Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.04.1999, Az.: 11 U 24/98
Ausgestaltung der Verjährung von frachtrechtlichen Schadensersatzansprüchen einer Transportversicherung gegenüber einem Frachtführer i.R.d. Straßentransports mit eigenen Fahrzeugen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.04.1999
- Aktenzeichen
- 11 U 24/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 32508
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0429.11U24.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 20.11.1997 - AZ: 25 O 96/97
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 KVO
- § 40 Abs. 2e KVO
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. ...,
den Richter am Oberlandesgericht H. und
die Richterin am Oberlandesgericht Dr. W.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 20. November 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Klägerin: 32.342,33 DM
Entscheidungsgründe
Die Klägerin nimmt als Transportversichererin der Absenderin die beklagte Fuhrunternehmerin, die mit eigenen Fahrzeugen transportierte, auf Ersatz für zerstörtes Flachglas i.H.v. 32.342,33 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht unter keinem Gesichtspunkt ein Ersatzanspruch zu.
I.
Ein Schadensersatzanspruch aus der KVO, der auf die Klägerinübergegangen sein könnte, stand der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht zu.
Auf den streitgegenständlichen Straßentransport mit eigenen Fahrzeugen im Entfernungsbereich zwischen 300 und 600 km ist die KVO anwendbar. Ansprüche aus dieser Rechtsgrundlage sind jedoch verjährt. Die Verjährungsfrist nach der KVO beträgt für Schadensersatzansprüche ein Jahr (§40 Abs. 1 KVO). Die Klage ist am 11. Juni 1997 beim Landgericht Hannover eingegangen und alsbald zugestellt worden. Unfalltag war der 8. Juni 1996. Es kommt demnach darauf an, wann die Verjährungsfrist zu laufen begann.
Der Beginn der Verjährung bestimmt sich im Streitfall nach§40 Abs. 2 Buchstabe e KVO. In dieser Regelung ist der Verjährungsbeginn auf den Ablauf des Tages der Ablieferung für solche Entschädigungsansprüche bestimmt, die auf teilweisem Verlust, Beschädigung oder Lieferfristüberschreitung hinsichtlich des Gutes beruhen. Als ein solcher Fall ist der hier eingetretene wirtschaftliche Totalschaden an dem transportierten Flachglas anzusehen. Schon bei rein grammatischer Betrachtung von §40 Abs. 2 Buchstabe e KVO ergibt sich, dass dort die Beschädigung insgesamt und nicht nur die teilweise Beschädigung geregelt ist, was darauf schließen lässt, dass auch der wirtschaftliche Totalschaden von dieser Vorschrift erfasst wird. Die Anwendung dieser Vorschrift liegt auch nahe, denn theoretisch hätte das zerstörte Glas noch als beschädigtes Gut bei der Empfängerin abgeliefert werden können, was es nahelegt, im Streitfall nur von einer Beschädigung auszugehen. Gegen die Anwendung von §40 Abs. 2 Buchstabe d KVO, für die die Klägerin sich ausspricht, spricht auch, dass diese Vorschrift dazu bestimmt ist, mit §37 Abs. 4 KVO zu korrespondieren, wo geregelt ist, ab wann zu Gunsten des Verfügungsberechtigten fiktiv vom Verlust unauffindbaren Gutes auszugehen ist (Willenburg, KVO, §40 Rdnr. 20; Kolla, Transportrecht,§40 KVO Rdnr. 9). Ein derartigen Fällen vergleichbarer Sachverhalt, bei dem niemand weiß, wo das Gut ist, liegt im Streitfall aber gerade nicht vor.
Bei Anwendung des §. 40 Abs. 2 Buchstabe e KVO ergibt sich mithin die Notwendigkeit, den Tag der Ablieferung des Gutes zu bestimmen. Da nicht tatsächlich abgeliefert ist, fällt dieser hier auf den Tag des Endes der Lieferfrist i.S.v. §26 KVO. Das Gut ist am 7. Juni 1996 nicht vor 12:00 Uhr übernommen worden, die Transportstrecke betrug zwischen 300 und 600 km. Die Lieferfrist begann damit am 7. Juni 1996 um Mitternacht und betrug 2 × 24 Stunden also 43 Stunden, wäre somit am 9. Juni 1996 um Mitternacht abgelaufen. Da der 9. Juni 1996 als letzter Tag der Lieferfrist aber Sonntag war, lief die Frist erst mit dem nächsten Tag ab, also am Montag; dem 10. Juni 1996 um 24:00 Uhr. Die Berechnung der mit diesem Zeitpunkt beginnenden Jahresfrist bestimmt sich nach §187 Abs. 2 S. 1 BGB. Da mit Beginn des 11. Juni 1996 die Frist lief, war dieser Tag mitzurechnen. Fristablauf war damit der 10. Juni 1997 (ein Dienstag) um Mitternacht. An diesem letzten Tag der Frist aber war die Klage nicht eingereicht. Ansprüche aus KVO waren somit verspätet.
II.
Auch eine deliktische Haftung der Beklagten führt im Streitfall nicht zu einem Anspruch. Zwar kommen deliktische Ansprüche neben der KVO - Haftung des Frachtführers grundsätzlich in Betracht; auf sie bleibt auch die dreijährige Verjährungsfrist des§852 BGB anwendbar (BGH Transportrecht 1998, 106, 109; Piper, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Speditions- und Frachtrecht, 7. Aufl., Rdnr. 318).
Voraussetzung für eine derartige Haftung wäre jedoch der schlüssige Vortrag einer das Eigentum der Versicherungsnehmerin der Klägerin schädigenden Handlung der Beklagten oder eines ihrer Erfüllungsgehilfen.
In Betracht kommt hier - wie die Klägerin immer wieder vorträgt -, dass der Fahrer der Beklagten es unterlassen haben könnte, die Flachglasladung mit Spanngurten zu sichern. Diesen Vortrag hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend substantiiert. Sie bezieht sich für ihren Vortrag auf das als Anlage K 4 von ihr selbst überreichte Gutachten des Havariekommissars G. L., der den Schaden am Unfallort besichtigt hat. Ausweislich dessen zeitnah zum Unfall erstellten Gutachtens vom 18. Juni 1996 (Bl. 6) findet sich unter der Überschrift "Verladeweise/Sicherungsmaßnahmen auf dem Fahrzeug" jedoch dessen Wahrnehmung wie folgt zusammengefasst:
"Diese Befestigung hält der Unterzeichner für nicht transportsicher. Die Glaskisten hielten je vier Metallbänder um den Holzrahmen. Die Kisten insgesamt waren mit mehreren Zurrgurten verspannt."
Da die Versicherungsnehmerin der Klägerin, welche selbst Verladerin war, nach ihrem eigenen Vortrag Zurrgurte zur Sicherung der Ladung nicht angebracht hatte, dies vielmehr dem Fahrer der Beklagten als auf dem Betriebshof nachzuholen aufgetragen hatte, der Sachverständige aber nach seinem Gutachten eine Verspannung der Holzkisten insgesamt mit Zurrgurten festgestellt hat, hätte die Klägerin näher erläutern müssen, warum sie sich von der Zeugenaussage des Sachverständigen L. insoweit eine Abweichung von dessen schriftlichem Gutachten verspricht. Da eine Erläuterung dieses Widerspruchs zwischen Klägervortrag und dem schriftlichen Sachverständigengutachten unterblieben ist, war der auf eine Vernehmung des Zeugen L. zielende Vortrag der Klägerin nicht hinreichend substantiiert.
Schlüssigen Vortrag dahingehend, dass ein der Beklagten zuzurechnender Verursachungsbeitrag der Eigentumsbeschädigung in einer unsachgemäßen Verzurrung der Ladung mit Spanngurten durch den Fahrer der Beklagten erfolgt sei, hat die Klägerin nicht gehalten. Sie hat in keiner Weise näher erläutert, inwieweit die Verspannung fehlerhaft erfolgt sein soll. Anhaltspunkte dafür waren auch dem Gutachten L. nicht zu entnehmen; eine etwaige Befragung des Sachverständigen Zeugen L. hierzu wäre einem Ausforschungsbeweis gleichgekommen und hatte daher zu unterbleiben. Zudem fiel eine etwa fehlerhafte Anbringung der Zurrgurte in den Risikobereich der Klägerin. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin war Selbstverladerin und hatte für die Sicherheit des in seinen statischen und physikalischen Eigenschaften nur schwer einschätzbaren Gutes mithin selbst zu sorgen. Wollte sie dem Fahrer der Beklagten, der insoweit vornehmlich ihr eigener Verrichtungsgehilfe war, hinsichtlich der Anbringung der Zurrgurte nicht vertrauen, so hätte es ihr oblegen, einen mit den Ladeverhältnissen für Flachglas vertrauten Mitarbeiter ihrerseits bis zum Betriebshof der Beklagten mitzuschicken, der die Sicherung der Ladung auf dem Lkw abschließend überwachte.
III.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§713, 708 Nr. 10 ZPO.