Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.04.1999, Az.: 9 U 279/98
Entstehen einer BGB-Gesellschaft durch Umwandlung des Bruchteilseigentums an einem Heizhausgrundstück in Gesamthandseigentum; Zulässigkeit einer isolierten Aufhebung einer Verwaltungsregelung und Gebrauchsregelung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.04.1999
- Aktenzeichen
- 9 U 279/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 30770
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0421.9U279.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 745 Abs. 2 BGB
- § 743 Abs. 2 BGB
- § 11 Abs. 2 WEG
Fundstellen
- NJW-RR 2000, 227-229 (Volltext mit red. LS)
- NZM 1999, 1057-1058
- OLGReport Gerichtsort 1999, 201-202
- Rpfleger 1999, 438-439 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und Prof. Dr. A.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 1999
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts S. vom 28. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsrechtszuges.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Beschwer: 12.000 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die weitere Zugehörigkeit der Kläger zu einer Heizhausgemeinschaft. Sie sind jeweils Eigentümer von Grundstücken in einer Siedlung von Reihenhäusern. Sämtliche Häuser der Siedlung sind an eine ca. 30 Jahre alte zentrale Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage angeschlossen, die in einem Heizhaus auf einem separaten Grundstück installiert ist. Die Fernwärmeleitungen verlaufen in einem Heizkreislauf durch die Keller der Reihenhäuser. Das Leitungsführungsrecht ist zu Gunsten der an der Heizhausgemeinschaft beteiligten Grundeigentümer im Wege einer Grunddienstbarkeit abgesichert. Die zentral erzeugte Fernwärme wird durch hauseigene Wärmetauscher genutzt.
Mit ihrem jeweiligen Reihenhausgrundstück erwarben die Kläger Ende der 60er-Jahre jeweils auch einen Miteigentumsanteil an dem Heizhausgrundstück. Das Heizhaus wird auf Grund einer als "Gesellschaftsvertrag" bezeichneten Vereinbarung vom 31. Oktober 1972 betrieben. Für den Betrieb, die Unterhaltung und die Verwaltung des Heizhauses zahlen die "Gesellschafter" eine monatliche Heizkostenpauschale. In § 1 Satz 2 des Vertrages heißt es: "Im Falle der Veräußerung oder sonstigen Übertragung des Miteigentumsanteils verpflichtet sich der bisherige Eigentümer, den Erwerber zum Beitritt zu dieser Gesellschaft zu veranlassen."
Die Kläger haben mittlerweile in ihren Häusern eigene Heizungen installieren lassen, sodass eine Beheizung über die Fernwärmeleitungen des Heizhauses für sie nicht mehr interessant ist. Sie vertreten die Ansicht, auf Grund ihrer Kündigungserklärungen vom 21. März 1996 sowie 31. März 1996 seien sie aus der Gesellschaft ausgeschieden und künftig nicht mehr zur Tragung der Heizkosten verpflichtet.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Abstand genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Feststellungsbegehren ist nicht begründet, da die Kläger weiterhin der Miteigentümergemeinschaft angehören und es für das Ausscheiden aus der am 31. Oktober 1972 begründeten vertraglichen Bindung derzeit keinen rechtfertigenden Grund gibt.
Zwischen den Parteien besteht hinsichtlich des selbständigen Heizhausgrundstücks eine Bruchteilsgemeinschaft, die im Grundbuch als solche verlautbart wird. Eine BGB-Gesellschaft hätte daraus zwar entstehen können, jedoch nur durch Umwandlung des Bruchteilseigentums in Gesamthandseigentum, was eine entsprechende Einigung und Eintragung (§§ 873, 925 BGB) vorausgesetzt hätte. Der "Gesellschaftsvertrag" von 1972 war dazu nicht geeignet. Insoweit trifft der Vortrag der Kläger nicht zu, das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis sei durch diesen Vertrag konstituiert worden; die Erwägungen zum Halten und Verwalten von Grundstücken durch BGB-Gesellschaften (vgl. BGH NJW 1982, 170, 171 [BGH 20.05.1981 - V ZB 25/79] = FamRZ 1982, 141) sind irrelevant.
Zulässig war, es, für die Bruchteilsgemeinschaft zur Modifizierung der gesetzlichen Regelung eine vertragliche Vereinbarung zu treffen, in der die Verwaltung und Benutzung (§ 745 Abs. 2 BGB) sowie ein - nach §§ 749, 751 S. 1 BGB zulässiger - Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft geregelt werden konnten. Eine derartige Regelung ist schuldrechtlicher Natur, die gemäß §§ 746, 751 S. 1 BGB grundsätzlich auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirkt. Wegen der erwünschten Publizität der Vereinbarung verlangt § 1010 Abs. 1 BGB dafür jedoch bei einer Grundstückseigentümergemeinschaft die Eintragung ins Grundbuch. Mangels Eintragung entsteht eine Bindung des Sondernachfolgers nur kraft vertraglicher Weitergabe der Vertragsstellung (vgl. dazu BGHZ 40, 326), wovon erkennbar die Regelung in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages getragen ist.
Ob die vertragliche Regelung für die Nutzung des Gemeinschaftsgrundstücks und die Verwaltung der Bruchteilsgemeinschaft statt durch bloß schuldrechtliche Regelung auch durch eine BGB-Gesellschaft nach Art einer Betriebsgesellschaft getroffen werden konnte und hier tatsächlich getroffen worden ist, oder ob diese von den Parteien gewählte Qualifizierung ihres Vertrages auf einer Verkennung ihrer Gestaltungsmöglichkeiten beruht und als schuldrechtliche Regelung i.S.d. § 745 Abs. 2 BGB anzusehen ist, mag dahinstehen. Der Kern des Streits betrifft die Frage, ob die Kläger sich aus der vertraglichen Regelung mit der Wirkung lösen können, künftig nicht mehr zur Tragung der Heizkosten verpflichtet zu sein. Deren Beantwortung hängt nicht von der rechtlichen Qualifizierung der Vereinbarung vom 31. Oktober 1972 ab.
Eine Aufhebung der isolierten Regelung von 1972 unter Fortbestand der Bruchteilsgemeinschaft wäre zwar möglich, jedoch nur unter qualifizierten Voraussetzungen. Soweit eine reine Verwaltungsregelung aufgehoben werden soll, kann die Aufhebung mangels Einvernehmens oder Mehrheitsbeschlusses nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen (vgl. BGHZ 34, 367, 370 [BGH 16.03.1961 - II ZR 190/59]; BGH NJW 1983, 449, 450; s. ferner MünchKomm/K. Schmidt, BGB, 3. Aufl., §§ 744, 745 Rz. 14 und 29). Die isolierte Aufhebung einer Verwaltungs- und Gebrauchsregelung bedeutet allerdings nur eine Rückkehr zum gesetzlichen Zustand (§§ 743 ff. BGB). Sie tritt als milderes Mittel an die Stelle des anderenfalls zu bejahenden Rechts auf Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 BGB.
Ein wichtiger Grund zur isolierten Aufhebung der Vereinbarung von 1972, der nur die Art der Verwaltung betrifft, wird von den Klägern nicht geltend gemacht. Die isolierte Aufhebung wäre nicht geeignet, das wirtschaftliche Ziel der Kläger zu verwirklichen, aus der Kostentragungsverpflichtung entlassen zu werden. Für die fortbestehende Bruchteilsgemeinschaft wäre die Kostentragungsregelung dann § 748 BGB zu entnehmen; die Befugnis der am Heizhaus interessierten Miteigentümer zur Benutzung der Heizungsanlage, aus der die umlagefähigen Kosten erwachsen, würde sich aus § 743 Abs. 2 BGB ergeben.
Die Vereinbarung von 1972 wahrt - was für das dadurch ersetzte gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 743 ff. BGB ebenso gelten würde - das Recht der Beklagten, die Kosten der Benutzung und die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums bis zur Aufhebung der Gemeinschaft nur nach dem Verhältnis ihrer Anteile tragen zu müssen. Die Vereinbarung ist deshalb an den Bestand der Bruchteilsgemeinschaft gebunden. Ließe man zu, dass sich eine-Minderheit aus der Heizhausgemeinschaft zurückzieht, müsste die benutzungswillige Mehrheit die Gesamtkosten des Betriebs tragen, die sich wegen der technischen Auslegung der Anlage nicht auf den Versorgungsbedarf allein der Wärmenutzer reduzieren ließen. Sofern sich die Miteigentümer nicht für eine Stilllegung der Heizanlage entscheiden, ist eine benutzungsunwillige Minderheit grundsätzlich darauf angewiesen, die Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 BGB durch Teilungsversteigerung zu erzwingen. Eine Aufgabe des Miteigentums analog § 928 BGB ist wegen der negativen Auswirkungen auf die übrigen Teilhaber der Gemeinschaft ausgeschlossen (BGHZ 115, 1, 7 ff.) [BGH 07.06.1991 - V ZR 175/90].
Die Aufhebung der Gemeinschaft kann allerdings nicht beliebig verlangt werden, sondern ist an das Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 749 Abs. 2 BGB) gebunden. Ein Teilungsausschluss folgt zwar nicht schön aus einer Analogie zu § 11 WEG, wie das Landgericht angenommen hat. Diese Regelung beruht auf einer gesetzlichen Sonderbewertung des Wohnungseigentums, wie schon der Ausschluss aufhebender Vollstreckungsmaßnahmen zeigt (§ 11 Abs. 2 WEG im Gegensatz zu §.751 S. 2 BGB), und ist nicht auf die Bruchteilsgemeinschaft übertragbar, weil sie § 749 Abs. 2 BGB außer Kraft setzen würde. Der Ausschluss der Teilung - der im Versteigerungsverfahren gegebenenfalls durch Vollstreckungsgegenklage geltend, zu machen wäre - ergibt sich aber sowohl aus dem Interesse aller Miteigentümer an einer auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Reihenhäuser bezogenen Kalkulation der Bewirtschaftungskosten, das nach § 242 BGB im Rahmen des Gemeinschaftsverhältnisses zu berücksichtigen ist, als auch konkludent aus der das, Stabilitätsinteresse ausdrückenden Weitergabeverpflichtung gemäß § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages. Ob ein wichtiger Grund zur Aufhebung der Gemeinschaft gegeben ist, wird sich vorrangig nach der Wirtschaftlichkeit des Betriebs der Heizungsanlage richten; u. U. sind auch ökologische Gesichtspunkte einzubeziehen.
Sollte eine Aufhebung durch Teilungsversteigerung mangels Abgabe von Geboten scheitern, kommt unter Berücksichtigung der Qualität eines etwaigen wichtigen Grundes für die Aufhebung u. U. ein Anspruch auf Stilllegung der Anlage in Betracht, der aus dem innerhalb der Bruchteilsgemeinschaft geltenden § 242 BGB abzuleiten wäre.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO und aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwer: 12.000 DM.