Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.04.1999, Az.: 17 UF 314/98

Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.04.1999
Aktenzeichen
17 UF 314/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30861
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0407.17UF314.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Soltau - 06.11.1998 - AZ: 13 aF 11220/97

Fundstellen

  • FamRZ 2000, 48 (Volltext)
  • Jugendhilfe 2000, 216

Verfahrensgegenstand

Umgangsrecht der Eltern mit den Kindern

In der Familiensache
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
am 7. April 1999
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Den Eltern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin F., bewilligt.

  2. II.

    Die Beschwerde der Eltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Soltau vom 6. November 1998 wird zurückgewiesen.

    Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Eltern haben die den Pflegeeltern H. Z. und M. W. entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

  3. III.

    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

zu II:

2

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den zur näheren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Umfang und die Ausübung des Umgangsrechts der Eltern mit ihren oben genannten Kindern, die bei den Pflegeeltern leben, gemäß § 1684 Abs. 3 und 4 BGB geregelt: Wie im Tenor des Beschlusses im Einzelnen ausgeführt, haben Besuchskontakte in Abständen von sechs Wochen für jeweils 1 1/2 Stunden an einem vom zuständigen Jugendamt zu bestimmenden Ort in Anwesenheit der Pflegeeltern und einer weiteren, vom Jugendamt zu bestimmenden Person stattzufinden. Mit ihrer Beschwerde hiergegen erstreben die Eltern eine Regelung, die ihnen einen häufigeren, möglichst in Abständen von zwei oder drei Wochen stattfindenden Umgang mit weniger Einschränkungen gestattet: die vom Amtsgericht getroffene Regelung sei nicht zufrieden stellend, weil zu befürchten sei, dass die Kinder ihnen dadurch demnächst so stark entfremdet würden, dass deren Rückführung in ihren Haushalt auf Dauer ausgeschlossen werde. Demgegenüber wünschen das Jugendamt S. als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie die Pflegeeltern die Zurückweisung der Beschwerde. Diese Beteiligten sind mit der vom Amtsgericht getroffenen Regelung einverstanden.

3

Die gemäß § 621 e Abs. 3 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat sorgfältige Ermittlungen angestellt und sodann die zurzeit bestmögliche Lösung für eine Umgangsregelung gefunden, welche auch einen Mittelweg zwischen den erstinstanzlich geäußerten Vorschlägen der Eltern - Umgang alle zwei bis drei Wochen - und der Pflegeeltern - Umgang nur etwa alle acht Wochen - darstellt.

4

Den Eltern ist zuzugeben, dass ihr grundsätzlich bestehendes Umgangsrecht zurzeit erheblich eingeschränkt ist. Das Wohl der Kinder gebietet jedoch diese Einschränkung. Die Kinder haben sich bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht zwar nicht gegen einen häufigeren und intensiveren Umgang mit den Eltern ausgesprochen und haben verbal nicht zu erkennen gegeben, dass sie durch den Umgang belastet werden. Insoweit kommt es aber nicht entscheidend auf den Willen der Kinder an, die ohnehin nicht in der Lage waren, diesen eindeutig zum Ausdruck zu bringen, sondern auf ihr gesamtes bisher gezeigtes Verhalten. Hierzu haben die Pflegeeltern anschaulich und glaubhaft geschildert, dass bei beiden Kindern jeweils nach Besuchtskontakten mit den Eltern sehr starke und lange anhaltende Auffälligkeiten auftraten: beide Kinder verhielten sich aggressiv, was bei J.-H. mit einem starken Rückzug in sich selbst und mit Sprachstörungen gepaart war, bei V. mit permanenter Unruhe und physischen Erscheinungen wie Asthma, Neurodermitis und Schlafstörungen. Dies haben teilweise auch die Lehrkräfte J. (Jugendamtsbericht vom 25. Februar 1999, Bl. 217) und die Erzieherinnen V. im Kindergarten (dortiger Bericht vom 26. Oktober 1998, Bl. 127) jeweils nach den Besuchskontakten der Kinder festgestellt. Die Eltern sind zwar der Ansicht und hoffen, dass solche Reaktionen der Kinder am besten dadurch zu beheben seien, dass der Umgang häufiger und freier stattfindet; jedenfalls sei nicht erwiesen, dass die Kinder durch eine solche Normalisierung des Umganges gefährdet würden. Die bisher mit den Kindern gemachten Erfahrungen sprechen aber dagegen. Nach der Herausnahme der Kinder aus dem Haushalt der Eltern und ihrer Unterbringung bei den Pflegeeltern im Oktober 1996 fanden Besuchskontakte mit den Eltern ungefähr alle sechs Wochen statt; nachdem die Zeitabstände der Besuche ab Ende 1997 auf vier Wochen verkürzt wurden, verschlimmerten sich die oben genannten Reaktionen der Kinder. Nachdem die Besuche nunmehr auf Grund der Entscheidung des Amtsgerichts wieder alle sechs Wochen stattfinden (was bislang viermal der Fall war), sind nach unwidersprochen gebliebener Stellungnahme des Jugendamtes und der Pflegeeltern die Auffälligkeiten der Kinder geringer geworden; seitdem sei bei ihnen eine deutliche Beruhigung eingetreten. Es kommt hinzu, dass in diesem besonderen Fall eine "Normalisierung" des Umganges sehr schwierig ist. Die täubstumme Mutter kann sich mit den Kindern kaum verständigen. Beiden Eltern fällt es schwer, ihren Wunsch, dass die Kinder zwar nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit wieder in ihren Haushalt zurückkehren, vor den Kindern zu verbergen. Dadurch besteht die Gefahr starker Loyalitätskonflikte der Kinder, sodass zurzeit der Umgang nur an einem neutralen Ort, keinesfalls in der Wohnung der Eltern, zu verantworten ist, wie auch die vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige E. in ihrem Gutachten vom 28. Juli 1998 (S. 27) zum Ausdruck gebracht hat. Die Kinder fühlen sich nach Feststellung der Sachverständigen bei den Besuchskontakten mit den Eltern, zu denen sie durchaus noch starke Bindungen haben, "hin- und hergerissen" (Gutachten S. 21). Da aber die Eltern, wie sie nicht bestreiten, auch derzeit noch nicht wieder in der Lage sind, die Kinder zu betreuen und zu erziehen, diese also weiterhin bei den Pflegeeltern bleiben müssen, muss den Kindern in erster Linie Sicherheit und die Gewissheit vermittelt werden, in der Obhut der Pflegeeltern bleiben zu können. Das ist zurzeit nur gewährleistet bei einem Umgang in relativ großen Zeitabständen, in denen die Kinder jeweils nach den Besuchen wieder zur Ruhe kommen können. Häufigere Kontakte würden, wie die Sachverständige überzeugend ausführt, das Gefühl des Hin- und Hergerissenseins bei den Kindern verstärken und sie noch intensiver mit den Ansprüchen der Eltern konfrontieren (Gutachten S. 25). Auf lange Sicht ist es zwar anzustreben, dass Besuchskontakte zwischen den Kindern und Eltern zu einem selbstverständlichen Bestandteil im Leben der Kinder werden. Die bisher mit den Kindern gemachten Erfahrungen haben aber gezeigt, dass dies nur äußerst behutsam in Angriff genommen werden kann, um die Kinder und auch die Pflegeeltern nicht zu stark zu belasten.

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Der Senat teilt auch nicht die Ansicht der Beschwerdeführer, durch die jetzige Umgangsregelung würden ihnen die Kinder zunehmend entfremdet werden. Bis jetzt haben die Kinder trotz ihres nunmehr 2 1/2-jährigen Aufenthalts bei den Pflegeeltern und des in dieser Zeit sehr eingeschränkt ausgeübten Umgangs mit den Eltern nach den Feststellungen der Sachverständigen noch starke Bindungen an die Eltern. Die Kinder sind in ihrem Alter von nunmehr 9 1/2 und 6 Jahren voraussichtlich auch in der Lage, diese Bindungen, wenn der Umgang unverändert bleibt, weiter aufrechtzuerhalten. Dabei ist es hinzunehmen und zum Wohl der Kinder auch erforderlich, dass die Pflegeeltern, bei denen sie leben, ihre eigentlichen Bezugspersonen bleiben, die Eltern also zurzeit nicht gleichberechtigt neben diesen stehen können.

6

Das Amtsgericht hat auch hinsichtlich der sonstigen Ausgestaltung des Umgangs die derzeit bestmögliche Lösung gefunden, welche auch den Empfehlungen der Sachverständigen folgt. Wie oben ausgeführt, kommt nur ein Umgang an neutralem Ort in Betracht. Eine längere Zeitspanne als jeweils ca. 1 1/2 Stunden ist nicht angebracht, weil die Kommunikationsmöglichkeit der Mutter sehr eingeschränkt ist und insbesondere V. noch nicht in der Lage ist, sich während eines längeren Zeitraums mit den Eltern zu befassen. Auch die zumindest mittelbare Anwesenheit der Pflegeeltern bei den Besuchen, wie sie vom Amtsgericht angeordnet ist, erscheint zweckmäßig, entsprach bisher dem Wunsch der Kinder und kann ihnen das Gefühl vermitteln, dass der Umgang auch von diesen befürwortet wird. Wie vom Amtsgericht ausgeführt, muss die getroffene Umgangsregelung nicht notwendig jahrelang Bestand haben, wird aber voraussichtlich mindestens noch ca. ein Jahr lang so gehandhabt werden müssen, um eine größtmögliche Stabilität für die Kinder sicherzustellen. Von einer nochmaligen persönlichen Anhörung der Eltern und Pflegeeltern, deren Standpunkte sich seit ihrer erstinstanzlichen Anhörung nicht verändert haben, hat der Senat abgesehen, ebenso von einer nochmaligen Anhörung der Kinder. Es kommt vorliegend nicht auf den persönlichen Eindruck von den Kindern an, sondern es ist entscheidend, welche Umgangsregelung sie am besten verkraften können. Hierüber können letztlich nur längerfristige Beobachtungen im täglichen Leben der Kinder Aufschluss geben.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG sowie zum Beschwerdewert aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 und 2 KostO.

8

zu I.:

9

Prozesskostenhilfe ist den Eltern trotz der nunmehr erfolgten Zurückweisung ihrer Beschwerde gemäß §§ 14 FGG, 114 ZPO bewilligt worden. Ihre Beschwerde war nicht von vornherein ohne Erfolgsaussichten. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt nicht der kontradiktorische Erfolgsbegriff des streitigen Zivilprozesses. Vielmehr kann zu Gunsten eines Beteiligten, der ein von der Verfahrensordnung vorgesehenes Ziel verfolgt, im FGG-Verfahren eine Erfolgsaussicht im weiteren Sinne auch dann zu bejahen sein, wenn er letztlich mit seinem Begehren nicht durchdringt. Dass die Beschwerdeführer vorliegend mit Hilfe der Beschwerde versucht haben, ein weiter gehendes Umgangsrecht zu erhalten, war insofern verständlich, als ihnen - im Vergleich zum üblichen Umgangsrecht eines nicht sorgeberechtigten Elternteils - nur ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht vom Amtsgericht zugebilligt war. Erst nach genauerer Prüfung des Akteninhalts und erst auf Grund der Stellungnahme der übrigen Beteiligten im Beschwerdeverfahren und nachdem festgestellt werden konnte, dass im Verhalten der Kinder auf Grund der jetzt durchgeführten Umgangsregelung eine Beruhigung eingetreten ist, war diese außergewöhnliche Umgangsregelung des Amtsgerichts zu bestätigen.

Streitwertbeschluss:

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 DM festgesetzt.