Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.03.2006, Az.: 1 B 8/06

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.03.2006
Aktenzeichen
1 B 8/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 44601
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2006:0323.1B8.06.0A

Fundstelle

  • JuS-Magazin 2006, 6

Gründe

1

Der 1974 geborene Antragsteller erstrebt hinsichtlich seiner Zweiten Juristischen Staatsprüfung eine Neubewertung der beiden Strafrechtsklausuren, die Bildung einer neuen Gesamtnote und hierbei deren Festsetzung auf 9,o Punkte - hilfsweise eine Neubescheidung.

2

Er bestand die Erste Juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt in H. am 15. August 2003 mit der Note "vollbefriedigend" (10,81 Pkt.). Er schrieb während seines juristischen Vorbereitungsdienstes im Mai 2005 die beiden Strafrechtsklausuren S 1 und S 2, die beide mit vollbefriedigend (10 Pkt.) bewertet wurden. Nach der mündlichen Prüfung vom 10. November 2005 wurde die Gesamtnote des Zweiten Juristischen Staatsexamens mit "befriedigend" (8,75 Pkt.) festgestellt.

3

Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2006 zurückgewiesen.

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Am 23. Februar 2006 hat der Antragsteller Klage (1 A 49/06) erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 123 VwGO mit der Begründung nachgesucht, bei beiden Strafrechtsklausuren seien Bewertungsfehler unterlaufen, weil ihre Aufgabenstellungen missverständlich und mehrdeutig seien: Es sei nicht klar gewesen, was in den Bearbeitungshinweisen unter einer "Abschlussverfügung" und unter einer "Begleitverfügung" verstanden werden solle und was daher vom Prüfling erwartet worden sei. Die vom Antragsteller dann erstellte "Abschlussverfügung" sei von den Prüfern nicht berücksichtigt und bewertet worden. Hiervon abgesehen sei bei Bildung der Gesamtnote zu Unrecht unterlassen worden, seine Leistungen im Vorbereitungsdienst, seine Klausuren, seine mündliche Prüfungsleistung sowie sonstige Ausbildungsleistungen als Gesamteindruck zu berücksichtigen und aufgrund einer solchen "Gesamtschau" seine Gesamtnote auf mindestens 9 Punkte anzuheben. Ein Anordnungsgrund liege darin, dass er sich auf mehrere ausgeschriebene Stellen beworben habe und es hierbei maßgeblich auf die Gesamtnote im Zweiten Juristischen Staatsexamen ankomme, die als Einstellungsvoraussetzung regelmäßig mindestens 9 Pkt. betragen müsse.

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Der Antragsgegner tritt dem Antrag unter Verweis auf den Beurteilungsspielraum der Prüfer und die Verständlichkeit der Aufgabenstellung in beiden Strafrechtsklausuren entgegen sowie mit der weiteren Begründung, der Prüfungsausschuss habe es in Ausübung seines Wertungsspielraums bei der festgesetzten Gesamtnote belassen dürfen, zumal 4 von 8 Klausuren mit ausreichend und eine Klausur mit befriedigend benotet worden seien, der Durchschnitt der schriftlichen Prüfungsleistungen mithin bei 7,25 Pkt. liege. Die deutlich besseren Leistungen im Vorbereitungsdienst könnten für den Prüfungsausschuss keinen zwingenden Grund darstellen, die Prüfungsgesamtnote anzuheben.

6

Der nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zu beurteilende Antrag hat keinen Erfolg.

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1. Dahinstehen kann, ob für eine Zuerkennung der vom Antragsteller im Einzelnen dargelegten und näher bezeichneten Ansprüche - auf Vergabe einer Gesamtnote von mindestens 9 Punkten - hinreichende bzw. überwiegende Erfolgsaussichten im Verfahren der Hauptsache (1 A 49/06) bestehen. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob die vorgetragenen Bewertungsfehler, sollten sie denn vorliegen, zwingend zu einer besseren Benotung der Strafrechtsklausuren S 1 und S 2 führen können oder ob es bei Vermeidung der gerügten Fehler wiederum zu denselben Einzelnoten kommen kann, die vergeben wurden. Auch die behauptete Reduzierung des Ermessens- und Wertungsspielraums des Prüfungsausschusses bei der gem. § 8 Abs. 2 S. 1 NJAVO v. 2.11.1993 (Nds.GVBl. S. 561), zul. geänd. d. VO v. 26.9.2001 (Nds.GVBl. S. 643), möglichen und in das pflichtgemäße Ermessen des Ausschusses gestellten Abweichung von der nach § 8 Abs. 1 NJAVO errechneten Punktzahl ist keineswegs frei von Zweifeln, wie die abwägende Stellungnahme des Vorsitzenden der Prüfungskommission vom 8. Februar 2006 aufzeigt.

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2. Der Antragsteller hat es jedoch nicht vermocht, neben den dargelegten, mit Zweifeln behafteten Ansprüchen außerdem auch einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 1 S. 2 , Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nämlich das Drohen unabwendbarer Nachteile bzw. das Bestehen einer Gefahr Voraussetzung, wobei unter Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG von Bedeutung ist, in welchem Maße Rechte bzw. Grundrechte in ihrer Verwirklichung gefährdet sind, falls bis zur Entscheidung in der Hauptsache zugewartet würde.

9

Der pauschale Verweis des Antragstellers auf eine "schlechthin unzumutbare" Beeinträchtigung seiner beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bei Vorenthaltung einer Gesamtnote von mindestens 9 Punkten trägt nicht: Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass er sich auf verschiedene Stellen beworben hat und in Auswahlverfahren auch einbezogen worden ist. So hat er sich bei der Ärztekammer D. auf eine am 1.4.2006 besetzbare Stelle beworben, daneben auf eine Stelle des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes, für die eine Bewerbungsfrist am 1.3.2006 endete, außerdem bei der Stadt E. und bei der Niedersächsischen Steuerverwaltung. Die Bewerbungsunterlagen sollen - wie dem Antragsteller telefonisch in einem Fall mitgeteilt worden sein soll - "vielversprechend" sein, jedoch sollen Bewerber mit mindestens 9 Punkten in beiden Examina angeblich bevorzugt werden. Der Antragsteller hat mit einer Punktzahl von 10,81 im Ersten Staatsexamen und von 8,75 im Zweiten Staatsexamen unter solchen Umständen eine ernstliche Bedrohung seiner beruflichen Existenz nicht zu erwarten. Dass es bei seinen Bewerbungen ohne Abstriche und in jedem Falle stets auf eine Gesamtnote von 9 Punkten im Zweiten Staatsexamen als Voraussetzung eines erfolgreichen Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ankommen wird, ist nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr dürfte es - wie bei allen Bewerbungen - auf Gesamteindrücke, Vorstellungsgespräche und - je nach Arbeitsfeld - auf die in den jeweiligen Ausbildungsstationen erzielten Noten ankommen, die einmal höheres und einmal geringeres Gewicht haben dürften. Eine ernstliche und nachhaltige Gefährdung der beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Existenzgrundlage des Antragstellers, welche unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) unabweisbar eine existenzsichernde Regelungsanordnung erforderte, ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG (36.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit / NVwZ 2004, 1327).