Verwaltungsgericht Hannover
v. 07.06.2010, Az.: 13 A 195/08

Beginn einer Rechtsmittelfrist bei Zustellung sowohl an den betreffenden Anwalt als auch an den Kläger selbst; Rückschlüsse auf die eigentliche Identität von Mitgliedern einer angeblich aus dem Libanon stammenden Familie durch auffällige Ähnlichkeiten der Vornamen in türkischen Personenstandsregistern

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.06.2010
Aktenzeichen
13 A 195/08
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2010, 17449
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:0607.13A195.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Eine Zustellung beinhaltet auch immer eine Bekanntgabe. Erfolgt eine - nicht vorgeschriebene - Zustellung sowohl an den Anwalt als auch an den Kläger selbst, so setzt ggf. die zuerst erfolgte Bekanntgabe an den Kläger die Rechtsmittelfrist in Lauf.

Auffällige Vornamen-Ähnlichkeiten in den türkischen Personenstandsregistern bei einer angeblich aus dem Libanon stammenden Familie lassen Rückschlüsse auf die eigentliche Identität der Familienmitglieder zu.

Tenor:

Soweit übereinstimmende Erledigungserklärungen vorliegen, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis und ursprünglich auch gegen eine verfügte Ausweisung.

2

Die Klägerin reiste 1986 über die damalige DDR in das Gebiet der Bundesrepublik zusammen mit Ehemann und Kindern ein. Sie gab an, dass ihr Name B. sei und dass es sich bei ihr und ihrer Familie um Kurden aus dem Libanon handele. Ein vorgelegtes libanesisches Laissez-Passer erwies sich als Fälschung. Ein Asylantrag wurde bestandskräftig mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 21.06.89 abgelehnt.

3

Weil keine Abschiebungen in den Libanon möglich waren, wurde die Klägerin zunächst geduldet und erhielt später Aufenthaltstitel, zuletzt Mitte 1999 eine Niederlassungserlaubnis.

4

Die Beklagte gelangte 2006 an einem türkischen Registerauszug der Familie F.. Die Beklagte gelangte zu dem Schluss, dass die dort eingetragene A., geboren am 02.01.1969 in Savur, identisch mit der Klägerin sei. Im Juli 1992 wurden in der Türkei einige nachgeborene Kinder der Familie F. nachregistriert. Wegen der näheren Einzelheiten des Registerauszugs der Familie F. wird auf die Beiakten Bl. 141ff. Bezug genommen.

5

Die Klägerin und eine Tochter haben sich Ende Juli 1992 in der Türkei aufgehalten.

6

In der Anhörung zum Widerruf der Aufenthaltserlaubnis erklärte die Klägerin, nicht mit der A. identisch zu sein.

7

Mit Bescheid vom 22.12.2006 nahm die Beklagte die Niederlassungserlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und wies die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Dieser Bescheid wurde der Klägerin persönlich am 23.12.2006 durch PZU zugestellt und dem damaligen Bevollmächtigten noch einmal gegen Empfangsbekenntnis, worauf dieser den Eingang am 27.12.2006 bescheinigte.

8

Die Klägerin hat am 29.01.2007 Klage erhoben.

9

Sie trägt vor: Sie sei 1963 im Libanon geboren. Die im türkischen Register eingetragenen Geburtsdaten stimmten nicht mit ihren bzw. denen ihrer Familie überein. Sie habe 1992 nur versucht, über die Türkei in den Libanon einzureisen, um dort Identitätsnachweise zu erhalten. Sie wäre gar nicht in der Lage gewesen, in de Türkei eine Nachregistrierung vorzunehmen, weil sie Analphabetin sei.

10

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.12.2006 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen Sie tritt der Klage entgegen.

12

Mit Schriftsatz vom 17.03.2010 erklärte sie, dass die Ausweisung zurückgenommen wird (Bl. 143 GA). Beide Beteiligten gaben daraufhin übereinstimmende Erledigungserklärungen ab.

13

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 08.03.2007 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

14

Mit Verfügung vom17.03.2008 und vom 17.05.2010 wurde der Kläger jeweils eine Frist nach § 87b VwGO gesetzt.

15

Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.

16

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

18

Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Die Zustimmung der Beteiligten hierfür ist nicht Voraussetzung.

19

Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (Ausweisung), ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen; zugleich entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten.

20

Die Klage bleibt im Übrigen ohne Erfolg.

21

Die Klage dürfte bereits wegen Versäumnis der Klagefrist unzulässig sein.

22

Die Klagefrist beträgt bei - wie hier - ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes.

23

Zwar wurde in diesem Fall der angefochtene Bescheid nicht nur einfach bekanntgegeben, sondern auch förmlich zugestellt. In der Zustellung liegt aber immer auch eine Bekanntgabe.

24

Ausweislich der Postzustellungsurkunde in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten wurde die angefochtene Verfügung der Klägerin persönlich am 23.12.2006 zugestellt und damit der Verwaltungsakt der Klägerin an diesem Tag gegenüber bekannt gegeben.

25

Die Klagefrist endete entsprechend am Dienstag, den 23. Januar 2007. Klage wurde jedoch erst am 29. Januar 2007 erhoben.

26

Zwar ist es richtig, dass die Beklagte auch dem damaligen Bevollmächtigten die angefochtene Verfügung ebenfalls zugestellt hat - laut Empfangsbekenntnis erst am 27.12.2006. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an einen Kläger bzw. hier der Klägerin genügt aber auch dann für das In-Lauf-Setzen der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wenn für das Verwaltungsverfahren ein Bevollmächtigter bestellt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1997 - 3 C 35/96 - zit. n. [...]). Die erfolgte zweite Zustellung an den Bevollmächtigtendirekt konnte damit den Lauf der Klagefrist nicht mehr auslösen. Die Frist lief bereits.

27

Das Gericht hält auch angesichts des Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg vom 08.03.2010 - 11 PA 241/09 - an seiner Auffassung fest, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf § 7 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz berufen kann. Zwar wäre danach eine wirksame Zustellung tatsächlich erst mit der Zustellung an den Bevollmächtigten erfolgt. Im vorliegenden Fall wird die Klagefrist jedoch nicht von einer Zustellung in Lauf gesetzt, es genügt die schlichte Bekanntgabe, und die war bereits gegenüber dem Kläger am 23. Dezember 2006 erfolgt. Zwar stellt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg in seiner Entscheidung darauf ab, dass die Beklagte den Weg einer förmlichen Zustellung gewählt habe und sich dann eben auch damit den einschlägigen Zustellerfordernissen unterworfen habe. Mit dem Oberverwaltungsgericht sieht auch das erkennende Gericht die Zustellung an die Klägerin persönlich selbst als unwirksam an. Jedoch meint das Gericht, dass die in der Zustellung enthaltene Bekanntgabe trotz der fehlerhaften Zustellung nach wie vor wirksam ist, auch wenn die Behörde den Weg über eine Zustellung gewählt hat.

28

Einen willkürlichen Wechsel der Adressaten, an denen die Beklagte ihre Bescheide versandte, i.S.d. des Beschlusses des 11. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg vom 29.11.2007 - 11 LA 172/07 (zit. n. [...]) liegt hier ebenfalls nicht vor.

29

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 Abs. 1 VwGO ist nicht zu gewähren. Unabhängig von der Frage eines Verschuldens ist jedenfalls die Frist des § 60 Abs. 2 VwGO abgelaufen. Denn der Klägerseite war ja die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes bereits am 23.12.2006 bekannt, zudem hat die Beklagte auch den Bevollmächtigten davon unterrichtet, dass der Bescheid ebenfalls an die Klägerin persönlich übersandt wurde. Eine Nachfrage des Bevollmächtigten bei der Klägerin nach dem Datum der Bekanntgabe ihm gegenüber hätte nahe gelegen, so dass jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gestellt werden können.

30

Letztendlich bedarf die Frage, ob die Klage verfristet wurde, hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn darauf kommt es nicht mehr an, weil die Klage hinsichtlich der Rücknahme der Niederlassungserlaubnis - auch - unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

31

Bei der Rücknahme der Niederlassungserlaubnis (unbefristete Aufenthaltserlaubnis) handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Beklagten, die vom Gericht nur eingeschränkt auf Rechtsfehler hin überprüft werden kann, § 114 VwGO. Diese Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden, die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens berücksichtigt; ihre Entscheidung ist auch nicht willkürlich.

32

Die Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die mit dem Aufenthaltsgesetz zu einer Niederlassungserlaubnis wurde, rechtfertigt sich aus § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wobei ein begünstigender Verwaltungsakte nur dann nicht zurückgenommen werden kann, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist.

33

Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis/Niederlassungserlaubnis wurde der Klägerin zu Unrecht erteilt. Sie war rechtswidrig. Denn die Beklagte ging seinerzeit von den falschen Angaben der Klägerin aus, sie sei (staatenlose) Kurde aus dem Libanon. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich bei der Klägerin jedoch um die im türkischen Personenstandsregister eingetragene türkische Staatsbürgerin A. handelt.

34

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat dazu in seinem Beschluss vom 08.03.2010 - 11 PA 242/09 - ausgeführt:

35

"Nach den bislang vorliegenden Unterlagen spricht Überwiegendes dafür, dass es sich bei der Klägerin und weiteren Familienmitgliedern (vgl. das anhängige Parallelverfahren 11 PA 241/09: Ehemann der Klägerin und die bereits abgeschlossenen Verfahren 11 PA 284/09: Sohn der Klägerin und 11 PA 256/09: Tochter der Klägerin) um türkische Staatsangehörige handelt. Der Senat hat dazu mit Beschluss vom 2. Juli 2009 in dem Verfahren der Tochter der Klägerin (11 PA 256/09) Folgendes ausgeführt:

"Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind die beiden von der Beklagten vorgelegten türkischen Personenstandsregisterauszüge. So entsprechen die in dem türkischen Registerauszug vom 26. April 2006 (BA B Bl. 143 ff. zu 11 PA 241/09) für die Familie B. enthaltenen Vornamen für die Eltern und die fünf ersten geborenen Kinder mit nur geringfügigen, aller Voraussicht nach aus unterschiedlichen arabischen bzw. türkischen Schreibweisen resultierenden Unterschieden den bislang angegebenen Vornamen. Auf die Gegenüberstellung der jeweiligen Vornamen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2006 wird insoweit Bezug genommen. Unerheblich ist voraussichtlich, dass die jeweiligen Geburtsdaten nicht völlig übereinstimmen, denn die im türkischen Register eingetragenen Geburtsdaten sind - wie dem Senat aus einer Vielzahl von Fällen bekannt ist - aus verschiedensten Gründen häufig ungenau. Ebenso stimmen die Angaben des Vaters der Klägerin über die Namen von sieben seiner Geschwistern im Wesentlichen -wiederum unter Berücksichtigung der unterschiedlichen arabischen und türkischen Schreibweise - mit denen in einem weiteren, soweit derzeit ersichtlich die Eltern des Vaters der Klägerin betreffenden, türkischen Registerauszug überein (vgl. hierzu die Gegenüberstellung der Namen im Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2009 sowie den Registerauszug auf Bl. 173 der GA). Für die erstmals nach Erhalt jenes Registerauszuges vorgetragene Behauptung, es handele sich lediglich um Stiefgeschwister des Vaters der Klägerin, sind bislang keine aussagekräftigen Unterlegen vorgelegt, sodass zumindest im Rahmen dieses Prozesskostenhilfeverfahrens der Vortrag als Schutzbehauptung zu bewerten ist. Die Vielzahl der übereinstimmenden Vornamen dürfte es verbieten, lediglich von Zufälligkeiten auszugehen. Weiteres Indiz für die türkischen Wurzeln der Familie ist, dass die Mutter der Klägerin zusammen mit der Klägerin von Mitte Juli bis Mitte August 1992 in die Türkei gereist ist und kurz zuvor, nämlich Anfang Juli 1992 die ersten fünf (zwischen 1984 bis 1991) geborenen Kinder (darunter die Klägerin) in das türkische Register aufgenommen worden sind. Für diesen Aufenthalt gibt es, ihren Vortrag sie kämen aus dem Libanon und hätten keine Beziehungen zur Türkei als wahr unterstellt, keinen plausiblen Grund. Der Vortrag die Mutter der Klägerin habe über die Türkei versuchen wollen, in den Libanon zu gelangen, um dort Ausweispapiere zu erhalten, erscheint nach derzeitiger Prüfung vorgeschoben, zumal die Mutter Analphabetin ist. Schließlich ist in die Bewertung mit einzustellen, dass - wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist - aus dem Landkreis Savur, Provinz Mardin (und hier insb. aus dem Dorf Ückavack, aber auch aus anderen Dörfern wie z.B. Yenilmez oder Ömerli) in der Vergangenheit vornehmlich im Zeitraum von 1985 bis 1990 viele Großfamilien arabisch-kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich zwischenzeitlich teilweise im Libanon niedergelassen hatten, in das Bundesgebiet einreisten, um mit der Behauptung, staatenlose Kurden aus dem Libanon zu sein, ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Eine (zwangsweise) Rückkehr in den Libanon war damals nicht möglich, weil die dortigen Behörden die Ausstellung von Heimreisedokumenten mit der Begründung verweigerten, dass die Betroffenen keine libanesischen Staatsangehörigen seien. Ein Großteil dieser Personen stellte in Deutschland (teilweise auch unter AliasNamen) Asylanträge, die fast ausnahmslos abgelehnt wurden. Aufgrund eines seinerzeit bestehenden Abschiebestopps wurde der Aufenthalt zunächst geduldet, bis dann gemäß der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung vom 18. Oktober 1990 Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden, die später als Aufenthaltsbefugnisse fortgalten. Später erhielten die zuständigen Ausländerbehörden Hinweise, dass es sich überwiegend nicht um staatenlose Kurden, sondern um solche mit türkischer Staatsangehörigkeit handelte. Diese Umstände deuten auf eine geplante Aktion der genannten Personengruppe mit dem Ziel hin, durch Verschweigen der türkischen Herkunft in Deutschland dauerhaft zu bleiben (vgl. z.B. Urt. d. Sen. v. 26.2.2009 - 11 LB 170/08 -, v. 29.1.2009 -11 LB 136/07 -, v. 16.12.2008 - 11 LB 135/07 -, v. 20.5.2003 - 11 LB 35/03 - sowie Beschlüsse u.a. v. 10.6.2008 - 11 LA 368/07 -, v. 13.3.2008 - 11 ME 481/07 -, v. 14.8.2007 - 11 ME 292/07 -, v. 12.6.2007 - 11 LA 109/07 -, v. 21.5.2007 - 11 ME 126/07 -, v. 15.11.2006 - 11 LA 215/06 -, v. 1.2.2006 - 11 ME 27/06 -, v. 27.4.2005 - 11 ME 47/05 -, v. 19.11.2004 - 11 ME 268/04 -, v. 15.9.2004 - 11 ME 181/04 -, v. 16.12.2003 - 11 ME 362/03 -, v. 14.3.1997 - 11 M 333/97 - jeweils zu dem Ort Ückavack sowie Urteil v. 27.9.2007 - 11 LB 108/07 - zu Yenilmez sowie Beschl. v. 15.9.2008 - 11 LA 244/03 -, v. 14.3.1997 - 11 M 891/97 - zu Ömerli). Der Vortrag der Klägerin, sie könne kein türkisch, allenfalls arabisch fügt sich in diese Erkenntnislage ein."

36

Spricht somit derzeit mehr für als gegen eine türkische Staatsangehörigkeit der Klägerin, ist die Rücknahme der ihm erteilten Niederlassungserlaubnis aller Voraussicht nach ermessensfehlerfrei nach § 48 Abs. 1 VwVfG erfolgt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (früher: unbefristete Aufenthaltserlaubnis) lagen 1994 nicht vor, weil der Aufenthalt materiell nicht rechtmäßig war; denn bei Kenntnis der türkischen Staatsangehörigkeit wäre der Klägerin und ihrer Familie nach deren Einreise aller Voraussicht nach kein Aufenthaltsrecht erteilt worden. Im Rahmen ihres Ermessens hat die Beklagte die privaten Belange der Klägerins berücksichtigt. Dies gilt auch im Hinblick auf die in Deutschland geborenen minderjährigen Kinder der Klägerin und ihres Ehemannes, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Beklagte hat nämlich ihre Ermessenserwägungen im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO) und mit Schriftsatz vom 31. März 2009 ausgeführt, dass die Klägerin und ihr Ehemann bis 2012, solange noch ein Kind minderjährig sei, Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG hätten, wenn ihre Identität zweifelsfrei feststehe. Da die Klägerin und ihr Ehemann, wie die Beklagte durch die beiden von ihr vorgelegten Personenstandsregisterauszüge belegt hat, als türkische Staatsbürger in dem Personenstandsregister in der Türkei registriert sind, könnten sie ohne Weiteres einen türkischen Pass erhalten, damit ihre Identität nachweisen und auf diese Weise zum Zwecke des Zusammenlebens mit den minderjährigen Kinder ihren weiteren befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet sichern.

37

Gegen die Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung sind Bedenken nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich." Dem schließt sich das erkennende Gericht auch für das Hauptsacheverfahren an. Dem Kläger ist es nicht gelungen, diese Argumente und die zutreffenden Gründe der Beklagten, auf deren Bescheid gemäß § 117 Abs. 5 VwGO im Übrigen Bezug genommen wird, zu entkräften.

38

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwGO wurde eingehalten.

39

Die mit der Rücknahme verbundene Ausreiseaufforderung und die Abschiebeandrohung beruht auf den §§ 50, 59 AufEnthG.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 VwGO. Da hinsichtlich des einen Teils die Klage keinen Erfolg hatte, hinsichtlich des anderes Teil der Kläger aber klaglos gestellt wurde, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.