Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 06.09.2007, Az.: VgK 36/2007

Erreichung eines bestimmten Schwellenwertes als Voraussetzung für eine Vergabenachprüfung bei losweiser Ausschreibung von Bauaufträgen; Aufzeigung von möglicherweise schadensbegründenden Umständen durch einen Antragsteller als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages; Unverzügliche Rüge eines Vergabemangels nach positiver Kenntnis von diesem Mangel als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages; Unvereinbarkeit eines Angebots mit einer vom Auftraggeber formulierten Mindestbedingung als Grund für einen Ausschluss dieses Angebots von der Wertung im Vergabeverfahren; Gewährung von erheblichen Preisvorteilen im Vergleich zu einem Hauptangebot als unzulässiges "Abmagerungsangebot"

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
06.09.2007
Aktenzeichen
VgK 36/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 41081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren "Kommunale Entlastungsstraße xxxxxxx, Bau einer Straßenüberführung"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.- Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.- Ing. Dierks
auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2007
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und das Nebenangebot der Beigeladenen aus der Wertung auszuschließen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.833 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Nach Vorinformation vom 28.03.2007 hat die Stadt xxxxxxx als Auftraggeberin mit Bekanntmachung vom 08.06.2007 den Bauauftrag "Kommunale Entlastungsstraße xxxxxxx, Bau einer Straßenüberführung" europaweit als Offenes Verfahren ausgeschrieben.

2

Der Auftrag beinhaltet den Bau einer 2-Feld Betonbrücke über die DB Strecke xxxxxxx -xxxxxxx mit 11,50 m Gesamtbreite und 43 m Überbaulänge mit Betonwiderlagern und Mittelpfeiler in Flachgründung. Varianten / Alternativangebote sind zulässig. Bezüglich der Zuschlagskriterien verweist die Bekanntmachung auf die Verdingungs- / Ausschreibungsunterlagen und die Aufforderung zur Angebotsabgabe. Als Angebotsschluss ist der 06.07.2007, 10:00 Uhr festgelegt.

3

Die Vergabeunterlagen enthalten u.a. die Aufforderung zur Angebotsabgabe, die Baubeschreibung und die Leistungsbeschreibung, beide erstellt durch das Ingenieurbüro xxxxxxx, xxxxxxx. Nach Ziff. 5.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe soll als Zuschlagskriterium bei Haupt- und Nebenangeboten ausschließlich der Preis gewichtet werden.

4

Die Bewerbungsbedingungen enthalten unter Ziff. 5 folgende Hinweise zu Nebenangeboten:

  1. 5.1.

    Nebenangebote müssen auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein, deren Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen.

  2. 5.2.

    Sind Nebenangebote zugelassen, müssen sie die geforderten Mindestanforderungen erfüllen; dies ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

  3. 5.3.

    Der Bieter hat die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. Nebenangebote müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen.

  4. 5.4.

    Nebenangebote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme).

  5. 5.5.

    Nebenangebote, die den Nummern 5.1, 1. Halbsatz, 5.2 bis 5.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen.

5

Die Baubeschreibung enthält unter Ziff. 6 folgende Mindestbedingungen für Nebenangebote und Sondervorschläge:

"Nebenangebote und Sondervorschläge sind zugelassen, sofern die Hauptabmessungen und die Gestaltung des Bauwerkes beibehalten wird und beim Bauverfahren die Belange der DB AG berücksichtigt sind. Nebenangebote sind mit folgenden Unterlagen einzureichen:

- Vorstatik

- Übersichtsplan und Regelquerschnitt

- Erläuterungsbericht mit Darstellung des Bauablaufes

- Prüffähige Mengenermittlung für die betroffenen Leistungen

Die Gewährleistung beträgt 5 Jahre für das Gesamtbauwerk."

6

Während der Angebotsphase hat es nach Maßgabe der Vergabeakte keinerlei Nachfragen und Rügen gegeben.

7

Nach der Niederschrift über die Angebotseröffnung sind 8 Angebote fristgerecht bei der Auftraggeberin eingegangen. Die Antragstellerin und die Beigeladene haben jeweils ein Hauptangebot vorgelegt, die Beigeladene außerdem ein Nebenangebot. Nach den eingetragenen ungeprüften Angebotssummen hat die Antragstellerin das preislich niedrigste Hauptangebot abgegeben.

8

Die Angebote wurden von dem hiermit beauftragten Büro xxxxxxx, xxxxxxx, geprüft.

9

Im Rahmen dieser Prüfung fand am 18.07.2007 ein Aufklärungsgespräch gemäß § 24 VOB/A mit der Beigeladenen statt. Thema des Gespräches war u.a. der Sondervorschlag unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Bedingungen. Das Büro xxxxxxx hält hierzu fest:

"Der Flügel der Varianten 0 und 1 sind nicht genehmigungsfähig, Variante 2 kann gemäß NLStBV gebaut werden."

10

Über das Ergebnis seiner Prüfung fertigte das Büro xxxxxxx eine mit dem 18.07.2007 datierte Vergabeempfehlung. S. 2 der Vergabeempfehlung enthält Ausführungen zur Wertung der von den Bietern vorgelegten Nebenangebote und Sondervorschläge. Zu deren Wertbarkeit stellt das Büro xxxxxxx fest:

"Alle Nebenangebote sind wertbar, da sie eine technisch gleichwertige Bauausführung beschreiben, die die Qualität der fertigen Brücke wie ausgeschrieben sicherstellt. Die Sondervorschläge wurden fachlich überprüft und sind ausführbar. Durch die Verbreiterung der Stützweiten ergeben sich für den Auftraggeber weitere Kostenvorteile aus Massenreduzierungen bei den Rampen, der geringeren Verlegung von Bahnleitungen und Sicherungsmaßnahmen der DB.

Der Sondervorschlag der Firma xxxxxxx mit den 2 Alternativen wurde den an der Kreuzungsvereinbarung beteiligten Stellen mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt. Aus Sicht der DB gab es keine technischen Anmerkungen, das NLStBV stimmt dem Sondervorschlag in der Alternative 2 mit dem größeren Widerlager zu und äußert Bedenken zu den anderen beiden angebotenen Lösungen. Die weiteren Anregungen des NLStBV werden in der Ausführungsplanung berücksichtigt und mit dem NLStBV abgestimmt. Somit wird nur der Sondervorschlag in der Alternative 2 in die Wertung einbezogen.

Das Büro xxxxxxx kommt zu dem Ergebnis, dass nach Einbeziehung der Nebenangebote und Sondervorschläge das Angebot der Beigeladenen in Form des Sondervorschlages - Alternative 2 - mit einer Angebotssumme von 1.219.124,39 EUR das preislich günstigste Angebot darstellt. Das Hauptangebot der Antragstellerin liegt mit einem Angebotspreis von 1.277.989,15 EUR brutto auf Rang zwei. Unter Hinweis auf die Eignung der Beigeladenen und die Mängelfreiheit ihres Angebots empfiehlt das Büro xxxxxxx einen Zuschlag auf den in die Wertung einzubeziehenden Sondervorschlag der Beigeladenen.

Die Auftraggeberin hat die Vergabeempfehlung am 19.07.2007 abgezeichnet mit dem handschriftlichen Vermerk " Die Vergabeempfehlung wurde detailliert besprochen, sie entspricht den Vorstellungen der Stadt xxxxxxx."

11

Über das Vergabeverfahren fertigte die Auftraggeberin einen mit dem 07.08.2007 datierten Vergabevermerk. Hierin macht sie sich Prüfungsergebnis des Büros xxxxxxx zu eigen. Bezüglich der Wertung der vorgelegten Nebenangebote enthält der Vergabevermerk folgende Feststellung:

"Alle Nebenangebote sind zu werten, da sie eine technisch gleichwertige Bauausführung beschreiben und den Anforderungen aus Ziffer 5 der Bewerbungsunterlagen und Ziffer 6 der Baubeschreibung entsprechen, was die Qualität des fertigen Bauwerks wie ausgeschrieben sicherstellt.

Die Sondervorschläge wurden fachlich geprüft und entsprechen den Mindestanforderungen.

Der Sondervorschlag der Firma xxxxxxx mit 2 Alternativen wurde den an der Kreuzungsvereinbarung beteiligten Stellen mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt. Aus Sicht der DB gab es keine technischen Anmerkungen, das NLStBV stimmt dem Sondervorschlag in der Alternative 2 mit dem größeren Widerlager zu und äußert Bedenken zu den anderen beiden angebotenen Lösungen. Die weiteren Anregungen des NLStBV werden in der Ausführungsplanung berücksichtigt und mit dem NLStBV abgestimmt.

Somit wird nur der Sondervorschlag mit der Alternative 2 in die Wertung einbezogen."

12

Unter Verweis auf das bekannt gegebene Zuschlagskriterium Preis stellt die Auftraggeberin fest, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen in Form ihres Sondervorschlags - Alternative 2 - zu erteilen ist.

13

Mit Schreiben vom 23.07.2007 wurden die Bieter gemäß § 13 VGV über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen informiert. Den erfolglosen Bietern wurde hierbei unter Verwendung eines Formulars bezüglich ihres Unterliegens mitgeteilt:

"Ihr Angebot kann nicht angenommen werden, weil es unter Berücksichtigung der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannten Kriterien nicht gemäß § 16 VOF die bestmögliche Leistung erwarten lässt.

Begründung: ....

Nach Auswertung der Angebotsunterlagen wurde damit nicht das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt."

14

Mit Schreiben vom 25.07.2007 rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin als fehlerhaft, da offenbar falsche Wertungskriterien angewandt worden seien.

15

Die Rüge war für die Auftraggeberin Anlass für eine umfassende Überprüfung der Entscheidung. Die Vergabeakte enthält ein Schreiben vom 31.07.2007 des Ingenieurbüros xxxxxxx und einen Vermerk der Anwaltskanzlei Prof. xxxxxxx l Rechtsanwälte vom 01.08.2007 zur Wertung von Nebenangeboten.

16

Das Ingenieurbüro xxxxxxx definiert zunächst den in den Mindestbedingungen verwendeten Begriff "Hauptabmessungen" unter Bezugnahme auf Nutzung und Zweck des Bauwerks. Hierbei werden folgende Größen und Parameter als maßgeblich herausgestellt:

  • Breite des Querschnitts zwischen den Geländern

  • Gradiente und Achsverlauf der Straße

  • Lage und Lichtraumprofil der untenliegenden Gleise der DB

17

Für den Sondervorschlag der Beigeladenen stellt es im Ergebnis fest:

"In den zur Vergabe vorgeschlagenen Nebenangeboten des Bieters xxxxxxx werden die Hauptabmessungen nicht verändert. Die Bedingungen für Nebenangebote sind deshalb eingehalten.

Die Konstruktion und Details der Nebenangebote entsprechen dem geltenden Regelwerk. Die Nebenangebote sind technisch gleichwertig.

Da die Nebenangebote zudem wirtschaftlich vorteilhafter und günstiger sind, ist eine Vergabe des Auftrags für diese Nebenangebote technisch und wirtschaftlich konsequent und entspricht den Verdingungsunterlagen."

18

Die von der Auftraggeberin hinzugezogene Anwaltskanzlei Prof. xxxxxxx l Rechtsanwälte äußert sich ebenfalls zur Frage der Wertung von Nebenangeboten. Unter Auseinandersetzung mit den Kommentierungen und der aktuellen Rechtsprechung zur erforderlichen Festlegung von Mindestanforderungen wird festgestellt, dass die Verdingungsunterlagen in Ziffer 5 der Bewerbungsbedingungen und Ziffer 6 der Leistungsbeschreibung hinreichende Angaben von Mindestanforderungen an Nebenangebote enthalten.

19

Die Auftraggeberin machte sich diese Stellungnahmen zu eigen. Mit Schreiben vom 02.08.2007 informierte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihr Informationsschreiben nach § 13 VgV darüber, dass an der Vergabeentscheidung festgehalten werde.

20

Mit Schriftsatz vom 03.08.2007, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Verweis auf ihre Rüge beanstandet sie die von der Auftraggeberin vorgenommene Wertung und Vergabeentscheidung als vergaberechtswidrig. Ihre entsprechende Rüge habe die Auftraggeberin ohne inhaltliche Begründung zurückgewiesen.

21

Nach Akteneinsicht rügte sie mit Schreiben vom 13.08.2007 gegenüber der Auftraggeberin die Wertung des Nebenangebotes der Beigeladenen als unzulässig.

22

Zunächst einmal habe die Auftraggeberin die Mindestanforderungen an Nebenangebote nicht ausreichend bestimmt. Ein diesbezüglich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe erwähntes Formblatt EVM Erg EG Neb - 247 EG sei den Vergabeunterlagen nicht beigefügt worden. Außerdem habe sie einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab angewandt, nach den Unterlagen habe eine Prüfung der Gleichwertigkeit der Nebenangebote gar nicht stattgefunden. Schließlich habe die Auftraggeberin ihre Prüfung der Nebenangebote nicht ausreichend dokumentiert.

23

Ihr rein funktionales Verständnis der Mindestanforderungen für Nebenangebote sei nicht vereinbar mit dem in den Mindestanforderungen verwendeten Begriff der Hauptabmessung. Abmessung bedeute Quantität, also letztlich metrisch messbare Maße. Die 43 m Überbaulänge, die bereits in der Bekanntmachung zur Definition des Bauwerks enthalten sei, sei insoweit unabdingbar und bestimmend. Abgesehen davon, dass die Beigeladene mit ihrem Nebenangebot von der festgelegten Überbaulänge abgewichen sei, ließe der Preisvorteil ihres Angebotes zudem auf ein verstecktes "Abmagerungsangebot" schließen.

24

Die Antragstellerin beantragt

  • der Auftraggeberin die Zuschlagerteilung zugunsten der Beigeladenen zu untersagen und ihr die Wiederholung der Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer aufzugeben;

  • der Auftraggeberin die Verfahrenskosten aufzuerlegen;

  • die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten als für die Antragstellerin erforderlich festzustellen.

25

Die Auftraggeberin beantragt

  • den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen,

  • hilfsweise:

    den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen,

  • die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erachten,

  • die Antragstellerin zu verpflichten, der Auftraggeberin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

26

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin der Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht hinreichend nachgekommen sei. Trotz hinreichender Kenntnis aller relevanten Sachverhalte habe sie mit ihrem Schreiben vom 25.07.2007 keinen konkreten Vergaberechtsverstoß gerügt, sondern lediglich behauptet, die Vergabeentscheidung sei fehlerhaft, denn sie selbst habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

27

Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag unbegründet.

28

Als wirtschaftlichstes Angebot habe sie vergaberechtsfehlerfrei das von der Beigeladenen abgegebene Nebenangebot ermittelt, das Hauptangebot der Antragstellerin sei keineswegs das wirtschaftlichste Angebot. Das Nebenangebot entspreche den in den Vergabeunterlagen enthaltenen Mindestanforderungen und sei, wie entsprechende Überprüfungen ergeben haben, auch kein Abmagerungsangebot, sondern sei sauber und auch neu kalkuliert worden.

29

Den Vorwurf der mangelhaften Dokumentation ihrer Prüfung und Entscheidung weist sie als unzutreffend zurück.

30

Die Beigeladene hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil die Antragstellerin nicht darlegen könne, dass ihr der Auftrag zu erteilen sei. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Rüge. Die Auftraggeberin habe die Angebote vergaberechtsfehlerfrei gewertet und ihre Wertung korrekt dokumentiert. Hierbei habe sie die technische und wirtschaftliche Gleichwertigkeit bzw. sogar Höherwertigkeit ihres Nebenangebotes festgestellt. Ihr Nebenangebot entspreche auch den in den Verdingungsunterlagen bekannt gegebenen Mindestanforderungen. Der dort verwendete Begriff der "Hauptabmessungen" müsse, da die Auftraggeberin keine konkreten Angaben hierzu gemacht hat, im gehörigen Verkehrsverständnis des Bieterkreises unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen rein konstruktiv und auf die Funktionalität des Bauwerks bezogen verstanden werden. Auch andere Bieter haben die Vorgaben für Nebenangebote so verstanden. Andernfalls würde zudem die ausdrückliche Zulassung von Nebenangeboten und Sondervorschlägen keinen Sinn ergeben. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass die Vergabeunterlagen bezüglich der Mindestanforderungen an Nebenangebote fehlerhaft sind, hätte sie dies bereits während der Angebotsphase erkennen können und rügen müssen.

31

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 30.08.2007 Bezug genommen.

32

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97, Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin war gehalten, das Nebenangebot der Beigeladenen von der Angebotswertung auszuschließen. Die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss von der Wertung wegen einer unzulässigen Abweichung von den in der Baubeschreibung niedergelegten technischen Mindestbedingungen für Nebenangebote gem. § 25 a Nr. 3 VOB/A liegen vor.

33

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der Stadt xxxxxxx, handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftrageber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, zuletzt geändert durch die 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 23. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2334) ein Schwellenwert von 5.278.000 EUR. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevermerks vom 07.08.2007 ist die streitbefangene Baumaßnahme "Kommunale Entlastungsstraße xxxxxxx, Bau einer Straßenüberführung" Teil der Gesamtbaumaßnahme "Kommunale Entlastungsstraße xxxxxxx" mit einem geschätzten Gesamtauftragswert (ohne Mehrwertsteuer) von 6.360.000 EUR. Bereits die ausgeschriebene Teilbaumaßnahme "Kommunale Entlastungsstraße xxxxxxx, Bau einer Straßenüberführung" hat einen geschätzten Auftragswert von mehr als 1 Mio. EUR (netto). Das gemäß Seite 4 des Vergabevermerks preisgünstigste Hauptangebot hat eine Auftragssumme von 1.277.989,15 EUR inkl. Mehrwertsteuer, also 1.073.940,46 EUR netto. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags übersteigt damit den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

34

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen nur deshalb als das wirtschaftlichste Angebot ermittelt habe, weil sie es vergaberechtswidrig entgegen § 25 a Nr. 3 VOB/A in der Wertung belassen habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rn. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich S. 4 des Vergabevermerks - Reihenfolge der Bieter - liegt das Hauptangebot der Antragstellerin mit einer geprüften Angebotsendsumme von 1.277.989,15 EUR brutto auf Rang 2 hinter dem Nebenangebot der Beigeladenen. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

35

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gerügt. Die nur einen Tag nach Erhalt der mit dem 23.07.2007 datierten Information gemäß § 13 VgV der Auftraggeberin per Fax am 25.07.2007 bei der Auftraggeberin eingegangene 1. Rüge der Antragstellerin und die per Fax am 13.08.2007 erhobene 2. Rüge der Antragstellerin auf die der Antragstellerin am gleichen Tag per Fax zugestellte Antragserwiderung der Auftraggeberin vom 10.08.2007 erfolgten unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

36

Die erste Rüge mit dem Inhalt: "Diese Vergabeentscheidung ist fehlerhaft, weil das Angebot unserer Niederlassung das wirtschaftlichste ist, damit auch die bestmögliche Leistung erwarten lässt und Sie offenbar die falschen Wertungskriterien angewandt haben.", war im Hinblick auf die fehlerhaft begründete Information nach § 13 VgV der Auftraggeberin ausreichend. Die Auftraggeberin muss sich insoweit an ihrer versehentlich falsch gewählten Begründung in der Info gem. § 13 VgV festhalten lassen. Von der Antragstellerin konnte angesichts der Formulierung: "Ihr Angebot kann nicht angenommen werden, weil es unter Berücksichtigung der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannten Kriterien nicht gem. § 16 VOF die bestmögliche Leistung erwarten lässt.", und "Wir beabsichtigen den Auftrag an den Bewerber xxxxxxx GmbH & Co. KG xxxxxxx abzuschließen", nicht verlangt werden, bereits den beabsichtigten Zuschlag auf ein Nebenangebot zu rügen. Berücksichtigt man den Informationsstand aus der Submission, war dies zwar grundsätzlich nahe liegend. Die Begründung in der Information nach § 13 VgV war aber irreführend. Dies kann entgegen der Auffassung der Auftraggeberin vor dem Hintergrund des am Morgen des 23.07.2007 geführten Telefonats zwischen Herrn xxxxxxx von der Antragstellerin und Herrn xxxxxxx von der xxxxxxx, dem Projekt steuernden Ingenieurbüro der Auftraggeberin, nicht anders beurteilt werden. Während der mündlichen Verhandlung am 30.08.2007 ist dies Telefonat von beiden betroffenen Parteien übereinstimmend wiedergegeben worden. Inhalt war, der Zuschlag werde wohl auf ein Nebenangebot der jetzigen Beigeladenen erteilt werden. Näheres werde sich aber aus der für den gleichen Tag zu erwartenden Information gem. § 13 VgV ergeben. Zum einen war die Aussage im Telefonat nicht definitiv, zum anderen passte die Begründung in der Information gem. § 13 VgV nicht zu den Äußerungen im Telefonat, so dass die Antragstellerin davon ausgehen durfte, die Auftraggeberin sei hinsichtlich der Zuschlagskriterien umgeschwenkt.

37

Klarheit erlangte die Antragstellerin erst aus der Antragserwiderung der Auftraggeberin vom 10.08.2007. Gleich am folgenden Montag, den 13.08.2007, hat die Antragstellerin per Fax bei der Auftraggeberin gerügt, dass der Zuschlag auf ein Nebenangebot der Firma xxxxxxx erteilt werden soll. Dies sei vergabefehlerhaft, weil es an einer hinreichenden Bestimmung der Mindestanforderung an Nebenangebote gefehlt habe und weil angesichts der Reduzierung der Angebotssumme um 245.291,-- EUR erhebliche Zweifel an der Gleichwertigkeit des Nebenangebots bestünden. Die Kammer teilt nicht die in dem Schriftsatz vom 03.09.2007 niedergelegte Auffassung der Beigeladenen, die Antragstellerin habe die Unklarheit bezüglich der einzuhaltenden Hauptabmessungen unter anderem aufgrund der Tatsache, dass bei dem Verständnis der Antragstellerin Nebenangebote umsetzbaren Inhalts gar nicht abgegeben werden konnten, als erkennbares und behauptetes Defizit an den Ausschreibungsunterlagen bereits vor Abgabe ihres Angebotes rügen müssen. Denn die Antragstellerin hat selbst gar kein Nebenangebot abgegeben, so dass sie nicht gezwungen war, sich eingehend mit der Problematik der Mindestbedingungen auseinanderzusetzen. Im Übrigen würde dies Verständnis der Rügepflicht dazu führen, dass Bieter gezwungen wären, formelhaft und breit angelegt Rügen jeder Art unabhängig von ihrer jeweiligen Betroffenheit zu erheben. Demnach ist die Antragstellerin ihrer Rügepflicht nachgekommen und der Nachprüfungsantrag zulässig.

38

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin ist gehalten, das Nebenangebot der Beigeladenen wegen Abweichung von den in der Baubeschreibung niedergelegten technischen Mindestbedingungen für Nebenangebote gemäß § 25 a Nr. 3 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen. Die von der Beigeladenen in ihrem Nebenangebot vorgeschlagene Konstruktion des Brückenbauwerks ist jedenfalls nicht mit der von der Auftraggeberin formulierten Mindestbedingung "Beibehaltung der Hauptabmessungen" vereinbar, weil sich statt einer bereits in der Bekanntmachung vorgegebenen Überbaulänge von 43 m durch Veränderung der Stützweiten eine Überbaulänge von 57 m ergibt. Eine um 14 m längere Überbaulänge eines Brückenbauwerks, das laut Bekanntmachung mit einer Überbaulänge von 43 m ausgeschrieben war, stellt insoweit eine erhebliche Abweichung dar.

39

Gemäß § 25 a Nr. 3 VOB/A berücksichtigt der Auftraggeber nur Nebenangebote, die die von ihm verlangten Mindestbedingungen erfüllen.

40

Die Baubeschreibung enthält unter Ziff. 6 folgende Mindestbedingungen für Nebenangebote und Sondervorschläge:

"Nebenangebote und Sondervorschläge sind zugelassen, sofern die Hauptabmessungen und die Gestaltung des Bauwerkes beibehalten wird und beim Bauverfahren die Belange der DB AG berücksichtigt sind. Nebenangebote sind mit folgenden Unterlagen einzureichen:

- Vorstatik

- Übersichtsplan und Regelquerschnitt

- Erläuterungsbericht mit Darstellung des Bauablaufes

- Prüffähige Mengenermittlung für die betroffenen Leistungen."

41

Nach Auffassung der Kammer ist es grundsätzlich ausreichend, dass die Auftraggeberin damit ihre technischen Mindestanforderungen an Nebenangebote für das Brückenbauwerk in der Baubeschreibung niedergelegt hat. Es ist insoweit unerheblich, dass in Ziff. 5.2 der Angebotsaufforderung auf das Formblatt EVM Erg EG Neb 247 verwiesen wurde. Es war durch die gesonderte Definition von technischen Mindestbedingungen und formellen Anforderungen in der Baubeschreibung für jeden verständigen Bieter offensichtlich, dass das fehlende Formblatt nicht maßgeblich sein sollte. Auch von Rintelen in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, Teile A und B, § 10 a VOB/A, Rdnr. 28 geht von der Möglichkeit der Angabe von Mindestanforderungen durch transparente Angaben in der Baubeschreibung, funktionale Anmerkungen in der Leistungsbeschreibung oder durch das Formblatt EVM Erg EG Neb 247 aus.

42

Die Kammer hat auch keinen Zweifel an der Gleichwertigkeit des Nebenangebots der Beigeladenen. Im Gegenteil: Die von der Beigeladenen im streitbefangenen Nebenangebot gewählte Konstruktion mit einer größeren Spann- und Stützweite des Brückenbauwerks verringert sogar das Konfliktpotential mit den Belangen der DB AG, da die Bauarbeiten nicht so nah am Gleiskörper stattfinden wie nach dem Amtsentwurf vorgesehen.

43

Weiter geht die Kammer entgegen der Vermutung der Antragstellerin nicht davon aus, dass die Beigeladene ein unzulässiges sog. "Abmagerungsangebot" vorgelegt hat. Die erheblichen Preisvorteile im Vergleich zum Hauptangebot der Beigeladenen sind durch Ersparnisse beim Baugrubenverbau, bei den Sicherungsmaßnahmen im Gleisbereich und bei dem insgesamt zu verbauenden Stahlbeton (zwar größere Überbaulänge, aber erheblich geringere Dimension der Flügel und Widerlager) nachvollziehbar.

44

Allerdings muss sich die Auftraggeberin an ihren in der Baubeschreibung vorgegebenen technischen Mindestbedingungen für Nebenangebote festhalten lassen.

45

Das von ihr verlangte "Beibehalten der Hauptabmessungen" lässt sich nicht als lediglich ein Mindeststandard verstehen (wie möglicherweise ein bloßes "Einhalten"), so dass davon auszugehen ist, dass eine erhebliche Abweichung von den Hauptabmessungen nicht zulässig ist.

46

Eine allgemein verbindliche Definition, was zu den Hauptabmessungen eines Bauwerks bzw. Brückenbauwerks gehört bzw. nicht gehört, hat die Kammer nicht auffinden können. Maßgeblich muss also das sein, was nach den Vorgaben aus der Baubeschreibung aus dem Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters als "Hauptabmessungen" verstanden werden konnte.

47

Entgegen der Auffassung der von der Auftraggeberin beauftragten Ingenieure ist die von ihnen zugrunde gelegte, nutzungsorientierte Definition nicht mit dem sprachlichen Verständnis der in der Baubeschreibung formulierten Mindestanforderungen vereinbar. Ein Abstellen auf die unveränderte Nutzung von Straße und Schiene wäre zwar eine denkbare Mindestanforderung, hätte jedoch von der Auftraggeberin so formuliert werden müssen. Demnach kann die Auftraggeberin nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, die Fahrbahnbreite und die Randstreifen, der Gehweg, der Abstand zwischen den Geländern, die Neigung der Brücke wie auch die Lichtraumprofile seien im Nebenangebot der Beigeladenen beibehalten worden, so dass sich sowohl für den Verkehrsteilnehmer als auch für die Bahn keinerlei Änderungen in der Nutzungsmöglichkeit ergeben würden. Es ist nach dem Bieterhorizont nicht zulässig, für die Definition des Begriffs "Hauptabmessungen" nur die die Nutzung bestimmenden Merkmale heranzuziehen. Vielmehr müssen wesentliche Maße des Bauwerks bestimmend sein, zu denen ohne Weiteres die Überbaulänge bzw. die Spann- und Stützweite eines Brückenbauwerks gehören.

48

Der Argumentation der Auftraggeberin, beim Nebenangebot der Beigeladenen seien doch wesentliche Maße mit denen des Amtsentwurfs übereinstimmend, das Bauwerkssystem sei beibehalten, es handele sich weiterhin um eine Zweifeldbrücke mit einem Pfeiler in der Mitte und maßgebliche Hauptabmessungen wie Querschnittsbreite, Achsverlauf und Gradiente seien unverändert, ist zu widersprechen. Sie hätte ihr nutzungsorientiertes Verständnis bzw. ihre nutzungsorientierte Auswahl der beizubehaltenden "Hauptabmessungen" in den Mindestanforderungen festschreiben müssen. Nur dann ist ein fairer Wettbewerb möglich und alle Bieter haben die gleichen Chancen, entsprechende Nebenangebote abzugeben. Denn bei diesem Verständnis der Auftraggeberin ermöglicht nur eine Erläuterung in den Verdingungsunterlagen den Bietern in gleicher Weise die Kenntnis von den Mindestanforderungen, die ihre Änderungsvorschläge erfüllen müssen, um vom Auftraggeber berücksichtigt werden zu können. Es geht dabei um eine Verpflichtung zur Transparenz, die die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten soll (BayObLG vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04 unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom16.10.2004, Az.: C-421/01). Aus den streitbefangenen Mindestanforderungen konnten die Bieter aus dem verständigen Bieterhorizont den Schluss ziehen, dass unter "Beibehaltung der Hauptabmessungen" z. B. eine Stahlträgerlösung oder eine Fertigteilbrücke als zulässiges Nebenangebot in Betracht kommt.

49

Unerheblich ist der Vortrag der Auftraggeberin, den entsprechenden in der HOAI beschriebenen Leistungsphasen sei zu entnehmen, dass ohnehin jederzeit Veränderungen bzw. Optimierungen des Bauwerks vorgenommen werden könnten. Die Weiterentwicklung einer Entwurfsplanung ist eine Selbstverständlichkeit. Im vorliegenden Fall bedeutet das aber nicht, dass wesentliche Abweichungen deshalb bereits im Wettbewerb des Vergabeverfahrens zulässig sind.

50

Auch führt es angesichts der Festlegung auf "Beibehaltung der Hauptabmessungen" nicht weiter, auf die ebenfalls von der Auftraggeberin in Ziff. 6 der Baubeschreibung niedergelegte Forderung einer Vorstatik für Nebenangebote zu verweisen. Daraus lässt sich nicht herleiten, dass einem fachkundigen Bieter damit klar sein musste, dass eine Abweichung bei Überbaulänge bzw. Spann- und Stützweiten konstruiert werden dürfe. Wären die Vorgaben "Beibehaltung der Hauptabmessungen" und "Vorlage einer Vorstatik" nicht kompatibel, wären die Mindestbedingungen nicht hinreichend eindeutig und widerspruchsfrei definiert, so dass das Nebenangebot der Beigeladenen letztlich auch nicht zum Zuge käme.

51

Die Vergabekammer teilt die Auffassung aller Beteiligten, dass die von der Beigeladenen angebotene Brücke die optimale und gleichzeitig wirtschaftlichste Lösung darstellt. Gleichwohl ist die gewählte Konstruktion nicht mit der technischen Mindestanforderung "Beibehalten der Hauptabmessungen" vereinbar, weil die Überbaulänge mit 57 m erheblich von der geplanten und bekannt gemachten Überbaulänge von 43 m abweicht. Die Auftraggeberin hätte ihre technischen Mindestanforderungen für Nebenangebote anders formulieren müssen, um das Nebenangebot der Beigeladenen werten zu können. Ergänzend weist die Vergabekammer darauf hin, dass auch die weitere technische Mindestbedingung "Beibehaltung der Gestaltung des Bauwerks", auf die es hier nicht mehr ankommt, erhebliche Probleme bei der Beurteilung aufwerfen kann. Schließlich kann dahin gestellt bleiben, ob die von der Auftraggeberin vorgenommene Dokumentation der Prüfung der Nebenangebote den vergaberechtlichen Anforderungen genügt.

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Nach allem ist das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen.

53

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten vergaberechtswidrigen Wertung des Nebenangebots der Beigeladenen ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Nebenangebot der Beigeladenen auszuschließen.

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III.

Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 2883 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt 1.277.989,15 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

58

Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.277.989,15 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2883 EUR.

59

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

60

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

61

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

62

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

Dr. Raab
Rohn
Dierks