Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.04.1999, Az.: 22 U 133/98
Auslegung eines Testamentes; Beschwerung des Vermächtnisnehmers mit einem Untervermächtnis ; Aufschub der Vermächtnisauszahlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.04.1999
- Aktenzeichen
- 22 U 133/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19638
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0429.22U133.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 08.04.1998 - AZ: 12 O 222/97
Rechtsgrundlagen
- § 2174 BGB
- § 2147 BGB
- § 2177 BGB
- § 2186 BGB
- § 2148 BGB
- § 2187 Abs. 1 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Gemäß § 2187 Abs. 1 BGB kann ein Vermächtnisnehmer, der mit einem Vermächtnis beschwert ist, die Erfüllung auch nach der Annahme des ihm zugewendeten Vermächtnisses insoweit verweigern, als dasjenige, was er aus dem Vermächtnis erhält, zur Erfüllung nicht ausreicht.
Der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 8. April 1998 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Dem Beklagten als Vermächtnisnehmer wird die Beschränkung seiner Haftung auf die ihm zugewandten Vermächtnisse aus dem notariellen Testament vom 8. Mai 1995 der am 27. Mai 1995 verstorbenen Erblasserin ... vorbehalten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 122.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Parteien dürfen Sicherheit durch unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete, schriftliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse erbringen.
Beschwer: 100.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Vermächtniserfüllung.
Am 27. Mai 1995 verstarb ..., nachfolgend als Erblasserin bezeichnet, die die Verteilung ihres Nachlasses mit notariellem Testament vom 8. Mai 1995 geregelt hatte. Darin bestimmte sie ihren Ehemann ... zum nichtbefreiten Vorerben und ihre beiden Kinder, ... und den Beklagten, zu Nacherben. Außerdem vermachte sie ihren Kindern zu gleichen Teilen den unter Ziffer 5. a) bis d) des Testaments genannten Grundbesitz und den unter Ziffer 7. genannten Schmuck, wobei gemäß Ziffer 6. ihrem Ehemann der lebenslängliche unentgeltliche Nießbrauch und die Verwaltung des unter Ziffer 5. b) bezeichneten Mehrfamilienhauses zusteht. Ziffer 8. des Testamentes lautet:
"8.
Ferner vermache icha.
eine Summe von 200.000 DM dem
Ev.-Luth. Stadtkirchenverband ...
die dieser ausschließlich zugunsten des evangelischen Hospizdienstes, ... verwenden soll,b.
eine Summe von 300.000 DM dem
Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern ...
die dieses ausschließlich zugunsten des Wohngemeinschaftshauses "...", ..., ..., verwenden soll.Diese Vermächtnisse sind erst auszuzahlen, wenn der gesamte Grundbesitz, oder Teile davon, den ich meinen Kindern ... und ... am 19.10.1989 UR-Nr. 311/89 des Notars ... übertragen habe, veräußert wird und der entsprechende Verkaufserlös, mindestens DM 1.500.000 an meine Kinder ausgezahlt ist."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Testamentes wird auf das Original verwiesen (Bl. 9-15 der Nachlassakten des Amtsgerichts Hannover zu 68 IV 1497/95). Der nähere Inhalt des im Testament genannten notariellen Übertragungsvertrages vom 19. Oktober 1989, der sich auf eine "größere Fläche Bauerwartungsland in ..." (Bl. 95 d. A.) bezog, ist nicht vorgetragen. Mit Schreiben vom 15. April 1997 (Anlage K 2, Bl. 14 d. A.) teilte ... dem Kläger mit, dass die Voraussetzung aus dem Testament für das Vermächtnis zugunsten des Klägers, nämlich die Auszahlung eines Verkaufserlöses aus Grundbesitz in Höhe von mindestens 1.500.000 DM an die Kinder der Erblasserin, nun erfüllt sei und sie sich mit dem Beklagten vertraglich geeinigt habe, dass jeder von ihnen den "hälftigen Betrag zu zahlen" habe. Anschließend zahlte sie die angekündigten 100.000 DM an den Kläger. Auf die Zahlungsaufforderung des Klägers vom 28. Mai 1997 (Anlage K 4, Bl. 16 d. A.) begehrte der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 1997 (Anlage K 5, Bl. 18-19 d. A.) eine Zahlungsfrist bis zum 31. August 1997, die der Kläger mit Schreiben vom 4. Juli 1997 gewährte. Die im Testament angeordnete Nießbrauchbestellung zugunsten des Ehemannes der Erblasserin ist erfolgt. Die unter Ziffer 5. c) und d) genannte Eigentumswohnung wurde für 214.000 DM veräußert (Bl. 97 d. A.).
Mit der Klage hat der Kläger seinen restlichen Vermächtnisanspruch geltend gemacht. Durch das am 8. April 1998 verkündete Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 64-68 d. A.), hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 100.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1997 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch aus §§ 2174, 2177 BGB in voller Höhe zustehe. Denn aus Ziffer 8. des Testamentes ergebe sich, dass die Erblasserin ihre Kinder als Vermächtnisnehmer mit einem aufschiebend bedingten Untervermächtnis nach § 2177 BGB beschwert habe, dass nicht erst mit Eintritt des Nacherbfalles, sondern bereits durch die unstreitige Erlösauszahlung von 1.500.000 DM angefallen sei.
Mit der Berufung wendet der Beklagte ein, aus Ziffer 8. des Testaments ergebe sich, dass nach dem Willen der Erblasserin das Vermächtnis für den Kläger von ihren Kindern nicht aus dem Vermächtnis zugunsten der Kinder oder dem Nachlass, sondern aus dem Erlös gedeckt werden solle, den ihre Kinder aus dem Verkauf des mit Vertrag vom 19. Oktober 1989 übertragenen Grundbesitzes erzielten. Hinsichtlich einer unentgeltlichen Zuwendung, die der Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden vorgenommen habe, sei es aber nicht möglich, den Zuwendungsempfänger nachträglich mit einem Vermächtnis zu beschweren (BGH NJW-RR 1986, S. 164). Die unwirksame Anordnung der Erblasserin dürfe nicht in eine wirksame Anordnung umgedeutet werden. Das anwaltliche Schreiben vom 9. Juli 1997 enthalte kein Schuldanerkenntnis.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihm die Beschränkung der Haftung auf die im Testament der Erblasserin vom 8. Mai 1995 genannten Vermächtnisse vorzubehalten.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, Ziffer 8. des Testamentes regele nur, ob und wann das Vermächtnis angefordert werden könne, nicht aber, dass es aus dem zu Lebzeiten der Erblasserin übertragenen Grundbesitz erfüllt werden solle. Allein der Wert des unter Ziffer 5. des Testamentes vermachten Grundbesitzes übersteige den Wert des Vermächtnisses aus Ziffer 8. a) um ein Vielfaches (Bl. 108 d. A.), erreiche aber nicht den Wert von 1.500.000 DM (Bl. 109 d. A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
I.
Der als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Satz 2 des Kirchengesetzes über den Stadtkirchenverband Hannover) rechts- und parteifähige Kläger kann vom Beklagten gemäß § 2174 BGB Zahlung in Höhe von 100.000 DM verlangen.
1.
Der Vermächtnisanspruch des Klägers aus Ziffer 8. a) des Testaments der Erblasserin vom 8. Mai 1995 ist gegen den Beklagten und seine Schwester gerichtet. Auch wenn Ziffer 8. a) keine ausdrückliche Bestimmung enthält, von wem das Vermächtnis zu erfüllen ist, so ergibt doch die Auslegung des Testamentes, dass die Erblasserin gemäß § 2147 Satz 2 BGB nicht den Vorerben, sondern ihre Kinder beschwert hat. Denn nur dann ist nachvollziehbar, dass die Erblasserin die Auszahlung des Vermächtnisses davon abhängig gemacht hat, dass ihre Kinder Verkaufserlöse von mindestens 1.500.000 DM erzielt haben, denen sie dadurch Liquiditätsschwierigkeiten bei der Vermächtniserfüllung ersparen wollte.
2.
Der Beklagte und seine Schwester sind weder als Nacherben noch als zu Lebzeiten Beschenkte, sondern als Vermächtnisnehmer mit einem Untervermächtnis beschwert worden (§ 2147 Satz 1 BGB).
Dem Testament kann nicht entnommen werden, dass das Vermächtnis zu 8. a) von den Kindern der Erblasserin aus dem zu Lebzeiten übertragenen Grundstückswerten erbracht werden soll.
Denn Nr. 8 Absatz 3 des Testaments regelt nur, unter welchen Voraussetzungen die Vermächtnisse auszuzahlen sind, aber nicht, dass der Beklagte und seine Schwester allein deshalb zur Zahlung verpflichtet sein sollen, weil sie schon zu Lebzeiten Grundstücke erhalten haben. Vielmehr sind ihnen unter Ziffer 5. des Testaments Grundstücke vermacht, deren Wert beim Erbfall unbestritten über den Betrag von 500.000 DM hinausgingen. Die Eigentumswohnung zu 5. c) und d) ist zu einem Preis von 214.000 DM veräußert worden. Gegenüber dem Nachlassgericht hat der Vorerbe den Verkaufswert der Grundstücke zu, 5. a) mit 170.000 DM, den Verkaufswert des Grundstückes zu 5. b) mit 900.000 DM und den Wert des Schmuckes mit 1.000 DM angegeben (Bl. 35, 41, 42, 48 und 49 der Nachlassakten des Amtsgerichts Hannover zu 68 IV 1497/95).
Dem Testament kann auch nicht entnommen werden, dass der Beklagte und seine Schwester erst bei Eintritt des Nacherbfalls zur Zahlung des Vermächtnisses verpflichtet sein sollten. Denn der Aufschub der Vermächtnisauszahlung gemäß Nr. 8 Absatz 3 des Testamentes war nur dann sinnvoll, wenn dem Beklagten und seiner Schwester noch nicht das Nacherbe angefallen ist. Bei Testamentserrichtung war für den Eintritt des Nacherbfalls unter gleichzeitigem Wegfall des Nießbrauchs angesichts des Umfangs des restlichen Nachlasses von sofortiger Zahlungsfähigkeit der Nacherben auszugehen.
3.
Der Vermächtnisanspruch des Klägers ist auch fällig.
Unstreitig ist die Bedingung aus Nr. 8 Absatz 3 des Testamentes eingetreten. Spätestens beim Schreiben der Schwester des Beklagten an den Kläger vom 15. April 1997 waren den Geschwistern 1.500.000 DM aus diesen Grundstücksverkäufen zugeflossen und damit das Untervermächtnis nach § 2177 BGB angefallen. Der Fälligkeit des Untervermächtnisses steht auch nicht § 2186 BGB entgegen, wonach der Vermächtnisnehmer zur Erfüllung des Untervermächtnisses erst dann verpflichtet ist, wenn er die Erfüllung des ihm zugewendeten Vermächtnisses zu verlangen berechtigt ist. Das Vermächtnis aus Ziffer 5. a) bis d) des Testamentes ist gemäß § 2176 BGB bereits mit dem Erbfall angefallen und fällig geworden. Das Testament hat die Erfüllung des Vermächtnisses zu 5. a) bis d) nicht "dem freien Belieben des" Vorerben überlassen (§ 2181 BGB), sondern aus Ziffer 6. des Testaments ist zu entnehmen, dass das Vermächtnis sofort zu erfüllen und gleichzeitig der Nießbrauch zu bestellen ist.
4.
Ob der Beklagte und seine Schwester im Außenverhältnis zum Kläger, als Gesamtschuldner oder nur gemäß § 2148 BGB verhältnismäßig haften (zum Streitstand siehe Staudinger-Otte, BGB, 13. Aufl., § 2148 Rdnr. 3 u. 4), kann dahinstehen, da dem Beklagten und seiner Schwester die Vermächtnisse zu gleichen Teilen zugewandt worden sind und der Beklagte daher gemäß § 2148 BGB zumindest auf die restliche Hälfte der 200.000 DM gegenüber dem Kläger haftet.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ab dem Fristablauf aus dem Schreiben vom 4. Juli 1997 kann der Kläger Verzugszinsen nach dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % verlangen.
III.
Auf den Hilfsantrag war dem Beklagten als Vermächtnisnehmer gemäß §§ 786, 780 ZPO die Beschränkung seiner Haftung auf die ihm zugewandten Vermächtnisse aus dem notariellen Testament der Erblasserin vorzubehalten. Denn gemäß § 2187 Abs. 1 BGB kann ein Vermächtnisnehmer, der mit einem Vermächtnis beschwert ist, die Erfüllung auch nach der Annahme des ihm zugewendeten Vermächtnisses insoweit verweigern, als dasjenige, was er aus dem Vermächtnis erhält, zur Erfüllung nicht ausreicht, wobei der Senat die sachliche Klärung dieser Einrede dem dafür vorgesehenen Verfahren nach §§ 786, 785 ZPOüberlässt (vgl. dazu BGH NJW 1983, S. 2378 [2379]).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Aus der Aufnahme des Vorbehaltes nach §§ 780, 786 ZPO ergibt sich kein Teilunterliegen i. S. von § 92 Abs. 1 ZPO (OLG Celle, OLGR 1995, S. 204 m. w. N.). Denn dem erst in der mündlichen Verhandlung zutreffend formulierten Hilfsantrag ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus § 108 Abs. 1 Satz 1, § 546 Abs. 2 Satz 1, § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwer: 100.000 DM.