Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.03.2006, Az.: 1 A 263/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 15.03.2006
- Aktenzeichen
- 1 A 263/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2006:0315.1A263.04.0A
Amtlicher Leitsatz
Es besteht kein Anspruch darauf, einen Sonderulaub unter Wegfall der Bezüge zum Zwecke der Begleitung des im dienstlichen Interesse in den Auslandsschuldienst beurlaubten Ehepartners als öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dienend anzuerkennen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die der Klägerin gewährte Beurlaubung ohne Dienstbezüge öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient.
Die am 8. September 1946 geborene Klägerin ist beamtete Lehrerin und war in Niedersachsen bis zum 20. Januar 2002 an einer Grundschule mit 20 von 28 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt.
Für die Zeit vom 21. Januar 2002 bis 20. Januar 2005 bewilligte die Bezirksregierung Lüneburg der Klägerin antragsgemäß mit Bescheid vom 17. Dezember 2001 Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge, damit sie ihren in den Auslandsschuldienst (C.) beurlaubten Ehemann begleiten konnte. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, die Anerkennung, dass auch ihr Sonderurlaub öffentlichen Belangen diene, könne erst dann ausgesprochen werden, wenn die Klägerin nachgewiesen habe, dass sie als Ortslehrkraft an einer vom Auswärtigen Amt geförderten deutschen Auslandsschule tätig sei. Gleiches gelte für die Anerkennung der Beurlaubungszeit als ruhegehaltsfähige Dienstzeit.
Nachdem die Klägerin nachgewiesen hatte, dass sie in den Jahren 2002 und 2003 als Ortslehrkraft an einer vom Auswärtigen Amt geförderten deutschen Auslandsschule tätig war bzw. ist, erkannte die Bezirksregierung Lüneburg mit Bescheid vom 31. Juli 2003 die ausgesprochene Beurlaubung für die Zeit vom 21. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 als öffentlichen Belangen im Sinne des § 6 Abs. 1 BeamtVG dienend an. Die gleichzeitig in diesem Bescheid für diesen Zeitraum ausgesprochene Anerkennung als ruhegehaltsfähfige Dienstzeit bestätigte das hierfür zuständige Landesamt für Bezüge und Versorgung mit Bescheid vom 22. Dezember 2004.
Obwohl die Klägerin ab 1. Januar 2004 nicht mehr als Ortslehrkraft tätig sein konnte, weil ihr die erforderliche Arbeitserlaubnis von den D. Behörden nicht mehr erteilt wurde, beantragte sie mit Schreiben vom 14. Dezember 2003, die Beurlaubung ohne Bezüge für das Jahr 2004 ebenfalls als öffentlichen Belangen dienend sowie als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzuerkennen. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an: Da das öffentliche Interesse an der Tätigkeit ihres Ehemannes festgestellt sei und ihr Aufenthalt in C. eine unmittelbare Folge dieser Tätigkeit sei, müsse ihre Beurlaubung nach gleichem Recht beurteilt werden, d.h. ebenfalls als öffentlichen Belangen dienend anerkannt werden.
Die Bezirksregierung Lüneburg lehnte mit Bescheid vom 12. Februar 2004 die Anerkennung der Zeit des Sonderurlaubs vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 als öffentlichen Belangen dienend und als ruhegehaltsfähige Dienstzeit ab. Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, eine Beurlaubung des Ehemannes, dessen Auslandstätigkeit als öffentlichen Belangen dienend anerkannt worden sei, habe nicht zwangsläufig zur Folge, dass auch der Aufenthalt der Ehefrau als öffentlichen Belangen dienend angesehen werden müsse.
Die Klägerin legte dagegen im Wesentlichen mit der Begründung Widerspruch ein, im Hinblick auf die öffentlichen Belangen dienende Beurlaubung ihres Ehemannes und den Sinn und Zweck der Ehe, diene ihr Aufenthalt in Brasilien als begleitende Ehefrau ebenfalls öffentlichen Belangen. Aus diesem Grund sei ihr vom Bundesaußenministerium auch ein Dienstpass ausgestellt worden, der ausdrücklich von einem Dienstauftrag des Inhabers spreche.
Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2004 (zugestellt am 21.6.2004) zurück. Zur Begründung trug sie vor, die Ausstellung des Dienstausweises durch das Auswärtige Amt bzw. der Umstand, dass die Anerkennung öffentlicher Belange für die Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin ausgesprochen worden sei, begründe keinen Anspruch auf Anerkennung öffentlicher Belange Sinne im des § 6 Abs. 1 BeamtVG für ihre Beurlaubungszeit. Für die Anerkennung sei unabdingbar, dass ihre Tätigkeit im Ausland für ihre spätere Wiederverwendung im Inland dienlich sei. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da die Klägerin seit dem 1. Januar 2004 keiner Tätigkeit als Ortslehrkraft an einer vom Auswärtigen Amt geförderten deutschen Auslandsschule mehr nachgehe. Unerheblich sei es, aus welchem Grund sie nicht mehr als Ortslehrkraft in C. tätig sein könne. Die Zusammenführung und der Erhalt der Familie bei Auslandsverwendung eines Ehegatten wäre zwar als wichtiger Grund im Sinne des § 11 Niedersächsischer Sonderurlaubsverordnung anerkannt. Für die Anerkennung versorgungsrechtlicher Ansprüche sei es jedoch erforderlich, dass die Klägerin einer Tätigkeit nachgehe, die öffentlichen Belangen diene. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall.
Am 7. Juli 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, auch den ihr für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 20. Januar 2005 gewährten Sonderurlaub ohne Bezüge als öffentlichen Belangen dienend im Sinne des § 6 Abs. 1 BeamtVG anzuerkennen und den Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2004 aufzuheben, soweit er diesem Begehren entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den ihr in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 20. Januar 2005 gewährten Sonderurlaub ohne Bezüge ebenfalls als öffentlichen Belangen im Sinne des § 6 Abs. 1 BeamtVG dienend anerkannt zu bekommen. Der angefochtene Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2004 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 1. Halbsatz BeamtVG sind die Zeiten einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge grundsätzlich nicht ruhegehaltsfähig. Abweichend hiervon kann nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 2. Halbsatz BeamtVG die Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn spätestens bei Beendigung des Urlaubs schriftlich zugestanden worden ist, dass dieser öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient. Nach dieser Vorschrift sind regelmäßig zwei Entscheidungen notwendig, und zwar darüber, ob die Beurlaubung öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient oder gedient hat, und bei Bejahung dieser Frage, ob die Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltsfähig berücksichtigt wird. Die Entscheidung darüber, ob die Beurlaubung öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient oder gedient hat ist von derjenigen Stelle zu treffen, die über den Sonderurlaub entscheidet.
Wann ein Urlaub öffentlichen Belangen dient, ist dem Bundesbeamtengesetz, dem Beamtenversorgungsgesetz oder anderen beamtenrechtlichen Vorschriften nicht unmittelbar zu entnehmen. Nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur ist bei einer Auslegung der Rechtsbegriffe "öffentliche Belange" bzw. "dienstliches Interesse" von dem Grundsatz auszugehen, dass die Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge nicht ruhegehaltsfähig ist. Dem Sinn und Zweck dieses Grundsatzes und seinem eindeutig beamtenrechtlichen und versorgungsrechtlichen Funktionszusammenhang entspricht es, die Voraussetzung dafür, dass eine Beurlaubung öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, eng zu fassen. Hierbei ist in erster Linie auf das dienstliche Interesse, d.h., auf ein die Aufgaben des Dienstherren und die in diesem Rahmen von den Beamten wahrgenommenen Obliegenheiten berücksichtigendes Interesse abzustellen. Als öffentliche Belange im Sinne dieser Vorschrift sind aber nicht nur die eigenen Interessen des Dienstherrn des Beamten, sondern auch die Interessen anderer öffentlicher Dienstherren und Einrichtungen an der Beurlaubung von Bedeutung, sofern diese Interessen am Gemeinwohl orientiert sind oder zugleich auch mit dienstlichen Interessen in dem oben erläutertem Sinne korrespondieren. Die Anerkennung setzt nicht voraus, dass der Urlaub ausschließlich öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient; diese müssen aber überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.2.1972 - VI C 20.69 -, BverwGE Band 39, 291; Plog/Wiedow/ Lehmhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG und Beamtenversorgungsgesetz, Stand: Januar 2006, § 6 BeamtVG Rn 17 a; GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 2006, § 6 BeamtVG Rn 63 bis 65 und Kümmel/Ritter, BeamtVG, Stand: Dezember 2005, § 6 Erläuterung 34). Bei der Entscheidung, ob die Beurlaubung ohne Dienstbezüge öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, steht dem Dienstherrn ein verwaltungspolitischer Ermessensspielraum zu, der nur einer beschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.2.1972, aaO.).
Die Bezirksregierung Lüneburg hat im vorliegenden Fall die Grenzen des ihr eingeräumten, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren verwaltungspolitischen Ermessensspielraums eingehalten. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie in Anerkennung des genannten Grundsatzes davon ausgeht, dass die Begleitung eines Lehrers in den Auslandsschuldienst durch dessen Ehefrau, die deswegen - weil sie Beamtin ist - ebenfalls Sonderurlaub ohne Dienstbezüge erhält, nicht überwiegend öffentlichen Belangen dient, sondern in erster Linie privaten Interessen. Anhaltspunkte dafür, dass der bloße Auslandsaufenthalt der Klägerin ohne Tätigkeit als Ortslehrkraft im überwiegenden dienstlichen Interesse des eigenen Dienstherrn der Klägerin liegt, sind weder konkret dargelegt noch sonst ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass die bloße Begleitung des als Auslandslehrkraft vermittelten Ehepartners überwiegenden Interessen des Bundesverwaltungsamtes als Zentralstelle für das Auslandsschulwesen dient. Dieses weist in dem Merkblatt (Punkt 16 des Merkblattes 1 der Zentralstelle und der Bundesländer / Stand: 14.1.2004) selbst darauf hin, dass bei Ehepaaren nur einer von beiden Partnern von ihm als Auslandsdienstlehrkraft vermittelt werden kann. Der Einsatz des nicht vermittelten Partners als Ortslehrkraft und die Anrechnung dieser Zeit auf dessen Dienstzeit wird nur als Chance dargestellt, ohne dass ein eigenes dienstliches Interesse des Bundesamtes daran deutlich wird. Dass ohne die Anerkennung der Beurlaubung des beamteten, nur begleitenden Ehegatten als öffentlichen Belangen dienend keine Lehrkräfte mehr für den Auslandsschuldienst gewonnen werden könnten, was möglicherweise für einen öffentlichen Belang sprechen könnte, ist weder vorgetragen noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Die Beklagte ist hier auch nicht wegen des durch Art. 6 Abs. 1 GG normierten Schutzes von Ehe und Familie verpflichtet gewesen, die Beurlaubung als öffentlichen Belangen dienend anzusehen. Denn die Beklagte hat hier dem Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz genügend bereits Sonderurlaub gewährt. Eine weitergehende Berücksichtigung des Umstandes, dass hier der in den Auslandsschuldienst gehende Lehrer mit einer Beamtin verheiratet ist, bedurfte es nicht. Schließlich kommt die Anerkennung der Beurlaubung als öffentlichen Belangen dienend auch nicht aus Vertrauensschutzgründen in Betracht. Der Umstand, dass die Klägerin in C. zunächst als Ortslehrkraft unterrichten und ihre Beurlaubung als öffentlichen Belangen dienend anerkannt werden konnte, rechtfertigt es nicht, die Beurlaubung weiterhin in diesem Sinne anzuerkennen, wenn diese Beschäftigungsmöglichkeit aus vom Dienstherrn nicht zu vertretenden Gründen nicht mehr gegeben ist. Dass die Klägerin unter dem 28. September 2001 einen vom Auswärtigen Amt ausgestellten Dienstpass erhalten hat, verpflichtet die Beklagte nicht, deshalb das Vorliegen von überwiegenden öffentlichen Belangen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG hinsichtlich der Beurlaubung anzuerkennen. Denn die Erteilung des Dienstpasses erfolgt nach anderen Kriterien.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.