Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.07.2004, Az.: 8 T 645/04

Zulässigkeit der Bestellung der Betreuungsbehörde als Verfahrenspfleger unter Berücksichtigung des Auftretens von Interessenkonflikten und der Gewährleistung der Neutralität des Betreuers

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
27.07.2004
Aktenzeichen
8 T 645/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34365
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2004:0727.8T645.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 06.05.2004 - AZ: 6 XVII 1936

Fundstelle

  • FamRZ 2005, 304 (Volltext mit red. LS)

In der Betreuungssache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
am 27. Juli 2004
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Vormundschaftsgerichts Helmstedt vom 06.05.2004 - 6 XVII 1936 - aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Vormundschaftsgericht die Betreuungsstelle des Landkreises ... im Vergütungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellt. Die Betreuungsstelle hat unter Hinweis auf die personell und finanziell angespannte Situation die Übernahme der Verfahrenspflegschaft abgelehnt und gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.

2

Das Vormundschaftsgericht hat die Akten mit einer Nichtabhilfeentscheidung dem Landgericht vorgelegt.

3

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

4

Ungeachtet der fachlichen Kompetenz wird die Frage, ob die Betreuungsstelle als Verfahrenspfleger bestellt werden kann, unter Berücksichtigung der besonderen Stellung dieser Behörde diskutiert.

5

In der Literatur wird überwiegend die Meinung vertreten, dass die Bestellung der Betreuungsbehörde als Verfahrenspfleger nicht sinnvoll ist (Damrau- Zimmermann, Betreuungsrecht 3. Auflage § 67 FGG Rdn. 25; Dodegge Roth, a.a.O.). Hiernach hätte das Vormundschaftsgericht bei der Auswahl des Verfahrenspflegers entsprechende Erwägungen anstellen müssen. Letztlich kommt es auf das Fehlen dieser Erwägungen aber nicht an.

6

Die Kammer tritt in dieser Frage im Ergebnis der engeren Meinung bei, die von Keidel/Kuntze/Winkler -Kayser, 15. Auflage FGG § 67 Rdn. 14 und dem Landgericht Stuttgart in BWNotZ 1996 S. 14 vertreten wird.

7

Nach der letztgenannten Entscheidung, in der die Betreuungsstelle am Betreuungsverfahren beteiligt und als vorläufiger Betreuer bestellt gewesen war, steht bereits die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision ihrer Bestellung als Verfahrenspfleger entgegen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob aus dem Vorstehenden eine formale Unzulässigkeit der Verfahrenspflegerbestellung folgt, die Kammer hält auf der Grundlage der vorgenannten Ausführungen die Bestellung der Betreuungsstelle jedenfalls für so ermessensfehlerhaft, dass sie keinen Bestand haben kann. Die Bestellung der Betreuungsstelle als Verfahrenspfleger verbietet sich, weil generell ein Interessenkonflikt droht, wenn die Behörde nämlich im Betreuungsverfahren zu Stellungnahmen und Ermittlungen aufgefordert wird , die eine strenge Neutralität sowohl dem Betroffenen als auch dem Betreuer gegenüber erfordern.

8

Es kann daher offen bleiben, ob die Betreuungsstelle als Behörde überhaupt als Verfahrenspfleger bestellt werden kann oder ob ein Mitarbeiter der Behörde zu bestellen ist (zum Meinungsstand Dodegge Roth, Betreuungsrecht, A 128).

9

Soweit das Vormundschaftsgericht auf § 8 BtBG hingewiesen hat, führt das hinsichtlich der Verfahrenspflegerbestellung durch Beschluss zu keinem anderen Ergebnis. § 8 BtBG regelt nämlich die allgemeine Unterstützungspflicht der Betreuungsbehörde in einem Verfahren, das nicht dem FGG unterworfen ist.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG.