Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.03.2006, Az.: 1 A 163/04

Allgemeinwissen; Beamter; Behörde; Bereicherung; Billigkeit; Billigkeitsentscheidung; eigenes Verschulden; Familienzuschlag; Formblatt; Neubescheidung; Prüfung; Rechtsgrund; Rückabwicklung; Rückforderung; Treu und Glauben; Unterlagen; Verschulden; verschärfte Haftung; Wegfall der Bereicherung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.03.2006
Aktenzeichen
1 A 163/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung eines überzahlten Familienzuschlags.

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Der am ... 1947 geborene Kläger ist niedersächsischer Landesbeamter und als Realschullehrer tätig. Er ist verheiratet und hat zwei 1980 bzw. 1982 geborene Kinder.

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Seit seiner Heirat am 18. Juli 1979 erhielt der Kläger den Familienzuschlag (früher Ortszuschlag) der Stufe 1 in voller Höhe und zwar bis zum 31. August 2003.

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Am 15. Mai 1998 nahm die Ehefrau des Klägers wieder eine Beschäftigung auf und zwar als Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie erhielt seitdem ebenfalls den Familienzuschlag der Stufe 1. Die Aufnahme dieser Beschäftigung teilte der Kläger der Bezirksregierung Lüneburg erstmals mit Formblatt vom 23. Juni 2000 (Eingang 26.6.2000) mit. Gleichwohl wurde der Familienzuschlag der Stufe 1 dem Kläger weiterhin in voller Höhe gezahlt.

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Mit Formblatt vom 10. Mai 2003 (Eingang 16.5.2003) zeigte der Kläger erneut die Beschäftigung seiner Ehefrau im öffentlichen Dienst an. Das beklagte Amt forderte daraufhin von der Samtgemeinde C. mit Schreiben vom 3. Juni 2003 die sogenannte Vergleichsmitteilung an. Diese erteilte die Samtgemeinde C. mit Schreiben vom 8. Juli 2003 und gab darin auch an, dass ab 15. Mai 1998 der Ehegattenbestandteil des Ortszuschlages zur Hälfte gezahlt werde.

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Das beklagte Amt setzte daraufhin mit Bescheid vom 5. August 2003 für den Kläger ab 1. September 2003 den Familienzuschlag gemäß § 40 BBesG auf die Hälfte der Stufe 1 fest, weil die Ehefrau des Klägers im öffentlichen Dienst im Sinne des § 40 Abs. 6 BBesG stehe und ebenfalls Familienzuschlag bzw. Ortszuschlag erhalte.

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Für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. August 2003 errechnete das beklagte Amt eine Überzahlung des Familienzuschlags in Höhe von insgesamt 3.290,34 EUR. Mit Schreiben vom 9. September 2003 hörte es den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung des Betrages an.

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Der Kläger nahm mit undatierten, am 10. Oktober 2003 bei dem beklagten Amt eingegangenem Schreiben zur beabsichtigten Rückforderung Stellung. Er wies darauf hin, dass er die monatlichen Zahlungen verbraucht habe. Die Regelungen im Bundesbesoldungsgesetz zum Familienzuschlag seien ihm nicht bekannt. Ein Merkblatt hierzu kenne er ebenfalls nicht. Die Samtgemeinde Wathlingen habe bei der Einstellung seiner Ehefrau nicht nachgefragt, wem bzw. wie der Familienzuschlag gezahlt werden solle. Ihm sei auch nicht bewusst gewesen, dass ihm seit dem 1. Juni 1998 der Familienzuschlag der Stufe 1 nur zur Hälfte hätte gezahlt werden dürfen. Aus diesem Grund sei ihm nicht aufgefallen, dass auch nach seiner Änderungsanzeige vom 23. Juni 2000 der Familienzuschlag der Stufe 1 weiterhin wie bisher gezahlt worden sei. Er berufe sich deshalb auf Vertrauensschutz und könne sein Verhalten nicht als grob fahrlässig werten.

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Mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 forderte das beklagte Amt den überzahlten Familienzuschlag in Höhe von 3.290,34 EUR brutto in voller Höhe vom Kläger zurück. Für den Fall, dass er wirtschaftlich nicht in der Lage sei, den Gesamtbetrag in einer Summe zu zahlen, wurde dem Kläger angeboten, einen Antrag auf Ratenzahlung zu prüfen. Zur Begründung führte das beklagte Amt im Wesentlichen aus, der Kläger habe den Familienzuschlag der Stufe 1 in der Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. August 2003 zu Unrecht in voller Höhe erhalten. Da seine Ehefrau im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei und ebenfalls den Familienzuschlag bzw. den Ortszuschlag erhalten habe, hätte er den Familienzuschlag der Stufe 1 nur zur Hälfte beanspruchen können. Den entgegen der gesetzlichen Regelung zuviel gezahlten Familienzuschlag habe der Kläger gemäß § 12 BBesG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuzahlen. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen, da er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Dienstbezüge zumindest habe erkennen müssen. Aufgrund entsprechender Merkblätter und Erklärungen sei er darüber informiert worden, dass er Veränderungen bei einer Beschäftigung des Ehepartners anzuzeigen habe und dass diese Veränderungen Einfluss auf die Zahlung des Familienzuschlags haben könnten. Gleichwohl habe er die Beschäftigung seiner Ehefrau erst mit Erklärungsvordruck vom 23. Juni 2000 angezeigt. Die in der Folgezeit übersandten Gehaltsmitteilungen habe er dann nicht darauf überprüft, ob sich bei der Zahlung des Familienzuschlages hinsichtlich der Stufe 1 Änderungen ergeben hätten. Da dies sei nicht der Fall gewesen sei, hätte der Kläger insoweit nachfragen müssen. Dies habe er nicht getan. Aufgrund der Gesamtumstände sei es nicht geboten, ganz oder teilweise von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen abzusehen. Auf entsprechendem Antrag sei es jedoch möglich, Ratenzahlungen zu gewähren, wenn es die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtfertigten.

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Der Kläger legte hiergegen mit der Begründung Widerspruch ein, die Rückforderung sei rechtswidrig. Er könne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da die Überzahlungen im Monat gering gewesen seien. Die Fehlerhaftigkeit der Zahlungen habe er entgegen der Ansicht des Amtes nicht erkennen können oder müssen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass bei einer Arbeitsaufnahme seiner Ehefrau im Bereich des öffentlichen Dienstes sein Familienzuschlag von der Stufe 1 auf die Stufe 1/2 abzusenken sei. Vielmehr sei er davon ausgegangen, dass er weiterhin zu Recht den Verheiratetenanteil in der gewährten Höhe erhalte. In dieser Auffassung sei er bestätigt worden, nachdem auch nach Abgabe seiner Erklärung vom 23. Juni 2000 eine Abänderung des Verheiratetenanteils nicht erfolgt sei. Als Realschullehrer sei es ihm nicht zumutbar, die Gehaltsstufen und insbesondere hier die Besonderheiten des Verheiratetenzuschlags und der Ehegattenkonkurrenz im öffentlichen Dienst zu kennen. Es habe insoweit auch keine Erkundigungspflicht bestanden. Schließlich sei die Rücknahme der Überzahlung gemäß § 48 VwVfG nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tätigkeit seiner Ehefrau erfolgt, so dass auch insoweit die ausgesprochene Rückforderung nicht rechtmäßig sei.

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Den Widerspruch wies das beklagte Amt mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2004 (zugestellt am 27.2.2004) zurück. Zur Begründung führte das Amt an, der Kläger habe den Verheiratetenzuschlag entgegen der Gesetzeslage für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. August 2003 in voller Höhe erhalten, obwohl ihm wegen der Tätigkeit seiner Ehefrau im öffentlichen Dienst und der ihr gewährten Zahlung eines Ortszuschlages bzw. Familienzuschlages ihm der Familienzuschlag der Stufe 1 nur zur Hälfte zugestanden hätte. Gegenüber der danach bestehenden Rückzahlungspflicht könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die monatlichen Beiträge seien zwar gering gewesen, der Kläger habe jedoch erkennen können oder müssen, dass der Familienzuschlag ihm in unzutreffender Höhe gezahlt werde. Über den Inhalt des hier maßgeblichen § 40 BBesG, der die Höhe des Familienzuschlags in Abhängigkeit vom Familienstand regele, hätte sich der Kläger informieren müssen, da er regelmäßig Erklärungen zur Ehegattenkonkurrenz unterschrieben und abgegeben habe. Hätte er dies getan und hätte er, wie es seine Pflicht gewesen wäre, die Bezügeabrechnungen auf Richtigkeit kontrolliert, wäre ihm aufgefallen, dass der Familienzuschlag unzutreffend weiterhin in voller Höhe gezahlt werde. Bei der Würdigung der Gesamtumstände sei daher von einem grob fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen. Die vom Kläger zitierte Regelung des § 48 VwVfG sei hier nicht einschlägig, da die Zahlung des Familienzuschlags in der Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. August 2003 allein aufgrund des Gesetzes erfolgt sei ohne entsprechenden Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt als Rechtsgrund der Zahlung, der zurückgenommen werden müsse, bestehe daher nicht. Selbst wenn man aber die Jahresfrist anwenden wollte, sei diese hier gewahrt. Ein Absehen oder teilweises Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen sei aus den zutreffenden Gründen im angefochtenen Rückforderungsbescheid nicht möglich.

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Am 29. März 2004, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung vertieft und wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

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Der Kläger beantragt,

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den Rückforderungsbescheid des beklagten Amtes vom 16. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 aufzuheben.

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Das beklagte Amt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt es im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.

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1. Der Rückforderungsbescheid des beklagten Amtes vom 16. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 ist insoweit rechtmäßig, als in ihm die grundsätzliche Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des überzahlten Familienzuschlags ausgesprochen worden ist. Insoweit ist die Klage unbegründet.

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Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Familienzuschlages der Stufe 1 ist § 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. §§ 812 ff. BGB. Hiernach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.

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Der Kläger hat den zurückgeforderten Familienzuschlag hier ohne Rechtsgrund erhalten. Denn nach § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG stand dem Kläger für den Zeitraum 1. Juni 1998 bis 31. August 2003 der Familienzuschlag der Stufe 1 nur zur Hälfte zu, da seine Ehefrau im öffentlichen Dienst beschäftigt war und ebenfalls den Familienzuschlag bzw. Ortszuschlag erhielt. Da der Familienzuschlag für diese Zeit nicht durch einen Bescheid festgesetzt, sondern allein aufgrund des Besoldungsgesetzes gezahlt worden ist, liegt als Rechtsgrund für die Zahlung auch kein Verwaltungsakt vor, der vor Rückforderung des überzahlten Betrages gemäß § 48 VwVfG zurückgenommen werden müsste, wie der Kläger meint.

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Gegenüber seiner grundsätzlichen Rückzahlungsverpflichtung kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Denn er unterliegt gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i. V. m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB der verschärften Haftung, weil für ihn der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Der Mangel des rechtlichen Grundes ist als offensichtlich anzusehen, wenn der Beamte ihn nicht erkannt hat, weil er die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt im besonderen Maße außer Acht gelassen hat, wobei es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des die Zahlung in Empfang Nehmenden ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.2.1985 - BVerwG 2 C 16.84 -, BVerwGE 71, 77 <79 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 13.1.1998 - 5 L 3999/95 -). Dabei bedeutet „offensichtlich“ nicht „ungehindert sichtbar“. Offensichtlich ist eine Tatsache vielmehr schon dann, wenn sie der Erkenntnis leicht durch andere als optische Wahrnehmungen zugänglich ist, insbesondere wenn sie durch Nachdenken, logische Schlussfolgerungen oder durch sich aufdrängende Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10.12.1991 - 5 L 2583/91 -). Der Empfänger von Dienstbezügen ist aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht und der Empfänger von Versorgungsbezügen aufgrund der nachwirkenden beamtenrechtlichen Treuepflicht insbesondere gehalten, die ihm ausgehändigten Bezüge- und Versorgungsunterlagen zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Aus diesem Grunde wird in den Gehalts-/Versorgungsmitteilungen regelmäßig auf die Verpflichtung hingewiesen, die Angaben in der Abrechnung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, in Verbindung mit anderen zugegangenen Bescheiden zu vergleichen und schon bei geringfügigen Fehlern oder Zweifeln an der Richtigkeit unverzüglich die Besoldungsstelle zu unterrichten. Im Rahmen der automatisierten Bezüge-/Versorgungsfestsetzung muss der Empfänger mit der Möglichkeit von Programmfehlern und Datenfalscheingaben rechnen. Ferner hat der Beamte sich bei etwaigen Unklarheiten oder Zweifeln durch Rückfragen beim Dienstherrn, der auszahlenden Kasse oder der anweisenden Stelle Gewissheit darüber zu verschaffen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt. Auf die weitere Frage, ob der Behörde ebenfalls ein Verschulden an der Überzahlung anzulasten ist, kommt es im Rahmen der Prüfung der verschärften Haftung nicht an. Dieser Frage kommt erst im Rahmen der nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG zutreffenden Billigkeitsentscheidung Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.6.1990 - BVerwG 6 C 41.88 -, NVwZ-RR 1990, 622 <623> m. w. N.). Dass auch die anweisende oder ausführende Stelle gegen die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verstoßen hat, ist für die Entscheidung, ob der Empfänger einen offensichtlichen Mangel oder die Fehlerhaftigkeit hätte erkennen müssen, mithin ohne Bedeutung.

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Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze kann dem Kläger bei Würdigung der Gesamtumstände der Vorwurf, die erforderliche Sorgfalt im besonderen Maße außer Acht gelassen zu haben, nicht erspart werden. Den Mangel des rechtlichen Grundes hätte er erkennen können und müssen. Der Kläger ist durch entsprechende Erklärungen und Hinweise von dem beklagten Amt rechtzeitig auf die Problematik der Ehegattenkonkurrenz beim Familienzuschlag hingewiesen worden. So hat er zum Beispiel am 1. Juni 1988 ein entsprechendes Formblatt ausgefüllt, aus dem sich der Hinweis auf diese Problematik - Ehegatte im öffentlichen Dienst und gleichzeitig Empfänger von Ortszuschlag bzw. Familienzuschlag - ergab und in dem er ausdrücklich auf die Pflicht hingewiesen wurde, Veränderungen in diesem Bereich anzuzeigen. Entgegen dieser Pflicht hat der Kläger die Aufnahme einer Tätigkeit seiner Ehefrau im öffentlichen Dienst zunächst überhaupt nicht angezeigt. Erst aufgrund der routinemäßigen Anfrage im Mai 2000 füllte er das entsprechende Formblatt am 23. Juni 2000 aus. Danach hat der Kläger jedoch nicht, wie es seine Pflicht gewesen wäre, die Gehaltsmitteilungen überprüft und deshalb auch nicht gemerkt, dass trotz der aufgenommenen Berufstätigkeit der Ehefrau im öffentlichen Dienst der Familienzuschlag weiter in bisheriger Höhe gezahlt wird. Hätte er die Gehaltsmitteilung kontrolliert, wäre dies ihm aufgefallen und er hätte zumindest dann in Kenntnis der Hinweise Grund gehabt nachzufragen, warum trotz Änderungsmitteilung sich beim Familienzuschlag nichts ändert. Denn aufgrund der ihm erteilten Hinweise musste ihm bekannt sein, dass bei einer Tätigkeit des Ehepartners im öffentlichen Dienst der Familienzuschlag regelmäßig nur noch zur Hälfte gezahlt wird. Dies ist im Übrigen im Grunde auch Allgemeinwissen eines jeden sorgfältigen Beamten bzw. müsste es sein. Nach dem der Kläger aufgrund der routinemäßigen Anfrage im Mai 2003 das entsprechende Formblatt am 10. Mai 2003 nochmals ausgefüllt hatte, hätte ihm ebenfalls auffallen müssen, dass bei der Zahlung des Familienzuschlags etwas nicht stimmen kann. Auch hier hat der Kläger nicht nachgefragt oder reagiert. Bei Würdigung des Gesamtverhaltens kann nur von einer groben Sorgfaltspflichtverletzung ausgegangen werden.

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2. Der Rückforderungsbescheid des beklagten Amtes vom 16. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 ist aber hinsichtlich der gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG getroffenen Billigkeitsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn diese Entscheidung ist ermessensfehlerhaft mit der Folge, dass sie aufzuheben und das beklagte Amt zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder zum Teil abgesehen werden. Dem Dienstherrn steht damit ein Ermessen zu, ob und in welchem Umfang er den Beamten zur Rückerstattung einer Überzahlung heranziehen will. Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Rechts geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist insbesondere in Fällen der verschärften Haftung bedeutsam. Dabei ist indes nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Dafür kommt es nicht entscheidend auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.1989 - BVerwG 2 C 68.86-, NVwZ 1990, 670).

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Die Entscheidung des beklagten Landesamtes, bei dem Kläger hinsichtlich des Rückforderungsbetrages nicht aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, sondern (nur) eine ratenweise Tilgung anzubieten, stellt nach den obigen Grundsätzen und den hier gegebenen Umständen eine fehlerfreie Ermessensausübung nicht mehr dar. Das beklagte Amt hat hier das eigene Mitverschulden, das nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Billigkeitsgrund in die Billigkeitsentscheidung einzubeziehen ist, in dem angefochtenen Bescheid sowie in dem Widerspruchsbescheid dem Grunde nach überhaupt nicht gewürdigt und damit gemäß § 114 Satz 1 VwGO eine ermessensfehlerhafte Gewichtung vorgenommen. Das beklagte Amt hat zwar zutreffend einerseits dargestellt, dass das Verhalten des Klägers grob sorgfaltswidrig war. Andererseits hat es überhaupt nicht in den Blick genommen, dass der Kläger, wenn auch verspätet, bereits mit Formblatt vom 23. Juni 2000 die erforderlichen Tatsachen mitgeteilt hat. Obwohl damit klar war, dass seine Ehefrau im öffentlichen Dienst beschäftigt war und auch einen Ortszuschlag erhielt, wurde vom Landesamt nichts veranlasst. Erst aufgrund der erneuten Mitteilung des Klägers vom 10. Mai 2003 wurde dann reagiert. Diese Reaktion erfolgte aber auch nicht sofort: Es wurde erst mit Schreiben vom 3. Juni 2003 eine Vergleichsmitteilung von der Samtgemeinde Wathlingen angefordert, obwohl in der Mitteilung vom 23. Juni 2000 bereits angegeben war, dass die Ehefrau einen Familien- bzw. Ortszuschlag als Angestellte im öffentlichen Dienst erhält. Bei diesem erheblichen Mitverschulden der Behörde kommt durchaus ein Teilerlass der Forderung in Betracht. Das beklagte Amt wird dies bei der gebotenen Neubescheidung zu erwägen und eine sachgerechte Billigkeitsentscheidung zu treffen haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.