Landgericht Braunschweig
Urt. v. 27.12.2004, Az.: 4 S 385/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 27.12.2004
- Aktenzeichen
- 4 S 385/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 42505
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2004:1227.4S385.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wolfenbüttel - AZ: 17 C 35/04
In dem Rechtsstreit
Beklagte und Berufungsklägerin
gegen
Kläger und Berufungsbeklagter
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 2.12.2004 durch ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 18.6.2004 -17 C 35/04 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 352,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % -Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.1.2004 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Beklagte 78 % und der Kläger 22 %.
Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen der Kläger 12 % und die Beklagte 88%.
Streitwert für den Berufungsrechtszug: 402,44 €
Gründe
I.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vorn 18.6.2004, § 540 ZPO.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.
Die Beklagte und Berufungsklägerin wiederholt ihre Auffassung, wonach Verschleißteile von Fahrzeugen, die älter als 6 Monate seien oder die mehr als 10.000 km gefahren seien, nicht ohne weiteres ausgetauscht werden müßten. Der Beklagten müßte Gelegenheit gegeben werden, die Vermutung des § 476 BGB zu widerlegen. Ihr hätte daher Gelegenheit gegeben werden müssen, die Reifen zu demontieren und an den Hersteller einzuschicken, um die Ursache der Porosität abzuklären. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Verkäufer in derartigen Fällen verpflichtet sei, dem Käufer neue Reifen auf Kosten des Verkäufers zur Verfügung zu stellen. Wenn der Käufer während der Überprüfung der Reifen sein Fahrzeug nutzen wolle, so müsse er auf eigene Kosten sein Fahrzeug mit neuen Reifen bestücken. Der Kläger habe mit den Reifen bereits 15.000 km zurückgelegt. Die Porosität der Reifen könnte daher auch durch ein Verhalten des Klägers verursacht worden sein. Zudem betrage die durchschnittliche Nutzungsdauer der Reifen 30.000 km so daß ein Abzug "neu für alt" von 50% vorzunehmen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 18.6.2004 - 17 C 35/04 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hatte in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 352,94 € aus § 280 BGB.
Unstreitig zeigte sich der Mangel - die Porosität der Reifen - binnen der ersten 6 Monate nach dem Kauf des Fahrzeugs, so daß die Regelung des § 476 BGB zur Anwendung gelangt. Die Vermutung des § 476 BGB ist auch, wie die Beklagte zu Recht meint, widerlegbar ( vgl. Bamberger - Roth - Faust BGB§ 476 BGB Rn 7), so daß grundsätzlich der Käufer auch verpflichtet ist, dem Verkäufer ein Verschleißteil oder sonstiges Teil zur Verfügung zu stellen, damit der Verkäufer überprüfen kann, wann und /oder wodurch der Mangel eingetreten ist.
Das Verfahren, das die Beklagte ihren Kunden zumutet, um diese Überprüfung durchführen zu können, entspricht aber nicht der geltenden Rechtslage. Der Käufer ist zwar verpflichtet in Fällen wie dem vorliegenden dem Verkäufer die Reifen zu überlassen, allerdings nur dann, wenn er kostenlos andere Reifen zur Verfügung gestellt bekommt, um das Fahrzeug weiter nutzen zu können in der Zeit, in der die Reifen überprüft werden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den Rechtsgedanken des § 439 II BGB und § 476 BGB. Die Nacherfüllung und alles, was mit dieser zusammenhängt, soll nach der gesetzlichen Regelung für den Käufer kostenlos sein. Der Umfang der Nacherfüllung legt fest, welche Kosten genau der Verkäufer zu tragen hat, nämlich alle, die erforderlich sind, um die geschuldete Nacherfüllung zu erbringen. Dazu gehören im Rahmen der Nachbesserung insbesondere auch die Untersuchungskosten zur Feststellung der Ursache der Mangelhaftigkeit ( vgl. Bamberger-Roth-Faust BGB§ 439 BGB Rn 21). Dies bedeutet, daß der Käufer auch in der Zeit, in der der Verkäufer die Ursache der Mangelhaftigkeit feststellt, von Kosten freigestellt bleiben muß, die mittelbare Folge der Feststellung der Ursache der Mangelhaftigkeit sind, soweit die Mängel binnen der ersten 6 Monate und damit in der Frist des § 476 BGB auftreten. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung ist dabei der momentane Belegenheitsort der Sache, die Pflicht zur Ersatzlieferung und zur Rückgabe der reparierten Sache ist somit eine Bringschuld ( vgl. Bamberger-Roth-Faust § 439 BGB Rn 13).
Für den Fall, daß sich bei der Überprüfung der Reifen herausgestellt hätte, daß die Ursache für die Porosität nicht von Anfang an in dem Reifen angelegt war, sondern diese etwa durch ein unrichtiges Behandeln der Reifen durch den Kläger porös geworden sind, und die Beklagte damit die Vermutung des § 476 BGB hätte widerlegen können, hätte immer noch die Möglichkeit bestanden, die neuen Reifen dem Kläger in Rechnung zu stellen, da dann festgestanden hätte, daß kein Anspruch auf eine kostenlose Nachbesserung bestanden hatte.
Die wiederholte Weigerung der Beklagten, dem Kläger kostenlose Ersatzreifen zur Verfügung zu stellen für die Zeit der Überprüfung der porösen Reifen, sieht die Kammer ebenso wie das Amtsgericht als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung im Hinblick auf die Nacherfüllung i. S. des § 281 BGB an.
Damit ist die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Kostenbeteiligung nach den Grundsätzen "neu für alt" kommt dabei grundsätzlich nicht in Betracht, dies gilt aber nicht bei der Erneuerung von Verschleißteilen ( vgl. Bamberger-Roth-Faust BGB§ 439 BGB Rn 23).
Bei den Reifen handelt es sich um Verschleißteile. Die Kammer schätzt die durchschnittliche Laufleistung von Autoreifen auf 60.000 km, § 287 ZPO. Das Fahrzeug ist nach dem Vortrag der Parteien rund 15.000 km gefahren, so daß ein Abschlag von % vorzunehmen ist.
Der Preis der Reifen betrug netto 341,36 €, % davon sind 256,02 €. Hinzu kommen 48,24 € Monatagekosten, so daß sich ein Netto-Gesamtbetrag von 304,26 ergibt. Dazu sind 48,68 € MwSt zu rechnen, so daß sich der ausgeurteilte Gesamtbetrag von 352,94 € ergibt.
Die zugesprochenen Zinsen folgen aus §§ 286,288 BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92,97 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wurde nach § 14 GKG festgesetzt.