Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 08.06.2007, Az.: VgK-24/2007

Vergabeverfahren hinsichtlich des Vorschrifteninformationssystems des Landes Niedersachsen (VORIS); Entstehen der Rügepflicht des§ 107 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Voraussetzungen für die positive Kenntnis eines Mangels; Zeitpunkt für die Unverzüglichkeit einer Mängelrüge

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
08.06.2007
Aktenzeichen
VgK-24/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 33675
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 05.07.2007 - AZ: 13 Verg 8/07

Verfahrensgegenstand

Vergabeverfahren "Vorschrifteninformationssystem des Landes Niedersachsen (VORIS)"

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD' in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Stefan Dierks
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.918 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Das Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Staatskanzlei, schrieb mit Bekanntmachung vom 12.01.2007 das Vergabeverfahren "Vorschrifteninformationssystem des Landes Niedersachsen (VORIS)" als offenes Verfahren europaweit aus.

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Der Auftrag für die Bereitstellung des Vorschrifteninformationssystems bzgl. Niedersächsisches Landesrecht, Bundesrecht, EU-Recht soll für die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2010 vergeben werden. Bisherige Auftragnehmerin ist die Antragstellerin.

3

Die ausgeschriebene Leistung wird wie folgt erläutert:

"Die Leistung umfasst die Erfassung und Pflege von Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie die für die Anwender kostenfreie Bereitstellung dieser Inhalte mittels eines internetbasierten Informationssystems einschließlich dessen Betriebs.

Für die Öffentlichkeit müssen die konsolidierten Volltexte aller niedersächsischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bereitgestellt werden.

Für ca. 55 000 Landesbeschäftigte müssen darüber hinaus historische Fassungen des Landes- und Bundesrechts, die konsolidierten Volltexte aller Rechtsvorschriften des Bundes sowie die in EUR-Lex enthaltenen EU-Rechtsvorschriften zur Verfügung gestellt werden.

Der Auftragnehmer muss die Inhalte in einer kurzen Frist auf Basis der einschlägigen amtlichen Verkündungsblätter (z.B. Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Niedersächsisches Ministerialblatt, Bundesgesetzblatt) eigenständig erfassen und pflegen. Das Informationssystem ist das Bestandsverzeichnis für niedersächsische Rechtsvorschriften und darüber hinaus auch Gültigkeitsverzeichnis für niedersächsische Verwaltungsvorschriften. Der Auftraggeber erwartet daher eine überaus hohe Qualität sowohl in juristischer als auch technischer Hinsicht.

Die Bereitstellung muss mit einem datenbankgestützten Informationssystem erfolgen, das über eine leistungsfähige Suchmaschine sowie über eine benutzungsfreundliche und barrierefreie Oberfläche verfügt. Es müssen umfangreiche Funktionalitäten vorhanden sein, so z.B. dynamische Querverweise auf zitierte Vorschriften und historische Fassungen. Der Auftraggeber erwartet keine vollständige Neuentwicklung, sondern geht davon aus, dass VORIS auf der Basis einer bestehenden Anwendung bereitgestellt wird."

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Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 5.3.2007 - 16:00 festgelegt.

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Der Zuschlag soll erteilt werden auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen aufgeführt sind.

6

Ziff. 2.7 der Verdingungsunterlagen regelt die Beteiligung von Einzelbietern, Bietergemeinschaften und Subunternehmen. Im Falle der Einschaltung von Subunternehmen ist ein hierfür in den Vergabeunterlagen enthaltener Vordruck auszufüllen und von jedem Subunternehmer zu unterzeichnen. Subunternehmer sind abschließend im Angebot - und zwar im genannten Vordruck - mit dem Teil der zu erbringenden Leistung zu benennen, die nachträgliche Benennung oder Änderung eines oder mehrerer Subunternehmen nach Angebotsabgabe bis zur Zuschlagserteilung ist nicht zulässig. Die Nachweisforderungen für die Eignungskriterien Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde gelten auch für Subunternehmer, diese sind im Angebot nachzuweisen.

7

Gemäß Ziff. 2.15.4 haben die Bieter zwingend eine kostenlose Teststellung zu ihrer derzeitigen Anwendung, auf deren Basis zukünftig VORIS angeboten werden soll, anzubieten und ggf. Unterschiede zwischen Teststellung und der zum Leistungsbeginn vorgesehenen Anwendung zu erläutern.

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Der Auftraggeber beabsichtigt, das wirtschaftlichste Angebot nach der Erweiterten Richtwertmethode gemäß den Unterlagen für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen, Version 1.0, Stand: November 2006 (UfAB IV) als Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis in Form eines Quotienten aus der Gesamtleistungspunktzahl und dem Gesamtpreis zu ermitteln. Der Schwankungsbereich wird auf 10% festgelegt. Über die Vergabe der einzelnen Leistungspunkte informiert eine den Verdingungsunterlagen als Anlage B beigefügte detaillierte Bewertungsmatrix. Der Ausschreibungsgegenstand wird ausführlich in der Anlage A - Leistungsbeschreibung - beschrieben. Als Anlage C enthalten die Verdingungsunterlagen die Vertragsbedingungen, bestehend aus einem Vertragsentwurf, den zusätzlichen und den ergänzenden Vertragsbedingungen. Mit der Anlage D werden den Bietern die Formblätter für die Erstellung ihrer Angebote zur Verfügung gestellt, hierunter die Erklärungen im Falle einer Bietergemeinschaft und im Falle der Beauftragung von Subunternehmern.

9

Nach Maßgabe der Vergabeakte wurden 15 Bieteranfragen mit insgesamt 7 Bieterrundschreiben beantwortet.

10

Gemäß der Niederschrift über die Öffnung der Angebote vom 06.03.2007 gingen fristgerecht und ordnungsgemäß 3 Angebote beim Auftraggeber ein.

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Über die Prüfung und Wertung dieser Angebote und die Wertung der Teststellungen enthält die Vergabeakte entsprechende Vermerke. Das Ergebnis des Vergabeverfahrens ist im vorläufigen Vergabevermerk vom 10.05.2007 festgehalten. Hiernach waren alle drei Angebote vollständig und fehlerfrei, auch hatten alle Bieter ihre Eignung nachgewiesen. Die Preisprüfung hatte ergeben, dass sich die Preisschwankungen im marktüblichen Rahmen bewegen und keines der Angebote als ungewöhnlich niedrig oder ungewöhnlich hoch erscheint.

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Die Wertung erfolgte nach den in den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Maßstäben. Hiernach haben alle Bieter die erforderlichen Mindestpunktzahlen für die zu bewertenden Kriterien erreicht bzw. überschritten. Die Antragstellerin erreichte zwar die höchste Gesamtleistungspunktzahl, mit der maßgeblichen Kennzahl für sein Leistungs-Preis-Verhältnis lag ihr Angebot jedoch nur auf Rang 2 hinter dem Angebot der Fa. xxxxx GmbH. Der Vermerk kommt zu dem Ergebnis, dass die Fa. xxxxx GmbH das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Im Vermerk "Zuschlagserteilung und weiteres Vorgehen" vom 11.05.2007 wird festgestellt, dass auf das Angebot der Fa. xxxxx GmbH der Zuschlag zu erteilen ist.

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Mit Schreiben vom 14.05.2007 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin gemäß § 13 VgV darüber, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat und dass der Zuschlag auf das Angebot der Fa. xxxxx erteilt werden soll. Das Informationsschreiben wurde versandt

  • per Post ab am 15.05.2007,

  • per Fax ab am 14.05.2007 um 14:53 Uhr (Sendebericht) und

  • per Email (unter Hinweis auf die anderen Versandarten) am 14.05.2007 um 17:15 Uhr.

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Die Vergabeakte enthält eine Email vom 14.05.2007, 17:35 Uhr, von Herrn xxxxxxx, Senior Projektmanager und Projektleiter der xxxxxxx, in welcher dieser sich für diese Mitteilung bedankt.

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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.05.2007, per Fax übersandt am 23.05.2007 um 15:34 Uhr, rügte die Antragstellerin beim Auftraggeber folgende Sachverhalte:

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In ihrem Internet-Auftritt weise die Fa. xxxxx GmbH darauf hin, dass das gesamte Bundesrecht von der Dokumentationsstelle des BMJ aufgenommen, gepflegt, aktualisiert, konsolidiert und auch qualitätsgesichert wird. Genau diese Leistung gehöre auch zu den in diesem Verfahren zu vergebenden Dienstleistungen.

17

Unter Hinweis auf einen bestehenden Vertrag zwischen dem BMJ und der Fa. xxxxx GmbH, welcher der Fa. xxxxx GmbH alleinige Zugriffsrechte auf diese Leistungen der Dokumentationsstelle des BMJ einräume, schließt die Antragstellerin auf ein Unterbeauftragungsverhältnis. Unter Verweis auf Kapitel 2.8 der Verdingungsunterlagen bestreitet die Antragstellerin mit Nichtwissen, dass die Fa. xxxxx GmbH mit ihrem Angebot die geforderten Angaben zu diesem Subunternehmerverhältnis beim Auftraggeber vorgelegt hat.

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Des Weiteren wird eine nicht ordnungsgemäße Gewichtung der Einzelkriterien in Bezug auf das Angebot der Fa. xxxxx GmbH gerügt. Die Antragstellerin vermutet, dass unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot diese besonderen / ausschließlichen Zugriffsmöglichkeiten der Fa. xxxxx GmbH auf die o. a. Leistungen der Dokumentationsstelle des BMJ in der Wertung berücksichtigt worden sind.

19

Der Auftraggeber klärte die gerügten Sachverhalte auf und wies die Rüge mit Schreiben vom 01.06.2007 zurück.

20

Mit Schriftsatz vom 25.05.2007, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

21

Unter Verweis auf ihre Rügen beanstandet sie die Entscheidung des Auftraggebers als vergaberechtswidrig. Der Auftraggeber habe ein bezüglich der Subunternehmerverhältnisse unvollständiges Angebot in seine Wertung einbezogen. Auch sei davon auszugehen, dass die nicht erklärten Subunternehmerleistungen des BMJ für die Fa. xxxxx GmbH im Rahmen der Bewertung der entsprechenden Leistungsbestandteile unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB positiv berücksichtigt wurden. Dazu komme, dass die Leistungen des BMJ wegen Verstoßes gegen die Pflicht zu europaweiter Ausschreibung - und wegen der europarechtlich zwingend vorgeschriebenen Beendung von bestehenden Ausschließlichkeitsvereinbarungen spätestens nach dem 31.12.2008 - nicht gesichert seien.

22

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass ihre innerhalb von 9 Tagen beim Auftraggeber vorgetragene Rüge als unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 GWB zu gelten habe, da der vorliegende Fall nicht zu den Regelfällen gehöre, die innerhalb einer Frist von 3 Tagen gerügt werden können. Die Antragstellerin habe zur Abfassung ihrer Rüge u.a. der rechtlichen Beratung zur Problematik der Subunternehmerschaft und zur Rügemöglichkeit bei Nichtwissen bedurft. Da die anwaltlich verfasste Rüge immerhin innerhalb von 6 (Werk-)Tagen beim Auftraggeber eingegangen sei, liege keine Vernachlässigung der Rügeobliegenheit vor.

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Die Antragstellerin beantragt

  • den Auftraggeber zu verpflichten, die beizuladende Fa. xxxxx GmbH gemäß § 25 VOL/A auszuschließen und die verbleibenden Angebote neu zu werten,

  • hilfsweise, die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten,

  • der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 111 GWB zu gewähren,

  • die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

  • dem Auftraggeber die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

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Der Auftraggeber beantragt

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

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Er weist darauf hin, dass ihm die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem BMJ und der Fa. xxxxx GmbH nicht bekannt seien. Wie den Bieterunterlagen der Fa. xxxxx zu entnehmen sei, werde das Bundesrecht von der Dokumentationsstelle beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in Kooperation mit der Fa. xxxxx GmbH aufbereitet. Die Fa. xxxxx GmbH habe diesbezüglich keine Subunternehmererklärung abgegeben. Dies sei auch nicht zu beanstanden, weil weder das BMJ noch das BfJ vergaberechtlich als Subunternehmer anzusehen seien. Da nicht das BMJ der Fa. xxxxx GmbH zuarbeite sondern umgekehrt, komme es auf eine rechtliche Wertung dieses Zuarbeits-Verhältnisses nicht an. Ein Ausschlussgrund nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOL/A bestehe nach alledem nicht.

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Der Vorwurf der Ungleichbehandlung wird zurückgewiesen. Die zu beschaffenden Leistungen seien funktional ausgeschrieben worden. Eine Zugriffsmöglichkeit auf die Dokumentationsstelle des BMJ sei nicht gefordert und in der Wertung auch nicht berücksichtigt, insbesondere nicht höher gewichtet worden. Auf welche Weise die bereitzustellenden Informationen beschafft werden, wurde nicht bewertet.

27

Von der Antragstellerin unterstellte Wettbewerbsrechtsverstöße bei Abschluss des Vertrages zwischen dem BMJ und der Fa. xxxxx GmbH seien für das Nachprüfungsverfahren ohne Belang.

28

Die von der Antragstellerin problematisierte Beendigung von Ausschließlichkeitsvereinbarungen zum 31.12.2008 werde lediglich dazu führen, dass neben der Fa. xxxxx GmbH auch andere entsprechenden Zugriff auf diese Daten haben werden. Die Sicherung der Leistungserbringung durch die Fa. xxxxx GmbH werde hierdurch nicht berührt.

29

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

30

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

31

Die Antragstellerinnen sind nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Vergabekammer Lüneburg ist zwar zuständig.Bei dem Auftraggeber handelt es sich um das Land Niedersachsen und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Ausgehend von der Angebotssumme der Antragstellerin von 1.164.564 EUR netto für die Laufzeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010 ist der gem. §§ 100 Abs. 1, 127 GWB in einer Rechtsverordnung festgelegte maßgebliche Schwellenwert für einen Dienstleistungsauftrag von 211.000 EUR überschritten, so dass die angerufene Vergabekammer zuständig ist.

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Der Nachprüfungsantrag ist aber unzulässig, weil die Antragstellerin von ihr im Vergabeverfahren erkannte vermeintliche Verstöße nicht unverzüglich gerügt hat. Die von der Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigte am 23.05.2007erhobenen Rügen gegen die Information des Auftraggebers gemäß § 13 VgV vom 14.05.2007mit der Vermutung, die Fa. xxxxx GmbH habe die geforderten Angaben zu einem von der Antragstellerin angenommenen Subunternehmerverhältnis nicht vorgelegt und der Auftraggeber habe die Einzelkriterien nicht ordnungsgemäß gewichtet, insbesondere sei ein Verstoß gegen des Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Zugriffsrechte der Fa. xxxxx GmbH auf die Leistungen der Dokumentationsstelle des BMJ denkbar, sind verspätet und damit gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB präkludiert.

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Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer gegebenenfalls notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

34

Die mit dem 14.05.2007 datierte Information des Auftraggebers nach § 13 VgV hat die Antragstellerin per Fax sowie per E-Mail am 14.05.2007 erhalten und den Empfang per E-Mail am selben Tag bestätigt. Erst am 23.05.2007 rügte sie die Information gemäß § 13 VgV und die Entscheidung des Auftraggebers. Es lag keineswegs eine besonders schwierige Sach- oder Rechtslage vor, die zu einer ausnahmsweisen Verlängerung der Rügefrist auf höchstens 2 Wochen führen kann. Die Antragstellerin, die bisherige Auftragnehmerin der streitgegenständlichen Leistung ist, ist am entsprechenden Markt tätig und mit den Gegebenheiten vertraut. So wird es ihr zur Rüge etwaig fehlender Subunternehmernachweise bekannt gewesen sein, dass ihre Konkurrentin Fa. xxxxx GmbH mit dem BMJ in der Dokumentation von Gesetzen zusammenarbeitet. Auf der Internetseite des BMJ www.bmj.bund.de sind entsprechende Informationen allgemein zugänglich niedergelegt: "Das Bundesministerium der Justiz stellt in einem gemeinsamen Projekt mit der Fa. xxxxx GmbH nahezu das gesamte aktuelle Bundesrecht unter www.gesetze-im-internet.de kostenlos im Internet bereit. Die Gesetze und Rechtsverordnungen können in ihrer geltenden Fassung abgerufen werden. Sie werden durch die Dokumentationsstelle des Ministeriums fortlaufend konsolidiert." Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die auf Spekulationen beruhende Rüge der fehlerhaften Gewichtung von Einzelkriterien ausnahmsweise erst nach 9 Tagen erhoben werden konnte.

35

Insoweit galt für die Antragstellerin, die anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat, eine Rügefrist von bis zu einer Woche, die sie mit dem Zuwarten bis zum 23.05.2007 (9 Tage) überschritten hat. Auf Wochenenden oder Feiertage kommt es für die Unverzüglichkeit der Rüge nicht an. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin, die von der Rechtzeitigkeit ihrer innerhalb von 6 Werktagen erhobenen Rüge ausgeht, sind gerade nicht die Werk- sondern die Kalendertage maßgeblich (vgl. u.a. OLG München, Beschluss vom 13.04.2007, Verg 1/07). Der Himmelfahrtstag ist als Feiertag wie ein Sonntag zu bewerten. Die erfolgten Rügen waren verspätet. Der Nachprüfungsantrag war demnach wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Eine Prüfung der Begründetheit der erhobenen Rügen durch die Vergabekammer ist damit ausgeschlossen.

36

Die der Unzulässigkeit des Antrags zugrunde liegenden Fakten aus den Vergabeakten hat die Vergabekammer der Antragstellerin im verfahrensbegleitenden Schreiben vom 04.06.2007 mitgeteilt, die Antragstellerin hat dem nicht widersprochen. Eine diesbezügliche Akteneinsicht erübrigt sich demnach. Ein weitergehendes Recht auf Akteneinsicht besteht wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht.

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Die Kammer hat gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zeitnah entschieden, weil der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist.

38

Die Kammer weist darauf hin, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Möglichkeit gemäß § 3a Ziff. 2 g) VOL/A erst nach Zuschlagserteilung in Betracht kommt.

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III. Kosten

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.

41

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.918 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

42

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt 1.385.831,16 EUR. Dieser Betrag entspricht dem Bruttogesamtpreis des Angebotes der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

43

Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.385.831,16 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.918 EUR.

44

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

45

Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

46

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.918 EUR unter Angabe des Kassenzeichens

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xxx innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

48

xxx

IV. Rechtsbehelf

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[...]

Dr. Raab
Rohn
Dierks