Verwaltungsgericht Hannover
v. 01.06.2010, Az.: 13 A 4245/09
Anspruch auf eine Beförderung zur Direktorstellvertreterin
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 01.06.2010
- Aktenzeichen
- 13 A 4245/09
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2010, 17538
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2010:0601.13A4245.09.0A
Rechtsgrundlage
Verfahrensgegenstand
Beförderung auf Lebenszeit bei einem Amtsinhaber auf Zeit
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt ihre Beförderung zur Direktorstellvertreterin (BesGr. A 15 NBesO). Sie befindet sich derzeit im Statusamt einer Konrektorin (BesGr. A 13, seit 01.03.2007) und ist an einer IGS tätig. An dieser Schule gibt es eine "besondere Ordnung" im Sinne des § 44 NSchG, wonach auch die Übertragung eines höherwertigen Amtes zunächst mit zeitlicher Befristung erfolgt.
Entsprechend wurde ihr mit Bescheid der Beklagten vom 30.08.2007 ab 01.09.2007 das Funktionsamt einer Direktorstellvertreterin bis zum 31.08.2014 übertragen und sie in eine Planstelle der BesGr. A 15 NBesO eingewiesen.
Mit Schreiben vom 08.06.2009 meldete die Klägerin ihren Anspruch an, auf Lebenszeit zur Direktorstellvertreterin befördert zu werden.
Mit Bescheid vom 01.09.2009 lehnte die Beklagte dieses Begehren ab.
Die Klägerin hat am 01.10.2009 Klage erhoben.
Die Klägerin spricht sich gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid aus. Sie weist daraufhin, dass das Bundesverfassungsgericht eine ihrer Ansicht nach vergleichbare Norm wie § 44 NSchG aus Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt habe. Deshalb meint sie, sei auch § 44 NSchG ebenfalls verfassungswidrig. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2007 - 2 C 21/06 - ergebe sich die Rechtsfolge, dass sie, die Klägerin, auf Lebenszeit in das Amt einer Direktorstellvertreterin zu berufen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2009 die Beklagte zu verpflichten, sie - hilfsweise unter Einhaltung gesetzlicher Zeitschranken -zur Direktorstellvertreterin (BesGr. A 15 NBesO) zu befördern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen. Für das Beförderungsbegehren gebe es keine Rechtsgrundlage. Auch sei die niedersächsische Regelung nicht mit der aus Nordrhein-Westfalen vergleichbar, über die das Bundesverfassungsgericht entschieden habe. Der begehrten Beförderung nach BesGr A 15 stehe zudem entgegen, dass sich die Klägerin erst in einem Amt der BesGr. A 13 befinde.
Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Das Einverständnis der Beteiligten für diese Entscheidungsform ist - anders als bei einem Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO - nicht erforderlich. Das Gericht ist der Ansicht, dass der vorliegende Fall durch Gerichtsbescheid zu entscheiden ist, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist.
Es handelt sich bei einem Gerichtsbescheid auch nicht, wie die Klägerin meint, um ein Verfahren "zweiter Klasse". Die Klägerin kann, wenn sie sich davon Erfolg verspricht, durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung eine mündliche Verhandlung erzwingen; sie hat allerdings auch die Wahl, sich direkt mit einen Antrag auf Zulassung der Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu wenden. Rechtsschutzgarantien werden durch den Gerichtsbescheid nach alledem nicht eingeschränkt oder gar beseitigt.
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Beförderung zur Direktorstellvertreterin.
Einen irgendwie gearteten Rechtsanspruch auf eine Beförderung sieht weder das Niedersächsische Beamtengesetz, noch das Niedersächsische Schulgesetz und auch nicht das Beamtenstatusgesetz vor (vgl. dazu die frühere ausdrückliche Regelung in § 14 Abs. 4 NBG a.F.: "Ein Rechtsanspruch auf Beförderung besteht nicht").
Ein derartiger Rechtsanspruch lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 28.05.2008 - 2 BvL 11/07 den § 25b des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (BeamtG NRW) für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat.
Von dieser Entscheidung wird § 44 NSchG nicht erfasst. Diese Vorschrift ist weiterhin wirksam. Das Gericht sieht auch keine Veranlassung, das vorliegende Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 BVerfGG auszusetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 44 NSchG zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu stellen. Denn darauf kommt es nicht an.
Es kann deshalb auch offen bleiben, ob § 44 NSchG überhaupt mit § 25b BeamtenG NRW vergleichbar ist - wie die Klägerin meint - oder ob nicht vielmehr stattdessen der Ansicht der Beklagten, die eine Vergleichbarkeit verneint, zu folgen ist. Immerhin ist die Frage erwägenswert, ob die "besondere Ordnung" an der IGS, an der die Klägerin tätig ist, nicht doch eine Ausnahme vom Prinzip der Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zulässt. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls dann Ausnahmen vom Lebenszeitprinzip für zulässig erachtet, wenn sie "geeignet und erforderlich [sind], um den besonderen Sachgesetzlichkeiten Rechnung zu tragen", bzw. wenn "Besonderheiten des betroffenen Sachbereichs und der damit verbundenen Aufgabenwahrnehmung" vorliegen. Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung insbesondere an der Regelung in § 25b BeamtG NRW angeknüpft, die erst nach zwei Amtszeiten auf Zeit eine Verleihung auf Lebenszeit ermöglichte. Der davon betroffene nordrhein-westfälische Beamte hatte über einen Zeitraum von zehn Jahren keine gesicherte Rechtsstellung, zumal selbst eine zweite befristete Amtszeit ihm nicht sicher war. § 44 Abs. 6 NSchG schreibt hingegen vor, dass der bisherige Amtsinhaber nach Ablauf der Übertragungszeit das Amt auf Lebenszeit verliehen bekommt, wenn er dann die Voraussetzungen für eine erneute Übertragung des Amtes erfüllt. Die niedersächsische Regelung bietet gegenüber der nordrhein-westfälischen den Beamten eine weitaus gesicherte Perspektive.
Letztendlich können diese Fragen aber offenbleiben, weil selbst eine einmal unterstellte Verfassungswidrigkeit des § 44 NSchG der Klage nicht zum Erfolg verhelfen würde.
Wenn das Bundesverfassungsgericht § 44 NSchG jedenfalls hinsichtlich der dort geregelten Ämter auf Zeit für verfassungswidrig erklären würde, dann wäre der ursprüngliche Bescheid vom 30.08.2007 der Beklagten zwar rechtswidrig. Er ist jedoch bestandskräftig geworden, weil die Klägerin nicht dagegen vorgegangen ist. Der Umstand, dass die Klägerin seinerzeit selbst nicht von einer Verfassungswidrigkeit ausging, steht der Bestandskraft nicht entgegen. Zwar gibt es einerseits den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung, andererseits aber auch den Grundsatz des Rechtsfriedens, der mit Ablauf von Rechtsmittelfristen eintreten soll. Es ist nicht möglich, jede versäumte Rechtsbehelfsfrist mit der Berufung auf den Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung zu unterlaufen (so schon VG Hannover, Urteil vom 04.01.2008 - 13 A 1597/07 -). Die Nichtigkeit der damaligen Funktionsübertragung kann nicht angenommen werden; für einen schwerwiegenden Fehler i.S.d. 3 44 VwVfG sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Im Übrigen dürfte dies auch nicht im Interesse der Klägerin liegen, weil sie in einem solchen Fall dann überhaupt kein Funktionsamt übertragen bekommen hätte. Eine Rechtsfolge, wie im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2007 - 2 C 2106 u.a. angedeutet, kommt hingegen nur in Betracht, wenn ein Beamter die Verfügung der Übertragung eines Amtes auf Zeit mit der Begründung angefochten hat, ihm müsse das Amt auf Lebenszeit verliehen werden.
Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes folgt nicht, dass sich ein bestandskräftig übertragenes Amt auf Zeit im Falle der Nichtigkeit der der Ernennung zugrundeliegenden Vorschrift automatisch in ein Amt auf Lebenszeit umwandelt. Vielmehr bedarf die Besetzung des statusmäßig erweiterten Amtes, wenn es denn als Amt auf Lebenszeit beibehalten werden soll, der entsprechenden Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung. Die Vergabe eines Amtes auf Zeit und auf Lebenszeit unterscheidet sich wesensmäßig (Kontinuität), so dass auch die Auswahlkriterien unterschiedlich sein können (VG Hannover, Urteil vom 30.04.2009, - 13 A 7053/06 -).
Die vom Bundesverfassungsgericht gesehenen verfassungsrechtlich unerwünschten Folgen des Umstandes, dass eine Amtsführung durch die Situation mangelnder rechtlicher Sicherheit des Amtswalters belastet ist, können zudem nicht mehr nachträglich beseitigt oder abgewehrt werden, indem man dem betroffenen Beamten, wenn er erst lange nach Beginn seiner Amtsperiode seine für verfassungswidrig gehaltene Lage geltend macht, nunmehr einen Anspruch darauf einräumt, dass ihm das auf Zeit verliehene Amt nun auf Lebenszeit übertragen werde. Dass dies den persönlichen Interessen des Betroffenen entsprechen dürfte, ist nicht entscheidend, weil dessen Belange nicht den eigentlichen Grund der verfassungsrechtlichen Bedenken darstellen. Daher ist auch kein Vergleich mit den Fällen einer unzulässigen Befristung von Arbeitsverträgen möglich. Außerdem ist dieser Vergleich deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich die Klägerin in einem unbefristeten Beamtenverhältnis auf Lebenszeit befindet und nur in der Zeit vom 01.09.2007 bis 31.08.2014 für die Wahrnehmung eines bestimmten Funktionsamtes ein Beamtenverhältnis auf Zeit bestand bzw. noch besteht (vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2006 - 5 ME 254/06 -).
Eine direkte Beförderung in ein Amt der BesGr. A 15 NBesO scheitert zudem an § 20 Abs. 3 Satz 2 NBG: Ämter, die regelmäßig zu durchlaufen sind, dürfen danach nicht übersprungen werden.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.