Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.04.1999, Az.: 13 Verg 1/99

Antrag auf Nicherteilung des Zuschlages durch die Vergabekammer an Konkurrenten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens; Nebenangebote über Kompostierung von Bioabfällen; Diskriminierung anderer Bieter im Rahmen der Ausschreibung über Verwertung von Bioabfällen durch Anbietung eines Pachtgrundstücks zur Durchführung der Verwertung; Verstoss gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren; Offenbares Missverhältnis des Preises zur Leistung im Vergabeverfahren als Rüge; Zuschlagskriterien der Landkreise für Entscheidung über Angebote im Vergabeverfahren; Feste Marktpreise im Wirtschaftsbereich der Verarbeitung und Verwertung von Bioabfall für die Beurteilung des offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung; Sachinvestitionen als Grundlage für die Preisbildung; Einwand der Nichterfüllung der technischen Anforderungen des Konkurrenten gemäß Verdingungsunterlagen; Verstoss gegen Diskriminierungsgrundsatz durch pachtfreie Bereitstellung eines Grundstücks an Konkurrenten; Begriff des Nebenangebots im Rahmen der Ausschreibung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.04.1999
Aktenzeichen
13 Verg 1/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 31320
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0430.13VERG1.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Lüneburg - 02.03.1999 - AZ: 203 VgK 1/99

Fundstellen

  • BauR 2000, 405-408 (Volltext mit amtl. LS)
  • FStBay 2001, 22-24
  • FStBay 2001, 24-25
  • IBR 2000, 206
  • NJW 1999, 3497-3498 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 2001, 10-11
  • NVwZ 1999, 1257-1259 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ (Beilage) 2001, 10-11 (amtl. Leitsatz)
  • NZBau 2000, 105-106
  • NZBau 2001, 112
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 288-290
  • WRP 1999, 1181-1184
  • ZVgR 1999, 157-159

Amtlicher Leitsatz

Zum Ausschluß eines im Vergabeverfahren abgegebenen Angebots für die Verarbeitung und Verwertung des in "Bio-Tonnen" gesammelten Hausabfalls wegen eines offenbaren Mißverhältnisses des Preises zur Leistung (§§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A ).

Ein Nebenangebot im Sinn des § 25 Nr. 1 Abs. 1 g VOL/A liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bei der Bezeichnung des Vertragsgegenstands ein bestimmtes Verfahren zur Erreichung des Vertragsziels angegeben hat, und der Bieter ein anderes Verfahren zur Grundlage seines Angebots macht.

In dem Beschwerdeverfahren
...
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. April 1999
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 2. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten für den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu tragen.

Der Wert der Beschwerde wird auf 828.000 DM (1) festgesetzt.

Gründe

1

A.

Der Landkreis ... schrieb im Juli 1998 EG-weit die Verwertung (Vergärung) der bei ihm anfallenden Bioabfälle aus. Vor Ablauf der Zuschlagsfrist beantragte die Antragstellerin, eine der insgesamt zehn Bieter, ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 ff. GWB einzuleiten und dem Landkreis aufzugeben, den Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, der Angebotspreis der Beigeladenen stehe in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung. Außerdem habe der Antragsgegner der Beigeladenen ein pachtfreies Grundstück zur Durchführung der Leistung angeboten; darin liege eine Diskriminierung der anderen Bieter.

2

Die Vergabekammer hat den Antrag durch Beschluss vom 2. März 1999, der Antragstellerin zugestellt am 3. März 1999, zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin am 12. März 1999 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertieft und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag.

3

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,

  2. 2.

    dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die vorliegenden Angebote der Beigeladenen zu erteilen,

  3. 3.

    dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die Nebenangebote zu erteilen, soweit diese eine Kompostierung der Bioabfälle vorsehen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist.

4

Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

5

B.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist gemäß §§ 116 Abs. 1, 117 GWB zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

6

I.

Antrag, dem Landkreis aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen

7

1.

Die Antragstellerin hat die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens in zulässiger Weise beantragt.

8

Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoss gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht gerügt hat.

9

Das war hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin hat vor Einleitung des Vergabeverfahrens gegenüber dem Landkreis gerügt, dass das Angebot der Beigeladenen auf einem offenbaren Missverhältnis des Preises zur Leistung beruhe. Soweit sie nachträglich außerdem geltend gemacht hat, der Landkreis habe der Beigeladenen unter Verstoss gegen Vergabevorschriften ein Pachtgrundstück zur Verfügung gestellt, ferner habe die Beigeladene entgegen der Ausschreibung die Preisgleitklausel nicht ausgefüllt, schließlich lägen unzulässige Nebenangebote für eine Kompostierung der Bioabfälle vor, hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie von den zugrundeliegenden Umständen erst während des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis erlangte.

10

Die Antragstellerin hat den Antrag allerdings nicht darauf stützen können, dass aus den Verdingungsunterlagen nicht ersichtlich sei, welche Zuschlagskriterien der Landkreis für die Entscheidung über die Angebote vorsehe. Dies war bereits aufgrund der Bekanntmachung der Vergabeunterlagen erkennbar. Die Klägerin hätte es deshalb bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung rügen müssen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GWB).

11

2.

Die Antragstellerin beanstandet ohne Erfolg, bei dem Angebot der Beigeladenen stünden die Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung.

12

Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, auf dessen Einhaltung der Antragsteller einen Anspruch hat (§ 97 Abs. 7 GWB), darf auf Angebote, deren Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht, der Zuschlag nicht erteilt werden. Ein offenbares Missverhältnis im Sinn der Vorschrift ist gegeben, wenn das grobe Abweichen vom angemessenen Preis sofort ins Auge fällt, ohne dass es einer genauen Prüfung im Einzelnen bedarf. Dabei ist grundsätzlich auf die Endsumme des Angebots abzustellen, nicht auf die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses (BGH, DB 1977, 205; vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., Abschnitt 1 § 25 Rdnr. 36). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte:

13

Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung des Nebenangebots der Beigeladenen "Vergärung mesophil 68 DM/t" folgt nicht daraus, dass es die übrigen auf Vergärungs-Techniken beruhenden Angebote mit Preisen von 115 DM/t bis 370,93 DM/t erheblich unterschreitet. Bei der gewerblichen Verarbeitung und Verwertung des in "Bio-Tonnen" gesammelten Hausabfalls handelt es sich offensichtlich um einen Wirtschaftsbereich, in dem sich bislang keine festen Marktpreise gebildet haben. Weitaus mehr als dies etwa bei Angeboten für Bauarbeiten oder Dienstleistungen regelmäßig der Fall ist, hängt die Preisbildung von den jeweils eingesetzten Verfahren, Techniken und Betriebsabläufen ab. Diese werden weitgehend als Betriebsgeheimnis angesehen. Dass sich bislang keine einheitlichen Marktpreise gebildet haben, zeigt die erhebliche Preisspanne der Angebote im vorliegenden Vergabeverfahren von 68 DM bis 370,93 DM je Tonne. Die Antragstellerin selbst unterbietet den durchschnittlichen Preis der übrigen auf Vergärungs-Techniken beruhenden Angebote um ca. 35 % und den nach ihrer Behauptung bis zur vorliegenden Ausschreibung in der Fachwelt bekannten niedrigsten Angebotspreis von 150 DM/t um etwa 23 %. Der Vertreter des Antragsgegners hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass es auf dem Markt der Bioabfall-Verwertung einen schnellen Preisverfall gibt, sodass bereits die im Jahr 1997 veröffentlichten Marktpreise heute nicht mehr gelten. Aus diesen Gründen rechtfertigt der Umstand, dass die Beigeladene mit ihrem Angebotspreis noch erheblich unter dem Angebotspreis der Antragstellerin liegt, nicht die Annahme, dass ihr Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht.

14

Die Preisdifferenz der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen lässt sich im Übrigen nachvollziehen: Die Differenz beruht im Wesentlichen darauf, dass die Beigeladene für Sachinvestitionen 5,8 Mio. DM kalkuliert hat, während die Kalkulation der Antragstellerin insoweit etwa 9,6 Mio. DM beträgt. Die Sachinvestitionen der Beigeladenen sollen sich durch "Eigenleistungen" - die Antragsgegner und ihr ... Partner sind Anlagenbauer - um 500.000 DM verringern. Die Beigeladene hat ihre geringenen Sachinvestitionen nachvollziehbar damit begründet, dass sie, anders als die Antragstellerin, eine einstufige Anlage plant, d.h. eine Anlage ohne getrennte Hydrolysestufe, die unstreitig technisch weniger aufwendig und daher kostengünstiger ist. Die höhere Sachinvestition der Antragstellerin ist außerdem dadurch zu erklären, dass die Antragstellerin eine größere Anlage geplant hat. Der jährliche Gesamtdurchsatz dieser Anlage beträgt - abweichend von der Ausschreibung - 27.000 t anstatt 20.000 t, der Flächenbedarf 5.000 qm gegenüber einem Flächenbedarf von 3.000 qm für die Anlage der Beigeladenen. Darüber hinaus ist es nachvollziehbar, dass sich die aufwendigere technische Konstruktion auch in höheren Reparatur- und Wartungskosten niederschlägt. Diese sind bei der Beigeladenen mit jährlich 116.000 DM (29 % der Betriebskosten) kalkuliert, während die Antragstellerin dafür ab dem ersten vollen Jahr nach der Inbetriebnahme jährlich zwischen 350.000 und 550.000 DM (51,58 % der Betriebskosten) in Ansatz gebracht hat.

15

3.

Die Antragstellerin macht weiter geltend, das Angebot der Beigeladenen sei gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A auszuschließen, weil es den in den Verdingungsunterlagen genannten technischen Anforderungen nicht gerecht werde. Der Einwand greift nicht durch.

16

Die Ausschreibung bestimmt, dass der Auftraggeber das Produkt entsprechend den Qualitätsanforderungen der "Bundesgütegemeinschaft Kompost" mit dem in der Ausschreibung genannten Rottegrad zu erzeugen und ihn zu vermarkten hat. Außerdem muss die Leistung die gesetzlichen Anforderungen an die Abfallbeseitigung erfüllen und die Umsetzung des § 3 des Niedersächsischen Abfallgesetzes gewährleisten.

17

Es liegen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die von der Beigeladenen geplante Anlage diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann. Die Antragstellerin trägt vor, dass der im Landkreis anfallende Müll aus der "Biotonne" mit einer einstufigen Anlage nur schwer zu verarbeiten sei, und dass einer solchen Anlage im Hinblick auf die Gasausbeute, die Flexibilität bei diskontinuierlichem Müllanfall und im Hinblick auf die notwendige Reduktion der Schadstoffe die Qualitätsanforderungen nicht erfülle. Für die Richtigkeit dieser Behauptung liegen keine hinreichend greifbaren Anhaltspunkte vor. Insbesondere hat der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung unbestritten angegeben, dass das einstufige Verfahren zur Verarbeitung von Biomüll in der Bundesrepublik Deutschland gängig sei, und dass es nur wenige zweistufige Anlagen gebe.

18

4.

Die Antragstellerin rügt weiter, die beiden Angebote der Beigeladenen, die die Errichtung der Vergärungsanlage auf dem Grundstück des Landkreises in ... vorsähen, dürften nicht gewertet werden, weil nicht alle Bieter von der Bereitschaft des Landkreises zur pachtfreien Bereitstellung des Grundstücks Kenntnis erhalten hätten. Darin liege ein Verstoss gegen den Diskriminierungsgrundsatz des § 2 Nr. 2 VOL/A .

19

Die Rüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.

20

Allerdings war die Antragsgegnerin verpflichtet, alle eine einwandfreie Preisermittlung beeinflussenden Umstände in den Verdingungsunterlagen anzugeben (§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ). Dazu gehörte die Möglichkeit, dass der Landkreis für die Errichtung der Abfallverwertungsanlage pachtfrei ein Grundstück zur Verfügung stellen würde. Diesen Umstand hätte der Landkreis in den Verdingungsunterlagen angeben müssen.

21

Daraus folgt indes nicht, dass das Angebot der Beigeladenen von der Wertung deshalb auszuschließen ist, weil es die Möglichkeit einer pachtfreien Bereitstellung des Grundstücks berücksichtigt. Ein Fall des § 25 Nr. 1 VOL/A liegt nicht vor. Einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen kann die Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstosses gegen den Diskriminierungsgrundsatz des § 2 Nr. 2 VOL/A erreichen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie vom Landkreis ebenfalls die Information erhalten habe, dass für die Errichtung der Müllverwertungsanlage das Grundstück des Landkreises bereitgestellt werden könne. Außerdem hat die Beigeladene im Hinblick auf das pachtfreie Grundstück keinen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Angebot der Antragstellerin erhalten. Nach ihrer Kalkulation ist für ein Alternativ-Grundstück lediglich ein Betrag von 3,76 DM/t in Ansatz gebracht. Dass damit die Grundstückskosten realistisch kalkuliert worden sind, ergibt sich daraus, dass die Grundstückskosten auch bei der Antragstellerin lediglich mit 1,645 % der Gesamtkosten kalkuliert worden sind und damit noch unter den alternativ kalkulierten Kosten der Beigeladenen liegen.

22

5.

Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht deshalb auszuschließen, weil die Beigeladene ihr Angebot abgegeben hat, ohne die in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Preisgleitklausel auszufüllen. Zwar kann in der Abgabe eines Angebots, das die geforderten Angaben nicht enthält, ein Ausschlussgrund liegen (§ 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A ). Hier ist indes zu berücksichtigen, dass die in der Preisgleitklausel einzusetzenden Anteile am Grundpreis sich im Wesentlichen bereits aus den Angaben der Beigeladenen in dem "Formblatt Gliederung der Kostenanteile" ergeben. Die fehlenden Angaben fallen für die Vergleichbarkeit der Angebote nicht wesentlich ins Gewicht und können ohne Schädigung des Wettbewerbs nachträglich eingeholt werden.

23

II.

Antrag, dem Landkreis aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die Nebenangebote zu erteilen, die eine Kompostierung der Bioabfälle vorsehen

24

1.

Es kann offen bleiben, ob der erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellte Antrag, dem der Senat nur stattgeben könnte, wenn entgegen § 119 GWB der Kreis der am Verfahren Beteiligten erweitert werden würde, zulässig ist.

25

2.

Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

26

Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 g VOL/A sind Nebenangebote ausgeschlossen, soweit der Auftraggeber diese nach § 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A ausgeschlossen hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor:

27

In den Ausschreibungsunterlagen ist gemäß § 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A angegeben, dass der Auftraggeber Nebenangebote oder Änderungsvorschläge wünscht. Unter Ziffer 5.1 der Bewerbungsbedingungen heißt es, dass Änderungsvorschläge oder Nebenangebote auf besonderer Anlage gemacht und als solche gekennzeichnet werden müssen. In Ziffer 4.1.2 der Leistungsbeschreibung ist u.a. bestimmt, dass Nebenangebote nur dann in die Bewerbung einbezogen werden, wenn auch ein vollständiges Hauptangebot abgegeben wird.

28

Die Antragstellerin weist darauf hin, dass in den Ausschreibungsunterlagen (dort S. 9; § 2 des Vertragsformulars) angegeben ist, Gegenstand des Vertrags sei die Vergärung von Bioabfall, außerdem sei im Leistungsverzeichnis unter Ziffer 3.2 von der Forderung zur Verwertung von Bioabfall in einer zu errichtenden Vergärungsanlage die Rede (ähnlich Ziffer 3.10.1 der Leistungsbeschreibung).

29

Aus diesen Angaben folgt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass Nebenangebote ausschließlich eine Vergärung zur Verwertung des Bioabfalls zum Gegenstand haben dürfen. Der Begriff "Nebenangebot" setzt eine Abweichung vom geforderten Angebot gerade voraus, und zwar eine Abweichung jeder Art, unabhängig von ihrem Grad, ihrer Gewichtung oder ihrem Umfang; deshalb werden selbst Bietervorschläge, die eine völlig andere als die vorgeschlagene Leistung zum Gegenstand haben, als Nebenangebot angesehen (Daub/Eberstein, § 17 Rdnr. 47; zu § 10 Nr. 5 Abs. 4 VOB/A: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 8. Aufl., A § 25 Rdnr. 70). Ein Nebenangebot liegt somit auch dann vor, wenn der Auftraggeber, wie hier, in den Vergabeunterlagen bei der Bezeichnung des Vertragsgegenstands ein bestimmtes Verfahren zur Erreichung des Vertragsziels angegeben hat, und der Bieter ein anderes Verfahren zur Grundlage seines Angebots macht. Mit dieser Auslegung wird der Bedeutung der Zulassung von Nebenangeboten Rechnung getragen, in das Ausschreibungsverfahren neueste technische Erkenntnisse einzubeziehen, über die der Auftraggeber oft nicht wie der Bieter unterrichtet ist (vgl. Daub/Eberstein, § 17 Rdnr. 48). Im konkreten Fall spricht für diese Auslegung, dass fünf der insgesamt zehn Bieter ein Nebenangebot über die Kompostierung des Abfalls vorgelegt haben.

30

III.

Antrag festzustellen, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist

31

Der Antrag ist unzulässig. Gemäß § 123 Satz 3 GWB stellt das Gericht auf Antrag fest, ob das Unternehmen, das die Nachprüfung beantragt hat, durch den Auftraggeber in seinen Rechten verletzt ist. § 114 Abs. 2 GWB gilt entsprechend (§ 123 Satz 4 GWB). Nach dieser Vorschrift setzt eine Feststellungsentscheidung voraus, dass sich das Nachprüfungsverfahren durch Zuschlag oder in sonstiger Weise erledigt hat. Das ist hier nicht der Fall.

32

C.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten hat die Beschwerdeführerin als unterlegene Partei zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 12 a Abs. 2 GKG.

(1) Red. Anm.:

"828.000 DM" korrigiert durch "276.000 DM" (siehe Verknüpfung zum Korrekturbeschluss am Ende des Dokuments)