Vergabekammer Lüneburg
v. 02.03.1999, Az.: 203-VgK-1/1999
Aufhebung einer Ausschreibung ; Verdingungsunterlagen ohne Katalog der Wertungskriterien; Preisgleitklausel im Vertragsmuster; Absprachen des Auftraggebers mit einem Bieter über die Ausgestaltung der anzubietenden Dienstleistung vor oder im Vergabeverfahren ; Zuschlag auf ein von der Leistungsbeschreibung abweichendes Nebenangebot; Sinn und Zweck von Nebenangeboten; Verdingungsunterlagen als bloßes Vertragsangebot; Unangemessen niedriger Preis eines Nebenangebots als Dumpingpreis
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 02.03.1999
- Aktenzeichen
- 203-VgK-1/1999
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 1999, 29942
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 30.04.1999 - AZ: 13 Verg 1/99
Rechtsgrundlagen
- § 26 Nr. 1d VOL/A
- § 2 Nr. 2 VOL/A
- § 17 Nr. 6 (2) VOL/A
Verfahrensgegenstand
Ausschreibung der Bio-Abfallvergärung durch den Landkreis ....... im "Offenen Verfahren"
Die Vergabekammer hat
nach Anhörung der Beteiligten
durch
den Vorsitzenden Ltd. RD Herrmann,
den hauptamtlichen Beisitzer Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Mielke
am 02.03.1999entschieden:
Tenor:
- 1.
Der Antrag der Antragstellerin vom 24.01./26.01.1999 wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 15.700,- DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner hat die Bio-Abfallentsorgung verfahrensmäßig als "thermophile Trockenvergärung" im Juli 1998 EU-weit im Rahmen eines Offenen Verfahrens ausgeschrieben. Es ist der Abschluss eines Vertrages mit einer Laufzeit von 12 Jahren vorgesehen. Der Ablauf der Angebotsfrist war auf den 05.01.1999 - 24.00 Uhr festgesetzt worden. Die Angebotsfrist von mindestens 52 Tagen gemäß § 18a VOL/A wurde eingehalten. Der Ablauf der Zuschlagsfrist war auf den 03.02.1999 festgesetzt. Die Zuschlagsfrist wurde wegen der Anrufung der Vergabekammer bis zum 31.03.1999 einvernehmlich verlängert.
Dem Antragsgegner liegen 10 Hauptangebote vor, davon 6 die den Ausschreibungsbedingungen entsprechen. Die Preise dieser Hauptangebote streuen zwischen 78,- DM/t und 370,93 DM/t. Der Mittelwert liegt bei etwa 150,- DM/t (netto). Weiterhin liegen 8 Nebenangebote über Kompostierung und Vergärung vor, darunter das der Beigeladenen über "mesophile" Vergärung. Die Preise der Nebenangebote reichen von 68,- bis 129,50 DM/t(netto). Der Mittelwert liegt bei etwa 92,- DM/t (netto). Der Antragsgegner hat das Nebenangebot der Beigeladenen zu einem Angebotspreis von 68,- DM/t (netto)für den Zuschlag vorgesehen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Aussetzung des Vergabeverfahrens sowie die Aufhebung der Ausschreibung.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 24.01. und 26.01.1999 das Nachprüfungsverfahren gegen die Vergabeentscheidung des Antragsgegners mit der Begründung beantragt, dass sie sich in ihren Rechten durch Nichtbeachtung der Vergabevorschriften verletzt sieht.
Die Antragstellerin geht davon aus, dass der Antragsgegner den Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen erteilen will. Die Antragstellerin vermutet, dass der Angebotspreis unangemessen niedrig sei, d.h., der Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehe. Des Weiteren wird vorgetragen, dass es fraglich sei, ob die Beigeladene die zu erbringende Dienstleistung erfüllen könne. Die Antragstellerin will geprüft haben, ob die Vergärungsanlage der Beigeladenen die neuen Grenzwerte der am 01.10.1998 in Kraft getretenen Abfallverordnung einhalten könne. Die Verdingungsunterlagen enthielten keine Angaben über die Zuschlagskriterien. Sie sieht hierin einen Verstoß gegen § 9a VOL/A.
Ferner trägt die Antragstellerin vor, dass der Antragsgegner zumindest der Beigeladenen ein Grundstück angeboten habe, weshalb eine Ungleichbehandlung der übrigen Bieter vorliege.
Der Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen dürfe nicht erfolgen, weil dieses eine andere Lösung entgegen den Verdingungsunterlagen vorsehe.
Die mündliche Verhandlung gemäß § 112 GWB hat am 23.02.1999 stattgefunden. Die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Beigeladene wurden gehört. Auf die den Verfahrensbeteiligten mit dieser Entscheidung übersandte Niederschrift wird verwiesen.
Gründe
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Zulässigkeit
Das Verfahren vor der Vergabekammer ist der Antragstellerin eröffnet. Das Vergabeverfahren ist vor Inkrafttreten des GWB eingeleitet worden. Der Einreichungstermin war auf den 05.01.1998 festgelegt, die Zuschlagsfrist auf den 03.02.1999, mithin auf Zeitpunkte nach Inkrafttreten des GWB. Der Antrag der Antragstellerin datiert vom 26.01.1999. Mithin ist die Vergabekammer gemäß Artikel 3 Nr. 2 VgRÄG zur Entscheidung befugt.
Der gemäß §§ 100, 127 Nr. 1 GWB erforderliche Schwellenwert ist erreicht, da der Wert der ausgeschriebenen Dienstleistung gemäß Artikel 7 Abs. 5 2. Spiegelstrich der EG-Dienstleistungsrichtlinie mit 12.000t/a x 68,- DM/t (niedrigster Angebotspreis) x 4 Jahre(Begrenzung auf 48 Monate), also 3,26 Mio. DM zu berechnen ist, mithin den Grenzwert 200.000 ECU, entsprechend 384. 253,- DM übersteigt.
Die Antragsschrift erfüllt die Voraussetzungen des§ 108 GWB. Kenntnisse bezüglich der Angebotswertung wird der Antragsteller i.d.R. nicht erhalten, da dieser Teil des Ausschreibungsverfahrens im Rahmen der VOL/A nicht transparent ist. Gemäß § 22 Nr. 2 VOL/A sind Bieter zur Verhandlung zur Öffnung der Angebote nicht zugelassen. Gemäß § 22 Nr. 5 VOL/A darf die Niederschrift weder den Bietern noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Gemäß § 22 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A sind die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln. Hieraus ergibt sich, dass die Bieter keinerlei Kenntnisse über den Wertungsvorgang erhalten dürfen. Geschieht dies dennoch, dann nur unter Verletzung der vorgenannten Vorschriften. Die Kammer folgert hieraus, dass deshalb an die Begründung gemäß § 108 Abs. 2 GWB in diesem Fall keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Vortrag der Antragstellerin entspricht den Voraussetzungen des § 108 GWB.
Der Antrag ist auch gemäß § 107 GWB zulässig. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, von einem möglichen Verstoß gegen Vergabevorschriften erst durch anwaltliche Beratung Kenntnis erlangt zu haben, weil sie sich erstmalig an einer derartigen Öffentlichen Ausschreibung beteiligt hat.
2.
Begründetheit
Gemäß § 26 Nr. 1 lit d VOL/A kann die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn andere schwer wiegende Gründe bestehen. Diese Bestimmung räumt somit der Vergabekammer ein Ermessen ein. Die Ausübung des Ermessens führt in allen von der Antragstellerin gerügten Punkten der folgenden Ziffer 2.1 dazu, die Ausschreibung nicht aufzuheben. Es liegen zwar Verstöße gegen Vergabevorschriften vor, diese sind jedoch nicht so schwer wiegend, als dass eine Aufhebung der Ausschreibung gerechtfertigt wäre. Im Einzelnen:
2.1
Wertungskriterien
2.1.1
Leistungsbeschreibung
Die Antragstellerin beanstandet die Leistungsbeschreibung dahingehend, dass aus den Verdingungsunterlagen nicht ersichtlich sei, welche Zuschlagskriterien der Antragsgegner für die Entscheidung über die Angebote vorsehe. Gemäß § 9 a VOL/A geben die Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien an, deren Verwendung sie vorsehen, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Gemäß Ziffer 15 des Anhanges A II. "Dienstleistungsaufträge" zum Abschnitt 2 der VOL/A sind die Kriterien, die bei der Auftragserteilung angewandt werden, anzugeben. Die Bekanntmachung des Antragsgegners verweist hier auf die Vergabeunterlagen. Somit ist der Forderung grundsätzlich Rechnung getragen. Ein Katalog mit den Wertungskriterien enthalten die Verdingungsunterlagen jedoch nicht.
Hierin sieht die Kammer durchaus einen Verfahrensfehler. Dieser ist aber nicht so gravierend, dass hieraus vergaberechtliche Konsequenzen zu ziehen sind. Aus der Systematik der Verdingungsunterlagen konnte ein fachkundiger Bieter unschwer erkennen, dass für den Antragsgegner bei der Angebotswertung nur den Preis ausschlaggebend war.
Gemäß § 8 VOL/A ist die zu erbringende Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Zur Form der Leistungsbeschreibung enthält § 8 VOL/A keine Aussage. Es bleibt somit der Vergabestelle überlassen, wie sie die Leistungsbeschreibung gestalten will(Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 4. Aufl., Rdn. 89 zu § 8 VOL/A).
Die Leistung ist nach Auffassung der Kammer eindeutig und vollständig beschrieben worden, so dass alle Bieter von den gleichen Voraussetzungen ausgehen konnten. Alle Bieter mussten daher davon ausgehen, dass nur der Preis bei der Angebotswertung ausschlaggebend ist.
Im Übrigen hatten die Bieter die der Ausschreibung zugrunde liegenden "Bewerbungsbedingungen" - EVM(L)BwB - zu beachten. Unter Ziffer 1 - Mitteilungen von Unklarheiten in den Vergabeunterlagen - wird geregelt, dass der Bieter den Auftraggeber unverzüglich vor Angebotsabgabe schriftlich, fernschriftlich oder telegrafisch darauf hinzuweisen hat, wenn die Vergabeunterlagen nach Auffassung des Bieters Unklarheiten enthalten(Blatt 1 nach Seite 2 der
Verdingungsunterlagen). Wenn ein Bewerber während des Vergabeverfahrens feststellt, dass die Leistungsbeschreibung unklar, unvollständig oder sonst fehlerhaft(z.B. objektiv nicht ausführbar)ist, soll er die Vergabestelle als Verpflichtung unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo unverzüglich darauf hinweisen(Daub/Eberstein, a.a.O., Rdn. 28 zu § 8 VOL /A).
Die Antragstellerin hat von diesem Recht bzw. von dieser Verpflichtung keinen Gebrauch gemacht. Somit ginge auch eine u.U. berechtigte Beanstandung ins Leere. Die Antragstellerin trägt zwar vor, dass ein Unternehmen nicht alle vergaberechtlichen Feinheiten erkennen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden, da es sich i.d.R. um kalkulatorische Grundlagen handelt, die ein fachkundiger Bieter erkennen kann und muss, denn bei einer "erkennbar lückenhaften Leistungsbeschreibung" ist ein Schadensersatzanspruch nicht gegeben(BGH Sch-F-H § 2 Nr. 5 VOB/B = BauR 87, 683, 685 = ZfBR 87, 237, 238; BGH Sch-F-H§ 9 VOB/A Nr. 1).
2.1.2
Preisgleitklausel
Die Ausschreibung enthält im Vertragsmuster(Seite 18 der Verdingungsunterlagen) eine Preisgleitklausel. Die Preisgleitklausel war jedoch nicht Gegenstand des Wettbewerbs und der Angebotswertung. Dieses ist deshalb von Bedeutung, weil zum einen die Verdingungsunterlagen zur Frage der Preisgleitklausel keine Aussage treffen, andererseits aber aus dem Mustervertrag ersichtlich ist, dass ein Vertrag jedenfalls mit einer Preisgleitklausel abgeschlossen werden soll.
Da es sich hier u.U. um Kostenfaktoren handelt, die sich auf die Laufzeit des Vertrages gravierend auswirken können, wäre eine Einbeziehung und Hochrechnung aus Kostengründen möglicherweise unabdingbar gewesen. Aber auch aus Wettbewerbsgründen, wäre die Einbeziehung evtl. unerlässlich gewesen, da sich hierdurch die Reihenfolge der Bieter ggf. hätte ändern können. Die Klausel kann sogar ein Kernbestandteil des Wettbewerbs und des Vertragsverhältnisses sein, gleich der sog. "Pfennigklausel" im Baubereich. Diese wird dort immer in die Angebotswertung einbezogen. Gemäß 3.1.1 der Richtlinie zu§ 25 VOB/A des VHB-BMBau ist bei allen Angeboten, die in der Wertung verblieben sind, auch der Änderungssatz zu werten. Dies hat seine Berechtigung darin, dass sich aufgrund firmenbezogener Kalkulationsdaten unterschiedliche Preissteigerungen ergeben. Der Antragsgegner hat diese Klausel nicht dem Wettbewerb unterstellt.
Es handelt sich hierbei um einen Verfahrensfehler, der wegen überschaubarer Kosten kein so schwer wiegender Grund ist, um eine Aufhebung der Ausschreibung zu rechtfertigen. Sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene haben nachvollziehbar dargelegt, dass in diesem Fall gravierende Veränderungen des Preises nicht zu erwarten sind. Aus den Seiten 40 bis 43 der Leistungsbeschreibung ist ersichtlich, dass die Werte für Seite 18 des Vertragsangebotes schriftlich fixiert sind. Seite 18 des Vertragsangebotes enthält zudem nur fixe, aber keine variablen Werte. Variabel sind nur die Faktoren L/Lo und I/Io (Seite 17 des Dienstleistungsvertrages), die nicht Gegenstand der o.g. "Seite 18" sind. Die variablen Werte werden allein durch die Indizes des Statistischen Bundesamtes festgelegt. Hieraus ist ersichtlich, dass die wesentlichen Kostenfaktoren durch alle Bieter festgelegt worden sind. Von daher ist mit gravierenden Preisänderungen nicht zu rechnen, alle Angebote bleiben vergleichbar.
2.1.3
Fachliche Anforderungen
Die Antragstellerin bezweifelt, dass das Nebenangebot der Beigeladenen den Anforderungen aus fachlicher Sicht gerecht wird. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass alle Anforderungen aus den gesetzlichen Regelungen des BImSchG durch das Nebenangebot berücksichtigt werden. Die Kammer sieht keinen Grund, dem Vortrag des Antragsgegners nicht zu folgen.
2.2
Grundstück
Die Antragstellerin trägt vor, dass Mitbewerbern weiter gehende Informationen hinsichtlich der Nutzung eines kreiseigenen Grundstückes zur Errichtung der Anlage gegeben worden seien.
Ihr liegt ein Vermerk zum TOP 7 der Sitzung des Ausschusses für Regionalplanung und Umweltfragen des Landkreises ........ in Kopie vor. Danach sollte dem Ausschuss folgender
Beschlussvorschlag unterbreitet werden:
"Der Ausschuss für Regionalplanung und Umweltfragen stimmt der Auftragsvergabe an die.... zu. Die Bereitstellung des Grundstückes erfolgt pachtfrei bei Übernahme der Unterhaltungslasten und Räumung nach Vertragsende."
Durch die Beschlussvorlage und deren Begründung werde nach Ansicht der Antragstellerin klar, dass vor dem oder im Vergabeverfahren Absprachen des Auftraggebers mit einem Bieter über die Ausgestaltung der anzubietenden Dienstleistung stattgefunden haben. Die Grundstückskosten waren laut S. 42 der Verdingungsunterlagen von allen Bietern zu kalkulieren. Wolle die Antragsgegnerin die Errichtung der Vergärungsanlage auf dem in Rede stehenden Grundstück durchsetzen, hätte sie dies allen Bietern mitteilen müssen bzw. allen Bietern ein entsprechendes Angebot machen müssen. Die hier zu Tage getretene Absichtserklärung verstoße gegen das in § 2 Nr. 2 VOL/A festgelegte Diskriminierungsverbot.
Erbitten Bewerber zusätzliche sachdienliche Auskünfteüber die Verdingungsunterlagen und das Anschreiben, so sind die Auskünfte gemäß § 17 Nr. 6 (1) VOL/A unverzüglich zu erteilen. Werden einem Bewerber wichtige Aufklärungenüber die geforderte Leistung oder die Grundlagen seiner Preisermittlung gegeben, so sind sie gemäß § 17 Nr. 6. (2) VOL/A auch den anderen Bewerbern gleichzeitig mitzuteilen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner erläutert, hierzu in den Verdingungsunterlagen bewusst keine Aussage gemacht zu haben. Jede bietende Firma hätte sich informieren können. Bei Anfragen habe der Antragsgegner im Hinblick auf die Grundstücksfrage selbst keine sachlichen Hinweise gegeben, sondern immer an die Stadt ....... verwiesen. Es sei Sache der Bieter, wie und auf welchem Grundstück die Dienstleistung erbracht werden solle.
Im Übrigen hat die Antragstellerin selbst eingeräumt, ihr sei bekannt gewesen, dass ein kreiseigenes Grundstück möglicherweise zur Verfügung steht. Der Antragstellerin hätte es freigestanden, entsprechende Auskünfte einzuholen. Wenn sie es nicht tat, fällt das allein in ihren Verantwortungsbereich. Daher liegt kein Verstoß gegen § 2 Nr. 2 VOL/A vor.
2.3
Nebenangebote
Die Antragstellerin beanstandet, dass der Zuschlag auf ein Nebenangebot erteilt werden solle, dessen Inhalt von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin abweiche. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass ein Zuschlag auf das von der Beigeladenen vorgelegte Nebenangebot nicht erteilt werden dürfe, weil es den Verdingungsunterlagen nicht entspreche. So sei z.B. auf Seite 38 der Verdingungsunterlagen ersichtlich, dass eine Kompostierung nicht zulässig sei. Aufgrund der Formulierung unter 4. auf Seite 38 sei nur eine Vergärungsanlage zulässig. Im Übrigen sei aus dem ersten Absatz der Ziff. 3.7 (Seite 30 der Verdingungsunterlagen) ersichtlich, dass Nebenangebote nur für Vergärungsanlagen abgegeben werden dürfen, die außerhalb eines Radius von 50 km vom Abfallschwerpunkt errichtet werden sollen. Ferner sei unter §§ 2, 5 des Vertragsangebotes auch nur das Wort "Vergärung" genannt, so dass sich auch hieraus ergebe, dass nur eine Vergärungsanlage errichtet werden dürfe.
Dieser Argumentation folgt die Kammer nicht. Die Kammer ersieht aus den Vergabeunterlagen keine Verpflichtung dahingehend, dass für Nebenangebote nur das ausgeschriebene Vergärungsverfahren zulässig ist. Sinn und Zweck von Nebenangeboten ist es, abweichend von der in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Leistungsbeschreibung, dem öffentlichen Auftraggeber neue technische Lösungen(Innovationen) anzubieten(Daub/Eberstein, a.a.O., Einführung Rdn. 102; Rdn. 48 zu§ 17 VOL/A). Für die Berücksichtigung von Nebenangeboten ist entscheidend, dass sie nicht ausgeschlossen waren und sie die in den Verdingungsunterlagen geforderten Randbedingungen erfüllen.
Die Antragstellerin verkennt zunächst, dass der in den Verdingungsunterlagen enthaltene Vertrag im derzeitigen Stadium lediglich ein Vertragsangebot darstellt. Ein derartiges Vertragsangebot kann naturgemäß nicht alle denkbaren Vertragsalternativen im Vorwege erfassen. Aus der Formulierung in §§ 2, 5 des Vertragsangebotes kann daher nicht geschlossen werden, dass nur die Errichtung einer Vergärungsanlage in Betracht kommt. Ebenso kann dieser Rückschluss nicht aus Ziffer 3.7 i.V.m. Ziffer 4.1.2 (Seite 30, 37 f der Verdingungsunterlagen) gezogen werden. Ziffer 3.7 legt einen gesonderten Tatbestand fest, bei welchem ein Nebenangebot abzugeben ist. Sollte Ziffer 3.7 für alle Nebenangebote gelten, müsste auf Seite 37 zum Text der Nebenangebote eine Klausel enthalten sein, die Nebenangebote nur unter den Voraussetzungen der Ziffer 3.7 zulässt. Gerade dieses ist nicht der Fall. Aus dem 4. Punkt auf Seite 38 der Verdingungsunterlagen kann nichts anderes geschlossen werden. Das Wort "insbesondere" legt nahe, dass hier eine beispielhafte Aufzählung vorgenommen wird.
2.4
Preis
Die Antragstellerin beanstandet weiter, dass der Preis des für den Zuschlag vorgesehen Nebenangebots unangemessen niedrig sei. Die Vertreter der Beigeladenen erläuterten, dass sich der Preis von 68,00 DM/t im Rahmen des Nebenangebotes auf die Errichtung der Anlage auf dem kreiseigenen Grundstück beziehe. Im Angebot sei im Übrigen dargelegt, dass sich ein Zuschlag von 3,76 DM/t auf diesen Preis ergebe, sofern die Dienstleistung auf einem von der Beigeladenen zu beschaffenden Grundstück erbracht werden solle. Die Kammer hat Einsicht in die Urkalkulationen genommen und festgestellt, dass die Grundstückskosten vernachlässigbar klein in Relation zum Gesamtpreis über die Laufzeit des Vertrages sind. Die Personalkosten sind im Vergleich auskömmlich. Des Weiteren erhält die Beigeladene erhebliche Fördermittel, so dass sich die Investitionskosten reduzieren. Darüber hinaus werden durch den Verkauf von elektrischer Energie und Kompost Erlöse erzielt. Der Preis des nächsthöheren Nebenangebotes über Vergärung bzw. Kompostierung liegt bei rd. 75,- DM/t, der Mittelpreis bei rd. 94,- DM/t. Der Preis des Nebenangebotes der Beigeladenen liegt im Vergleich also nicht so weit von den Preisen der übrigen Nebenangebote entfernt, als dass bereits von einem Dumpingpreis gesprochen werden kann. Die Preisuntergrenze bestimmen die im Wettbewerb stehenden, frei disponierenden, nicht selten unterschiedliche Absatzstrategien verfolgenden Unternehmen selbst. Dass es Geschäftspolitik eines Unternehmens sein kann, zeitweise auf kostendeckende Preise zu verzichten, bedarf nicht näherer Erwähnung. Dementsprechend können die Angebotspreise für marktgängige Erzeugnisse mehr oder weniger erhebliche Streubreiten aufweisen(Daub/Eberstein, a.a.O., Rdn. 32ff. zu § 2 VOL/A). Der Preis wurde von der Beigeladenen anhand der Urkalkulation so ausreichend belegt, dass nicht von einem offenbaren Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ausgegangen werden kann. Auf weitere Preisfeststellungen hat die Kammer verzichtet.
Die Kammer sieht kein so offenbares Missverhältnis beim Preis- Leistungsverhältnis, dass eine Nichtberücksichtigung des in Frage kommenden Nebenangebotes rechtfertigen könnte.
2.5
Akteneinsicht
Akteneinsicht durch die Beteiligten ist erfolgt. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene haben erklärt, dass ihre Akten als Geschäftsgeheimnis anzusehen sind. Die Kammer hat jeweils nur die Teile der Akten zur Einsicht freigegeben, aus denen weder Betriebsinterna noch Kostenstrukturen ersichtlich sind. Die Kammer hat es für notwendig angesehen, in Auslegung der Bestimmung des § 111 Abs. 3 GWB die diesbezüglichen Schutzinteressen der beteiligten Firmen weit reichend zu berücksichtigen. Die Kammer bezieht sich im Übrigen in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BGH vom 12.11.1991, BGHZ 116, 47ff. Da die Parteien bei Abgabe der Angebote nicht unbedingt die Regelung des§ 111 Abs. 3 GWB kennen mussten, wurden an die Kennzeichnungspflicht für geheim zu haltende Angebotsteile keineüberhöhten Anforderungen gestellt. Die Beigeladene hat am 17.02.1999 fernmündlich mitgeteilt, welche Angebotsteile Betriebsgeheimnisse beinhalten. Dieses wird im Hinblick auf § 111 Abs. 3 GWB für ausreichend gehalten.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 GWB. Gemäß § 3 VwKostG werden die Gebühren wie folgt berechnet:
Personalaufwand
Vorsitzender 15 Std. x 131,- *= 1.965,- DM
Hauptamtl. Beisitzer 40 Std. x 96,-*= 3.840,-= 5.805,-
*Rahmengrundsätze für die Erhebung und Bemessung von
Kosten nach dem Verwaltungsrecht (Erlass d. Nds. MF v. 06.08.1998)
"wirtschaftlichen Wert" gemäß § 3 VwKostG des Gesamtauftrages
12.000 t/a x 68,- DM/t(niedrigster Angebotspreis) x 12 Jahre = 9.792.000,- DM
9.792.000,- DM x 0,2% = 19.584,- DM
Da der Personalkostenaufwand unterdurchschnittlich zu bemessen war, wird der Gebührenanteil hieraus auf 30% festgesetzt, mithin 1.741,50 DM. Da der "wirtschaftliche Wert" in diesem Fallüberdurchschnittlich ist, wird der Gebührenanteil hieraus auf 70% festgesetzt, mithin 13.708,80 DM.
Die Gesamtgebühren betragen daher = 15450,- DM
Zuzüglich Auslagen:
Entschädigungen nach EhrRiEG = 200,-
Sachausgaben = 50,-= 15.700,- DM
Abzüglich Vorauszahlung = 5.000,- DMRestbetrag = 10.700,- DM
Der Restbetrag ist sofort fällig. Die Zahlung hat bis zum 15.03.1999 auf eines der nachfolgenden Konten unter Angabe des u.a. Aktenzeichens auf dem beigefügten Überweisungsträger zu erfolgen:
[...]
Tyrra
Dr. Mielke