Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.03.2006, Az.: 1 A 260/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 15.03.2006
- Aktenzeichen
- 1 A 260/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44585
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2006:0315.1A260.04.0A
Amtlicher Leitsatz
Die im Erlass des BMV vom 12.3.2002 für die Gewährung des erhöhten Altersteilzeittzuschlags geforderte Voraussetzung, dass dem Betroffenen kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz bzw. Dienstposten angeboten werden kann, ist rechtswidrig.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Zeiten der Gewährung des erhöhten Altersteilzeitzuschlags gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 BBesG.
Der am 30. August 1942 geborene Kläger steht als Regierungsamtmann im Dienst der Beklagten. Er war bis zur Auflösung der C. zum 31. Dezember 2002 dort beschäftigt. Ab dem 1. Juni 2003 war er in der D. in E. tätig.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Altersteilzeitbeschäftigung in Form der Blockbildung mit einer Arbeitsphase vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2005 und einer Freistellungsphase vom 1. Mai 2005 bis 31. August 2007. Gleichzeitig bat er zu prüfen, ob die Zahlung eines Altersteilzeitzuschlags auf der Basis von 88 v.H. der bisherigen Nettodienstbezüge möglich sei.
Die Wehrbereichsverwaltung Nord teilte dem Kläger durch Schreiben vom 23. Oktober 2002 mit, dass beabsichtigt sei, ihm die Altersteilzeitbeschäftigung wie beantragt zu gewähren. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass über die Erhöhung der Bezüge bei Altersteilzeitbeschäftigung auf 88 v.H. zu einem späteren Zeitpunkt gesondert entschieden werde.
Mit Verfügung vom 7. November 2002 bewilligte die Wehrbereichsverwaltung Nord dem Kläger die Altersteilzeitbeschäftigung in Form der Blockbildung. Im Übrigen wurde auf die Hinweise im Schreiben vom 23. Oktober 2002 verwiesen, die weiterhin gültig seien.
Durch Schreiben vom 25. November 2002 teilte die Wehrbereichsverwaltung Nord dem Kläger mit, für die Gewährung der Altersteilzeitbezüge in Höhe von 88 v.H. sei die organisatorische Betroffenheit und die fehlende Möglichkeit einer anderweitigen Unterbringung auf einen zumutbaren Dienstposten Voraussetzung. Die Strukturbetroffenheit sei beim Kläger zu bejahen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung werde der Kläger gebeten, einen Fragebogen auszufüllen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2004 bewilligte die Wehrbereichsverwaltung Nord aufgrund einer neuen Erlasslage, nach der die fehlende Möglichkeit einer anderweitigen Unterbringung für den Altersteilzeitzuschlag in Höhe von 88 v. H. nicht mehr als Voraussetzung gefordert wurde, dem Kläger ab 15. März 2004 einen Altersteilzeitzuschlag in Höhe von 88 v.H. der letzten Nettobezüge.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch mit der Begründung ein, auf der Grundlage des neuen Erlasses vom 19. März 2004 sei ihm der erhöhte Altersteilzeitzuschlag in Höhe von 88 v. H. seit dem 1. Januar 2003 zu gewähren, da sein entsprechender Antrag weder bestands- noch rechtskräftig beschieden worden sei.
Den Widerspruch wies die Wehrbereichsverwaltung Nord mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2004 zurück. Darin führte sie im Wesentlichen aus, die Voraussetzung der fehlenden Möglichkeit anderweitiger Unterbringung auf einen zumutbaren Dienstposten für eine Gewährung der auf 88 v. H. erhöhten Altersteilzeitbezüge sei erst durch den Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 19. März 2004 mit Wirkung ab 15. März 2004 entfallen. Für die Zeit davor verbleibe es bei dem nicht erhöhten Altersteilzeitzuschlag es sei denn, eine ablehnende Entscheidung über entsprechende Anträge sei noch nicht bestands- oder rechtskräftig. Im Falle des Klägers habe aber eine ablehnende Entscheidung noch nicht vorgelegen.
Am 2. Juli 2004 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Zahlung des höheren Altersteilzeitzuschlags sei nach § 2 Abs. 4 ATZV nicht davon abhängig, dass eine Unterbringung auf einen anderen zumutbaren Dienstposten nicht möglich sei. Der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 19. März 2004 schließe außerdem seinen Fall, in dem noch gar keine Entscheidung über den gestellten Antrag auf erhöhten Altersteilzeitzuschlag erfolgt sei, nicht von der Gewährung für Zeiten vor dem 15. März 2004 aus.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm einen erhöhten Altersteilzeitzuschlag auch für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 14. März 2004 auf der Grundlage von 88 % der maßgeblichen Nettobesoldung zu zahlen und den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 7. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2004 aufzuheben, soweit er dem Begehren entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid sowie dem Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf den erhöhten Altersteilzeitzuschlag auf der Grundlage von 88 v. H. der Nettobesoldung im Sinne des § 2 ATZV auch für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 14. März 2004. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 7. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit er dem Anspruch entgegensteht.
Nach § 2 Abs. 4 der Verordnung über die Gewährung eines Zuschlags bei Altersteilzeit (Altersteilzeitzuschlagsverordnung - ATZV - ) in der Neufassung der Bekanntmachung vom 23. August 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 2239) erhalten Beamte im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, deren Dienstposten durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich der damit verbundenen Umgliederung oder Verlegung aufgrund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen, im Falle der Inanspruchnahme von Altersteilzeit einen erhöhten Altersteilzeitzuschlag auf der Grundlage von 88 v. H. der maßgebenden Nettobesoldung. Diese Regelung beruht auf § 6 Abs. 2 Satz 1 BBesG als Ermächtigungsgrundlage. Danach wird bei Inanspruchnahme der sogenannten Altersteilzeit die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bei Altersteilzeit nach § 72 b BBG oder entsprechendem Landesrecht sowie nach entsprechenden Bestimmungen für Richter die Gewährung eines nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlags zu den Dienstbezügen zu regeln. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 BBesG dürfen abweichend von Satz 2 dieser Vorschrift Zuschlag und Besoldung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zusammen 88 v. H. betragen, wenn Dienstposten infolge von Strukturmaßnahmen aufgrund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen. Von dieser in § 6 Abs. 2 BBesG eingeräumten Befugnis ist mit der Alterszeitverordnung in rechtlich nicht zu beanstandener Weise Gebrauch gemacht worden; deren Regelungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2002 - 2 C 5.01 -, NVwZ-RR 2002, 590).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 ATZV für die Gewährung eines erhöhten Altersteilzeitzuschlags sind bei dem Kläger seit dem 1. Januar 2003 erfüllt. Der vom Kläger innegehabte Dienstposten bei der C. ist mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 strukturbedingt weggefallen. Hiervon gehen sowohl der Kläger als auch die Beklagte übereinstimmend aus. Das hat zur Folge, dass dem Kläger der geltend gemachte Altersteilzeitzuschlag auf der Grundlage von 88 v. H. der maßgebende letzten Nettobesoldung seit dem Wegfall des Dienstpostens, d.h. mit Wirkung ab 1. Januar 2003, zusteht.
Soweit die Beklagte bislang aufgrund eines Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung vom 12. März 2002 als weitere Voraussetzung für die Gewährung des erhöhten Altersteilzeitzuschlags gefordert hatte, dass dem Betroffenen auch kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz bzw. Dienstposten angeboten werden könne, gibt es für diese zusätzliche Voraussetzung keine entsprechende Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 4 ATZV oder § 6 Abs. 2 Satz 3 BBesG. Diese weitere Voraussetzung war daher von Anfang an rechtswidrig und stand einer Gewährung des erhöhten Altersteilzeitzuschlags nicht entgegen (in diesem Sinne wohl auch Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 8.4.2005 - 10 A 11479/04 -, juris). Denn ein nach den genannten Rechtsvorschriften zustehender Anspruch kann nicht ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage durch verwaltungsinterne Richtlinien von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht und damit wieder entzogen werden. In diesem Falle hätte nur die Möglichkeit bestanden, gemäß § 72 b Abs. 2 Nr. 4 BBG die Gewährung von Altersteilzeit ganz zu verweigern, wenn dringende dienstliche Belange entgegenstehen. Solche hätten darin gesehen werden können, da es nach dem angegebenen Erlass unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn mache, einen Bediensteten mit zum Teil erheblichen Kosten gehen zu lassen bzw. dessen vorzeitigen Weggang durch einen erhöhten Zuschlag sogar noch zu prämieren, gleichzeitig jedoch bezüglich eines solchen Arbeitsplatzes bzw. Dienstpostens eine neue Arbeitskraft einzustellen.
Selbst wenn man aber von der Wirksamkeit der damaligen Erlasslage ausginge, stände dem Kläger der Anspruch ab dem 1. Januar 2003 zu. Dies beruht darauf, dass das Bundesministerium der Verteidigung selbst mit Erlass vom 19. März 2004 an dieser Sicht nicht mehr festgehalten und dabei ausdrücklich bestimmt hat, dass der Erlass vom 19. März 2004 sogar rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Organisationsentscheidung über den Wegfall des Dienstpostens Geltung beanspruchen solle, sofern die ablehnende Entscheidung über entsprechende Anträge noch nicht bestands- bzw. rechtskräftig geworden ist. Ein derartiger Fall liegt hier entgegen der Ansicht der Beklagten vor. Die Wehrbereichsverwaltung Nord hat hier trotz des Antrages des Klägers auf Gewährung des erhöhten Altersteilzeitzuschlages den Zuschlag entsprechend dem Erlass vom 12. März 2002 nur in Höhe von 83 v.H. der maßgebenden Nettobezüge gewährt, da dem Kläger ab dem 1. Januar 2003 ein zumutbarer und angemessener Dienstposten in Munster zur Verfügung gestellt werden konnte. Diese ablehnende Entscheidung war aber noch nicht bestands- bzw. rechtskräftig geworden, da die Wehrbereichsverwaltung Nord selbst ausdrücklich sowohl in ihrem Schreiben vom 23. Oktober 2002 als auch in dem Bewilligungsbescheid vom 7. November 2002 sich vorbehalten hatte über den erhöhten Alterteilzeitzuschlag erst später verbindlich zu entscheiden. Diese verbindliche Entscheidung ist dann erst mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2004 erfolgt.
Im Ergebnis gilt das gleiche, wenn man mit der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid geäußerten Auffassung davon ausgehen wollte, dass im vorliegenden Fall überhaupt noch keine ablehnende Entscheidung im Zeitpunkt des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. März 2004 vorgelegen habe. Denn in diesem Fall kann der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 19. März 2004 nur so verstanden werden, dass eine noch nicht erfolgte ablehnende Entscheidung auf jeden Fall einer ablehnenden aber noch nicht bestandskräftigen Entscheidung gleich steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, gegen das Urteil die Berufung gemäß § 124 a VwGO i.V.m. § 214 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.