dürfe den Verkehrsteilnehmern jedoch kein bestimmtes Verhalten aufgegeben werden. Dies wäre eine unzulässige straßenverkehrsrechtliche Regelung des Verkehrs in straßenrechtlichem Gewand.

Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer in Fußgängerbereichen regele die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO zu § 1 Abs. 1 StVO regele und lenke die StVO den öffentlichen Verkehr. Damit regele sie auch den Fahrradverkehr, was sich aus der ausdrücklichen Erwähnung von Fahrrädern und Radfahrern in einer Reihe von Vorschriften ergebe. Straßenverkehrsrechtlich dürften Fahrräder in Fußgängerzonen jedoch grundsätzlich abgestellt werden. Denn aus dem Halte-und Parkverbot des § 12 StVO könne kein Verbot für das Abstellen von Fahrrädern in Fußgängerbereichen abgeleitet werden. Dies habe das Verwaltungsgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 25.01.2005 (5 A 216/03) festgestellt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht sowie das Bundesverwaltungsgericht sähen das Abstellen eines Fahrrades auf dem Gehweg als den Regelfall an, da sich aus den gesetzlichen Vorschriften kein entsprechendes Abstellverbot ergebe. Das gleiche gelte für Fußgängerbereiche.

Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sei das Abstellen von Fahrrädern in der Fußgängerzone kein widmungswidriger ruhender Fahrzeugverkehr. Ein Fußgänger werde nicht zum Fahrradfahrer, indem er sein Fahrrad schiebe und zum Beispiel für eine kurze Besorgung zwischenzeitlich abstelle. Es handele sich um ein Verhalten eines Fußgängers als Verkehrsteilnehmer, welches nach der Gesetzessystematik straßenverkehrsrechtlich zu bewerten sei.

Auch das Abstellen von Fahrrädern, Kraftfahrzeugen und Anhängern mit Werbung im öffentlichen Straßenraum sei nicht automatisch straßenrechtswidrig. Hier müsse im Einzelfall geprüft werden. Diene ein Fahrzeug in erster Linie der Fortbewegung bzw. ein Anhänger in erster Linie Transportzwecken, sei das Abstellen straßenrechtlich zulässig. Sobald jedoch die Reklame den alleinigen oder auch nur den überwiegenden Zweck bilde, falle das Abstellen nicht mehr unter den Gemeingebrauch. Dann handele es sich um eine unerlaubte Sondernutzung, gegen die mit verhältnismäßigen Mitteln vorgegangen werde. Dies habe die Beklagte in der Vergangenheit auch wiederholt getan, wenn sie habe feststellen können, dass die Reklame überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlicher Zweck gewesen sei. Die Beurteilung, in welchen Fällen der Werbezweck im Vordergrund stehe, führe in der Praxis zuweilen zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Die Beklagte habe ihre Entscheidung in der Vergangenheit insbesondere an der Fahrbereitschaft der entsprechenden Fahrzeuge festgemacht. Bei Fahrrädern oder anderen Fahrzeugen, die erkennbar fahruntüchtig gewesen seien und dadurch offenkundig lediglich als Werbeträger im Straßenraum stünden, sei der Aufsteller zur Entfernung aufgefordert worden. Andere Kriterien seien der erkennbare Verkehrszweck (z. B. zu großer Aufbau), die Dauer des Abstellens und der Standort.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger die Klage hinsichtlich der die Werbefahrzeuge und die Entfernung betreffenden Anträge zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellungsantrags hat die Klage keinen Erfolg.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

Dem Kläger steht ein Feststellungsinteresse zur Seite. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. § 43 VwGO verlangt anders als § 256 ZPO nicht ein rechtliches, sondern nur ein berechtigtes Interesse, das jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art einschließt (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 43 Rn. 23). Die von dem Kläger vorgetragene mögliche Beeinträchtigung seiner geschäftlichen Belange als Miteigentümer der Gewerbeimmobilie Sch.-straße 42/43 (s. Tatbestand) genügen den Anforderungen an ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO.

Die Klage scheitert auch nicht an dem Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage kann der Kläger seine Rechte nicht in der gleichen Weise verfolgen. Eine Verpflichtungsklage auf Tätigwerden in den Fällen, die der Kläger beanstandet, kann nicht aussichtsreich erhoben werden. Dafür ist die Verweildauer der Fahrzeuge zu kurz, so dass der Kläger auf den einstweiligen Rechtsschutz verwiesen werden müsste. Der Kläger wird als Anlieger auch nicht selbst Adressat belastender Maßnahmen der Beklagten. Ihm bleibt nur die Feststellungsklage, um sein Rechtsschutzziel effektiv zu verfolgen.

Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Fußgängerzone rechtswidrig ist.

In Abgrenzung zu den weiteren ursprünglich von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen, die u. a. Werbefahrzeugen betreffen, geht es insofern allein darum, ob die Rechtsordnung Passanten verbietet, Fahrräder in dem Fußgängerbereich der Braunschweiger Innenstadt abzustellen. Das ist nicht der Fall.

Die Beteiligten unterscheiden insofern richtig zwischen den straßenrechtlichen und den straßenverkehrsrechtlichen Wirkungen auf das Verhalten von Passanten mit Fahrrädern. Das Straßenrecht verleiht der Straße über den Rechtsakt der Widmung die Eigenschaft einer öffentlichen Straße. Sie wird zur öffentlichen Sache und unterliegt den Bindungen des einschlägigen öffentlichen Rechts (Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., S. 300 f.). Dabei kann der Straßenbaulastträger bereits mit der Widmung die konkrete Zweckbestimmung bestimmter Areale wie Fahrbahn, Rad- und Gehweg festlegen und eine Verkehrsanlage für alle oder bestimmte Verkehrs- bzw. Benutzungsarten eröffnen oder solche ausschließen, etwa in einer Fußgängerzone alle Verkehrs- bzw. Benutzungsarten bis auf den Fußgängerverkehr (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.12.2015 - 7 ME 53/15 -, NVwZ-RR 2016, 411, 413; Kodal, a. a. O., S. 301 f.).

Die Reichweite der Zulassung des Straßenverkehrs auf der Sch.-straße wird durch die Widmung der Straße gem. § 6 NStrG am 01.03.1970 und die spätere Teileinziehung vom 30.07.1976 bestimmt. Mit der Teileinziehung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG ist die Widmung auf die Benutzungsart Fußgängerverkehr beschränkt worden. Die Fußgängerbereich-Satzung vom 25.01.1977 stellt dies klar.

Damit steht fest, dass in der Sch.-straße neben dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen auch der Fahrradverkehr straßenrechtlich ausgeschlossen ist. Jede Form der Nutzung der Fußgängerzone zum Fußgängerverkehr wird durch die widmungsrechtliche Vorgabe hingegen erlaubt. Um zu klären, ob das Abstellen von Fahrrädern ausgeschlossen oder erlaubt ist, kommt es darauf an, ob dieser Vorgang zu der Verkehrsart Fußgängerverkehr gehört. So verhält es sich nach dem Rechtsverständnis der Kammer.

Ein Fahrrad, das von einem Passanten mitgeführt und vorübergehend in einem Fußgängerbereich abgestellt wird, um ihm eine für den Fußgängerverkehr typische Verrichtung zu ermöglichen, gehört auch während der Zeit des Abstellens zum Fußgängerverkehr. Es handelt sich beim Mitführen und Abstellen um einen einheitlichen Lebensvorgang, wenn etwa ein Fahrrad vor einem Geschäft während des Einkaufs oder vor einer Arztpraxis während des Besuchs des Arztes abgestellt wird. Für das Mitführen des Fahrrades teilt der Kläger diese Auffassung. Das Fahrrad wird aber entgegen seiner Sichtweise nicht durch das Abstellen zum Teil des ruhenden Fahrradverkehrs, der in der Tat im Fußgängerbereich unzulässig wäre.

Das Straßenverkehrsrecht regelt das Verkehrsverhalten derjenigen, welche die Straße nutzen. Es steht dem Abstellen von Fahrrädern in Fußgängerbereichen als einem Verkehrsverhalten von Fußgängern nicht entgegen. § 25 Abs. 2 StVO erwähnt das Mitführen von „Fahrzeugen oder sperrigen Gegenständen“ als Teil des Fußgängerverkehrs. Auch daran wird deutlich, dass ein mitgeführtes Fahrrad mit einem sperrigen Gegenstand wie einem Koffer gleichzusetzen, kein Fortbewegungsmittel ist, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung der Straße als Fußgänger steht und deshalb nach der Straßenverkehrs-Ordnung dem Fußgängerverkehr zugeordnet werden muss.

Ein Verbot des Abstellens von Fahrrädern enthält weder § 25 Abs. 2 StVO noch eine andere Regelung der Straßenverkehrsordnung. § 12 StVO reglementiert das Halten und Parken, trifft aber keine Anordnung für abgestellte Fahrräder. So geht die Rechtsprechung vor allem auch im Hinblick auf § 12 StVO davon aus, dass mitgenommene Fahrräder auf Gehwegen abgestellt werden dürfen. Dafür wird u. a. angeführt, von abgestellten Fahrrädern gingen keine durch die allgemeinen Regelungen des Straßenverkehrsrechts und des Ordnungsrechts nicht beherrschbaren Gefahren aus (Nds. OVG, Urt. v. 06.06.2003 - 12 LB 68/03 -, juris Rn. 43).). Ein Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen oder anderen öffentlichen Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind, wird als straßenverkehrsrechtlich grundsätzlich zulässig betrachtet (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 3 C 29/03 -, NZV 2005, 333 zum Bahnhofsvorplatz in Lüneburg, vorgängig Nds. OVG, Urt. v. 06.06.2003, a. a. O., u. VG Lüneburg, Urt. v. 25.09.2002 - 5 A 161/01 -, NZV 2003, 255 f. [BVerwG 24.09.2002 - BVerwG 3 C 18/02]; vgl. auch VG Braunschweig, Urt. v. 25.01.2005 - 5 A 216/03 - zum Bahnhofsvorplatz in A-Stadt sowie VG Münster, Urt. v. 11.07.2008 - 1 K 1536/07 -, juris Rn. 15; in diesem Sinn auch Kettler, NZV 2003, 209 ff.). Der Fußgängerbereich einer Innenstadt - die Fußgängerzone - ist eine öffentliche Fläche, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten ist. Das Straßenverkehrsrecht erlaubt dabei alle Verhaltensweisen, die eine Verkehrsart zulässt. Dazu gehört die Mitnahme von Fahrrädern für die Verkehrsart Fußgängerverkehr.

Der Lebenssachverhalt „Nutzung des Fußgängerbereichs“ durch einen Fußgänger würde indessen nicht zutreffend verstanden, wenn an den vorherigen Einsatz als Fortbewegungsmittel angeknüpft würde, obwohl zwischen der Fahrt mit dem Fahrrad und dessen Abstellen das Schieben durch den Fußgängerbereich tritt.

Lässt damit das Straßenverkehrsrecht das Fahrradabstellen als Verhalten im Rahmen der Verkehrsart Fußgängerverkehr zu, so darf das Straßenrecht wiederum dieses Verkehrsverhalten nicht einschränken. Insofern greift die Formel vom „Vorbehalt des Straßenrechts bei Vorrang des Straßenverkehrsrechts“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.1981 - 7 C 27/79 -, BVerwGE 62, 376; Nds. OVG, Beschl. v. 29.12.2015 - 7 ME 53/15 -, NVwZ-RR 2016, 411, 414; Kodal, Straßenrecht, a. a. O., Kap. 3 Rn. 4 - 6; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., S. 123 Rn. 292). Das Abstellen von Fahrrädern gehört als Teil des Fußgängerverkehrs zum Gemeingebrauch im Sinne des § 14 NStrG.

Die Grenze zur Sondernutzung im Sinne des § 18 NStrG wird erst dann überschritten, wenn das (abgestellte) Fahrrad nicht mehr einem typischen Zweck der Fußgängernutzung zugeordnet werden kann, also verkehrswidrig bzw. verkehrsfremd genutzt wird. So gehört beispielsweise eine im Vordergrund stehende Nutzung als Werbeträger oder ein Einsatz zu Zwecken der Meinungsäußerung (zur Blockade) nicht zum Gemeingebrauch (vgl. Sauthoff, a. a. O., S. 125 Rn. 296). Auch ist ein Fahrrad, dessen Besitz der Eigentümer nach dem äußeren Eindruck aufgegeben hat, etwa weil es über einen längeren Zeitraum nicht mehr fahrbereit ist, kein von einem Fußgänger genutztes Fahrrad. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, kommt es insofern auf den Einzelfall an. Eine pauschalierende rechtliche Einordnung verbietet sich. Kläger und Beklagte haben im vorliegenden Verfahren für Werbefahrzeuge im Wesentlichen dieselben rechtlichen Grundsätze herausgearbeitet, weshalb eine Entscheidung darüber entbehrlich (und prozessual unzulässig) war, zumal die Kammer die Abgrenzung von Gemeingebrauch und Sondernutzung in diesen Fällen rechtlich für ohne weiteres nachvollziehbar hält.

Die Beklagte hat dargelegt, dass sie gegen die Nutzung der Fußgängerzone ohne notwendige Sondernutzungserlaubnis zu Zwecken, die mit dem zugelassenen Gemeingebrauch nicht im Einklang stehen, einschreitet. Sie macht von dem rechtlichen Instrumentarium, das ihr § 22 NStrG zur Verfügung stellt, Gebrauch. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die Beklagte Eigentümer von vorrangig zu Werbezwecken abgestellten Fahrrädern zu deren Entfernung auffordern. Unter den Voraussetzungen des § 22 Satz 2 NStrG kann sie den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen selbst beseitigen oder beseitigen lassen. Deshalb bestand für den Kläger auch kein Feststellungsinteresse für die Klageanträge, welche sich auf eine Entfernung von Fahrrädern bezogen. Es war konsequent, die Klage auch insofern zurückzunehmen.