Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.10.1999, Az.: 13 Verg 1/99
Unangemessenheit des Gebührensatzes bei Durchführung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren; Streitwert im Verfahren über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammer; Begriff der Auftragssumme für die Streitwertfestsetzung bei Dienstleistungsaufträgen als Gegenstand des Vergabeverfahrens; Erinnerung gegen Kostenrechnung wegen falscher Streitwertfestsetzung; Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie des EU-Rates hinsichtlich Kosten des Nachprüfungsverfahrens und Berechung der Gerichtskosten; Antrag auf Nachprüfung bei Vergabekammer durch Untersagung des Zuschlags
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 25.10.1999
- Aktenzeichen
- 13 Verg 1/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31321
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:1025.13VERG1.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- BezReg Lüneburg - 02.03.1999 - AZ: 203 VgK 1/1999
Rechtsgrundlagen
- § 12a Abs. 2 GKG
- § 25 Abs. 2 GKG
- § 1a Nr. 4 Abs. 2 VOL/A
- Nr. 1220 GKGKostV
- Nr. 1222 GKGKostV
- Nr. 1224 GKGKostV
- Art. 1 Abs. 1 RL 89/665/EWG
- § 118 Abs. 1 S. 3 GWB
Fundstellen
- NVwZ 2001, 11
- NVwZ (Beilage) 2001, 11 (amtl. Leitsatz)
- NZBau 2001, 111-112
- OLGReport Gerichtsort 2000, 247-248
Verfahrensgegenstand
Erinnerung gegen den Kostenansatz in dem Vergabeverfahren
Amtlicher Leitsatz
Die "Auftragssumme" im Sinn des § 12 a Abs. 2 GKG ergibt sich bei Verträgen mit einer längeren Laufzeit als 48 Monate aus der voraussichtlichen monatlichen Zahlung multipliziert mit 48.
Die Vorschriften der Nr. 1220, 1222 und 1244 des Kostenverzeichnisses verstoßen nicht gegen Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (Nachprüfungsrichtlinie).
In dem Verfahren
pp.
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
der Richter ... und ...
am 25. Oktober 1999
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 30. April 1999 wird dahin geändert, dass der Wert 276.000 DM beträgt.
- 2.
Die Erinnerung der Antragstellerin gegen die Kostenrechnung vom 20. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
- 3.
Die Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A.
Die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss vom 30. April 1999 ist zu ändern und der Wert auf 276.000 DM festzusetzen (§ 25 Abs. 2 GKG).
Gemäß § 12 a Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert im Verfahren über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammer 5 % der Auftragssumme. Wie der Begriff "Auftragssumme" zu verstehen ist, wenn Gegenstand des Vergabeverfahrens - ggf. zeitlich unbeschränkte - Dienstleistungsaufträge sind, lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Nach Ansicht des Senats ist die Auftragssumme in diesen Fällen entsprechend § 1 a Nr. 4 Abs. 2 VOL/A zu berechnen. Somit ergibt sich die Vertragssumme bei Verträgen mit einer längeren Laufzeit als 48 Monaten aus der voraussichtlichen monatlichen Zahlung mulitpliziert mit 48.
Danach beträgt die Auftragssumme 5.520.000 DM (Vertragssumme bei einer Gesamtlaufzeit von 12 Jahren von 16.560.000: 12 × 4). Der Streitwert beträgt 5 % davon, also 276.000 DM.
B.
Jedenfalls auf der Grundlage der geänderten Streitwertfestsetzung hat die Erinnerung der Antragstellerin gegen die Kostenrechnung vom 20. Juli 1999 keinen Erfolg.
Der Kostenbeamte hat mit Recht gemäß Nr. 1220, 1222 und 1224 des Kostenverzeichnisses zum GKG jeweils 1,5 Gebühren für das Beschwerdeverfahren im allgemeinen, für die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung und für den die Beschwerdeinstanz abschließenden Beschluss festgesetzt. Der Einwand der Antragsstellerin, dass die Vorschriften der Nr. 1220, 1222 und 1244 des Kostenverzeichnisses wegen Verstoßes gegen Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (Nachprüfungsrichtlinie), zuletzt geändert durch Art. 41 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 (Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie) für die Berechung der Gerichtskosten nicht anzuwenden sei, ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Vorlegung an den Europäischen Gerichtshof im Hinblick auf die Frage, ob Art. 1 Abs. 1 der Nachprüfungsrichtlinie den nationalen Gesetzgeber verpflichtet, die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in einem zumutbaren Rahmen zu halten, liegen nicht vor.
Art. 1 Abs. 1 der Nachprüfungsrichtlinie und Art. 41 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie verpflichten die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der dort genannten Vergabeverfahren die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Richtlinie nachgeprüft werden können. Mit der Antragstellerin kann davon ausgegangen werden, dass sich hieraus für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung ergibt, die Kosten des Nachprüfungsverfahrens im zumutbaren Rahmen zu halten. Der Grundsatz, dass die Höhe der Kosten gesetzlich so festgelegt sein muss, dass sie bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt, gilt gemäß Art. 19 Abs. 3 GG im nationalen Recht ohnehin (vgl. Maunz/Düring/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Rdn. 242 m. Nachw.). Die Vorschriften der Nr. 1220, 1222 und 1244 des Kostenverzeichnisses zum GKG halten sich auch unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Nachprüfungsrichtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie im angemessenen Rahmen und führen zu keiner unzumutbaren Belastung des Beschwerdeführers im Nachprüfungsverfahren:
Obsiegt der Beschwerdeführer, so sind die Kosten vom Beschwerdegegner zu tragen. Unterliegt er, so fallen für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens 1,5 Gebühren und für den abschließenden Beschluss drei Gebühren an. Im Fall eines Antrags des Beschwerdeführers auf eine vorläufige Regelung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB können insgesamt weitere 1,5 Gebühren entstehen. Diese Gebührensätze entsprechen, abgesehen von der Gebühr für den Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB, denen in Berufungsverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Für die Höhe der im Ergebnis anfallenden Kosten ist neben dem Gebührensatz die Wertberechnung entscheidend. Der Wert für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ist gemäß § 12 a Abs. 2 GWB auf 5 % der Auftragssumme und, wie ausgeführt, auf den vierfachen Jahresbetrag beschränkt, wenn Gegenstand des Vergabeverfahrens Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum sind. Hier ergeben sich bei einem Streitwert von 276.000 DM Gerichtsgebühren von insgesamt rund 13.000 DM für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens, die Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB und den abschließenden Beschluss des Oberlandesgerichts. Solche Gerichtsgebühren sind für einen Bieter nicht unzumutbar hoch. Ein Bieter, der leistungsfähig ist, um einen Auftrag in entsprechender Größenordung durchzuführen, wird sich dadurch regelmäßig nicht von der Beschwerdeeinlegung abschrecken lassen. Er hat spätestens nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer die Möglichkeit, mit rechtlicher Beratung die Erfolgsaussicht der Beschwerde einigermaßen sicher zu prüfen. Im Übrigen muss im Hinblick auf die Angemessenheit der Höhe der Gerichtsgebühren auch berücksichtigt werden, dass vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren, regelmäßig bei besonderer Eilbedürftigkeit, häufig besonders arbeitsaufwendig sind.
Eine Unangemessenheit des Gebührensatzes kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass an der Durchführung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren auch ein starkes öffentliches Interesse besteht. Im Vordergrund steht die Gewährleistung der Rechte des Bieters im Vergabeverfahren, zumal dieser sich bei späteren Schadensersatzprozessen wegen Verletzung seiner Rechte im Vergabeverfahren auf die bindende Wirkung der im Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung berufen kann.
Die Ausführungen des Generalanwalts ... vom 28. Januar 1999 in den Schlussanträgen der Rechtssache C-217/97 (Kommission ... gegen ...) rechtfertigen entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers keine andere Berurteilung. Dort geht es darum, dass nach den deutschen Vorschriften zur Umsetzung der Richtliche über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt die Verwaltung befugt ist, für die Übermittlung der Information außer zwischen 50 und 1.000 DM wegen Auslagen für umfassende schriftliche Auskünfte 20 DM bis 10.000 DM wegen der Zurverfügungstellung von Akten und anderer Informationsträger in Rechnung zu stellen. Dieser Sachverhalt ist mit der hier interessierenden Fragestellung schon im Hinblick auf den regelmäßig entstehenden Arbeitsaufwand nicht zu vergleichen. Außerdem werden die Gerichtsgebühren im Nachprüfungsverfahren nur bei einer unzulässigen oder unbegründeten Beschwerde erhoben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG.
pp.