Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.03.2006, Az.: 1 A 144/04

Billigkeit; Billigkeitsentscheidung; Ermessen; Erwerbseinkommen; Fragebogen; gesetzlicher Vorbehalt; Haftung; Höchstbetragsgrenze; Merkblatt; Mitverschulden; Pension; Rechtsgrund; Ruhensregelung; Rückabwicklung; Rückforderung; Rückforderungsbescheid; Rückzahlungspflicht; Versorgung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.03.2006
Aktenzeichen
1 A 144/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53253
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Versorgungsbezügen.

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Der am 5. Oktober 1941 geborene Kläger, der Berufssoldat war, wurde mit Ablauf des 30. September 1992 gemäß § 2 Personalstärkegesetz vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Seit dem 1. Oktober 1992 erhält er Versorgungsbezüge nach dem Soldatenversorgungsgesetz in Verbindung mit dem Personalstärkegesetz. Diese wurden mit Bescheid des Wehrbereichsgebührnisamtes III vom 15. August 1994 festgesetzt. Obwohl der Kläger seit dem 1. Oktober 1992 auch Einkünfte aus einer selbständigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes erhält, wurde die gesetzlich vorgesehene Ruhensregelung gemäß § 54 SVG a.F. bzw. 53 SVG n.F. zunächst nicht durchgeführt, da der Wehrbereichsverwaltung West als Pensionsregelungsbehörde diese Einkünfte nicht bekannt waren.

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Nachdem die Wehrbereichsverwaltung West im Jahre 2002 anlässlich einer Überprüfung bemerkt hatte, dass eine Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers außerhalb des öffentlichen Dienstes und der Höhe der dort erzielten Einkünfte unterblieben war und sie die erforderlichen Ermittlungen nachgeholt hatte, führte sie mit Bescheiden vom 18. März und 19. März 2003 die Ruhensberechnung wegen des Erwerbseinkommens des Klägers aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 1. Januar 2003 durch. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid nach erfolglosem Vorverfahren am 2. März 2004 Klage (1 A 138/04).

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Aufgrund der genannten Ruhensbescheide stellte die Wehrbereichsverwaltung West für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 31. Dezember 2001 eine Überzahlung von Versorgungsbezügen in Höhe von 43.743,37 EUR brutto fest und hörte den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung der Überzahlung mit Schreiben vom 20. März 2003 an.

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Der Kläger wandte darauf hin ein, er habe bei seiner Zurruhesetzung sämtliche relevanten Angaben zu seiner selbständigen Tätigkeit ordnungsgemäß angezeigt. Ein Merkblatt darüber, dass auch Einkünfte außerhalb des öffentlichen Dienstes der Ruhensregelung unterlägen, habe er nicht erhalten. Im Übrigen sei der Beklagten seine selbständige Tätigkeit bekannt gewesen. Er übe sie seit 1980 aus. Er habe sie während seiner aktiven Zeit als Berufssoldat als Nebentätigkeit angezeigt und genehmigt bekommen. Im Vertrauen auf eine gesicherte Rente sei er erhebliche finanzielle Verpflichtungen eingegangen, so dass bei Rückforderung oder Kürzung der Pension seine Existenz bedroht sei.

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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. November 2003 forderte die Wehrbereichsverwaltung West die für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 31. Dezember 2001 überzahlten Versorgungsbezüge in Höhe von 43.743,37 EUR brutto in voller Höhe zurück. Gleichzeitig erklärte sie die Verrechnung des Rückforderungsbetrages mit einer Nachzahlung der Zulage Nr. 5 in Höhe von 4.096,66 EUR brutto, einer Nachzahlung des Kindergeldes in Höhe von 7.423,53 EUR und einer Nachzahlung des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag in Höhe von 4.847,75 EUR brutto, so dass ein offener Rückzahlungsbetrag in Höhe von 27.375,43 EUR brutto verblieb. Für die Rückzahlung des verbleibenden Betrages räumte sie dem Kläger eine Zahlung in monatlichen Raten von jeweils 150,00 EUR brutto beginnend ab 1. Dezember 2003 ein und setzte die Raten für den jeweiligen Dezember des Jahres auf 250,00 EUR fest. Zur Begründung führte die Wehrbereichsverwaltung West im Wesentlichen an, die Versorgungsbezüge in der festgesetzten Rückzahlungshöhe seien ohne Rechtsgrund gezahlt worden, wie die nachträgliche Ruhensberechnung durch die Bescheide vom 18. und 19. März 2003 ergeben habe. Ohne Rechtsgrund gezahlte Versorgungsbezüge seien gemäß § 49 Abs. 2 SVG zurückzuzahlen. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen, da er verschärft hafte. Die Versorgungsbezüge ständen nämlich unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Ruhens- und Kürzungsvorschriften. Ein Verzicht auf die Rückforderung oder ein Teilverzicht aus Billigkeitsgründen käme nicht in Betracht. Der Kläger habe mit dem Fragebogen zur Festsetzung der Versorgungsbezüge ein Merkblatt übersandt bekommen, welches das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen und Einkommen außerhalb des öffentlichen Dienstes erläutert habe. Der Kläger habe außerdem die Frage Nr. 11a in dem Fragebogen beantwortet, die auch eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes betroffen habe. Weitere Angaben habe er trotz der ihm bekannten Anzeigepflicht nicht gemacht. Seinem Einwand, er habe das entsprechende Merkblatt nicht erhalten, könne nicht gefolgt werden, da ihm der Fragebogen samt Merkblätter übersandt worden sei und er alles bis auf dieses eine Merkblatt erhalten habe. Die dem Kläger gewährte Ratenzahlung genüge der nach § 49 Abs. 2 SVG geforderten Billigkeitsentscheidung.

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Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und trug ergänzend zur Anhörung vor: Er habe den Fragebogen korrekt ausgefüllt. In Nr. 11a des Fragebogens sei gefragt worden, ob die Aufnahme einer Beschäftigung nach Eintritt in den Ruhestand beabsichtigt sei. Dies habe er zutreffend bejaht. Eine weitergehende Anzeigepflicht sei nur bei einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst gefordert worden. Im Übrigen sei seine selbständige Tätigkeit der Beklagten bekannt gewesen. Er habe die jetzt von ihm ausgeübte Tätigkeit bereits seit 30. Juni 1979 als Nebentätigkeit angezeigt und genehmigt erhalten. Im Rahmen der Darlehensbeantragung im Zusammenhang mit der ihm zustehenden Kapitalabfindung sei von ihm in der Erklärung vom 3. August 1994 seine selbständige Tätigkeit ebenfalls nochmals angegeben und die Einkommensverhältnisse dargelegt worden. Eine Verrechnung mit dem Kindergeld sei gesetzlich nicht zulässig.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2004 hob die Wehrbereichsverwaltung West die Verrechnung des Rückforderungsbetrages mit der Nachzahlung des Kindergeldes auf und wies im Übrigen den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend zum angefochtenen Bescheid war ausgeführt, dass der Kläger die Überzahlung hätte erkennen können und müssen. Das Merkblatt über das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielten Einkommen sei mit dem Fragebogen zur Rente und anderen Merkblättern mit Schreiben vom 7. September 1992 übersandt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Fragebogen und andere Merkblätter angekommen seien, nicht aber das hier maßgebliche Merkblatt. Mit Schreiben vom 9. Februar 2003 habe der Kläger selbst ausgeführt, dass ihm die Tatsache des Bestehens von Übergangsvorschriften für die Anwendung des § 54 SVG bekannt gewesen sei. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass ihm auch der Inhalt des § 54 SVG bekannt gewesen sei. Die Ratenzahlung genüge der zu treffenden Billigkeitsentscheidung.

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Mit Änderungsbescheid vom 18. Februar 2004 änderte die Beklagte zusätzlich die festgelegte Ratenzahlung.

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Am 8. März 2004 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt er vor, entgegen der Ansicht der Beklagten liege kein sogenannter Vorbehaltsfall vor, da die Wehrbereichsverwaltung bei bekannter Sachlage allein die Anwendung der maßgebenden Vorschrift unterlassen habe. Die Beklagte habe auch nicht den Postausgang des hier maßgebenden Merkblattes nachgewiesen. Für ihn habe auch keine Veranlassung bestanden bei 10-jähriger Zahlung der Versorgungsbezüge seine selbständige Tätigkeit nochmals anzuzeigen. Der Rückforderung ständen schließlich Vertrauensschutzgesichtspunkte sowie der Grundsatz der Billigkeit entgegen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004 sowie des Änderungsbescheides vom 18. Februar 2004 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid sowie im Widerspruchsbescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht ist nach Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2006 von den Beteiligten geschlossenen Vergleichs befugt, ohne weitere mündliche Verhandlung zu entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.

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1. Der Rückforderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004 sowie des Änderungsbescheides vom 18. Februar 2004 ist insoweit rechtmäßig, als in ihm die grundsätzliche Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der überzahlten Versorgungsbezüge ausgesprochen worden ist. Insoweit ist die Klage unbegründet.

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Rechtsgrundlage für die Rückforderung der überzahlten Versorgungsbezüge ist § 49 Abs. 2 SVG i.V.m. §§ 812 ff BGB. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtliche Grundes (§ 819 BGB) steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (§ 49 Abs. 2 Satz 2 SVG).

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Der Kläger hat die zurückgeforderten Versorgungsbezüge in Höhe von 43.743,37 EUR brutto ohne Rechtsgrund erhalten. Denn dem Kläger standen nach Durchführung der Ruhensberechnung nach Maßgabe von § 54 SVG a.F. Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 43.743,37 EUR für den Zeitraum 1. Oktober 1992 bis 31. Dezember 2001 nicht zu. Das Ruhen der Versorgungsbezüge ist zutreffend mit Bescheiden der Wehrbereichverwaltung West vom 18. März und 19. März 2003 nach Maßgabe des § 54 SVG a.F. erstmals angeordnet worden, da der Kläger in dem genannten Zeitraum Versorgungsbezüge erhalten hat, die zusammen mit seinem Einkommen aus seiner privaten Tätigkeit die nach § 54 SVG a.F. maßgebliche Höchstbetragsgrenze, bei deren Überschreiten die Gewährung von Versorgungsbezügen neben einem derartigen Erwerbseinkommen nach § 54 SVG a.F. in entsprechendem Umfang ruht, überstiegen haben. Die Ruhensbescheide vom 18. und 19. März 2003 sind rechtlich nicht zu beanstanden, die dagegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch. Zur Begründung nimmt das Gericht Bezug auf seine Ausführungen in dem im Verfahren 1 A 138/04 heute ergangenen Urteil.

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Gegenüber seiner grundsätzlichen Rückzahlungspflicht kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Denn er unterliegt gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG i.V.m. § 820 Abs. 1 Satz 2 und § 818 Abs. 4 BGB der verschärften Verhaftung. Die Zahlung der Versorgungsbezüge stand nämlich unter dem gesetzlichen Vorbehalt einer Ruhensregelung. Ein solcher gesetzesimmanenter Vorbehalt besteht nicht nur bei rückwirkender Änderung des Verwendungseinkommens oder der Versorgung, sondern auch, wenn der Pensionsregelungsbehörde erst nach der Festsetzung der Versorgung bekannt wird, dass der Versorgungsberechtigte von Anfang an anderweitiges Einkommen hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1985 - 6 C 37.83 -, DVBl 1986, 472). Der letztere Fall ist hier gegeben. Der Wehrbereichsverwaltung West als Pensionsregelungsbehörde ist erst nachträglich bekannt geworden, dass der Kläger Erwerbseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit hat und in welcher Höhe. Dass der Wehrbereichsverwaltung West hier möglicherweise die selbständige Tätigkeit des Klägers hätte bekannt sein können, wenn sie sämtliche Unterlagen aus der aktiven Dienstzeit des Klägers an sich gezogen hätte, ist nicht maßgebend. Ihr selbst war diese Tätigkeit jedenfalls nicht bekannt.

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2. Der Rückforderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung West ist aber hinsichtlich der gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffenen Billigkeitsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn diese Entscheidung ist ermessensfehlerhaft mit der Folge, dass sie aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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Nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung ganz oder zum Teil abgesehen werden. Dem Dienstherrn steht damit ein Ermessen zu, ob und in welchem Umfang er den Beamten zur Rückerstattung einer Überzahlung heranziehen will. Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist insbesondere in Fällen der verschärften Haftung bedeutsam. Dabei ist indes nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Berechtigungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Dafür kommt es nicht entscheidend auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.1989 - 2 C 68.86 -, NVwZ 1990, 670).

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Die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung West, bei dem Kläger hinsichtlich des Rückforderungsbetrages nicht aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, sondern (nur) eine ratenweise Tilgung zu gewähren, stellt nach den obigen Grundsätzen und den hier gegebenen Umständen eine fehlerfreie Ermessensausübung nicht mehr dar. Die Wehrbereichsverwaltung West ist zum einen in unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger das maßgebende Merkblatt über das Zusammentreffen von Verwendungseinkommen außerhalb des öffentlichen Dienstes mit Versorgungsbezügen erhalten hat. Einen Nachweis über den Zugang des Merkblattes, den der Kläger qualifiziert bestritten hat, kann die Wehrbereichverwaltung West nicht führen. Hiervon kann auch nicht im Wege des Beweises des ersten Anscheins ausgegangen werden, da ein versehentliches Nichtbeifügen des Merkblattes weder beim manuellen noch beim maschinellen Zusammenstellen der Anschreiben mit Fragebogen und Merkblättern ausgeschlossen oder als sehr unwahrscheinlich eingestuft werden kann. In dem Anschreiben vom 7. September 1992 an den Kläger, mit dem die Fragebögen zur Festsetzung der Versorgungsbezüge und die Merkblätter übersandt wurden, ist zudem das hier maßgebende Merkblatt nicht gesondert aufgeführt worden, sondern es sind nur andere Merkblätter benannt. Der Kläger konnte mithin nicht erkennen, dass ein bestimmtes Merkblatt fehlt. Aus dem Fragebogen selbst ist das Fehlen eines Merkblattes ebenfalls nicht herzuleiten. In der Nr. 11a des Fragebogens wird zwar auf einen Abschnitt G 1 des Merkblattes verwiesen. Diese Merkblatt hat der Kläger aber erhalten. Es betraf jedoch nicht das Zusammentreffen von Erwerbseinkommen außerhalb des öffentlichen Dienstes mit den Versorgungsbezügen. Aus den sonstigen Merkblättern ergab sich ebenfalls keinerlei Hinweis auf die erst mit Wirkung ab 1. Januar 1992 neu eingeführte Ruhensvorschrift für private Erwerbseinkommen. Bei dem Fragebogen handelte es sich nämlich eindeutig noch um einen Fragebogen, der auf das sogenannte alte Recht zugeschnitten war. Die Behörde hat den Kläger auch nicht - wie bei anderen Merkblättern - bescheinigen lassen, dass er diese erhalten hat. Anhaltspunkte, dass der Kläger aus sonstigen Mitteilungen oder Informationen hätte schließen können oder müssen, dass nunmehr auch private Einkünfte auf Versorgungsbezüge angerechnet werden, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst für das Gericht nicht ersichtlich. Zum anderen hat die Wehrbereichsverwaltung West nicht gewürdigt, dass der Kläger unter Nr. 11a des Fragebogens angekreuzt hatte, er beabsichtige, nach dem Eintritt in den Ruhestand eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Trotz dieses Hinweises in dem am 15. September 1992 ausgefüllten Fragebogens, ist bis zum Jahre 2002 von der Behörde nicht nachgefragt worden, ob der Kläger die angekündigte Tätigkeit aufgenommen hat und wie viel Einkommen er daraus erzielt. Angesichts dieser Gesamtumstände, insbesondere der Nichtberücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde, das nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Billigkeitsgrund in die Billigkeitsentscheidung einzubeziehen ist, ist die getroffene Billigkeitsentscheidung, die nur eine Ratenzahlung in Betracht gezogen hat, gemäß § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.