Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.06.2010, Az.: 2 A 3924/09

Berufsausübungserlaubnis; Berufsausübungserlaubnis

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
17.06.2010
Aktenzeichen
2 A 3924/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41089
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:0617.2A3924.09.0A

Fundstellen

  • MedR 2011, 455-456
  • NVwZ-RR 2010, 940-941

Amtlicher Leitsatz

  1. 1..

    Die Weiterbildung zum Facharzt unterfällt dem Aufenthaltszweck der Ausbildung, nicht dem der Erwerbstätigkeit.

  2. 2..

    Die Erlaunbis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG.

Tatbestand:

1

Der im Jahre A. geborene Kläger schloss in B. das Studium der Humanmedizin mit dem Doktorgrad ab und bildete sich anschließend vier Jahre lang als Facharzt für allgemeine Chirurgie am dortigen Universitätskrankenhaus weiter. Seit Mai 2002 war er als Assistent an der medizinischen Fakultät der Universität C. tätig. Am 30.11.2003 reiste der Kläger - ausgestattet mit einem Stipendium der Universität - mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zweck seiner Einreise waren zunächst der Besuch eines Deutschkurses und anschließend die Weiterbildung zum Facharzt für Herz- und Gefäßchirurgie, zu der er von der Medizinischen Hochschule D. eingeladen worden war. Der Kläger wurde dort als so genannter Gastarzt tätig, nachdem ihm die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs sowie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Nr. 2 AAV - beide befristet - erteilt worden waren.

2

Beide Erlaubnisse sind in der Folgezeit verlängert worden. Die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs durch die Ärztekammer D., zuletzt bis zum 31.10.2010. Die Beklagte verlängerte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers mehrfach auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 AufenthG. Sie verfuhr auf diese Weise auch, nachdem der Kläger mit Wirkung vom 01.10.2006 einen Arbeitsvertrag mit dem Land Niedersachsen als Arzt zur Weiterbildung (nicht mehr als Gastarzt) bei der MHH als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, vergütet nach BAT II a, abgeschlossen hatte. Der Arbeitsvertrag war zunächst bis Ende September 2009 befristet und wurde inzwischen bis zum 31.10.2010 verlängert. Der Arbeitsvertrag vom 01.10.2009 ist bis zu dem genannten Datum nach dem Gesetz über befristeten Arbeitsvertrag in der Wissenschaft befristet. Der Kläger wird nach Entgeltgruppe Ä 1 des Tarifvertrages für Ärzte an Universitätskliniken entlohnt und wird in Vollzeit beschäftigt (42 Stunden pro Woche). Ihm wird im Rahmen der Beschäftigung Gelegenheit gegeben, sich auf dem Gebiet der Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie weiterzubilden.

3

Bereits am 12.08.2009 hatte der Kläger beantragt, seine bis zum 30.09.2009 befristete Aufenthaltserlaubnisverlängerung zu verlängern. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.08.2009 die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab. Der Bescheid führt dazu aus, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert, da die geplante Verlängerung seines Arbeitsvertrages nur bis zum 31.10.2010 erfolgen solle. Darüber hinaus sei der Kläger auch nur im Besitz einer vorübergehenden Berufsausübungserlaubnis (damals bis zum 31.03.2010), sodass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 u. 6 AufenthG nicht erfüllt seien.

4

Der Kläger hat am 21.09.2009 Klage erhoben. Unter dem 01.10.2009 verlängerte die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers bis zum 31.03.2010 auf der Grundlage des § 17 AufenthG. Gegen die Änderung der Rechtsgrundlage für die Aufenthaltserlaubnis hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

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Der Kläger ist der Auffassung, er erfülle die Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Bei einem Gesamtbedarf von 650 EUR erziele er Nettoeinnahmen von 4.900 EUR, ohne unterhaltspflichtig zu sein. Er besitze darüber hinaus ein Barvermögen von ca. 50.000 EUR. Die Befristung seiner Einstellung ändere nichts an seiner Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt auf Dauer bestreiten zu können. Abgesehen davon, dass regelmäßige Einkünfte vom Gesetz nicht vorausgesetzt würden, sei er jederzeit in der Lage, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Die Befristung seiner zur Berufsausübung erteilten Erlaubnis sei unschädlich, wenn mit der Befristung nur der Zweck verfolgt werde, seine Berufstauglichkeit erneut zu prüfen. So liege es hier. Zudem dürfe er aufenthaltsrechtlich nicht deshalb schlechter gestellt werden, weil er als Arzt tätig sei.

6

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28.08.2009 zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen

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und verteidigt den angegriffenen Bescheid. Dazu führt sie aus, approbierte Ärzte, die sich in der Ausbildung zum Facharzt befänden, würden von der Bundesanstalt für Arbeit als "Arzt in Weiterbildung" bezeichnet, sodass ihr Aufenthalt folglich unter die Regelung des § 17 AufenthG falle. Die Umstellung bei Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei nach Rücksprache mit der Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Eine Verlängerung der Berufsausübungserlaubnis erfolge durch die Approbationsbehörde und sei nur zulässig, wenn die Gewähr dafür gegeben sei, dass die Weiterbildung innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werde. Drittstaatsangehörige müssten ihre Rückkehrwilligkeit in ihr Heimatland bei der Beantragung der Berufsausübungserlaubnis versichern und zunächst wieder zwei Jahre in ihrer Heimat tätig werden, bevor sie eine neue Berufsausübungserlaubnis beantragen könnten. Im Übrigen könne unmittelbar im Anschluss an die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 17 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis nicht erteilt werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Zwar hat der Kläger ausweislich der beigezogenen Ausländerakte einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht gestellt, sondern unter dem 12.08.2009 lediglich beantragt, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, weil die MHH ihm die Verlängerung seines Arbeitsvertrages angeboten hatte. Der angegriffene Bescheid lehnt jedoch eine Niederlassungserlaubnis ab, sodass die Beklagte mit dem jetzt zur Entscheidung des Gerichts gestellten Begehren vor Klageerhebung befasst war. Zudem hat sich die Beklagte auf das geänderte Begehren auch im Klageverfahren eingelassen.

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Die Klage muss jedoch in der Sache ohne Erfolg bleiben, weil dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zur Seite steht.

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Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil die ihm zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis zu Recht auf der Grundlage des § 17 AufenthG erteilt wurde und gem. §§ 17 Satz 316 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in entsprechender Anwendung der geltend gemachte Anspruch nicht auf § 9 AufenthG gestützt werden kann. Andere Rechtsgrundlagen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind für den Kläger nicht ersichtlich. Das Gesetz unterscheidet bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verschiedene Aufenthaltszwecke. Richtigerweise ist der Aufenthaltszweck des Klägers der der Weiterbildung, sodass auf ihn Abschnitt 3 des AufenthG Anwendung findet und in den früheren Aufenthaltserlaubnissen zu Unrecht auf § 18 AufenthG (Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit) abgestellt worden war. Das Visum, mit dem der Kläger eingereist ist, enthält die Zweckbestimmung "nur zum Studium, Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Dies entspricht dem vom Kläger angegebenen Einreisezweck, nämlich der beruflichen Qualifizierung als Arzt. Die von der Beklagten verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnisse weisen dann auch darauf hin, dass die Aufenthaltsgenehmigung mit Beendigung der Beschäftigung als Gastarzt bzw. mit Beendigung der Beschäftigung bei der MHH erlischt. Auch nach Beendigung des Status als Gastarzt weist der Arbeitsvertrag des Klägers vom 20.09.2006 in seinem § 1 aus, dass die Beschäftigung auch zum Zwecke der eigenen Weiterqualifikation erfolgt. Mit der Weiterqualifikation ist Bezug genommen auf die Absicht des Klägers, in Deutschland die Gebietsbezeichnung als Facharzt für Gefäß- bzw. Herzchirurgie zu erwerben. Eine solche Weiterbildung setzt ein Vertragsverhältnis voraus, sie erfolgt gem. § 5 Abs. 2 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 27.11.2004 (zuletzt geändert zum 01.02.2010) "im Rahmen angemessen vergüteter ärztlicher Berufstätigkeit unter Anleitung zur Weiterbildung ermächtigter Ärzte". Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass Zweck des Aufenthaltes des Klägers eine betriebliche Weiterbildung im Sinne des § 17 S. 1 AufenthG war. Liegt es aber so, kann ihm eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG schon deshalb nicht erteilt werden, weil die Anwendbarkeit dieser Vorschrift gem. § 17 Satz 3 AufenthG aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgeschlossen ist.

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Unabhängig davon erfüllt der Kläger auch nicht die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG, weil er nicht im Besitz einer für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnis ist. Wer im Bundesgebiet den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach Maßgabe des § 10 BÄO. Der Kläger ist zwar in Syrien, nicht aber im Bundesgebiet als Arzt approbiert. Seine ihm erteilte Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs in Niedersachsen ist befristet erteilt worden. Seit dem 01.04.2006 hat die Ärztekammer Niedersachsen ihre Aufgabe als zuständige Stelle für die Erteilung der Berufserlaubnis an den Niedersächsischen Zweckverband zur Approbationserteilung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, übertragen. Die von dort erteilte Berufserlaubnis wurde befristet. § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO bestimmt, dass die Erlaubnis nur widerruflich und nur bis zu einer Gesamtdauer der ärztlichen Tätigkeit von höchsten vier Jahren erteilt werden kann. Eine weitere Erteilung ist für den Zeitraum möglich, der erforderlich ist, damit eine unverzüglich nach Erteilung der Erlaubnis begonnene Weiterbildung zum Facharzt abgeschlossen werden kann, die innerhalb von vier Jahren aus vom Antragsteller nicht zu vertretenen Gründen nicht beendet werden konnte (§ 10 Abs. 2 S. 3 BÄO). Auf Grundlage dieser Bestimmung ist die Berufserlaubnis des Klägers bereits verlängert worden. Seine erste Erlaubnis datiert vom 09.09.2003, erteilt noch von der früheren Bezirksregierung D.. Unter den beschriebenen Voraussetzungen darf die Verlängerung den Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten, vgl. § 10 Abs. 2 S. 4 BÄO. Auf der Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 2 BÄO liegt die maximale Geltungsdauer der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs demgemäß bei sieben Jahren. Diese Frist läuft am 31.10.2010 ab, weil die erste Erlaubnis mit Wirkung vom 01.11.2003 erteilt wurde.

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Ob über den Zeitraum von sieben Jahren hinaus der Kläger einen Anspruch auf weitere Verlängerung nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 BÄO hat, ist nicht im vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahren, sondern gegebenenfalls in einem Verfahren gegen die Erlaubnisbehörde zu klären. Zur Zeit ist der Kläger jedenfalls nicht im Besitz einer Erlaubnis, die ihn zur dauernden Ausübung seines Berufs berechtigt, wie es § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 AufenthG voraussetzt. Die berufsrechtliche Rechtslage hat eine entwicklungshilfepolitische Zielsetzung. Die in der Bundesrepublik Deutschland gewährte Ausbildung zum Arzt soll möglichst bald der Bevölkerung des Heimatlandes des Arztes zu Gute kommen. Dieser Gedanke wird auch nicht durch den langen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland verdrängt, insbesondere kein Vertrauenstatbestand geschaffen, der geeignet wäre, einen weitergehenden Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis nach § 10 Abs. 3 BÄO zu begründen (BVerwG, U. v. 17.10.1980, BVerwG E 59, 284). Im Übrigen kann die Ermessensentscheidung nach § 10 Abs. 3 BÄO auch nur dahin gehen, die Erlaubnis nochmals zu verlängern, ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten (dauernden) Berufsausübungserlaubnis kann auf diese Vorschrift nicht gestützt werden.

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Nun weist der Klägers darauf hin, dass die Befristung der Erlaubnis zur Berufsausübung im Rahmen des § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 AufenthG unschädlich sei, wenn mit der Befristung nur bezweckt ist, die Berufstauglichkeit des Ausländers erneut zu prüfen. Dies entspricht der Nr. 9.2.6.2 der Verwaltungsvorschrift des Bundes zum AufenthG, die davon ausgeht, dass die Voraussetzung in allen den Fällen anzunehmen ist, in denen für Deutsche dieselben Regelungen gelten. Die Verwaltungsvorschrift steht indessen im Widerspruch zu dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, der eine Erlaubnis zur dauernden Ausübung der Erwerbstätigkeit verlangt. An diese gesetzliche Bestimmung, nicht an die Verwaltungsvorschrift ist die Kammer gebunden. Als Arzt steht der Kläger damit aufenthaltsrechtlich schlechter da als ein Arbeitnehmer, für den § 9 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG auch eine befriste Aufenthalterlaubnis ausreichend sein lässt. Die gesetzliche Ungleichbehandlung ist durch die genannte entwicklungspolitische Zielsetzung begründet und gerechtfertigt.

16

Unabhängig davon liegt ein Ausnahmefall im Sinne der Nr. 9.2.6.2 VwV AufenthG, der zwingen könnte, von einer auf Dauer erteilten Berufserlaubnis abzusehen, im Fall des Klägers nicht vor. Die weitere Verlängerungsmöglichkeit des § 10 Abs. 3 BÄO setzt entweder voraus, dass sie im Interesse der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung liegt oder aber für ausländische Antragsteller weitere, vom Kläger nicht erfüllte Voraussetzungen vorliegen. Erstgenannte Alternative hat keinen Bezug zur Berufstauglichkeit des Klägers als Arzt, sondern dient dem Zweck, den Gesundheitsbehörden die Möglichkeit zu geben, mit dem Instrument der Bedarfslenkung einer durch Ärztemangel hervorgerufenen Unterversorgung der Bevölkerung entgegen zu steuern (BVerwG, U. v. 04.02.1982, Buchholz 418.00 Nr. 52). Die zweite Alternative des § 10 Abs. 3 S. 1 BÄO richtet sich ausschließlich an Ausländer und ist schon daher nicht geeignet, einen Ausnahmetatbestand im Sinne der Nr. 9.2.6.2 der Verwaltungsvorschrift des Bundes zu begründen.

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Kann die Klage nach all dem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben, ist sie mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO abzuweisen.