Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.06.2007, Az.: VgK-23/2007

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.06.2007
Aktenzeichen
VgK-23/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61286
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 05.09.2007 - AZ: 13 Verg 9/07

In dem Nachprüfungsverfahren

...

wegen

Vergabeverfahren "Container-Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port - Herstellung der wasserseitigen Infrastruktur (Baulos 1)"

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2007 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, soweit sie im Zusammenhang mit der Insolvenz ihres Mitglieds, der ..., aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, ohne zuvor in die Ermessensprüfung einzutreten, ob die antragstellende Bietergemeinschaft auch mit den verbliebenen vier Unternehmen für den streitbefangenen Auftrag geeignet ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese Eignungsprüfung nachzuholen und die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Dabei hat sie ferner entsprechend den dortigen Ausführungen im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes noch aufzuklären und zu prüfen, ob ihr auf der Grundlage des Polderschlusskonzeptes der Beigeladenen im Zusammenhang mit der Kajenhinterfüllung zusätzliche Kosten entstehen.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 1/2 und die Auftraggeberin und die Beigeladene zu je 1/4 zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 25 000 € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 1/2 zu erstatten. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu je 1/4 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Auftraggeberin und die Beigeladene notwendig.

Begründung:

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 18.06.2005 europaweit zu einem Nichtoffenen Verfahren aufgerufen, um Bewerber für die Herstellung der wasserseitigen Infrastruktur des Container-Tiefwasserhafens Jade-Weser-Port zu finden. Auf diese Sektoren-Ausschreibung hat sie bereits mit Vorinformation vom 02.03.2005 hingewiesen. Streitbefangen ist hier das Baulos 1: Herstellung eines Tiefwasserhafens mit zugehöriger Terminal- und Hinterlandfläche für einen Containerterminal sowie Verlegung der bestehenden Fahrrinne.

2

Hinsichtlich der Bedingungen für den Auftrag wurden von den Bewerbern verschiedene Nachweise zur Rechtslage (u.a. Erklärung, dass die Firma nicht in Liquidation befindlich ist und dass gegen die Firma kein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde), zur wirtschaftlichen und finanziellen sowie zur technischen Leistungsfähigkeit gefordert.

3

Allen fünf Teilnehmern, die sich beworben hatten, stellte die Auftraggeberin die Verdingungsunterlagen zur Verfügung. Zu diesen fünf Bietergemeinschaften gehörten auch die Antragstellerin und die Beigeladene.

4

Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Unterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort waren insgesamt sieben Zuschlagskriterien genannt, die unterschiedlich gewichtet werden sollten.

5

In der Baubeschreibung ist unter 10.4.5 zum Polderschluss wörtlich ausgeführt:

"Die Spüldämme in der Trasse des nördlichen Randdammes sind in drei aufeinander folgenden Stufen aus Schüttsteinmaterial aufzubauen (Plan 3-1 ND-QS-213a).

Im Folgenden wird ein mögliches Konzept für den Polderschluss erörtert."

6

Abschließend wird unter der o.g. Ziffer gefordert:

"Der endgültige Polderschluss erfolgt lagenweise und sollte vorzugsweise bei Nipptidenphasen im Zeitraum April bis Juni durchgeführt werden und nach weiterer Reduzierung des Poldervolumens erfolgen. Den Bauablauf des Polderschlusses hat der Bieter in einem Ausführungskonzept mit seinem Angebot dem AG darzustellen."

7

Weitere Anforderungen an den Polderschluss befinden sich in der Baubeschreibung nicht. Die Leistungsbeschreibung enthält jedoch auch die dafür notwendigen Positionen.

8

Bei der Verdingungsverhandlung am 04.05.2006 ergab sich, dass die Antragstellerin die Leistungen für ... € angeboten hatte und 65 Nebenangebote, 1 Sondervorschlag und 88 Kombinationen eingereicht hatte sowie 2 % Nachlass ohne Bedingungen gewährt hatte. Die Beigeladene bot die zu erbringenden Leistungen für ... € an, hatte 4 Sondervorschläge und 224 Nebenangebote eingereicht und gewährte 2 % Nachlass ohne Bedingungen.

9

In der ersten Wertungsstufe wurde festgehalten, dass das Hauptangebot der Antragstellerin alle formalen und rechnerischen Kriterien und Anforderungen erfüllt. Zum Hauptangebot der Beigeladenen wurde festgehalten, dass es alle formalen (im Hinblick auf die Vollständigkeit) und rechnerischen Kriterien der ersten Wertungsstufe erfüllt und im weiteren Vergabeverfahren ausgewertet wird.

10

Sodann befinden sich in der Vergabeakte fachtechnische Bewertungen der konstruktiven Nebenangebote und Sondervorschläge durch verschiedene Ingenieurbüros mit Empfehlungen, ob der Vorschlag annehmbar sei oder nicht.

11

Hinsichtlich der Bewertung des Nebenangebotes NA 0003 - Rohrspundwand und HZ-Pfähle für den Überbau - der Beigeladenen hielt das mit der Planung und Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragte Ingenieurbüro I.... mit Datum vom 25.08.2006 fest, dass die Gründungspfähle aufgrund des geringeren aufnehmbaren Kopfmoments im Vergleich zum Ausschreibungsentwurf ungünstiger zu bewerten sind, da die Verformungen infolge Temperatureinflusses zunehmen werden.

12

Das als Gutachter beauftragte Ingenieurbüro Prof. Dr.-Ing. ... führte zu dem Nebenangebot u.a. aus, dass die Verankerung wegen des deutlich größeren Systemabstandes schwerere und längere Schrägpfahlanker erfordert. Der aus den Probebelastungen übernommene Ansatz für den Nachweis der Pfahltragfähigkeit würde für die hier gewählten Flügelpfähle nicht gelten. Unter Auseinandersetzung mit den Bedenken des beauftragten Ingenieurbüros und des Gutachters hielt die Auftraggeberin mit Vermerk vom 31.08.2006 fest, dass das Nebenangebot NA 0003 gleichwertig ist und weiter berücksichtigt wird.

13

Während der Wertung der Angebote teilte die Antragstellerin der Auftraggeberin am 02.08.2006 telefonisch und am 09.08.2006 schriftlich mit, dass ein Mitglied ihrer Bietergemeinschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt habe. In der Vergabeakte befindet sich ein Bieter-/Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrag der Antragstellerin von 2005, zu den Akten genommen am 23.11.2006, aus dem sich ergibt, dass das insolvente Mitglied an der Gesellschaft zu 11,25 % beteiligt ist. In § 24 des Bietervertrages ist geregelt, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Dach-ARGE von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird und die Beteiligungsquoten neu bestimmt werden.

14

In der Vergabeakte befindet sich ein Rechtsgutachten des Rechtsanwalts Prof.H.... vom 08.12.2006 zu den Folgen der Insolvenz eines Mitgliedes der Bietergemeinschaft. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin unter keinem Gesichtspunkt zwingend aus dem Vergabeverfahren ausscheiden muss. Die Auftraggeberin sei vielmehr gefordert, die Eignung der Antragstellerin aufgrund des Insolvenzverfahrens erneut zu prüfen und nachvollziehbar schriftlich darzulegen.

15

Wertung des Sondervorschlages "SV 4 Ankerlagen":

16

Hinsichtlich der Wertbarkeit des Sondervorschlages "SV 4 Ankerlagen" der Antragstellerin hält das für das Projekt als Prüfingenieur beauftragte Ingenieurbüro Dr. W.... in einer als 8. Zwischenbericht bezeichneten Stellungnahme fest, dass durch Beachtung der wichtigen Qualitätsvorgaben bei der Erstellung des vorliegenden Sondervorschlages die ggf. unterschiedlichen Verformungen der Anker untereinander so weit reduziert werden können, dass die Berechnung der Kaianlage auf der Grundlage der einschlägigen Normenwerke durchgeführt werden kann, ohne dass unzulässige Unterschreitungen der geforderten Sicherheiten zu erwarten sind.

17

Zusätzlich zu dieser Stellungnahme holte die Auftraggeberin eine abschließende Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. ... vom 05.02.2007 ein. Ausweislich dieser Stellungnahme sieht das Ingenieurbüro aus statischen und geotechnischen Erwägungen keinen Grund, den von der Antragstellerin vorgeschlagenen Sondervorschlag nicht zu beauftragen. Das Büro erwartet hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit auf der Grundlage bodenmechanischer und erdstatischer Überlegungen keine Einschränkung.

18

Aufgrund ihrer eigenen Prüfungen und der eingeholten Gutachten kam das Vergabeteam unter Führung des inzwischen abgelösten Projektleiters der Auftraggeberin mit Datum vom 16.02.2007 in einem nur vom Projektleiter unterzeichneten Vergabevorschlag zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen sei, da ein Rechtsgutachten der Rechtsanwälte A.... vom 29.01.2007 zu dem Ergebnis kam, dass das Hauptangebot der Beigeladenen nicht die für die Wertung geforderten Erklärungen enthält und zudem Änderungen an den Verdingungsunterlagen beinhalte.

19

Der nur vom ehemaligen Projektleiter unterzeichnete Vergabevermerk kam zu dem Ergebnis, dass der Sondervorschlag der Antragstellerin technisch innovativ, gleichwertig und wirtschaftlich günstiger sei, und stellte die technischen und wirtschaftlichen Vorteile des Sondervorschlages heraus.

20

Mit Schreiben vom 31.01.2007 teilte die B.... GmbH & Co. KG für den ... Gesellschafter der Auftraggeberin mit, dass sie nach intensiver Diskussion zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Sondervorschlag der Antragstellerin u.a. nicht als technisch gleichwertig bewertet werden kann.

21

Mit Schreiben vom 07.02.2007 führte dieser Gesellschafter in 27 Punkten auf, warum seiner Auffassung nach, dieser Sondervorschlag nicht gleichwertig ist. Mit Schreiben vom 15.02.2007 nahmen der inzwischen entlassene Projektleiter und ein weiterer Ingenieur des Vergabeteams zu den einzelnen Punkten Stellung und favorisierten weiterhin den Sondervorschlag der Antragstellerin.

22

Wertung des Hauptangebotes und des Nebenangebotes NA 0003 der Beigeladenen:

23

Hinsichtlich der Wertbarkeit des Hauptangebotes der Beigeladenen bestanden beim ursprünglichen Vergabeteam Schwierigkeiten, das Polderschlusskonzept der Beigeladenen nachzuvollziehen. Die Beigeladene hatte zwar einerseits erklärt, dass sie vom vorgesehenen Ablauf des Amtsentwurfes ausgeht, andererseits aber einen deutlich früheren Polderschluss plant. Die Auftraggeberin führte deshalb mit der Beigeladenen zwei Aufklärungsgespräche, um sich das Konzept erläutern zu lassen und forderte Bauphasenpläne nach. Mit Datum vom 19.12.2006 hielt das ursprüngliche Vergabeteam unter Leitung des inzwischen entlassenen Projektleiters wörtlich fest:

"Da ein vollständiges, eindeutiges und klares Konzept in den abgegebenen Unterlagen nicht zu erkennen ist, muss geprüft werden, ob die Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit der Angebotsunterlagen zwingend zum Ausschluss führen muss oder ob lediglich im Rahmen der Angebotswertung diese Defizite berücksichtigt werden müssen."

24

Der Entwurf der Entscheidung des ursprünglichen Vergabeteams, den Zuschlag auf den Sondervorschlag der Antragstellerin zu erteilen und das Angebot der Beigeladenen nicht zu werten, datiert vom 16.02.2007 und ist nur vom inzwischen entlassenen Projektleiter unterschrieben worden. Da die Antragstellerin inzwischen befürchtete, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden sollte, stellte sie mit Schriftsatz vom 16.03.2007 bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag (Az. der Vergabekammer: VgK - 14/2007). Diesen Nachprüfungsantrag nahm sie mit Telefax vom 05.04.2007 zurück.

25

In der Aufsichtsratssitzung der Auftraggeberin am 04.04.2007 wurde einerseits festgestellt, dass die Antragstellerin mit ihrem Hauptangebot auf Platz 2 liegt und mit ihrem Sondervorschlag (irrtümlich als Nebenangebot bezeichnet) günstiger ist. Die Geschäftsführer führten zum Sondervorschlag aus, dass Zweifel an der Erfüllung der spezifischen Anforderungen bestehen. Wörtlich wird in dem Protokoll festgehalten:

"Hierzu liege seit Juli 2006 bereits eine technische Ausarbeitung vor. Herr W.... betont noch einmal die Wichtigkeit des Umstandes, dass es keine Referenzprojekte für die Ankerlösung gebe. Letztlich entspreche diese nicht den anerkannten Regeln der Technik.

Im Ergebnis müsse der Sondervorschlag aus den vorstehenden Gründen daher voraussichtlich als nicht gleichwertig angesehen werden."

26

Ein weiteres rechtliches Gutachten der Rechtsanwälte B.... vom 11.04.2007 kommt zu dem Ergebnis, dass die auf den 20.12.2005 datierte Neufassung des BieGe-Vertrages der Antragstellerin aus der Zeit zwischen dem 18.06.2006 und dem 07.09.2006 stammt.

27

Am 13.04.2007 fand ein Aufklärungsgespräch der Auftraggeberin mit der Beigeladenen statt, in dessen Vorfeld die Beigeladene um Beantwortung verschiedener Fragen im Zusammenhang mit dem Polderschluss, dem Bodenmanagement und den erforderlichen Geräten gebeten wurde.

28

Der Bevollmächtigte der Auftraggeberin aktualisierte mit Schreiben vom 25.04.2007 seine Stellungnahme vom 29.01.2007 hinsichtlich eines Ausschlusses der Antragstellerin und kommt zu dem Ergebnis, dass nach Abwägung der Argumentation aus dem H....-Gutachten die Gründe für einen zwingenden Ausschluss überwiegen. Hinzu komme, dass selbst das H....-Gutachten davon ausgehe, dass der Ausschluss nur zu vermeiden sei, wenn der Insolvenzverwalter die Freigabe der sachlichen und persönlichen Mittel des Schuldners erkläre. Eine solche Erklärung läge nicht vor und könne auch nicht vorgelegt werden, weil der Verwalter damit dem Zweck des Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen würde. Die ursprüngliche gutachterliche Stellungnahme des Bevollmächtigten der Auftraggeberin vom 29.01.2007 befindet sich nicht in der Vergabeakte und wurde der Vergabekammer erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegt.

29

Eine weitere gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwälte G.... vom 26.04.2007 setzt sich mit dem Thema auseinander, welche Folgen die Weigerung der Antragstellerin, das Original des Gesellschaftsvertrages herauszugeben, haben kann. Die Rechtsanwälte kamen zu dem Ergebnis, dass eine nachträgliche Manipulation des Vertrages eine schwere Verfehlung darstellen kann und der Antragstellerin vorgehalten werden könne, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Ihr Angebot könne daher nach § 24 Nr. 2 VOB/A unberücksichtigt bleiben.

30

Sodann befindet sich in der Vergabeakte eine abschließende Beurteilung der Auftraggeberin 26.04.2007 zum Sondervorschlag "SV 4 Ankerlagen" der Antragstellerin. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass die erste Angebotswertung zum Sondervorschlag intern durch das vormalige Projektteam, aber offenbar ohne Berücksichtigung der Stellungnahme von B.... GmbH & Co. KG erfolgte. Hinsichtlich der Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. ... vom 05.02.2007 wird festgehalten, dass Erfahrungen mit derartigen Konstruktionen nicht vorliegen. Es sei in der Stellungnahme auch auf andere Stellungnahmen des Fachberaters verwiesen worden, die nicht der Vergabeakte beigefügt sind.

31

Zur Stellungnahme der für das Projekt beauftragten Prüfingenieure Dr. W.... vom 22.11.2006 wird angemerkt, dass auch in dieser Stellungnahme auf die mangelnden Erfahrungen mit der angebotenen Bauweise des Sondervorschlages hingewiesen wurde.

32

Ferner befindet sich eine teilweise neue Bewertung der Nebenangebote und Sondervorschläge der beiden Bieter in der Vergabeakte. Auffällig ist dabei, dass sieben Kombinations-Nebenangebote der Antragstellerin zum Korrosionsschutz, die im August 2006 trotz festgestellten Fehlens von Referenzen als wertbar eingestuft wurden, am 26.04.2007 ebenso wie die anderen Kombinations-Nebenangebote als nicht wertbar gewertet wurden. Als Begründung für die fehlende Gleichwertigkeit wird in der abschließenden Bewertung festgehalten, dass die Antragstellerin keine Referenzobjekte angegeben habe, aus denen sich die Gleichwertigkeit der 2-komponentigen Epoxid-Systeme ergebe.

33

Bei der Beigeladenen blieb es bei der Bewertung aller Kombinations-Nebenangebote als "nicht wertbar".

34

Hinsichtlich der Wertbarkeit des Angebotes der Beigeladenen stellte das neue Vergabeteam in einer abschließenden technischen Beurteilung der Bagger- und Aufspülkonzepte der Beigeladenen am 26.04.2007 fest, dass die Beigeladene alle abverlangten Nachweise und Angaben vorgelegt habe. Als Resümee hielt das neue Vergabeteam u.a. fest, dass die vorgelegten Konzepte und damit verbundenen Angebotsbestandteile schlüssig und ausführbar sind. Der eigentliche Polderschluss erfolge entsprechend dem Leistungsverzeichnis des Amtsentwurfes im Norddamm. Das Vergabeteam empfahl, die technischen Vorschläge der Beigeladenen zum Bodenmanagement, zum Polderschluss und zum Spülfeldbetrieb zu werten.

35

In der neuen abschließenden Bewertung der Angebote am 27.04.2007 zog die Auftraggeberin zum Sondervorschlag der Antragstellerin für die Kaje folgendes Fazit:

"Die Fachberater haben zwar den Sondervorschlag jeweils für ihren Fachbereich positiv beurteilt. Außerdem wurden von ihnen für die Ausführungsplanung Hinweise gegeben, die im Rahmen der technischen Bearbeitung durch den AN ggf. zu berücksichtigen wären. Das Vergabeteam sieht dagegen in diversen Details keine Gleichwertigkeit zum ausgeschriebenen Entwurf gegeben. Außerdem stellt das Vergabeteam deutlich heraus, dass mit dem Sondervorschlag Ausführungsrisiken in erheblichem Umfang verbunden sind und dass nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass die Gebrauchstauglichkeit für den Langzeitbetrieb vorhanden ist."

36

Da das Vergabeteam den Sondervorschlag nicht für gleichwertig hielt, entschloss es sich, ihn nicht weiter zu berücksichtigen. Im Übrigen wurde zum Angebot der Antragstellerin ausgeführt und vermerkt, dass es aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Insolvenz der Fa. ... aus dem Vergabeverfahren auszuschließen sei.

37

Hinsichtlich der Wertbarkeit des Angebotes der Beigeladenen kam das Vergabeteam zu dem Ergebnis, dass das vorgelegte "Ausführungskonzept Polderschluss" in sich schlüssig und ausführbar ist und dass alle noch offenen Fragen beim Aufklärungsgespräch am 13.04.2007 beantwortet worden sind. Das Angebot der Beigeladenen sei vollständig und wertbar.

38

Als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt das Vergabeteam das Angebot der Beigeladenen, bestehend aus dem Hauptangebot und dem Nebenangebot NA 0003 mit einer Wertungspunktzahl als entscheidendes Kriterium von 8,534 Punkten. Die Geschäftsführung der Auftraggeberin nahm den Vergabevermerk zustimmend zur Kenntnis.

39

An dem Tag, an dem der abschließende Vergabevermerk gefertigt wurde , fand um 9.00 Uhr eine weitere Sitzung des Aufsichtsrates der Auftraggeberin statt, in der er zur Kenntnis nahm, dass die von der Beigeladenen vorgelegten Konzepte und die damit verbundenen Angebotsbestandteile schlüssig und ausführbar seien. Zum Sondervorschlag der Antragstellerin nahm der Aufsichtsrat zur Kenntnis, dass dieser nicht gewertet werden könne. Ferner nahm er zur Kenntnis, dass die Antragstellerin wegen der Insolvenz eines Mitgliedes ihrer Bietergemeinschaft von der Wertung ausgeschlossen werden müsse.

40

Abschließend wird in dem Protokollentwurf festgehalten, dass die Entscheidung über die Auftragsvergabe der Vergabestelle obliege und der Aufsichtsrat ihr lediglich zustimme. Die Geschäftsführung habe bestätigt, dass die Vergabestelle die Entscheidung getroffen habe und die Geschäftsführer ihr zugestimmt haben.

41

Bereits einen Tag vor dem datierten abschließenden Vergabevermerk informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.04.2007, abgesandt per Telefax am 27.04.2007, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll und es gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen wird, da ein Ausschlussgrund nach § 8 Nr. 5 VOB/A vorliegt, hier die Insolvenz eines Mitgliedes der Antragstellerin. Der Antragstellerin wurde ferner mitgeteilt, dass unabhängig davon ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste ist.

42

Mit Schreiben vom 23.02.2007, 24.04.2007, 26.04.2007, 30.04.2007, 03.05.2007 und 08.05.2007 rügte die Antragstellerin verschiedene Punkte hinsichtlich der Wertung des Angebotes der Beigeladenen, ihres eigenen Angebotes, ihrer Nebenangebote und ihres Sondervorschlages. Ferner beanstandet sie die Forderung nach Vorlage des Originals ihres Bietergemeinschaftsvertrages vom 20.12.2005 und des ursprünglichen Vertrages vom 19.07.2005.

43

Mit Schriftsatz vom 08.05.2007, eingegangen in der Vergabekammer am 09.05.2007, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in dem o.g. Rügeschreiben vorgetragenen Punkte.

44

Die Antragstellerin wirft der Auftraggeberin vor, unter einem Vorwand die gesamte Angebotswertung zu Gunsten der Beigeladenen und zu ihren Lasten umgearbeitet zu haben.

45

Streitig sind zwischen den Beteiligten folgende Punkte:

  1. 1.

    Ausschluss der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Insolvenz ihres Gesellschafters ...

    1. a.

      Automatischer Ausschluss der Antragstellerin wegen vermeintlicher Veränderung Angebotes aufgrund einer durch Teilinsolvenz bedingten Änderung der Gesellschafterstruktur der Bietergemeinschaft

      Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass Gründe für einen zwingenden Ausschluss nicht vorliegen. Der Insolvenzverwalter des betroffenen Gesellschafters habe ausdrücklich das Festhalten an der Bietergemeinschaft bestätigt. Eine inhaltliche Änderung ihres Angebotes in personeller Hinsicht scheide aus.

    2. b.

      Ausschluss der Antragstellerin wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 24 Nr. 2 VOB/A bei der erneuten Eignungsprüfung, hier: Forderung nach kurzfristiger Vorlage der Bietergemeinschaftsverträge im Original

      Die Antragstellerin tritt dem Vorwurf einer Manipulation des Bietergemeinschaftsvertrages entgegen. Ihre Weigerung, die Verträge im Original vorzulegen, sei berechtigt gewesen zumal ihr von der Auftraggeberin nicht erklärt worden sei, warum und wofür sie die Verträge kurzfristig im Original benötigt. Ferner berücksichtige die Auftraggeberin bei ihrer Vermutung nicht, dass bei Verträgen, die von mehreren Parteien unterschrieben werden, die Unterschriften häufig nicht an einem bestimmten Tag, sondern im Umlaufverfahren über einen bestimmten Zeitraum von den einzelnen Vertragspartnern erfolgen. So sei es auch im Falle ihres Bietergemeinschaftsvertrages gewesen. Die Unterschriften seien am 20.12.2005 und in der unmittelbaren Zeit danach erfolgt.

    3. c.

      Mangelnde Ermessensausübung im Hinblick auf eine erneute Prüfung der Eignung der Antrag stellenden Bietergemeinschaft im Rahmen des nur fakultativ geregelten Ausschlussgrundes gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A

      Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass sie nach wie vor für den streitbefangenen Auftrag geeignet ist, da der in Insolvenz befindliche Gesellschafter lediglich 11,25 % der zu erbringenden Leistungen übernehmen soll. Zudem handele es sich dabei um nachgeordnete Leistungen.

  2. 2.

    Wertung des Sondervorschlages der Antragstellerin, speziell die Beurteilung der Gleichwertigkeit im Vergleich zum Amtsentwurf für das Hauptangebot - unter Berücksichtigung der Diskrepanz zwischen der Stellungnahme des beauftragten Prüfingenieurbüros Dr. W.... und König vom 22.11.2006, des Fachgutachtens Prof. Dr.-Ing. ... vom 05.02.2007 und der Bedenken des Gesellschafters B.... GmbH & Co. KG vom 07.02.2007 hinsichtlich der Wertbarkeit des Sondervorschlages der Antragstellerin

  3. 3.

    Auch hier vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass ihr Sondervorschlag zu werten sei, da er nicht nur innovativ, sondern auch gleichwertig und ca. 40 Mio. € günstiger sei als das Angebot der Beigeladenen. Alle eingeholten Stellungnahmen mit Ausnahme des Gesellschafters B.... GmbH & Co. KG hätten den Sondervorschlag positiv beurteilt. Der von ihr angebotene Sondervorschlag sei auch bereits mehrfach ausgeführt worden. Neben dem Beispiel A.... sei z.B. eine mehrfach verankerte Schlitzwand mit einer Höhe von 29,65 m auch bereits in L.... für den Port 2000 ausgeführt worden.

  4. 4.

    Vollständigkeit und Wertbarkeit des Angebotes der Beigeladenen in Hinblick auf das Konzept zum Polderschluss und Vorlage der nachgeforderten Bauphasenpläne

    Die Antragstellerin meint, dass das Angebot der Beigeladenen zwingend von der Wertung auszuschließen ist, da das von ihr vorgelegte Polderschlusskonzept nicht schlüssig sei. Die Auftraggeberin habe trotz unauflösbarer Widersprüche zwischen gefordertem Polderschluss im Norddamm und dem letztendlich von der Beigeladenen vorgesehenen Polderschluss in der Kajenwand das Angebot gewertet.

  5. 5.

    Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes

    1. a.

      Veränderung der Punkteverteilung in der Bewertungsmatrix bei der abschließenden Beurteilung der Angebote und Berücksichtigung des Nebenangebotes NA 0003 der Beigeladenen

      Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass ein unterschiedlicher Nachlass auf Haupt- und Nebenangebote nicht zulässig sei und die Beilgeladene im Zweifelsfall bevorzugt worden sei.

    2. b.

      Nichtberücksichtigung einer nach Auffassung der Antragstellerin möglichen Kostenreduzierung beim Hauptangebot der Antragstellerin bei optimaler Kombination der von der Auftraggeberin für grundsätzlich wertbar erklärten Nebenangebote

      Die Antragstellerin geht davon aus, dass die Auftraggeberin eine unzulässige Beschränkung der Nebenangebotswertung auf Kombinationsangebote vorgenommen habe, da sie nicht von den wertbaren Nebenangeboten, sondern nur von wertbaren Kombinationsvorschlägen ausgehe. Bei optimaler Kombination ihrer wertbaren Nebenangebote wäre ihr Angebot 3,5 Mio. € günstiger als das der Beigeladenen. Ebenso sei die Nichtbewertung der Nebenangebote zum Korrosionsschutz fehlerhaft erfolgt. Zwar habe sie keine Referenzen vorgelegt, jedoch sei das angebotene Beschichtungsmaterial ein von der zuständigen Bundesanstalt für Wasserbau für den Anwendungsfall Jade-Weser-Port zugelassenes System.

  6. 6.

    Dokumentation des Vergabeverfahrens und Wertung der Angebote, Nebenangebote und Sondervorschläge

46

Hinsichtlich des Zeitpunktes, wann die Auftraggeberin die Angebotsprüfung abgeschlossen habe, vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass die Frage ihrer Eignung bereits im März 2007 abschließend geprüft und dokumentiert worden sei. Ferner habe die Auftraggeberin das Verfahren unvollständig und widersprüchlich dokumentiert. Auch sei ihr Ausschluss nicht nachvollziehbar. Es seien verschiedene Behauptungen zum Ausschluss aufgestellt worden, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation nicht genügen. Auch sei der neue Vergabevermerk ungültig, da ein Mitglied des Vergabeteams ihn nicht unterschrieben habe und die Unterschrift durch den neuen Leiter des Vergabeteams ersetzt worden ist. Die krankheitsbedingte Abwesenheit bei allen zu unterzeichnenden Dokumenten werfe die Frage auf, ob das erkrankte Teammitglied diese Wertung tatsächlich mittrage.

47

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem Vergabeverfahren "Container- Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port - Herstellung der wasserseitigen Infrastruktur (Baulos 1)" den Zuschlag an die Bietergemeinschaft H.... zu erteilen.

  2. 2.

    Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Bietergemeinschaft H.... mit ihrem Angebot aus der Wertung auszuschließen.

  3. 3.

    Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Angebotswertung anhand der Vergabeakten mit Stand 15.03.2007 zu wiederholen und abzuschließen.

  4. 4.

    hilfsweise, das Vergabeverfahren aufzuheben.

  5. 5.

    Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Geschäftsführer H.... nicht mehr mit dem Vergabeverfahren zu befassen und sicherzustellen, dass jede Information an, jede Einflussnahme von und jegliche Mitwirkung des Herrn H.... bei dem Verfahren unterbleiben.

  6. 6.

    Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

  7. 7.

    Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberin und der Beigeladenen wird für nicht notwendig erklärt.

  8. 8.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.

48

Die Auftraggeberin beantragt:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Seiten der Auftraggeberin für notwendig zu erklären.

49

Die Auftraggeberin tritt den Vorwürfen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Insolvenz des Gesellschafters ... zwingend zum Ausschluss der Antragstellerin führt, da die Insolvenz eines Mitgliedes die Zuverlässigkeit der gesamten Bietergemeinschaft beeinträchtige. Aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und im Interesse der Gleichbehandlung aller Bieter scheide eine Fortsetzung der Bietergemeinschaft unter Ausschluss der ... oder unter Einschluss ihres Insolvenzverwalters aus. Das von der Antragstellerin vorgesehene Konstrukt stelle eine unzulässige nachträgliche Angebotsänderung dar. Sie sei im Übrigen auch an ihre Mindestbedingung für den Teilnahmewettbewerb gebunden, wonach die Bieter zu erklären hatten, dass kein Insolvenzverfahren eröffnet oder beantragt worden ist. Diese Mindestbedingung wirke bis zum Ende des Vergabeverfahrens fort.

50

Ferner geht die Auftraggeberin davon aus, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, weil sie die Aushändigung des Originalbietergemeinschaftsvertrages verweigert habe. Sie, die Auftraggeberin, habe die Vorlage des Originalvertrages gefordert, um diesen kriminaltechnisch untersuchen zu lassen. Sie habe den Verdacht, das der Bietergemeinschaftsvertrag, der die Fortsetzung der Bietergemeinschaft durch die übrigen Gesellschafter im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters regelt und den Ausschluss eines insolventen Mitgliedes in Abweichung zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen des BGB einem Beschluss der Gesellschafter vorbehält, rückdatiert sei. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages sei erst nach Kenntnis der Stellungnahme der Rechtsanwälte A.... und erst nach Beantragung oder gar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.

51

Hinsichtlich der Wertbarkeit des Sondervorschlages der Antragstellerin weist die Auftraggeberin darauf hin, dass ihr bei der Prüfung der Gleichwertigkeit und der Zuschlagserteilung grundsätzlich ein Ermessen eingeräumt sei. Sie habe festgestellt, dass vergleichbare "Ankerlösungen" in dieser Größenordnung und unter den vor Ort zu berücksichtigenden Verhältnissen bisher nicht gebaut worden sind.

52

Die Auftraggeberin vertritt die Auffassung, dass die Beigeladene im Rahmen der Aufklärungsgespräche ihr Konzept zum Polderschluss hinreichend erläutert habe. Sie halte sich bei der Errichtung des Polders und bei der Durchführung des Polderschlusses an die Vorgaben der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses. Das vorgelegte Bodenmanagementkonzept enthalte überdies auf den Seiten 2 bis 9 eine ausführliche Erläuterung der von der Beigeladenen vorgesehenen Bauphasen 1 bis 14. Hinsichtlich des vorgelegten Polderschlusskonzeptes weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die Beigeladene parallel zur Kaje einen provisorischen Ostdamm in Höhe der Schnittstelle Terminal / Hafengroden aufschüttet, der es ihr ermögliche, den Polderschluss zeitlich vor der endgültigen Fertigstellung der Kaje durchzuführen. Nach Schließung des Polders werde die Kaje hinterfüllt und endgültig hergestellt.

53

Die Beigeladene beantragt:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen,

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

54

Die Beigeladene unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.

55

Hinsichtlich der Frage des automatischen Ausschlusses des Angebotes der Antragstellerin verweist die Beigeladene zusätzlich auf das von ihr eingeholte Gutachten des Rechtsanwaltes J..... Danach sei der Ausschluss der personell veränderten Bietergemeinschaft zwingend. Auch sei der Fall der Insolvenz eines Einzelbieters auf diesen Fall nicht übertragbar, da dort denkbar ist, dass das Unternehmen im Wesentlichen unverändert fortgeführt werde.

56

Die Beigeladene weist außerdem darauf hin, dass von Anfang an die Einzelheiten des Polderschlusses in ihrem Angebot feststanden. Sie beabsichtige nach ihrem Aufspülkonzept lediglich, den Bereich zwischen Kaje und provisorischem Verbindungsdamm nach vorgezogenem Polderschluss im Norddamm zu verfüllen. Dieser Bereich stelle jedoch keinen Polder dar. Es handele sich vielmehr um den Hinterfüllungsbereich der Kaje, der sukzessive mit dem Verschluss der Kaje aufgehöht werde. Insoweit habe sie ihr Konzept nicht geändert, sondern auch gegenüber dem ehemaligen Vergabeteam nur erläutert. Ferner sei das erste Aufklärungsgespräch gar nicht und das zweite von der Auftraggeberin fehlerhaft dokumentiert worden.

57

Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass keine Gründe für einen Ausschluss ihrer Angebote wegen unterschiedlicher Nachlässe auf Haupt- und Nebenangebot NA 0003 vorliegen. Es gäbe keine Verpflichtung, auf sämtliche Haupt- und Nebenangebote denselben Nachlass anzubieten.

58

Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass die Auftraggeberin eine unzulässige Beschränkung der Nebenangebotswertung auf ausdrücklich formulierte Kombinationsangebote vorgenommen habe, vertritt die Beigeladene die Auffassung, dass es nicht Aufgabe der Auftraggeberin sei, mögliche Kombinationen zu ermitteln. Sie habe vielmehr von den Bietern verlangt, sich für bestimmte Kombinationen zu entscheiden, und dies auch in den Mindestanforderungen ausdrücklich festgelegt.

59

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30.05.2007 Bezug genommen.

Gründe

60

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Auftraggeberin war nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen des nach Angebotsabgabe eröffneten Insolvenzverfahrens gegen ihre Gesellschafterin, die der Firma ..., automatisch von der Angebotswertung auszuschließen, ohne zuvor sorgfältig ihr Ermessen auszuüben, ob die antragstellende Bietergemeinschaft nicht auch in der Konstellation der verbliebenen vier Unternehmen für den streitbefangenen Auftrag geeignet ist. Allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen einen Gesellschafter führt nicht zu einem zwingenden Ausschluss des Angebotes einer Bietergemeinschaft wegen nachträglicher Angebotsänderung gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. Dagegen hat sich die Auftraggeberin im Rahmen ihres vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie den Sondervorschlag der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der von ihr eingeholten grundsätzlich positiven Fachgutachten im Ergebnis wegen verbleibender Restrisiken aufgrund der bislang nicht unter vergleichbaren Bedingungen verwirklichten Bauweise für nicht gleichwertig im Vergleich zu der gemäß dem Amtsentwurf für das Hauptangebot vorgesehenen Bauweise bewertet hat. Die Auftraggeberin ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen aufgrund eines vermeintlich fehlenden oder abweichenden Polderschlusskonzeptes der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit oder Abweichungen von Vorgaben der Verdingungsunterlagen von der Angebotswertung auszuschließen. Die Beigeladene hat mit Ihrem Angebot alle für die Poldererrichtung im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Leistungen mit den von der Auftraggeberin vorgegebenen Massen angeboten. Den konkreten Bauablauf hatte die Auftraggeberin ausweislich der Baubeschreibung ausdrücklich einem individuell von den Bietern auszuarbeitenden Ausführungskonzept überlassen. Die diesbezüglichen Aufklärungsgespräche zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen hielten sich in dem nach § 24 VOB/A zulässigen Rahmen. Angesichts der Tatsache, dass die Beigeladene die Poldererrichtung ausweislich ihres Angebotes ausdrücklich zweistufig - unter Bildung eines Hilfsdamms und zeitlicher Vorverlegung des Polderschlusses im Norddamm - vollziehen will, hat die Auftraggeberin jedoch vor einer endgültigen Entscheidung über den Zuschlag noch aufzuklären, wie die Beigeladene für den dann bis zum Kajenschluss verbleibenden Teilpolder den mit fortschreitender Fertigstellung der Kaje zunehmenden Tidefließgeschwindigkeiten und den damit verbunden Erschwernissen bei der Aufspülung Rechnung tragen will. Auch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Hauptangebotes ist vergaberechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Da die Auftraggeberin die Bieter mit den Verdingungsunterlagen darauf hingewiesen hatte, nur ausdrücklich angebotene Angebotskombinationen aus für gleichwertig befundenen Nebenangeboten zu berücksichtigen, ist sie weder gehalten noch berechtigt, darüber hinaus nach optimalen, preisreduzierenden Kombinationen von für grundsätzlich wertbar gehaltenen Nebenangeboten der Antragstellerin zu suchen. Die Auftraggeberin hat auch zu Recht von der Antragstellerin und der Beigeladenen als Nebenangebote vorgeschlagene, von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen abweichende Korrosionsschutzsysteme als nicht gleichwertig verworfen. Sie war ferner nicht gehindert, das Nebenangebot NA 0003 (Rohrspundwand und HZ-Pfähle für den Überbau) zu berücksichtigen. Schließlich hat die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeberin aufgegeben wird, ihren Geschäftsführer, Herrn H...., nicht mehr mit dem Vergabeverfahren zu befassen und sicherzustellen, dass jegliche Einflussnahme und Mitwirkung des Herrn H.... bei dem Vergabeverfahren unterbleibt. Die Voraussetzungen für einen Mitwirkungsausschluss gem. § 16 VgV liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Zusammensetzung des von der Auftraggeberin eingesetzten Vergabeteams oder der von ihr mit der Auftragsvergabe befassten Entscheidungsträger. Die Vergabekammer hatte vielmehr zu prüfen, ob die von der Auftraggeberin letztlich getroffenen und von der Antragsstellerin angefochtenen Wertungen und Entscheidungen durch das Vergaberecht und die in der Vergabeakte dokumentierten Sachverhalte, Prüfungen und Erwägungen gedeckt sind.

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin ... GmbH & Co. KG handelt es sich um eine juristische Person des Privatrechts, an der ausschließlich das Land Niedersachsen und über das Sondervermögen B.... die ... beteiligt sind. Die Gesellschaft wurde zu dem im Allgemeininteresse liegenden Zweck gegründet, den Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port zu realisieren. Der Bau des Hafens ist für die Gesellschafter nicht auf eine dauerhafte und nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet, sondern soll die Wirtschaft regional und überregional stärken und Impulse für Investitionen Privater setzen. Die ... GmbH & Co. KG erfüllt somit eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art und ist damit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 Abs. 1 GWB. Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Tätigkeit der Auftraggeberin ist auf eine Sektorentätigkeit im Verkehrsbereich gem. § 8 Nr. 4 Buchst. b der Vergabeverordnung (VgV) gerichtet. Danach zählt zu den Tätigkeiten im Sektorenbereich die Nutzung eines geographisch abgegrenzten Gebietes zum Zwecke der Versorgung von Beförderungsunternehmen im See- oder Binnenschiffverkehr mit Häfen oder anderen Verkehrseinrichtungen. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 VgV ist auf das streitbefangene Vergabeverfahren daher der 3. Abschnitt des Teils A der VOB/A, die sog. b-Paragraphen anzuwenden. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der durch die 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 26.10.2006 (BGBl. I S. 2334) festgelegte, höhere Schwellenwert von 5 278  000 € gilt für die streitbefangene Bauleistung gemäß der Übergangsbestimmung des § 23 VgV nicht, da das Vergabeverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen am 01.11.2006 bereits eingeleitet war. Die Bekanntmachung erfolgt am 16.06.2005. Der Wert des streitbefangenen Auftrags überschreitet diesen Schwellenwert bei weitem. Bereits die Schätzungen der Auftraggeberin gingen ausweislich der Vergabeakte für die sich über insgesamt 9 Lose erstreckende Baumaßnahme mit einem Auftragswert von rd. 570 Mio. € netto aus. Ausweislich des in der Vergabeakte befindlichen Vergabevermerks vom 27.04.2007 wies bereits das von der Auftraggeberin als wirtschaftlichstes Angebot ermittelte Hauptangebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung eines zweiprozentigen Nachlasses eine Angebotssumme von ... € brutto aus. Unter Berücksichtigung des von der Beigeladenen unterbreiteten Nebenangebotes NA 0003 und des diesbezüglich angebotenen, einprozentigen Nachlasses ermittelte die Auftraggeberin eine Angebotssumme von ... € netto.

    Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss wegen nachträglicher Änderung des Angebotes aufgrund der vermeintlich geänderten Gesellschafterstruktur im Zusammenhang mit der Insolvenz des zu ihrer Bietergemeinschaft gehörenden Unternehmens ... lägen nicht vor. Die Firma ... sei ungeachtet des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens über ihren Insolvenzverwalter weiterhin Mitglied ihrer Bietergemeinschaft. Im Übrigen habe die Auftraggeberin die Eignung ihrer Bietergemeinschaft anlässlich der von ihr unverzüglich gemeldeten Insolvenz der Firma ... bereits durch das vormalige Vergabeteam unter Führung des zwischenzeitlich gekündigten Prokuristen erneut überprüft und den Fortbestand der Eignung bejaht. An dieser positiven Feststellung des ehemaligen Vergabeteams sei die Auftraggeberin gebunden. Vielmehr habe die Auftraggeberin nach Entlassung des ehemaligen Leiters des Vergabeteams das Vergabeteam in vergaberechtswidriger Weise umgebaut und die ursprüngliche Angebotswertung zu Lasten der Antragstellerin und zu Gunsten der Beigeladenen umgeschrieben. Dies gelte auch für die Beurteilung ihres Sondervorschlags, dessen Berücksichtigung zu einer Ersparnis von über 40 Mio. € gegenüber dem Hauptangebot der Beigeladenen führen würde. Die Gleichwertigkeit ihres Sondervorschlags im Vergleich zu dem den Bietern des Hauptangebots von der Auftraggeberin vorgegebenen Amtsentwurf sei vom vormaligen Vergabeteam auf der Grundlage fundierter Fachgutachten ausdrücklich festgestellt worden. Ferner sei die Auftraggeberin gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen eines fehlenden oder zumindest aber mangelhaften Polderkonzeptes gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 VOB/A zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Selbst bei Berücksichtigung des Hauptangebotes der Beigeladenen habe die Antragstellerin aber unter optimaler Kombination der von ihr angebotenen Nebenangebote auch das wirtschaftlichste Hauptangebot abgegeben. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rn. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Übersicht über die Angebotsendsummen hätte die Antragstellerin zumindest bei Berücksichtigung ihres Sondervorschlags das preislich niedrigste Angebot abgegeben. Es ist im Übrigen für die Antragsbefugnis nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

    Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertig erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die von ihr geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Mit Schreiben vom 26.04.2007, eingegangen bei der Antragstellerin per Telefax am 27.04.2007, hat die Auftraggeberin der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll und es gem. § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen werde, da ein Ausschlussgrund nach § 8 Nr. 5 VOB/A aufgrund der Insolvenz ihres Mitglieds, der Firma ..., vorliege. Ferner wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Angebot unabhängig von diesem Ausschluss auch nicht das wirtschaftlichste sei. Bereits drei Tage später, mit Anwaltsschriftsatz vom 30. April 2007 rügte die Antragstellerin ausdrücklich den Angebotsausschluss. Bereits zuvor, mit Rügeschreiben vom 23.02.2007 (im Vorfeld des 1. Nachprüfungsverfahrens zum Az. VgK-14/2007), vom 24.04.2007 und vom 26.04.2007 hatte sich die Antragstellerin gegen eine drohende, vermeintlich vergaberechtswidrige Umarbeitung der bisherigen Angebotswertung zu Lasten der Antragstellerin und zu Gunsten der Beigeladenen gewandt, auf die ihrer Auffassung nach bereits abgeschlossene und für sie positive Überprüfung ihrer Eignung hingewiesen und den ihrer Auffassung nach zwingenden Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen verlangt und diese Rügen mit Anwaltsschriftsätzen vom 03.05.2007 und 08.05.2007 vertieft. Die jeweils nur wenige Tage nach Erhalt von entsprechenden Informationen durch die Auftraggeberin abgesetzten Rügen erfolgten unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

  2. 2.

    Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, soweit die Auftraggeberin davon ausgegangen ist, dass das Angebot der Antragstellerin wegen des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens gegen den zur Bietergemeinschaft der Antragstellerin gehörenden Gesellschafter, Firma ..., zwingend von der Angebotswertung auszuschließen ist. Die Auftraggeberin war und ist vielmehr gehalten, von ihrem durch § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A i.V.m. § 25 Nr. 5 VOB/A eingeräumten Ermessen in der gebotenen Tiefe Gebrauch zu machen und zu prüfen, ob die Eignung für den streitbefangenen Auftrag über die anderen vier von der Insolvenz nicht betroffenen Unternehmen der Bietergemeinschaft noch gewährleistet ist. Im Zuge dieser Prüfung und Ermessensentscheidung hat sie insbesondere auch von ihrer Möglichkeit Gebrauch zu machen, entsprechende Aufklärungsverhandlungen mit der antragstellenden Bietergemeinschaft gem. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zu führen. Nur wenn die erneute Eignungsprüfung unter Berücksichtigung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der in der Bietergemeinschaft verbliebenen Unternehmen negativ ausfällt, ist sie berechtigt, das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A auszuschließen. Auch soweit die Auftraggeberin den Angebotsausschluss ergänzend auf den vermeintlichen Verdacht einer Manipulation des Bietergemeinschaftsvertrages und die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin bei der Aufklärung gem. § 24 Nr. 2 VOB/A stützt, liegen die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss nicht vor, da die Auftraggeberin die Vorlage des Originalbietergemeinschaftsvertrages ohne nähere Begründung von der Beigeladenen verlangt hatte (im Folgenden a). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen überwiegend unbegründet. Die Auftraggeberin hat sich im Rahmen des ihr vergaberechtlich bei der Angebotswertung eingeräumten Ermessens gehalten, als sie den Sondervorschlag der Antragstellerin zur Verankerung der Kaje ("SV 4 Ankerlagen") mangels entsprechender Erfahrungswerte mit diesem Konzept unter den vor Ort vorzufindenden Bedingungen und damit verbundenen Restrisiken im Ergebnis als nicht gleichwertig zu dem mit den Verdingungsunterlagen für das Hauptangebot vorgegebenen Amtsentwurf für die Kajenanlage bewertet hat. Die Auftraggeberin ist ungeachtet der auch von ihr eingeräumten konstruktiven und wirtschaftlichen Attraktivität des Sondervorschlags nicht gehalten, den Zuschlag unter Zurückstellung ihrer Bedenken auf den Sondervorschlag zu erteilen (im Folgenden b). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen auch die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nicht vor. Die Beigeladene hat ausweislich ihres mit der Vergabeakte vorliegenden Angebotes auch den Polderschluss mit sämtlichen im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Positionen ausdrücklich angeboten. Das von ihr mit dem Angebot eingereichte Konzept für den Polderschluss war zwar aufklärungsbedürftig im Sinne des § 24 VOB/A, führt aber nicht zum Ausschluss von der Angebotswertung wegen Abweichung von Vorgaben der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A. Da die Auftraggeberin ausweislich der Baubeschreibung ausdrücklich lediglich ein "mögliches" Konzept für den Polderschluss vorgeschlagen hat, hat sie den Bietern zwar die notwendigen Leistungen, Qualitätsanforderungen und Massen für die Errichtung des Bauwerks, nicht aber den Bauablauf verbindlich vorgegeben. Daher ist die Auftraggeberin weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, weil diese die Aufspülung des Polders zweistufig angeboten hat: Diese will den vorgeschriebenen Polderschluss im Norddamm durch Errichtung eines Hilfsdamms im Osten der künftigen Polderfläche schon zu einem Zeitpunkt vollziehen, in dem die Kaje nach dem ausdrücklichen Angebot der Beigeladenen erst zu 50 % fertig gestellt ist, während sie die verbleibende Polderfläche sukzessive mit dem Baufortschritt bei der Kaje aufspülen will. Die Auftraggeberin hat jedoch unter Wiedereintritt in die Angebotswertung vor einer endgültigen Entscheidung über den Zuschlag noch aufzuklären, wie die Beigeladene für den dann bis zum Kajenschluss verbleibenden Teilpolder den mit fortschreitender Fertigstellung der Kaje zunehmenden Tidefließgeschwindigkeiten und den damit verbunden Erschwernissen bei der Aufspülung Rechnung tragen will, und zu prüfen, ob ihr im Zuschlagsfall konzeptbedingte Nachtragsforderungen drohen (im Folgenden c). Auch die in der Vergabeakte dokumentierte Ermittlung des wirtschaftlichsten Hauptangebotes ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Prüfung der Nebenangebote der Antragstellerin und der Beigeladenen und hinsichtlich der Berücksichtigung des Nebenangebotes NA 0003 (Rohrspundwand) der Beigeladenen sowie der angebotenen Nachlässe (im Folgenden d). Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für den von der Antragstellerin geforderten Ausschluss des Geschäftsführers der Auftraggeberin, Herrn H...., von der weiteren Mitwirkung am Vergabeverfahren gem. § 16 VgV nicht vor (im Folgenden e).

    1. a)

      Die Auftraggeberin ist vergaberechtlich weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Antragstellerin aufgrund der nach Angebotsabgabe eingetretenen Insolvenz ihres Gesellschafters ... von der Angebotswertung auszuschließen, ohne zuvor ihr Ermessen auszuüben und die ihm gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A obliegende Prüfung durchzuführen, ob die Antragstellerin nicht auch durch die vier übrigen, von der Insolvenz nicht betroffenen Unternehmen der Bietergemeinschaft die notwendige Eignung für die ausgeschriebenen Leistungen aufweist. Dabei steht der erneuten Eignungsprüfung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht entgegen, dass die Eignung der Antragstellerin nicht nur vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ihren Gesellschafter ... im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs positiv festgestellt wurde, sondern ausweislich eines in der Vergabeakte befindlichen Entwurfs des Vergabevermerks (Nachträge 1, 2 und 4 vom 05.09.2006, 15.09.2006 und 15.12.2006), entworfen vom vormaligen Vergabeteam unter Leitung des zwischenzeitlich gekündigten Prokuristen, anlässlich der Beantragung und der Einleitung des Insolvenzverfahrens gegen die Firma ... die Eignung der Antragstellerin erneut geprüft wurde. Denn dieser der Vergabekammer vorliegende, vom ehemaligen Vergabeteam fortgeführte Vermerk, dessen letzte Eintragungen vom 16.02.2007 datieren, hat das Entwurfsstadium nie verlassen. Dies folgt daraus, dass das ursprüngliche Vergabeteam für alle Bestandteile des Vergabevermerks außer der Unterschrift des vormaligen Prokuristen und Leiters Projektteam Bau ... ausdrücklich auch die Unterschrift des Geschäftsführers der Auftraggeberin, Herrn W...., vorsah, die jedoch in allen Bestandteilen fehlt. Die Antragstellerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass die im Entwurf des Vergabevermerks dokumentierten Wertungen des vormaligen Vergabeteams im Hinblick auf den Fortbestand der Eignung der Antragstellerin für die Auftraggeberin bindend sind. Die Auftraggeberin war und ist vielmehr nach wie vor gehalten, die Eignung der antragstellenden Bietergemeinschaft anlässlich der nach Angebotsabgabe eingetretenen Insolvenz ihres Gesellschafters ... gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2, Nr. 2 Abs. 1 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A erneut zu prüfen, um im Rahmen des ihr vergaberechtlich obliegenden Ermessens zu entscheiden, ob die Antragstellerin auch in der Konstellation der von der Insolvenz nicht betroffenen, in der Bietergemeinschaft verbliebenen Unternehmen die notwendige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit aufweist. Gemäß § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A und § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/Akönnen Angebote von Bietern, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzlich geregeltes Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt worden ist oder der Antrag mangels Masse abgelehnt wurde, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Bei diesen Ausschlussregelungen handelt es sich ausdrücklich um "Kann-Vorschriften", d.h. die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Ausschreibenden. Zwar kann sich dieses Ermessen im Einzelfall so stark verdichten, dass die Ausschlussentscheidung zwangsläufig getroffen werden muss, z.B. wenn der Unternehmer wegen Insolvenz praktisch gar nicht in der Lage ist, die Bauleistung zu erbringen (vgl. Dähne in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Auflage, § 25 VOB/A, Rn. 21; OLG Dresden, VergabeR 2004, Seite 92). Für eine derartige "Ermessensreduzierung auf Null" zu Lasten der Antragstellerin bietet der vorliegende Sachverhalt jedoch keinen Anlass. Weder der quantitative noch der qualitative Anteil des insolventen Gesellschafters ... an der Aufgabenverteilung innerhalb der Bietergemeinschaft für den Zuschlagsfall ist derart gewichtig, dass eine Übernahme der für die Firma ... vorgesehenen Leistungen durch die übrigen vier Mitgliedsunternehmen der Antragstellerin von vornherein aussichtslos erscheint. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der gesellschaftsvertragliche Anteil der Firma ... der Bietergemeinschaft ausweislich des in der Vergabeakte befindlichen, auf den 20.12.2005 datierenden Bietergemeinschaftsvertrages gem. § 3 (Beteiligung und Haftung) lediglich 11,25 % beträgt. Die Auftraggeberin muss daher nach wie vor abschließend prüfen, ob die Eignung der Antragstellerin trotz Insolvenz ihres Gesellschafters ... nach wie vor gegeben ist. Für derartige Aufklärungen ist das Bietergespräch gem. § 24 Nr. 1 VOB/A besonders geeignet (vgl. Dähne, a.a.O., § 25 VOB/A, Rn. 21). Gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter unter anderem ausdrücklich nur verhandeln, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu unterrichten. Das OLG Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung (Beschl.v. 05.12.2006, Az.: VII-Verg 56/06, zitiert nach VERIS) zu Recht darauf hingewiesen, dass § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A, und zwar auch i.V.m. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A, dem öffentlichen Auftraggeber nicht erlaubt, einen Bieter oder Bewerber allein aufgrund einer durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretenen abstrakten Gefährdungslage, ohne eine gezielte und konkrete Überprüfung seiner Eignung, d.h. Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit trotz eingeleiteten Insolvenzverfahrens, ohne Betätigung des dabei auf der Tatbestandsseite auszuübenden Beurteilungsspielraums und des auf der Rechtsfolgeseite eingeräumten Ermessens und vor allen Dingen ohne eine Kontrolle bei der Ausübung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen einzuhaltenden Grenzen vom Wettbewerb auszuschließen. In dem dieser Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Auftraggeber allerdings den ihm zu Gebote stehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum zumindest nach Auffassung des OLG zu Recht im Ergebnis dahingehend ausgeübt, dass der dortige Antragsteller vom Wettbewerb auszuschließen war. Eine derartige Ermessensentscheidung hat die Auftraggeberin aber im vorliegenden Fall noch nicht getroffen.

      Die Auftraggeberin vertritt ausweislich der Vergabeakte und ihres schriftsätzlichen und mündlichen Vortrags im Nachprüfungsverfahren vielmehr die Auffassung, dass durch die Insolvenz der Firma ... in personeller Hinsicht eine nachträgliche Änderung des Angebotes der Antragstellerin eingetreten sei, die gem. § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässig sei. Ihr komme daher hinsichtlich des Ausschlusses der Antragstellerin kein Ermessen zu. Der Angebotsausschluss sei vielmehr zwingend. Eine zum Ausschluss zwingende nachträgliche Angebotsänderung im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A liegt jedoch nicht vor.

      Zwar teilt die Vergabekammer die Auffassung der Auftraggeberin, dass die Firma ... mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Bietergemeinschaft der Antragstellerin ausgeschieden ist. Dies folgt aus den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des BGB. Gemäß § 728 Abs. 2 BGB wird die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters regelmäßig aufgelöst. Diese automatische Auflösung der Gesellschaft ist gem. § 736 Abs. 1 BGB zwar ausdrücklich gesellschaftsvertraglich abdingbar, hat aber dann zwingend das Ausscheiden des insolventen Gesellschafters zur Folge. Dort heißt es:

      "Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass, wenn ein Gesellschafter kündigt oder stirbt oder wenn das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll, so scheidet bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses der Gesellschafter, in dessen Person es eintritt, aus der Gesellschaft aus."

      Die Vergabekammer vertritt mit der im Schrifttum vorherrschenden Lehre die Auffassung, dass das Ausscheiden des insolventen Gesellschafters bei Fortführung der BGB-Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter angesichts dieser eindeutigen gesetzlichen Regelungen nicht gesellschaftsvertraglich abdingbar ist (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 66. Auflage, 2007, § 728, Rn. 2; Juris Praxiskommentar BGB-Bergmann, § 728, Rn. 6; Jauernig-Stürner, § 728, Rn. 15; von Gramm in: RGRK BGB, 12. Auflage, § 728, Rn. 1). Danach ist zwar die nach § 24 Abs. 1 des in der Vergabeakte befindlichen Bietergemeinschaftsvertrags der Antragstellerin vom 20.12.2005 vereinbarte Fortführungsklausel in Übereinstimmung mit § 736 Abs. 1 BGBwirksam. Denn in § 24 Abs. 1 ihres Gesellschaftsvertrages haben die Mitglieder der Bietergemeinschaft vereinbart, dass in allen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters die Dach-ARGE von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird. Die Beteiligungsquoten der übrigen Gesellschafter sollen danach neu bestimmt werden, indem die Quote des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung gem. § 3 des Gesellschaftsvertrages anwächst. Dagegen ist die fakultative Ausschlussregelung gemäß der lfd. Nr. 23.41 des Gesellschaftsvertrages unwirksam. Dort heißt es:

      "Ein Gesellschafter kann durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter oder - bei einer zweigliedrigen Gesellschaft - durch Erklärung des anderen Gesellschafters ausgeschlossen werden,

      23.41: Wenn die Zahlungen eingestellt oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren beantragt oder seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird oder wenn ein Gläubiger des Gesellschafters nach § 725 BGB kündigt."

      Eine derartige gesellschaftsvertragliche, fakultative Regelung, die unter Abweichung von § 736 Abs. 1 BGB es dem Beschluss der übrigen Gesellschafter überlässt, ob der insolvente Gemeinschuldner ausgeschlossen wird oder ob die Gesellschaft nach wie vor mit allen Gesellschaftern, also auch unter Einschluss des Gemeinschuldners, fortgesetzt wird, ist unwirksam (vgl. Timm/Schöne in: Bamberger/Roth, BGB, § 728, Rn. 10). Die Gesellschafter haben nicht die Möglichkeit zu bestimmen, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners die Gesellschaft unberührt, die Gesellschaft also unter Einschluss des Gemeinschuldners bestehen bleiben soll. Denn im Falle eines Insolvenzverfahrens ist es notwendig, die Vermögenswerte des Gemeinschuldners, soweit sie in dem Gesellschaftsvermögen gebunden sind, für die Befriedigung der Konkursgläubiger freizumachen (vgl. von Gramm in: RGRK BGB, 12. Auflage, § 728, Rn. 1).

      Aber selbst wenn man mit der im Schrifttum vertretenen Gegenauffassung die Fortsetzung der Gesellschaft auch unter Einbeziehung des insolventen Gesellschafters für möglich hält, wenn der Insolvenzverwalter den Gesellschaftsanteil - ggf. gegen eine Vergütung seitens der Mitgesellschafter - aus der Insolvenzmasse freigibt (vgl. Erman-Westermann, BGB Handkommentar, § 728, Rn. 8; Staudinger-Habermeier, § 728, Rn. 4, 25; Timm/Schöne in: Bamberger/Roth, BGB, § 27, Rn. 11), führt dies im Ergebnis nur zu der von der Vergabekammer vertretenen Auffassung, dass die Auftraggeberin in jedem Fall gehalten ist, die Eignung der Bietergemeinschaft im Hinblick auf die verbleibenden, nicht von der Insolvenz betroffenen Gesellschafter erneut zu prüfen. Denn die Auftraggeberin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens - von der Antragstellerin nicht substantiiert bestritten - nachvollziehbar dargelegt, dass die insolvente Firma ... zwischenzeitlich gar nicht mehr über die notwendigen Facharbeiter verfügt, um ihren gesellschaftsvertraglichen Anteil an den ausgeschriebenen Bauleistungen im Zuschlagsfall zu erfüllen.

      Dagegen teilt die Vergabekammer nicht die Auffassung der Auftraggeberin und der Beigeladenen, dass der Ausschluss einer teilinsolventen Bietergemeinschaft ungeachtet der Ermessensvorschriften gem. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A und § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A nun aufgrund einer gem. § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässigen nachträglichen Änderung des Angebotes erfolgen muss.

      Gemäß § 24 Abs. 3 VOB/A sind andere als die im dortigen § 24 Abs. 1 VOB/A genannten Aufklärungsverhandlungen, besonders über Änderungen der Angebote oder Preise regelmäßig unstatthaft. Die Bildung einer völlig neuen Bietergemeinschaft nach Ablauf der Angebotsfrist gem. der §§ 18, 18a oder 18b VOB/A ist darüber hinaus bereits gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. a VOB/A rechtlich nicht zulässig, da Angebote, die dem Verhandlungsleiter im Eröffnungstermin gem. § 22 VOB/A bei Öffnung der ersten Angebote nicht vorgelegen haben, zwingend auszuschließen sind. Im Hinblick auf den das Vergaberecht prägenden Wettbewerbsgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB geht die allgemeine Ansicht für den Regelfall deshalb zu Recht davon aus, dass auch eine Änderung in der Person des Bieters nach Angebotsöffnung und vor Zuschlagserteilung, selbst durch Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, nicht in Betracht kommt (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, 15. Auflage, Vor §§ 21 ff. VOB/A, Rn. 5; Werner in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 101 GWB, Rn. 621). Im Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung sind daher grundsätzlich einseitige Angebotsänderungen nicht nur in sachlicher, sondern auch in personeller Hinsicht unzulässig. Daraus folgt jedoch nach Auffassung der Vergabekammer nur, dass ein Identitätswechsel einer Bietergemeinschaft in Form eines Austausches des insolventen Mitgliedes durch ein neues, erst nach Angebotsabgabe in die Bietergemeinschaft eintretendes Unternehmen vergaberechtlich unstatthaft ist. Ein solcher Austausch von Gesellschaftern liegt im hier zu entscheidenden Fall aber weder vor noch ist er von der Antragstellerin beabsichtigt. Streitig ist daher allein, ob auch die von der Antragstellerin gem. § 24 Abs. 1 des Bieter-/Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrages vom 20.12.2005 vereinbarte Fortsetzung der Bietergemeinschaft unter den übrigen Gesellschaftern eine unzulässige Änderung der Zusammensetzung der Bietergemeinschaft und damit des Angebotes darstellt. Die Auftraggeberin und die Beigeladene vertreten diese Auffassung und berufen sich diesbezüglich insbesondere auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschl.v. 26.01.2005, Az.: VII-Verg 45/04 = NZBau 2005, S. 354 ff., 355 [OLG Düsseldorf 26.01.2005 - Verg 45/04] und Beschl.v. 24.05.2005, Az.: VII-Verg 28/05 = NZBau 2005, S. 710 ff., 711). Den zitierten Entscheidungen liegen indessen keine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Sachverhalte zugrunde. Mit seinem Beschluss vom 26.01.2005 hatte das OLG Düsseldorf darüber zu entscheiden, ob die Veräußerung eines Teilbetriebs eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft nach Angebotsabgabe eine unzulässige Änderung der Bietergemeinschaft selbst zur Folge hat und dieses im Ergebnis verneint. Das OLG Düsseldorf hat lediglich den Grundsatz bestätigt, dass im Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung Angebotsänderungen in sachlicher wie auch in - im dortigen Fall nicht vorliegender - personeller Hinsicht grundsätzlich unstatthaft sind. Ein Verbot einer Änderung des Angebots erstrecke sich auch auf die Zusammensetzung der Bietergemeinschaft. Bietergemeinschaften können - wie der sinngemäßen Auslegung von § 21 Nr. 5 VOB/A zu entnehmen sei - nur bis zur Angebotsabgabe gebildet und geändert werden. Mit dem ebenfalls von der Auftraggeberin und der Beigeladenen zitierten Beschluss vom 24.05.2005 hat das OLG Düsseldorf diesen Grundsatz bekräftigt und entschieden, dass das Angebot der teilinsolventen Bietergemeinschaft im dortigen Fall zwingend auszuschließen sei. Das Besondere an diesem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall war jedoch, dass die betroffene Bietergemeinschaft lediglich aus zwei Unternehmen bestand. Nachdem eines der beiden Unternehmen selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hatte, erklärte das andere Unternehmen, die dortige Antragstellerin, dass sie das insolvente Unternehmen unter Bezugnahme auf die entsprechende Regelung im Bietergemeinschaftsvertrag von der Bietergemeinschaft ausschließe. Gleichzeitig unterrichtete die dortige Antragstellerin als einziges in der Bietergemeinschaft noch verbliebenes Unternehmen den Auftraggeber, dass sie das Angebot der Bietergemeinschaft "allein aufrechterhalte". Durch das Ausscheiden eines von nur zwei Mitgliedern einer Bietergemeinschaft war jedoch schon rein begrifflich keine Bietergemeinschaft mehr gegeben. Scheidet aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nur aus zwei Personen besteht, ein Gesellschafter aus, so ist die Gesellschaft beendet (vgl. BGH, Urteil v. 12.07.1999, Az.: II ZR 4/98 = BB 1999, S. 1947 ff., 1948).

      Gerade dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch von dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Sachverhalt. Hier verbleiben vier von ursprünglich fünf Unternehmen in der Bietergemeinschaft, die von der Insolvenz nicht betroffen sind. Aus der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf kann daher nicht der Grundsatz abgeleitet werden, dass eine insolvenzbedingte Reduzierung der Anzahl der Mitglieder einer Bietergemeinschaft immer zum zwingenden Ausschluss dieser Bietergemeinschaft vom Vergabeverfahren führen muss. Wenn durch Reduzierung der Mitglieder einer Bietergemeinschaft der ordnungsgemäße Bauvergabewettbewerb nicht beeinträchtigt wird, weil der Bietergemeinschaft auch in der reduzierten Konstellation die Eignung für den ausgeschriebenen Auftrag nicht abgesprochen werden kann, ist die Fortführung der Bietergemeinschaft unter den übrigen Gesellschaftern vergaberechtlich unschädlich. Denn die Wettbewerbslage für die übrigen Bieter, die ihrerseits ein Angebot abgegeben haben, kann sich dadurch nicht verschlechtern, weil sie dann nur weniger gemeinschaftlichen Bietern als bisher gegenüberstehen (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, VOB/A, § 21, Rn. 7). Dann kann es im Einzelfall durchaus gerechtfertig sein, das betreffende Angebot, bezogen auf die übrig gebliebenen gemeinschaftlichen Bieter, aus der bisherigen Gemeinschaft zuzulassen und in die Prüfung und Wertung mit einzubeziehen. Dies folgt auch aus dem Grundsatzurteil des BGH vom 29.01.2001 (Az. II ZR 331/00 = NJW 2001, S. 1056 ff.), der betont hat, dass eine GbR ungeachtet der Tatsache, dass sie keine juristische Person des Privatrechts im eigentlichen Sinne ist, jedenfalls bezüglich schon begründeter eigener Rechte und Pflichten eine eigene Rechtsfähigkeit sowie im Zivilprozess die aktive und passive Parteifähigkeit besitzt. Aus diesem Grund hat auch das OLG Rostock (vgl. Beschl.v. 10.06.2005, Az.: 17 Verg 9/05, zitiert nach ibr-online) entschieden, dass die eingetretene Insolvenz eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft nicht die Annahme einer Rechtsbeeinträchtigung der Bietergemeinschaft selbst hindert. Sie sei also auch in diesem Falle antragsbefugt.

      Im vorliegenden Fall spricht viel dafür, dass die Bietergemeinschaft der Antragstellerin auch in der reduzierten Zusammensetzung über die vier verbliebenen, von der Insolvenz nicht betroffenen Unternehmen die für den streitbefangenen Auftrag notwendige Eignung aufweist. Die Auftraggeberin ist daher gehalten, gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A im Rahmen des ihr obliegenden Ermessens und unter Rücksprache mit der Antragstellerin im Rahmen der gebotenen Aufklärung gem. § 24 VOB/A zu prüfen, ob die verbliebenen Mitglieder der Bietergemeinschaft in der Lage sind, den - zumindest faktisch vorhandenen - Ausfall des Gesellschafters ... zu kompensieren, zumal zumindest ausweislich des in der Vergabeakte befindlichen Bietergemeinschaftsvertrages vom 20.12.2005 die Beteiligung und Haftung des Gesellschafters ... an der Bietergemeinschaft lediglich mit 11,25 % festgelegt wurde.

      Von der ordnungsgemäßen Ausübung ihres Ermessens im Rahmen der gebotenen erneuten Eignungsprüfung ist die Auftraggeberin entgegen ihrer Auffassung auch nicht deshalb entbunden, weil sie den Angebotsausschluss ergänzend auf eine vermeintliche Verweigerung der Mitwirkungspflicht der Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung des Angebotsinhaltes gem. § 24 Nr. 2 VOB/A stützt. Die Auftraggeberin hat in der Vergabeakte dokumentiert und auch im Nachprüfungsverfahren vorgetragen, dass sie den Verdacht hat, dass die Antragstellerin ihren in der Vergabeakte enthaltenen, auf den 20.12.2005 datierten Bieter-Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrag, der im Gegensatz zu einer von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.05.2007 auf Anforderung der Vergabekammer vorgelegten ursprünglichen Fassung vom 20.06.2005 in § 24 Abs. 1 die Fortsetzung der Bietergemeinschaft unter den übrigen Gesellschaftern im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters und in § 23 Abs. 4 (23.41) in Abweichung zu der Regelung des § 736 BGB das automatische Ausscheiden des insolventen Gesellschafters abbedingt und einem einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter vorbehält, rückdatiert ist und in Wirklichkeit in der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Gesellschafter ... am 01.09.2006, zumindest aber nach Beantragung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde. Wenn dem so wäre, wäre die Fortsetzungsklausel zu spät aufgenommen worden, da dann gemäß § 728 Abs. 2 BGB die Bietergemeinschaft der Antragstellerin automatisch als aufgelöst gelten würde. Die Antragstellerin ist dem Vorwurf der Rückdatierung entgegengetreten und hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2007 erklärt, dass der Vertrag in dieser Fassung tatsächlich zeitnah, wenn auch nicht am 20.12.2005, aber in den darauf folgenden Wochen im Umlaufverfahren von den beteiligten Unternehmen unterzeichnet wurde. Die Auftraggeberin hat daraufhin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erklärt, dass sie dazu über ihren schriftsätzlichen Vortrag hinaus nichts Weiteres erklären möchte, während die Beigeladene nach wie vor den Vorwurf der Rückdatierung erhebt. Die Auftraggeberin hat sich hinsichtlich des Vorwurfs der Rückdatierung auf eine gutachterliche Stellungnahme des von ihr beauftragten Rechtsanwaltes B.... vom 11.04.2007 gestützt, der zu dem Ergebnis gelangt, dass die auf den 20.12.2005 datierte Neufassung des Bietergemeinschaftsvertrages aus der Zeit zwischen dem 18.08.2006 und dem 07.09.2006 stammt. Der Rechtsanwalt geht davon aus, dass die geänderte Fassung des Bietergemeinschaftsvertrages der Antragstellerin erst in Reaktion auf eine von der Auftraggeberin in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwälte A.... vom 18.08.2006 abgeschlossen wurde, weil die gutachterliche Stellungnahme - unter einer vermeintlichen Fehlinterpretation der BGB Kommentierung Staudinger (Staudinger-Habermeier, 13. Auflage, § 728 BGB, Rn. 4) zu dem Schluss gelangt ist, dass die Gesellschafter einer Bietergemeinschaft/Arbeitsgemeinschaft auch gesellschaftsrechtlich bestimmen können, dass ein insolventer Gesellschafter nicht zwangsläufig aus der Gesellschaft ausscheidet, sondern dass es hierzu eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses bedarf.

      Es ist bereits fraglich, ob diese von dem beauftragten Rechtsanwalt B.... angeführte Indizienkette überhaupt ausreicht, einem Bieter eine Vertragsmanipulation zu unterstellen. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen. Die Vergabekammer sieht im Ergebnis weder Anlass noch angesichts der für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz gem. § 113 Abs. 1 GWB gesetzlich geregelten Fünf-Wochen-Frist die zeitliche Möglichkeit, den Vorwurf einer Rückdatierung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens gutachterlich, geschweige denn, wie von der Auftraggeberin erwogen, durch eine kriminaltechnische Untersuchung klären zu lassen. Die Auftraggeberin wäre jedenfalls im Rahmen der Aufklärung nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A verpflichtet gewesen, die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 23.04.2007 nicht einfach nur aufzufordern, den Originalbietergemeinschaftsvertrag vorzulegen, sondern hätte zumindest gleichzeitig auch diese Forderung gegenüber der Antragstellerin begründen müssen. Die Begründung in der Vorlage des Originalbietergemeinschaftsvertrages hätte zumindest spätestens erfolgen müssen, als die Antragstellerin am 24.04.2007 gegenüber dem Leiter des Vergabeteams der Auftraggeberin telefonisch die Einsichtnahme in die Originaldokumente anbot. Auch gelegentlich dieses Telefonats erfolgte unstreitig keine Begründung der Auftraggeberin, weshalb eine derartige Einsichtnahme nicht ausreichen sollte, geschweige denn ein Hinweis auf den bei der Auftraggeberin bestehenden Manipulationsverdacht oder gar eine beabsichtigte kriminaltechnische Untersuchung des Originaldokuments.

      Die Auftraggeberin war und ist somit nicht berechtigt, die Antragstellerin vom Vergabeverfahren auszuschließen, ohne zuvor die anlässlich der Insolvenz der Firma ... gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A gebotene, erneute Eignungsprüfung durchzuführen.

    2. b)

      Die Auftraggeberin ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin jedoch nicht verpflichtet, den Zuschlag auf den Sondervorschlag der Antragstellerin für die Ausführung des Uferbauwerks mit einer vierlagig horizontal verankerten Kajenwand zu erteilen. Die Auftraggeberin hat sich im Rahmen des ihr vergaberechtlich bei der Angebotswertung eingeräumten Ermessens gehalten, als sie den Sondervorschlag mangels entsprechender Erfahrungswerte mit diesem Konzept unter den vor Ort vorzufindenden Bedingungen und den damit verbundenen Restrisiken im Ergebnis als nicht gleichwertig zu dem mit den Verdingungsunterlagen für das Hauptangebot vorgegebenen Amtsentwurf für die Kajenanlage bewertet hat.

      Die Antragstellerin vertritt insbesondere in Bezug auf die Bewertung ihres Sondervorschlags die Auffassung, dass das Vergabeteam unter Anleitung der Geschäftsführung der Auftraggeberin, namentlich durch den Geschäftsführer, Herrn H...., in vergaberechtswidriger Weise den Sondervorschlag verworfen hat, obwohl das vormalige Vergabeteam unter Leitung des zwischenzeitlich gekündigten Leiters und Prokuristen diesen Sondervorschlag abschließend als wertbar beurteilt hatte. Ausweislich der Vergabeakte liegt eine abschließende, die Auftraggeberin bindende Angebotswertung des ehemaligen Vergabeteams jedoch nicht vor. Wie bereits unter 2a dargelegt, sahen die Entwürfe des ehemaligen Vergabeteams, dessen letzte Eintragungen vom 16.02.2007 datieren ausdrücklich vor, dass alle Bestandteile des Vergabevermerks außer der Unterschrift des vormaligen Prokuristen auch noch die Unterschrift des Geschäftsführers der Auftraggeberin, Herrn W...., benötigte, die jedoch in allen Bestandteilen fehlt. Die Antragstellerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass die im Entwurf des Vergabevermerks dokumentierten Wertungen des vormaligen Vergabeteams im Hinblick auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit des Sondervorschlags für die Auftraggeberin, die ihre Entscheidungen über die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat herbeiführen muss, bindend sind.

      Auch im Übrigen bietet die Vergabeakte keinen Anlass dafür, dass die Angebotswertung in irgendeinem Stadium zugunsten der Beigeladenen unter Verstoß gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot, das Transparenzgebot oder das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 GWB manipuliert wurde. Dies gilt ausdrücklich sowohl für die Phasen des Vergabeverfahrens, die von dem ehemaligen Vergabeteam unter Leitung von Herrn ... betreut und durchgeführt wurden, als auch für die abschließende Wertung, die durch das neue Vergabeteam unter Leitung des Justitiars der Auftraggeberin, Herrn ..., durchgeführt wurde. Vielmehr ist das gesamte Vergabeverfahren, gerade auch im Hinblick auf die Bewertung des Sondervorschlags der Antragstellerin, außerordentlich umfangreich in einer den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Insbesondere liegen der Vergabekammer neben der endgültigen Fassung des Vergabevermerks auch die entsprechenden Entwürfe des vormaligen Vergabeteams und die von der Auftraggeberin zur Beurteilung des Sondervorschlags eingeholten Fachgutachten der Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. ... vom 05.02.2007 und Dr. W.... vom 22.11.2007, die den Sondervorschlag ausdrücklich positiv bewerten, mit der Vergabeakte vor.

      Aus der Vergabeakte wird lediglich deutlich, dass es bis zur Entlassung des vormaligen Leiters des Vergabeteams ..., dessen Kündigung Gegenstand eines schwebenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens ist, und der Geschäftsführung der Auftraggeberin insbesondere in Person des auf Vorschlag des bremischen Gesellschafters bestellten Geschäftsführers Herrn H.... zu völlig unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Gleichwertigkeit des Sondervorschlags gekommen ist. Die in der Vergabeakte dokumentierten kritischen Vorbehalte zum Sondervorschlag stammen zumindest ursprünglich sämtlich von der B.... GmbH & Co. KG, die als Kommanditistin für die Hansestadt B.... die Beteiligung an der Auftraggeberin wahrnimmt. Dabei handelt es sich um einen kommentierenden Vermerk vom 07.07.2006, unterzeichnet von Herrn Dr. V...., der inzwischen Mitglied des neuen Vergabeteams ist, und einem auf diesen Vermerk aufbauenden Schreiben der B.... GmbH & Co. KG vom 07.02.2007. Dass es offenbar in der Folge dieser unterschiedlichen Auffassungen zwischen Geschäftsführung und Vergabeteam und insbesondere anlässlich der dem ehemaligen Leiter des Vergabeteams von der Auftraggeberin vorgeworfenen Äußerungen in der Presse über eine bevorstehende Auftragsvergabe an "ostfriesische Firmen" zu einem Austausch des Vergabeteams durch die Entscheidungsträger der Auftraggeberin gekommen ist, ist als auftraggeberinterne Organisationsmaßnahme vergaberechtlich nicht relevant. Es gehört zu den Grundsätzen des Vergaberechts, dass Leistungen "unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestellen" zu vergeben sind (vgl. OLG Naumburg, Beschl. vom 26.02.2004, Az.: 1 Verg 17/03; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 18.10.2000, Az.: Verg 3/00). Auch wenn dies in der VOB/A im Gegensatz zur VOL/A (§ 2 Nr. 3 VOL/A) nicht speziell geregelt ist, handelt es sich hierbei um einen tragenden Grundsatz,der auch bei der Vergabe von Bauleistungen zu beachten ist (vgl. VK Baden-Würtemberg , Beschluss vom 21.05.2001, Az.: 1 VK 7/01; Weyand, Vergaberecht, § 97 GWB, Rn. 106). Der Auftraggeber kann daher in den Grenzen des § 16 VgV frei entscheiden, welche fachkundigen Mitarbeiter und ggf. welche externen Ingenieur- und Beratungsbüros er mit der Vorbereitung und Betreuung des Vergabeverfahrens und insbesondere mit der Vorbereitung der im Vergabeverfahren vom Auftraggeber zu treffenden Entscheidungen befasst. Das Vergaberecht gewährt den Bietern keine Einflussnahme oder Ansprüche im Hinblick auf die personelle Besetzung der Vergabestelle des öffentlichen Auftraggebers.

      Die Frage, ob die von der Auftraggeberin erhobenen Vorwürfe diese dazu berechtigten, das Arbeitsverhältnis mit ihrem vormaligen Prokuristen und Leiter des Vergabeteams darüber hinaus fristlos zu kündigen, ist nicht Gegenstand des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens, sondern allein dem zuständigen und damit befassten Arbeitsgericht vorbehalten.

      Die Tatsache, dass sich letztendlich im Zuge der Angebotswertung der Auftraggeberin die kritische Position gegenüber dem Sondervorschlag durchgesetzt hat, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als diskriminierende "Umschreibung" eines Vergabevermerks zu werten. Die Vergabekammer hatte jedoch zu beurteilen, ob sich die Auftraggeberin bei ihrer Entscheidung über die Gleichwertigkeit und Wertbarkeit des Sondervorschlags im Rahmen ihres durch § 25 VOB/A eingeräumten Ermessens gehalten hat.

      Bei dem streitbefangenen Sondervorschlag handelt es sich um ein Nebenangebot im Sinne der §§ 21 Nr. 3, 25 Nr. 5 VOB/A. Gemäß § 25 Nr. 5 VOB/A sind Nebenangebote grundsätzlich zu werten, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - vom Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen zugelassen wurden. Nebenangebote müssen vom Bieter gem. § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A auf besonderer Anlage kenntlich gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet werden. Auch diese Voraussetzung wird durch den Sondervorschlag der Antragstellerin unstreitig erfüllt. Unter einem Nebenangebot ist eine bewusste Abweichung vom Hauptangebot zu verstehen, das der Auftraggeber nach § 10 VOB/A in seinen Vergabeunterlagen vorformuliert hat. Es handelt sich begrifflich um eine eigenständige Ausarbeitung des Bieters, mit der er sich einen Vorteil im Wettbewerb erhofft (vgl. Dähne in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Auflage, § 21, Rn. 33). Die Änderung kann technischer Art sein, z.B. andere Ausführungsmethoden oder andere Stoffe und Bauteile, oder sonstige Vertragsbestimmungen treffen, z.B. Bauzeit oder Zahlungsmodalitäten. Neben der Chance für den Bieter, mit spezieller Sachkunde legale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, bietet sich für den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich die Chance, durch Nebenangebote Kenntnis von anderen, ihm möglicherweise gar nicht bekannten Ausführungsvarianten zu erhalten (vgl. Hertwig in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 10 VOB/A, Rn. 20). Diese Chancen allein sind Sinn und Zweck von Nebenangeboten und damit auch Änderungs- und Sondervorschlägen aller Art. Ein Nebenangebot liegt insbesondere immer auch dann vor, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bei der Bezeichnung des Vertragsgegenstandes ein bestimmtes Verfahren zur Erreichung des Vertragsziels angegeben hat, und der Bieter ein anderes Verfahren zur Grundlage seines Angebots macht. Mit dieser Auslegung wird der Bedeutung der Zulassung von Nebenangeboten Rechnung getragen, in das Ausschreibungsverfahren neueste technische Erkenntnisse einzubeziehen, über die der Auftraggeber oft nicht wie der Bieter unterrichtet ist (vgl. OLG Celle, BauR 2000, S. 405 = NZBau 2000, S. 105 ff.; Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 25, Rn. 70). Nebenangebote können ungeachtet der damit verbundenen Chancen aber auch mit erheblichen Risiken behaftet sein, und zwar sowohl für den Auftragnehmer als auch für den Auftraggeber. Ein erhebliches Risiko kann für einen Bieter, der ein Nebenangebot abgegeben hat, darin bestehen, dass er für dessen Inhalt, insbesondere was die technische Gestaltung und die praktische Ausführung anbelangt, voll verantwortlich ist. Demgegenüber besteht das Risiko für den Auftraggeber zunächst vor allem darin, dass Nebenangebote von Bietern vor allem in dem Bestreben unterbreitet werden, die Auftragschance durch preislich günstige Vorschläge zu verbessern. Die Folge davon kann sein, dass Änderungsvorschläge oder Nebenangebote mit der ausgeschriebenen Leistung nicht gleichwertig sind und - im Auftragsfall - der Auftraggeber nicht das erhält, was er in qualitativer oder quantitativer Hinsicht eigentlich haben wollte. Ein erhebliches Risiko kann für den Auftraggeber im Einzelfall auch darin bestehen, wenn neue oder ungenügend erprobte Bauweisen oder Baustoffe zur Anwendung kommen sollen. Zwar trägt der Auftragnehmer das Ausführungsrisiko, jedoch wirken sich eine etwaige Unausführbarkeit oder schon bei der Ausführung hervortretende Mängel stets auch für den Auftraggeber nachteilig aus (vgl. Rusam, a.a.O., A § 25, Rn. 81).

      Nicht zuletzt aufgrund dieser Risiken darf der Auftraggeber nur solche Nebenangebote beauftragen, die mit dem Amtsvorschlag technisch und wirtschaftlich gleichwertig sind, wobei diese Eigenschaft vom Bieter im Zweifelsfall nachgewiesen werden muss (vgl. OLG Koblenz, Beschl.v. 05.09.2002, Az.: 1 Verg 4/02 = VergabeR 2003, S. 72). Dabei ist entscheidend, dass das Nebenangebot den vertraglich vorausgesetzten Zweck unter allen technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mindestens ebenso erfüllt wie das Hauptangebot und so für den Auftraggeber geeignet ist. Dabei sind auch Vorteile aus dem Nebenangebot zu berücksichtigen (vgl. Brinker/Ohler, in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25, Rn. 141). Der Bieter muss somit ein Nebenangebot vorlegen, das gegenüber dem Hauptangebot eine gleichwertige Qualität vorweist, das also in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die Anforderungen der Vergabestelle erfüllt, ohne teurer zu sein, oder das die Qualität der ausgeschriebenen Bauleistung sogar übertrifft, dabei aber preislich im Rahmen der Hauptangebote bleibt (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, A § 25, Rn. 93). Von vornherein unzulässig sind nach allgemeiner Auffassung nur solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die konkurrierenden Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen, namentlich von festgelegten Mindestbedingungen für Nebenangebote, abweichen (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschl.v. 22.10.2003, Az. 1 VK 51/02; Beschl.v. 20.09.2001, Az.: 1 VK 26/01, m.w.N.). Ein derartiger grundsätzlicher Vorbehalt steht gegenüber dem Sondervorschlag der Antragstellerin ausweislich der Vergabeakte jedoch überhaupt nicht im Raum. Wie die Auftraggeberin auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich eingeräumt hat, sieht sie in dem Sondervorschlag der Antragstellerin nicht nur eine aufgrund der angebotenen Ersparnis von bis zu 50 Mio. € in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch in technischer Hinsicht ein interessantes Konzept, mit dem sie sich deshalb eingehend auseinandergesetzt habe. Dies wird bestätigt durch die ausführliche Dokumentation in der Vergabeakte und insbesondere durch die Tatsache, dass die Auftraggeberin neben dem für die Gestellung der Leistungsbeschreibung beauftragten Ingenieurbüro I.... auch die Ingenieurbüros Prof. Dr. Ing. ... und als Prüfstatiker das Büro Dr. W.... mit der Prüfung des Sondervorschlags beauftragt hat. Alle drei vorgenannten Fachberater haben den Sondervorschlag jeweils für ihren Fachbereich positiv beurteilt, was die Auftraggeberin auch in ihrem abschließenden Vergabevermerk vom 27.04.2007 hervorhebt. So hat sich der Fachberater von Prof. Dr. Ing. ... ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen abschließenden Stellungnahme vom 05.02.2007 mit dem statischen und geotechnischen Konzept, der Gebrauchstauglichkeit und der Ausführbarkeit des Sondervorschlags befasst und im Ergebnis erklärt, dass aus statischen und geotechnischen Erwägungen kein Grund gesehen wird, den von der Antragstellerin vorgeschlagenen Sondervorschlag einer vierfach verankerten Uferwand nicht zu beauftragen. Hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit seien aus Sicht des Beraters auf der Grundlage bodenmechanischer und erdstatischer Überlegungen keine Einschränkungen zu erwarten. Allerdings wird auf die mangels Erfahrung mit ähnlichen Konstruktionen erforderlichen besonderen Maßnahmen zur Bauausführung und Bauüberwachung hingewiesen. Unter Nr. 3.4 der Empfehlung heißt es wörtlich:

      "Mit dem Sondervorschlag der BieGe ... u.a. (Antragstellerin) würde erstmals eine vierfach verankerte Uferwand ausgeführt. Wir empfehlen, das Bauwerksverhalten in allen Bauphasen während der ersten Betriebsjahre durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen der Eigen- und Fremdüberwachung zu erfassen und zu dokumentieren und die Messergebnisse einer wissenschaftlichen Auswertung zuzuführen. Damit diese hinsichtlich des Bauverhaltens aussagefähig sind, müssen die Messungen am Bauwerk und in der Hinterfüllung die Möglichkeit bieten, numerische Berechnungen zum Systemverhalten zu stützen. Wir empfehlen daher, das Systemverhalten bereits im Rahmen der Ausführungsstatik numerisch analysieren zu lassen und die baubegleitenden Messungen darauf abzustellen, dass sie die Möglichkeit einer Verifizierung der in der numerischen Berechnung benutzten System- und Bodenkennwerte bieten. Diese Reihenfolge ist im vorliegenden Fall auch deswegen unverzichtbar, weil Erfahrungen mit ähnlichen Konstruktionen nicht vorliegen." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

      Auch der von der Auftraggeberin beauftragte Prüfstatiker Dr. W.... gelangt in seinem 8. Zwischenbericht vom 22.11.2006 zu einem grundsätzlich positiven Urteil. In der abschließenden Zusammenfassung und Empfehlung heißt es:

      "Durch die Beachtung der wichtigen Qualitätsvorgaben bei der Erstellung des vorliegenden Sondervorschlags, insbesondere beim Einbau des Bodens und der Anker, können die ggf. unterschiedlichen Verformungen der Anker untereinander so weit reduziert werden, dass die Berechnungen der Kaianlage auf der Grundlage der einschlägigen Normenwerke durchgeführt werden können, ohne dass unzulässige Unterschreitungen der geforderten Sicherheiten zu erwarten sind."

      Auch der Prüfstatiker Dr. W.... betont jedoch die fehlenden Erfahrungen mit der angebotenen Kajenkonstruktion und empfiehlt eine Überwachung der Herstellung. Unter 3.3 (Überwachung während der Ausführung) heißt es:

      "Für die Kajenkonstruktion, die Gegenstand des Sondervorschlages ist, liegen unserem Wissen nach wenig Erfahrungen von vergleichbaren Konstruktionen vor. Daher empfehlen wir, die Herstellung der Konstruktion messtechnisch überwachen zu lassen ... Da die einzelnen Ankerlagen bei Auffälligkeiten nur noch unter hohem Aufwand beeinflusst werden können, muss ein entsprechendes Überwachungsprogramm in der Bauphase umgesetzt werden." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

      Das vormalige Vergabeteam hat daraufhin in seinem Entwurf des Vergabevermerks - Stand 16. Februar 2007 (Seite 19, 25 und 26) den Sondervorschlag als gleichwertig und als das wirtschaftlichste Angebot bewertet und zur Beauftragung vorgeschlagen. Als technische und wirtschaftliche Vorteile des Sondervorschlags hat es unter anderem die angebotene Kostenersparnis in Höhe von 46 Mio. € gegenüber der Ausführung des preisgünstigen wertbaren Hauptangebotes, das Entwicklungspotential des Bauverfahrens bei zunehmenden Wassertiefen vor der Kaje, die erhebliche Materialersparnis von ca. 30 % gegenüber dem Ausschreibungsentwurf, einen geringeren Unterhaltungsaufwand und die Verursachung eines erheblich geringeren Baulärms durch den Verzicht auf einen Großteil schwerer Rammelemente betont.

      Dem entgegen hatte die den bremischen Gesellschafter repräsentierende B.... GmbH & Co. KG ausweislich der Vergabeakte erstmalig bereits mit kommentierendem Vermerk 07.07.2006 erhebliche Zweifel an der Ausführbarkeit des Sondervorschlags angemeldet. In insgesamt 28 Punkten kritisierte Dr. V.... detailliert die seiner Auffassung nach bestehenden Mängel und Risiken im Vergleich zur ausgeschriebenen Konstruktion. Betont wurde insbesondere, dass das Nebenangebot bezüglich des Unterwassereinbaus von Ankern keine im üblichen Konstruktionsgebrauch bewährte Konstruktion darstelle. Ein ähnliches bereits ausgeführtes System sei nicht bekannt. Dr. V.... gelangte zusammenfassend zu dem Schluss, dass die konstruktive Lösung des Nebenangebotes nicht gleichwertig zur ausgeschriebenen Konstruktion sei. Aufbauend auf diesen Vermerk wiederholte B.... GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 31.01.2007 und 07.02.2007 noch einmal ausführlich ihre Bedenken und Kritikpunkte hinsichtlich der Ausführbarkeit und statischen Sicherheit im Vergleich zum Amtsentwurf. Bereits einleitend wurde betont, dass ein ähnliches bereits ausgeführtes System mit drei Lagen Ankern, die unter Wasser einzubauen sind, dazu in Kombination mit einem außerordentlichen großen Geländesprung von 30 m, nicht bekannt ist. Insofern könne auch nicht von einer bewährten Konstruktion besprochen werden. Auch wenn ein Bauteil, nämlich ein Anker, in einer Lage unter Wasser bei etwa drei bis vier Objekten eingebaut worden sei, könne keine Rede davon sein, dass es ein bewährtes Bauteil ist. In den Westhäfen der Nordrange bereits errichtete und/oder geplante Bauvorhaben mit Ankeranlagen (z.B.R...., L....) unterschieden sich in der Ausführung sehr deutlich von den Planungen des hier vorliegenden Sondervorschlags.

      Insbesondere diesen Bedenken wegen der fehlenden Erfahrungen mit der dem Sondervorschlag zugrunde liegenden Konstruktion unter den bei der ausgeschriebenen Baumaßnahme zu berücksichtigenden örtlichen Bedingungen ist das neue Vergabeteam ausweislich der abschließenden Bewertung vom 27.04.2007 letztlich gefolgt. In der abschließenden Bewertung (Seite 36, 37) wird zunächst ebenfalls auf die grundsätzlich positiven Beurteilungen der beauftragten Fachberater hingewiesen. Das Vergabeteam betont jedoch:

      "Das Vergabeteam sieht dagegen in diversen Details keine Gleichwertigkeit zum ausgeschriebenen Entwurf gegeben. Außerdem stellt das Vergabeteam deutlich heraus, dass mit dem Sondervorschlag Ausführungsrisiken in erheblichem Umfang verbunden sind, und dass nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass die Gebrauchstauglichkeit für den Langzeitbetrieb vorhanden ist.

      Eine Vergleichbarkeit zu einer Hafenanlage in A.... ist in keiner Weise gegeben, da die Größenordnung der Bauwerks völlig unterschiedlich ist (Geländesprung in A.... 18 m, in W.... 30 m, wobei die Probleme höherer Kajen allerdings überproportional zu werten sind). Außerdem sind die Standortbedingungen der Baustellen nicht vergleichbar. Ein Entwurf wie der im Sondervorschlag angebotene ist noch nie ausgeführt worden."

      Das Vergabeteam ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Sondervorschlag nicht gleichwertig ist, nicht einschätzbare Ausführungsrisiken enthalte und dass die Gebrauchstauglichkeit der im Sondervorschlag angebotenen Kaje nicht mit ausreichender Sicherheit prognostiziert werden könne.

      Diese Beurteilung des neuen Vergabeteams, die ausweislich der Vergabeakte von den beiden Geschäftsführern der Auftraggeberin zur Kenntnis genommen und gegengezeichnet wurde, hält sich im Rahmen des dem öffentlichen Auftraggeber bei der Beurteilung von Nebenangeboten eingeräumten Ermessens und ist daher im Ergebnis vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Auch die dokumentierten positiven Stellungnahmen der Fachplaner haben die mangelnden Erfahrungen mit einer dem Sondervorschlag zugrunde liegenden Konstruktion unter den zu beachtenden örtlichen Bedingungen betont. Zwar wird im vergaberechtlichen Schrifttum zum Teil - grundsätzlich nachvollziehbar - betont, dass vor allem große Auftraggeber gerade bei neuen oder neuartigen Bauweisen und Baustoffen gewisse Risiken nicht scheuen sollen, da nur durch deren praktische Anwendung Innovation und technischer Fortschritt vorangetrieben werden könne, die in der Vergangenheit fast stets mit einer Rationalisierung verbunden waren und damit letztlich zu einer Verbilligung des Bauens geführt hätten (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 25, Rn. 82). Das Vergaberecht zwingt die öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht, von ihnen erkannte oder nicht auszuschließende Restrisiken im Zusammenhang mit einem Sondervorschlag einzugehen, selbst wenn dieser - wie unstreitig auch im vorliegenden Fall - positive Ansätze hat.

      Der Auftraggeber hat bei der Feststellung der Gleichwertigkeit des Nebenangebots stets einen angemessenen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, da die Gleichwertigkeit eines Nebenangebots maßgeblich von dem Zweck abhängt, den der Auftraggeber mit seiner Ausschreibung verfolgt (vgl. OLG Celle, Urteil v. 21.08.2003, 13 Verg 13/03, zitiert nach VERIS; Franke/Grünhagen, VOB, 2. Auflage, § 25 VOB A, Rn. 686). Da auch die zitierten Gutachten der Fachberater, die den Vergabevorschlag grundsätzlich positiv beurteilen, betonen, dass keine hinreichenden Erfahrungen der dem Sondervorschlag zugrunde liegenden Konstruktion unter den am Standort ausgeschriebenen Kajenbauwerks zu berücksichtigenden örtlichen Bedingungen vorliegen, hat sich die Auftraggeberin im Rahmen dieses Ermessens gehalten, als sie im Ergebnis den Sondervorschlag als nicht gleichwertig und daher nicht zuschlagsfähig beurteilt hat.

    3. c)

      Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A aufgrund eines fehlenden oder mangelhaften Polderschlusskonzeptes nicht vor. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/Awerden unter anderem Angebote ausgeschlossen, die nicht die geforderten Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A enthalten. Das Fehlen von wirksamen und eindeutig geforderten Beschreibungen und Erläuterungen hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - jedenfalls in der Regel - zwingend den Ausschluss des unvollständigen Angebotes zur Folge (vgl. BGH, Beschl.v. 18.02.2003 - X ZB 43/02; Urteil v. 07.06.2005 - X ZR 19/02; Urteil v. 01.08.2006, X ZR 115/04; OLG Koblenz, Beschl.v. 13.02.2006, Az.: 1 Verg 1/09 - zitiert nach VERIS). Dabei hat der BGH in seinen Entscheidungen die Transparenz des Vergabeverfahrens und den Grundsatz der Gleichbehandlung in den Vordergrund gestellt. Diese Grundsätze fordern nach der Rechtsprechung des BGH die vollständige Erklärung zu allen Punkten, die nach der Ausschreibung vergaberelevant sein sollen. Der BGH betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Verfahren sei nur zu erreichen, wenn lediglich vergleichbare Angebote - in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht - gewertet werden.

      Das mit der Vergabeakte vorliegende Hauptangebot der Beigeladenen ist jedoch - wie die Auftraggeberin zutreffend festgestellt hat - auch in Bezug auf die streitbefangene Poldererrichtung und den Polderschluss - vollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A. Mit dem Angebot waren von den Bietern unter anderem folgende Nachweise vorzulegen:

      • ein Rahmenterminplan (Ziffer 4.1 der Baubeschreibung),

      • ein Ausführungskonzept Polderschluss (Ziffer 10.4.5 der Baubeschreibung),

      • ein Bodenmanagementkonzept (Ziffer 10.5.2.1 der Baubeschreibung),

      • ein Spülfeldkonzept (Ziffer 10.6.1 der Baubeschreibung).

      Die Beigeladene hat diese Unterlagen ihrem Angebot beigefügt. Wie die Auftraggeberin in ihrer abschließenden technischen Beurteilung der Bagger- und Aufspülkonzepte der Beigeladenen vom 26.04.2007 ebenfalls zutreffend festgestellt hat, gilt dies auch für die vom vormaligen Vergabeteam vermisste Anlage, auf die die Beigeladene auf Seite 2 ihres Bodenmanagements Bezug genommen hat. Dort wird auf einen in der Anlage beigefügten, ausführlichen Endbericht zu den im Rahmen des Bodenmanagementkonzepts durchgeführten Modellrechnungen und ihrer Ergebnisse hingewiesen. Ferner heißt es:

      "Eine grafische Darstellung der einzelnen Bauphasen ist in der Anlage dargestellt, zudem ist in den Anlagen eine tabellarische Übersicht inkl. der Einbaumengen beigefügt."

      Dem Angebot der Beigeladenen liegt als Anlage zu dem als "Bodenmanagementprogramm" überschriebenen Bodenmanagementkonzept eine von der Firma A.... gemeinsam mit den Firmen V.... erstellte Ausarbeitung mit dem Titel "Beeinflussung von Strömung und Morphologie durch den Bau des Jade-Weser-Ports" bei. Diese Ausarbeitung enthält auf insgesamt 18 Seiten ausführliche Modellrechnungen zu Strömungsverhältnissen und Sandverlusten in den einzelnen Bauphasen sowie in insgesamt fünf Anlagen (Anlagen A bis E) zeichnerische und grafische Darstellungen der Modellierungen. Zusätzlich zu diesen zeichnerischen Anlagen sind im Text der Ausarbeitung zudem grafische Darstellungen der einzelnen Bauphasen enthalten. Auch die im Bodenmanagementprogramm erwähnten Anlagen sind daher dem Angebot der Beigeladenen beigefügt.

      Da die Beigeladene mit ihrem Angebot zudem sämtliche mit dem Leistungsverzeichnis vorgegebenen Positionen mit Preisen versehen und somit angeboten hat, ist das Angebot nicht unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A.

      Die Auftraggeberin hatte vielmehr Anlass zu prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen im Hinblick auf den Polderaufbau und den Polderschluss inhaltlich den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entspricht oder ob das Angebot unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A aufweist, was ebenfalls gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zum zwingenden Ausschluss führen würde. Das vormalige Vergabeteam hatte ausweislich der Vergabeakte in seinem Entwurf des Vergabevermerks mit Stand 07.02.2007 (S. 22 bis 24) unter Bezugnahme auf eine in der Vergabeakte enthaltene rechtliche Stellungnahme der Rechtsanwälte A.... vom 29.01.2007 festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen im Hinblick auf das Polderschlusskonzept, das Spülfeldkonzept und das Bodenmanagementkonzept eine fehlende Nachvollziehbarkeit und Widersprüchlichkeit aufweise und ist zur Empfehlung gelangt, dass das Hauptangebot der Beigeladenen wegen fehlender Erklärungen, widersprüchlicher Angaben und Änderungen der Verdingungsunterlagen auszuschließen sei. Das neue Vergabeteam ist demgegenüber in seiner abschließenden technischen Beurteilung der Bagger- und Aufspülkonzepte der Beigeladenen vom 26.04.2007 (S. 36 bis 38) zu dem Schluss gelangt, dass das Angebot der Beigeladenen auch in dieser Hinsicht vollständig schlüssig und wertbar ist.

      Dies ist nach Auffassung der Vergabekammer im Ergebnis nicht zu beanstanden, obgleich beide Vergabeteams der Auftraggeberin zu Recht davon ausgegangen sind, dass die Konzepte der Beigeladenen zur Errichtung des Polders und des Polderschlusses aufklärungsbedürftig im Sinne des § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A waren und - nach Auffassung der Vergabekammer - aufgrund der z.T. widersprüchlichen Erläuterung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung auch noch teilweise weiterhin aufklärungsbedürftig sind. Dies gilt im Hinblick auf die verbleibende Teilpolderfläche, die nach den Konzepten der Beigeladenen nach einem vorgezogenen Polderschluss im Norddamm bis zur vollständigen Errichtung der Kaje weiterhin der Tide ausgesetzt ist.

      Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A sind Angebote, bei denen an den Verdingungsunterlagen Änderungen vorgenommen wurden, zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Das Verbot der Änderungen an den Verdingungsunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 21, Rn. 11). Der durch eine Ausschreibung eröffnete Wettbewerb kann nur gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen unterbunden werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet. Angebote, die gegen § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A verstoßen, müssen deshalb von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil v. 08.09.1998, Az.: X ZR 109/96 = NJW 1998, S. 3644 ff., 3645). Nur wenn Änderungen der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden, wird der transparente und diskriminierungsfreie Wettbewerb der Bieter gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 08.10.2003, Az.: Verg 49/02, zitiert nach ibr-online). Die Bieter müssen daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, 2. Aufl., § 21 VOB/A, Rn. 140). Wollen oder können Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen anbieten, so steht es ihnen frei, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind.

      Die Auftraggeberin ist im Rahmen ihrer Angebotswertung unter Berücksichtigung dieses vergaberechtlichen Maßstabs entgegen der Auffassung der Antragstellerin im Ergebnis nachvollziehbar zu dem Schluss gelangt, dass sich das Hauptangebot der Beigeladenen auch im Hinblick auf ihre Konzepte zur Errichtung des Polders und zum Polderschluss im Rahmen der Vorgaben der Verdingungsunterlagen gehalten hat, so dass ein zwingender Ausschlussgrund nicht vorliegt. Ausgangspunkt für diese Bewertung ist zunächst wiederum die Tatsache, dass die Beigeladene mit ihrem Angebot in allen Bestandteilen des Leistungsverzeichnisses - mit den vorgegebenen Positionen und Massen so mit Preisen versehen und angeboten hat, wie dies von der Auftraggeberin den Bietern vorgegebenen wurde. Im Falle des Zuschlags ist die Beigeladene vertraglich verpflichtet, das von der Auftraggeberin ausgeschriebene Polder- und Kajenbauwerk mit allen im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Bestandteilen, Profilen, technischen Anforderungen, Massen und Qualitäten in allen Positionen herzustellen. Fraglich ist allein, ob der von der Beigeladenen ausweislich ihres Angebots vorgesehene Weg zur Errichtung des Polders schlüssig ist und mit den Vorgaben der Baubeschreibung übereinstimmt. Maßstab für die Beurteilung dieser Frage ist, welche konkreten Anforderungen und Maßgaben in den Verdingungsunterlagen für die Errichtung des Polders verbindlich vorgegeben wurden und wo der Auftraggeber den Bietern für das von ihnen abzugebende Hauptangebot ausdrücklich Spielräume gelassen hat. Gegenstand des hier streitbefangenen Bauloses 1 ist die Errichtung der für den künftigen Jade-Weser-Port benötigten, aufzuspülenden Fläche vor dem zurzeit bestehenden Deich. So sollen vom Festland aus zwei parallele Dämme (Nord- und Süddamm) errichtet werden. Parallel zur Festlandlinie soll in nord-südlicher Richtung die künftige Kaje verlaufen. Gemäß Ziffer 2.2 der Baubeschreibung (Seite 3) wird unter Hinweis auf die der Baubeschreibung beigefügten Zeichnungen verdeutlicht, dass die zukünftige Hafenfläche aus dem eigentlichen Terminalbereich mit der dazugehörigen Kaje und dem sog. Hafengroden bestehen wird, über den insbesondere die künftige infrastrukturelle Erschließung (Autobahnanbindung und 16-gleisige Vorstellgruppe Bahn) erfolgen soll. Wörtlich heißt es unter Ziffer 2.2 der Baubeschreibung:

      "Die Hafenfläche wird im Osten durch eine 1725 m lange Kaje, im Norden (Norddamm) und im Süden (Süddamm) durch Ufereinfassungen begrenzt."

      Der gesamte zwischen der Kaje und den Dämmen liegende Bereich soll aufgespült werden. Die auf diese Weise dem Meer abgerungene und anschließend eingedeichte Fläche wird als Polder bezeichnet. Unter der lfd. Nr. 10.3 und 10.4 der Baubeschreibung wurden den Bietern detaillierte technische Anforderungen vorgegeben wie z.B. die stufenweise Herstellung der Randdämme aus Schüttsteinen (10.4.1), die Anlage von sog. Sinkstücken unter den Randdämmen Nord und Süd, bestehend aus filterstabilen, kombinierten Filter-/Gewebematten auf gesamter Breite (10.4.2), die Sicherung der Böschung (10.4.3), der Einbau eines geotextilen Filters im Bereich des Süddamms unterhalb von NN ±0 m Süden und NN +2,0 m im Norden (10.4.4), den Anschluss der Randdämme an den Hauptdeich (10.4.6), Vorgaben hinsichtlich der Aufmaße und Abrechnungen (10.4.7) und schließlich die Installierung eines baubegleitenden Setzungsmesssystems im Süddamm (10.4.8). Die aufgeführten technischen Anforderungen sind ausdrücklich verbindlich formuliert. So heißt es etwa unter 10.4.1:

      "Die Randdämme sind stufenweise aus Schüttsteinen herzustellen."

      Unter 10.4.2 heißt es:

      "Unter den Randdämmen Nord und Süd sind Sinkstücke vorgesehen. Die Sinkstücke bestehen aus: ..."

      Unter 10.4.7 heißt es:

      "Beim Einbau der Schüttsteine sind in Abständen von 25 m die Schüttdämme und Deckschichten aufzumessen, digital zu erfassen und in Querprofilen zeichnerisch einzutragen." (Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

      Demgegenüber wird hinsichtlich des im Zusammenhang mit dem Hauptangebot der Beigeladenen streitbefangenen Polderschlusses lediglich die örtliche Festlegung und - über die entsprechenden Positionen im Leistungsverzeichnis - die dafür zu verwendenden Materialien, technischen Qualitätsanforderungen und Massen sämtlich vorgegeben. Hinsichtlich der Durchführung ist die Baubeschreibung dagegen lediglich als Vorschlag formuliert. Unter Ziffer 10.4.5 (Polderschluss) heißt es:

      "Die Spüldämme in der Trasse des nördlichen Randdammes sind in drei aufeinander folgenden Stufen aus Schüttsteinen aufzubauen (Plan 3-1 ND-QS-213a).

      Im Folgenden wird ein mögliches Konzept für den Polderschluss erörtert.

      Die Herstellung des Polderschlusses kann in zwei Phasen erfolgen (Plan 3-1 ND-EA-218a):...

      Es folgt sodann eine detaillierte Darstellung der vorgeschlagenen Phasen 1 A und 1 B. Die Vorgaben zum Polderschluss enden mit folgender Formulierung:

      "Der endgültige Polderschluss erfolgt lagenweise und sollte vorzugsweise bei Nipptidenphasen im Zeitraum April bis Juni durchgeführt werden und nach weiterer Reduzierung des Poldervolumens erfolgen. Den Bauablauf des Polderschlusses hat der Bieter in einem Ausführungskonzept mit seinem Angebot dem Auftraggeber darzustellen." (Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

      Im Kontext mit den beigefügten Plänen wird ersichtlich, dass die von der Auftraggeberin ausdrücklich als "mögliches Konzept für den Polderschluss" bezeichneten Vorstellungen davon ausgingen, dass sowohl die gesamte Kaje als auch die den künftigen Polder begrenzenden Dämme mit Ausnahme einer örtlich vorgegebenen Öffnung im Norddamm fertig gestellt sind, wenn der Polderschluss erfolgt.

      Das vorliegende Hauptangebot der Beigeladenen hält ausweislich des vollständig ausgefüllten Leistungsverzeichnisses die verbindlichen Vorgaben der Verdingungsunterlagen ein und geht auch hinsichtlich des Polderschlusses grundsätzlich vom vorgegebenen Ablauf aus. Sie will innerhalb dieses Rahmens jedoch die Aufspülung des Polders in zwei Stufen vornehmen. Im - äußerst knapp auf einer Seite formulierten - "Ausführungskonzept Polderschluss" heißt es:

      "Im Hauptangebot geht die ARGE von dem vorgegebenen Ablauf und Entwurf aus. Dieser Entwurf sieht für den zweiten und dritten Schüttdamm in den Polderschlussbereichen des Norddammes groß dimensionierte Dämme mit unterschiedlichen Abmessungen in Kombination mit Sohlensicherungen sowie Sandmatten mit Steinen als Ballast vor."

      Weiter heißt es:

      "Ausführungskonzept

      Die Steinschüttungsarbeiten für den zweiten und dritten Schüttdamm sowie die Sandmassenverlegung mit dem Aufbringen der Steine als Ballast werden als Teil des normalen Bauablaufs mit den gleichen Geräten durchgeführt wie im Matrix-Punkt "2. Qualität-Ausführungskonzept der Randdämme - Baukonzept der Schüttsteine mit Deckwerksaufbau" erwähnt. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Dämme über MThw sind die Rammarbeiten der Hauptwand zu ca. 50 % abgeschlossen. Daher sind Erschwernisse, durch den tidebedingten Wasseraustausch zwischen Auffüllungsfläche und Außenjade zum Zeitpunkt des Polderschlusses im Norddamm gemäß Ausschreibung so gering, dass für die Bauarbeiten unseres Erachtens keine Sondermaßnahmen erforderlich sind.

      Schlussbemerkung

      Wir haben ein Nebenangebot (Nr. 0544) ausgearbeitet, in dem der Polderschluss entfällt."

      Dieser Darstellung konnte die Auftraggeberin entnehmen, dass die Beigeladene mit ihrem Hauptangebot im Gegensatz zum ausdrücklich erwähnten Nebenangebot den geforderten Polderschluss im Norddamm angeboten hat. Da die Beigeladene in ihrem Ausführungskonzept aber davon ausgeht, dass zum Zeitpunkt des Polderschlusses die Kaje erst zu 50 % fertig gestellt ist, enthält das Ausführungskonzept Polderschluss für sich genommen keine Angaben dazu, wie die Aufspülung des Polders erfolgen soll. Aus dem von der Beigeladenen beigefügten Bodenmanagementprogramm wird jedoch ersichtlich, dass die Beigeladene den gesamten Polder mittels eines etwa auf Höhe der Linie zwischen der künftigen eigentlichen Terminalfläche und dem künftigen Groden laufenden provisorischen Hilfsdammes in zwei Abschnitten aufspülen will. Dort heißt es auf Seite 4 unter Bauphase 3.4:

      "Außerdem wird an der Ostseite des Hafengrodens als Abgrenzung zwischen Groden- und Terminalfläche ein Unterwasser-Damm mit einer Breite von zunächst 100 m hergestellt. Dieser wird danach im Zuge der Aufhöhung der 1. Terminallage weiter verbreitet, bevor hieran anschließend das Einbringen der 2. Lage erfolgt. Beim Einbau der 1. Lage wird der Hinterfüllungsbereich der Kaje zunächst ausgespart. Sobald die Umringung des Hafengrodens bis zu einem Niveau von ca. NN - 2,00 m eingebaut ist, wird nun damit begonnen, die umringte Fläche aufzufüllen."

      In der tabellarischen Auflistung "Ausführungsphase 3" auf Seite 5 des Bodenmanagementkonzepts ist ausdrücklich ein "Erstellen des Damms an der Ostseite" vorgesehen. Unter "Ausführungsphase 4" ist in der Folge dann ausdrücklich das Herstellen des 2. Schüttdamms bis NN 0,0 m inkl. Polderschluss im Norddamm vorgesehen. Daraus folgt, dass die Beigeladene die gesamte Polderfläche in zwei Abschnitten aufspülen will. Dabei bietet sie den Polderschluss - wie vorgegeben - im Norddamm an. Mit Hilfe des provisorischen Hilfsdamms als östliche Begrenzung des künftigen Hafengrodens will sie jedoch den Polderschluss zeitlich vorverlegen und vollziehen, bevor die Kaje vollständig hergestellt und die künftige Terminalfläche aufgespült werden kann. Dabei soll der provisorische Ostdamm nach Verfüllung des gesamten Polders in diesem Polder aufgehen. Wie die Beigeladene gegenüber der Auftraggeberin in den von ihr durchgeführten Aufklärungsverhandlungen gem. § 24 VOB/A erläutert hat, verspricht sich die Beigeladene von einer Vorverlegung des Polderschlusses auf einen Zeitpunkt fünf Monate vor Fertigstellung der Kaje den Vorteil, dass fortwährende Sandabspülungen durch ein- und ausströmende Tide wesentlich früher verhindert werden könnten, als wenn der Polder erst nach endgültiger Herstellung der Kaje geschlossen wird.

      Nicht nur das vormalige Vergabeteam, sondern auch das neue Vergabeteam der Auftraggeberin ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Konzepte der Beigeladenen zur Errichtung des Polders aufklärungsbedürftig im Sinne des § 24 VOB/A waren. Zwar kann man dem Angebot der Beigeladenen nach Feststellung der Vergabekammer ohne weiteres entnehmen, dass auch die Beigeladene mit ihrem Hauptangebot ausdrücklich den geforderten Polderschluss im Norddamm angeboten hat. Der im Polderschlusskonzept aufgenommene Hinweis, dass die Beigeladene davon ausgeht, dass im Zeitpunkt des Polderschlusses die Kaje erst zu 50 % fertig gestellt ist, und die äußerst knappen Hinweise im Bodenmanagementprogramm auf die von der Beigeladenen beabsichtigte Errichtung eines provisorischen Hilfsdammes als vorläufige Begrenzung der künftigen Grodenfläche sind jedoch aus dem Angebot der Beigeladenen nicht ohne weiteres verständlich und daher aufklärungsbedürftig. Sämtliche Aufklärungsgespräche - sowohl die vom ursprünglichen Vergabeteam am 02.08.2006 und 14.08.2006 durchgeführten Gespräche als auch das vom neuen Vergabeteam durchgeführte Aufklärungsgespräch vom 13.04.2007 - hielten sich in dem gem. § 24 VOB/A durchgeführten Rahmen. Insbesondere hat die Auftraggeberin der Beigeladenen unter Beachtung des § 24 Abs. 3 VOB/A nicht gestattet, ihr Angebot im Rahmen der Aufklärungsverhandlungen zu ändern. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin unter Berücksichtigung der Aufklärungsgespräche zu dem Schluss gelangt ist, dass die Beigeladene auch hinsichtlich des Polderschlusskonzeptes nicht in unzulässiger Weise von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen abgewichen ist und die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss wegen Änderung der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/Anicht vorliegen. Da die Auftraggeberin gem. Ziffer 10.4.5 der Baubeschreibung ausdrücklich lediglich ein "mögliches Konzept" für den Polderschluss vorgegeben hat, durfte die Beigeladene davon ausgehen, dass sie die Polderfläche auch in zwei Abschnitten aufspülen darf, solange sie die technischen Vorgaben der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses vollständig einhält.

      Die Ausführungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 30.05.2007 haben jedoch Fragen aufgeworfen, die vor einer endgültigen Entscheidung der Auftraggeberin über eine Erteilung des Zuschlags eine weitere Aufklärung nach § 24 VOB/A erforderlich machen, um zu vermeiden, dass die Beigeladene im Auftragsfall konzeptbedingte Nachtragskosten gem. § 2 VOB/B fordern kann, was die Wirtschaftlichkeit des Angebotes der Beigeladenen in Frage stellen würde.

      Die ergänzende Aufklärung ist notwendig, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung bei der Erläuterung des Polderschlusskonzeptes ausdrücklich erklärt hat, dass er die mindestens 400 m breite Fläche zwischen dem Ostdamm, den die Beigeladene als Hilfsbaumaßnahme einsetzen möchte, und der sukzessive zu schließenden Kaje nicht als (Teil-)Polder, sondern als Kajenhinterfüllung verstanden wissen will. Damit würde sich die Beigeladene jedoch, worauf die Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat, in Widerspruch zu der von ihr ausdrücklich mit ihrem Angebot anerkannten, für die Kajenhinterfüllung unter der Position 3.3 270 und 3.3 280 im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Massen setzen. Das Leistungsverzeichnis sieht für die Kajenverfüllung in Pos. 3.3 270 eine Bodenmenge von 1 700 000 Kubikmetern (nass) und in Pos. 3.3 280 eine Bodenmenge von 520 000 Kubikmetern (trocken), zusammen also 2 220 000 Kubikmeter vor. Unter Berücksichtigung der ausgeschriebenen Kajenlänge von 1 800 m und einer Aufspülhöhe von 18 m genügen diese vorgegebenen Massen lediglich für eine Kajenhinterfüllung in der von der Auftraggeberin vorgesehenen Breite von 60 m. Wenn die Beigeladene nunmehr tatsächlich den gesamten Bereich zwischen dem von ihr vorgesehenen provisorischen Ostdamm bis zur Kaje mit einer Breite von mindestens 400 m - und damit letztendlich den gesamten künftigen Terminalbereich - als "Kajenhinterfüllung" verstanden wissen will, würde sich ihr Angebot erheblich verteuern, da sie - wie alle anderen Bieter auch - für die Kajenhinterfüllung aufgrund der höheren qualitativen Anforderungen mit ... €/m3 (nass) und ... €/m3 (trocken) erheblich höhere Einheitspreise angeboten hat als für die Bodenauffüllung im übrigen Terminalbereich. Für die dortigen Pos. 3.3 290 ("Füllmaterial einbauen nass") mit einer vorgegebenen Masse von 16 600 000 Kubikmetern und 3.3 300 ("Füllmaterial einbauen trocken") mit einer Masse von 5 700 000 Kubikmetern, insgesamt also 21 700 000 Kubikmetern, hat sie nämlich erheblich geringere Einheitspreise von ... €/m3 und ... €/m3 angeboten. Die Auftraggeberin muss daher sicherstellen, dass die Beigeladene zu diesen Preisen steht und nicht durch eine Umdeklarierung der Verfüllung des gesamten Terminalbereichs zu einer "Kajenhinterfüllung" die teureren Einheitspreise für erheblich höhere Massen zugrunde legen will. Eine derartige Massenverschiebung und die damit verbundene Preisveränderung würde überdies eine nach § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässige Preisänderung darstellen.

      Ferner ist zumindest auf der Grundlage der Dokumentation in der Vergabeakte noch nicht abschließend sichergestellt, dass der Auftraggeberin im Zuschlagsfall aufgrund des von der Beigeladenen beabsichtigten vorzeitigen Polderschlusses nicht zusätzliche, im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehene Kosten im Zusammenhang mit der Entschlickung im Kajenbereich und der Sicherung der Kajenwand im Hinblick auf den tidebedingten Wasserzulauf und -ablauf bis zur endgültigen Schließung der Kaje drohen. Die Beigeladene hat auf Nachfrage des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung am 30.05.2007 auf die Frage, wie diese dem Umstand Rechnung tragen will, dass die sich zwischen dem provisorischen Hilfsdamm und der Kaje ergebende Teilfläche nach Durchführung des Polderschlusses über einen längeren Zeitraum nicht nur der Tide, sondern auch dem mit der Tide einhergehenden Schlicktransport ausgesetzt ist, erläutert, dass dieser Schlick durch das Spülen mit Injektorpumpen wieder beseitigt wird. Auch hier muss die Auftraggeberin im Wege der Aufklärung verifizieren, dass die Baumaßnahme im Zuschlagsfall nicht mit konzeptbedingten Mehrkosten belastet wird, die bei einer Erstellung des Polders "in einem Stück" nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe anfallen würden. Da nach dem vorzeitigen Polderschluss im Norddamm keine Polderöffnung mehr vorhanden ist, muss der tidebedingte Wasserzulauf und -ablauf aus dem verbleibenden Teilpolder hinter der Kaje durch die Restöffnung der Kaje erfolgen. Solange die Sandeinspülung hier nicht über das Niveau von NN - 2,00 m durchgeführt ist, wird mit jeder Tide eine Wassermenge von rund 4 Mio. Kubikmeter in den Polder hineinströmen bzw. wieder ablaufen. Je weiter die Kajenwand mit dem Baufortschritt geschlossen wird, umso größer muss zwangsläufig die Fließgeschwindigkeit in der verbleibenden Kajenöffnung werden. Da sich der endgültige Kajenschluss - im Gegensatz zu dem für eine kurzfristige Schließung ausdrücklich konzipierten Polderschluss im Norddamm über eine Breite von rund 150 m - nur erheblich langsamer vollziehen lässt, hat die Auftraggeberin zudem zu prüfen, ob die Kaje diesen zunehmenden Strömungsgeschwindigkeiten statisch standhält. Auch hier sieht die Vergabekammer ergänzenden Aufklärungsbedarf für die Auftraggeberin im Sinne des § 24 VOB/A.

    4. d)

      Vorbehaltlich des Ergebnisses dieser unter II. 2. c erläuterten, für notwendig erachteten abschließenden Aufklärung des Hauptangebotes der Beigeladenen gem. § 24 VOB/A ist die in der Vergabeakte dokumentierte Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A i.V.m. § 25b VOB/A nicht zu beanstanden. Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch für die dokumentierte Wertung der zahlreichen kleineren Nebenangebote und Nebenangebotskombinationen, die sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene abgegeben haben, aber in beiden Fällen von der Auftraggeberin nur zu einem geringen Teil für gleichwertig und berücksichtigungsfähig befunden wurden. Die Antragstellerin hatte außer ihrem Hauptangebot und dem Sondervorschlag 65 Nebenangebote und 88 Kombinationen von Nebenangeboten eingereicht. Die Beigeladene hatte ihrerseits außer dem Hauptangebot vier Sondervorschläge und insgesamt 224 Nebenangebote eingereicht. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass die Auftraggeberin gehalten ist, im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Hauptangebotes ihrem Angebot eine zusätzliche Ersparnis in Höhe von 6,5 Mio. € gutzuschreiben, die sich dann ergebe, wenn die Auftraggeberin sämtliche von ihr ausweislich der Vergabeakte für grundsätzlich gleichwertig und wertbar befundenen Nebenangebote in optimaler Weise kombiniert. Diese Ersparnis würde nach Rechnung der Antragstellerin dazu führen, dass ihr eigenes Hauptangebot 3,5 Mio. € günstiger als das gewertete Hauptangebot der Beigeladenen ist. Die Antragstellerin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens erläutert, dass sie sich aufgrund der Vielzahl der von ihr abgegebenen Angebote außerstande gesehen hat, alle denkbaren Kombinationsmöglichkeiten ausdrücklich anzubieten. Aus diesem Grund habe sie ihren Nebenangeboten eine negative Kombinationsmatrix beigelegt, aus der alle Unvereinbarkeiten zwischen den verschiedenen Nebenangeboten eindeutig ersichtlich seien. Ferner habe sie in ihrem Angebot darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgeschlagenen Kombinationen verschiedener Nebenangebote in keiner Weise zwingend seien. Die Auftraggeberin habe jedoch alle Nebenangebotskombinationen ausgeschlossen, sofern in der jeweiligen Kombination auch nur ein enthaltenes Angebot nicht für wertbar erachtet wurde.

      Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin nach den in den Verdingungsunterlagen festgelegten Bedingungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten weder gehalten noch berechtigt war, über die von den Bietern ausdrücklich angebotenen Kombinationen hinaus ihrerseits weitere Kombinationsmöglichkeiten zu ermitteln und zu werten. Die Auftraggeberin hatte den Bietern mit den Verdingungsunterlagen (Ordner 1/6, lfd. 18) ausdrücklich die Anforderungen an Nebenangebote vorgegeben. Neben der Aufstellung von materiellen Mindestanforderungen an kaufmännische Nebenangebote und technische Nebenangebote hatte sie unter a) auch formelle Anforderungen festgelegt. Dort heißt es:

      "Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme). Der Bieter hat seine Nebenangebote oder Sondervorschläge mit Leistungsverzeichnis und Baubeschreibung jeweils in der Gliederung des Entwurfs darzustellen und mit einer laufenden Nummer zu versehen. Die sich infolge des Sondervorschlags ändernden Positionen des Entwurfs sind durch Fettdruck hervorzuheben. Ein Nebenangebot muss jeweils in sich geschlossen alle Leistungen für das Erstellen des Bauwerks umfassen und mit einer Angebotssumme für das Gesamtbauwerk enden.

      Sowohl die Kombinationen eines Sondervorschlags mit Teilen des Hauptangebotes als auch die Kombination von Teilleistungen verschiedener Sondervorschläge oder Nebenangebote untereinander gelten als eigenständiges Nebenangebot. Der Bieter hat daher jede von ihm gewünschte Kombination von Sondervorschlägen oder Nebenangeboten - unter Berücksichtigung sämtlicher gegenseitiger Abhängigkeiten - als ein separates Nebenangebot zu formulieren, einzureichen und übersichtlich z.B. in Tabellen darzustellen."

      Ausweislich der in der Vergabeakte als Anlage 5 zum Teil III der Vergabeakte enthaltenen Übersicht über die Ermittlung der wertbaren Kombinationsnebenangebote hat sich die Auftraggeberin an diese von ihr in den Verdingungsunterlagen aufgestellte Vorgabe gehalten. Die Übersichten enthalten sowohl in der Fassung des Entwurfs des vormaligen Vergabeteams vom 31.08.2006 als auch in der endgültigen Fassung vom 26.04.2007 zudem folgenden, erläuternden Vermerk:

      "In dieser Tabelle sind die, von der Firma vorgeschlagenen, Kombinationen zusammengefasst. Rot dargestellte Nebenangebote sind von der Wertung ausgeschlossen, grün dargestellte Nebenangebote sind wertbar. Ein Kombinationsnebenangebot ist also dann wertbar, wenn alle kombinierten Einzelnebenangebote wertbar (grün) sind."

      Die Auftraggeberin wäre somit gar nicht befugt gewesen, die von den Bietern unterbreiteten Nebenangebote über die ausdrücklich angebotenen Kombinationen hinaus selbst frei und optimal zu kombinieren.

      Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin die Kombinationsnebenangebote K 71.1, K 74.1 , K 75.1, K 76.1 und K 76.3 zum passiven Korrosionsschutz als nicht gleichwertig beurteilt und darum nicht gewertet hat. Mit diesen Kombinationsnebenangeboten hatte die Antragstellerin als passiven Korrosionsschutz alternativ zum Hauptangebot anstelle des ausgeschriebenen 1-komponentigen Beschichtungsmaterials von ... ein 2-komponentiges lösemittelarmes ...-System von ... angeboten. Im Leistungsverzeichnis hatte die Auftraggeberin für den Fall, dass vom Korrosionsschutzkonzept der Vergabestelle abgewichen werden soll, die Vorlage von entsprechenden Referenzen verlangt. Derartige Referenzen hatte die Antragstellerin ihrem Angebot nicht beigefügt. Die Auftraggeberin hat daher ausweislich der als Anlage 4.1 zum Teil III der Vergabeakte (Wertungsphase) beigefügten formalen Auswertung der konstruktiven Nebenangebote der "BieGe 2" (Antragstellerin) auf Seite 142 ff. die entsprechenden Nebenangebote zum Korrosionsschutz geprüft und für nicht gleichwertig befunden. So schließt die Beurteilung der Nebenangebotskombination NA K 73.1 (S. 142 ff.) Seite 144 unter dem Datum 25.04.2007 mit folgendem Ergebnis:

      "2-komponentige ...-Systeme neigen nach relativ kurzer Zeit zur Versprödung. Das heißt, nach etwa 3 bis 4 Jahren tritt infolge des UV-Anteils im Licht eine Versprödung mit Rissbildung ein. Dies führt zur Unterrostung der Farbe und in der Folge, in Kombination mit einem kathodischen Korrosionsschutz KKS, zu einem erhöhten Strombedarf der KKS-Anlage. Der Anstrich ist insofern nicht gleichwertig. In der Nachkonservierung der Spundwand im Bereich über dem Wasserspiegel ist eine Verwendung von 2-k-EP nur sehr stark eingeschränkt möglich, weil die erforderlichen atmosphärischen Bedingungen zum Einbau (Temperatur, niedrige Luftfeuchtigkeit) in der Regel nicht vorliegen. Formaler Ausschluss, da der Bieter entgegen der Forderung aus dem Leistungsverzeichnis keine Referenzprojekte angegeben hat."

      Bereits das vormalige Vergabeteam hatte in seinem Entwurf vom 31.08.2006 festgestellt, dass für vergleichbare Kajenbauwerke "allerdings keine umfangreichen Referenzen vorliegen". Das vormalige Vergabeteam hatte den alternativ angebotenen 2-komponentigen Korrionsschutz im Ergebnis aber gleichwohl für gleichwertig befunden.

      Auch die Beigeladene hatte entsprechende Nebenangebote für einen 2-komponentigen Korrosionsschutz angeboten, die mit der gleichen Begründung von der Auftraggeberin (z.B. NA 0015) verworfen wurden.

      Es ist auf der Grundlage der in der Vergabeakte dokumentierten Prüfung und Begründung nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin die Nebenangebote zum Korrosionsschutz mangels Gleichwertigkeit und darüber hinaus aus formalen Gründen mangels Angabe von im Leistungsverzeichnis ausdrücklich geforderten Referenzprojekten bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht berücksichtigt hat. In den von der Auftraggeberin für die Wertung von Nebenangeboten aufgestellten Bedingungen heißt es unter dem Stichwort "Technische Nebenangebote" ausdrücklich:

      "Für den Fall, dass Bauvorhaben/Bauteile/Baustoffe ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vorgeschlagen werden, sind alle Unterlagen, ... wie Referenzbaustellen vom Bieter mit dem Angebot vorzulegen."

      Weder die Antragstellerin noch die Beigeladene haben mit ihren Nebenangeboten entsprechende Referenzprojekte benannt. Soweit die Beigeladene darauf verweist, dass die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) das den Nebenangeboten zum Korrosionsschutz zugrunde liegende Produkt in ihrer Liste der zugelassenen Systeme nach den "Richtlinien für die Prüfung von Beschichtungssystemen für den Korrosionsschutz im Stahlwasserbau" (RPB) vom Januar 2001 (19. Ausgabe, Stand: Februar 2006) aufgenommen habe, trifft dies nur teilweise zu. Die von der Antragstellerin vorgelegte Liste enthält mehrere Produkte des Herstellers ..., darunter auch das von der Antragstellerin und der Beigeladenen in den Nebenangeboten für eine zweimalige Deckschicht vorgeschlagene Produkt "...". Die für das angebotene System vorgesehene einmalige Grundbeschichtung mit dem Produkt "..." ist dagegen in der BAW-Liste 2/3 der zugelassenen Beschichtungen für den Stahlwasserbau enthalten. Auch ersetzt die Aufnahme in die Liste weder die Benennung von Referenzprojekten noch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben darauf hingewiesen, dass die Liste des BAW lediglich auf Laborversuchen basiert und darüber hinaus auch beim BAW keine Untersuchungen über die Langzeitbeständigkeit des angebotenen 2-Komponentensystems vorliegen. Mangels allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung und Benennung von Referenzprojekten ist das von der Antragstellerin und auch von der Beigeladenen mit ihren Nebenangeboten vorgeschlagene alternative Korrosionsschutzsystem für die vorliegende Baumaßnahme daher nicht gleichwertig gegenüber dem für das Hauptangebot ausgeschriebenen Korrosionsschutzsystem.

      Die Auftraggeberin ist vorbehaltlich der oben unter II 2c erläuterten weiteren Aufklärung hinsichtlich der Frage, ob der Auftraggeberin im Zuschlagsfall konzeptbedingte Nachforderungen gem. § 2 VOB/B im Zusammenhang mit der Kajenhinterfüllung und der Kajensicherung bis zum Kajenschluss drohen, in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass die Beigeladene das preislich niedrigste Hauptangebot abgegeben hat. Das Hauptangebot der Beigeladenen schließt ausweislich des vorliegenden Originalangebotes und des abschließenden Vergabevermerks vom 27.04.2007 (Vergabeakte Teil III Wertungsphase, Seite 27) mit einer geprüften Angebotssumme von ... € brutto (inkl. der bei Angebotsabgabe noch anzusetzenden 16 % Mehrwertsteuer), unter Berücksichtigung des von der Beigeladenen angebotenen Nachlasses von 2 %. Das Hauptangebot der Antragstellerin schließt mit einer geprüften Angebotssumme von ... € brutto. Die Preisdifferenz zwischen den beiden preislich niedrigsten Hauptangeboten beträgt somit lediglich 1,5 %. Die von der Beigeladenen und der Antragstellerin angebotenen Nebenangebotskombinationen hat die Auftraggeberin mit Ausnahme der Nebenangebotskombination K 60 der Antragstellerin im Ergebnis mangels nachgewiesener Gleichwertigkeit oder mangels positiver Auswirkung auf den Preis nicht berücksichtigt. Die Auftraggeberin hat in ihrem abschließenden Vergabevermerk (S. 22, 23, 27) erläutert, dass sich die Nebenangebote der Beigeladenen mit Ausnahme des Nebenangebotes NA 0003 (Rohrspundwand) preislich negativ auswirken würden, da die Beigeladene den für das Hauptangebot gewährten Preisnachlass von 2 %, der alleine eine Reduzierung der Bruttosumme von ... € bewirkt, ausdrücklich nicht für den Fall der Einbeziehung von Nebenangeboten gewährt hat, während die Antragstellerin den Preisnachlass von 2 % auch auf die Nebenangebote angeboten hat. Ausweislich des Vergabevermerks hat sich die Vergabestelle daher entschieden, aufgrund der relativ geringen preislichen Auswirkungen im Verhältnis zum Gesamtauftrag die Pauschalpreisnebenangebote der Beigeladenen in der weiteren Wertung nicht mehr zu berücksichtigen. Im Ergebnis hat die Auftraggeberin daher in nicht zu beanstandender Weise lediglich das Nebenangebot NA 0003 zur Rohrspundwand berücksichtigt, was zu einer Reduzierung des Nettogesamtpreises von ... € auf ... € netto führt. Ohne Berücksichtigung der Nachlässe beträgt die Ersparnis somit ... € netto. Diese Ersparnis wird zwar zum Teil wieder dadurch aufgezehrt, dass durch die Einbeziehung des Nebenangebotes NA 0003 der Beigeladenen der zweiprozentige Nachlass auf das Hauptangebot entfällt und lediglich der mit dem Nebenangebot NA 0003 angebotene einprozentige Nachlass (= ... € statt ... €) zum Tragen kommt. Insgesamt verbleibt durch die Berücksichtigung des Nebenangebotes NA 0003 noch eine Ersparnis von ... € brutto, so dass die von der Auftraggeberin gewertete Angebotsendsumme mit ... € brutto (inkl. damals 16 % MwSt.) schließt. Die Beigeladene hat damit - vorbehaltlich des Ergebnisses der oben unter II. 2. c. erörterten weiteren Prüfung durch die Auftraggeberin, ob ihr im Hinblick auf die Kajenhinterfüllung und den Kajenschluss konzeptbedingte Mehrkosten drohen, das preislich günstigste Hauptangebot abgegeben.

      Diese Preisdifferenz bewirkt letztlich, dass das Hauptangebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung des Nebenangebotes NA 0003 auch bei der Gesamtwertung, unter Berücksichtigung sämtlicher von der Auftraggeberin bekannt gemachten Zuschlagskriterien, als wirtschaftlichstes Angebot gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A gewertet wurde. Die Gesamtwertung hat die Auftraggeberin einer dem Vergabevermerk als Anlage 21 beigefügten Bewertungsmatrix dokumentiert. Daraus ergibt sich, dass die Beigeladene für ihr Hauptangebot in Kombination mit dem einzig gewerteten Nebenangebot NA 0003 als preislich niedrigstes Angebot für das Zuschlagskriterium Preis 5 Punkte erhalten hat. Das Zuschlagskriterium Preis geht ausweislich der zuvor festgelegten Gewichtung mit 50 % in die Gesamtwertung ein. Das Hauptangebot der Antragstellerin hat unter Berücksichtigung der preislichen Differenz zum Angebot der Beigeladenen für das Zuschlagskriterium Preis lediglich 1,177 Punkte erhalten. Unter Berücksichtigung der von der Auftraggeberin für wertbar befundenen Nebenangebote der Antragstellerin hat sie maximal 2,163 Punkte (Nebenangebotskombination K 60) erhalten. Demgegenüber haben sich ausweislich der Bewertungsmatrix die übrigen sechs Zuschlagskriterien Qualität, Konstruktion, Ausführungsfrist, technische Beratung, Vergütungsbedingungen und Folgekosten die insgesamt mit 50 % bei der Gesamtwertung berücksichtigt wurden, kaum auf die Rangfolge zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen ausgewirkt, weil diesbezüglich keine oder nur geringe Differenzen festgestellt wurden. Insgesamt erreicht das Hauptangebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung des Nebenangebotes NA 0003 bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes eine Gesamtpunktzahl von 8,534 Punkten gegenüber 5,628 Punkten beim Hauptangebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Nebenangebotskombination K 60.

      Auch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ist daher in einer nachvollziehbaren und den Anforderungen an die Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Die unter II 2c erörterte notwendige ergänzende Prüfung hinsichtlich der Auswirkungen des Polderschlusskonzeptes können jedoch je nach Ergebnis Auswirkungen auf die Punkteverteilung in der Bewertungsmatrix haben.

    5. e)

      Auch soweit die Antragstellerin beantragt hat, der Auftraggeberin aufzugeben, ihren Geschäftsführer, Herrn H...., nicht mehr mit dem Vergabeverfahren zu befassen und sicherzustellen, dass jede Information an, jede Einflussnahme von und jegliche Mitwirkung des Herrn H.... bei dem Verfahren unterbleibt, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Voraussetzungen für ein Mitwirkungsverbot gem. § 16 VgV liegen nicht vor. Gemäß § 16 Abs. 1 VgV dürfen als Organmitglied oder Mitarbeiter eines Auftraggebers oder als Beauftragter oder als Mitarbeiter eines Beauftragten eines Auftraggebers bei Entscheidungen in einem Vergabeverfahren für einen Auftraggeber als voreingenommen geltende natürliche Personen nicht mitwirken, soweit sie in diesem Verfahren entweder selbst Bieter oder Bewerber sind, einen Bieter oder Bewerber beraten oder sonst unterstützen, als gesetzlicher Vertreter oder nur in dem Vergabeverfahren vertreten, bei einem Bieter oder Bewerber gegen Entgelt beschäftigt oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrates oder gleichartigen Organs tätig sind oder für ein in das Vergabeverfahren eingeschaltetes Unternehmen tätig sind, wenn dieses Unternehmen zugleich geschäftliche Beziehungen zum Auftraggeber und zum Bieter oder Bewerber hat. Der das gesamte Vergaberecht bestimmende Gleichheitsgrundsatz erfordert es sicherzustellen, dass für den Auftraggeber nur Personen tätig werden, deren Interessen weder mit denen eines Bieters noch mit den Interessen eines Beauftragten des Bieters verknüpft sind. Als voreingenommen in diesem Sinne gelten daher der Bieter und der Bewerber, die ihn diesem Verfahren vertretenen oder beratenden Personen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VgV), sowie deren nähere Verwandte (§ 16 Abs. 2 VgV). Bei diesen Personen wird unwiderleglich vermutet, dass sie voreingenommen sind. Sie können nicht "neutral" sein (vgl. Marx in: Müller-Wrede, VOL/A, § 17 VgV, Rn. 1 ff.). Der Neutralitätsgrundsatz als Ausschluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht.

      Derartige, in § 16 VgVabschließend aufgeführte Verbindungen zwischen dem Geschäftsführer, Herrn H...., und den zur Bietergemeinschaft der Beigeladenen gehörenden Firmen, insbesondere der dort federführenden Firma H...., liegen jedoch unstreitig nicht vor.

      Da § 16 VgV abschließende Fallgruppen zum Ausschluss von auf der Auftraggeberseite im Vergabeverfahren mitwirkenden Personen enthält, ist auch für eine Antragstellerin angeregte analoge Anwendung des § 16 VgV kein Raum. Die Antragstellerin wirft dem Geschäftsführer der Auftraggeberin, Herrn H...., vor, in mehrfacher Hinsicht massiv und einseitig zu Gunsten der Beigeladenen und zu Lasten der Antragstellerin auf das Vergabeverfahren eingewirkt und die für die Antragstellerin negative Entscheidung der Auftraggeberin herbeigeführt hat. Wie oben unter II. 2. b dargelegt, ist in der der Vergabekammer vorliegenden Vergabeakte jedoch kein gegen den Wettbewerbsgrundsatz, den Transparenzgrundsatz oder den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßendes Verhalten des Geschäftsführers H.... belegt. Belegt ist lediglich, dass sich Herr H.... im Gegensatz zum vormaligen Vergabeteam eindeutig gegen eine Beauftragung des Sondervorschlags der Antragstellerin ausgesprochen und sich dabei auf die Bedenken seiner fachkundigen Mitarbeiter von B.... GmbH & Co. KG gestützt hat, die erstmalig über einen Vermerk mit Stand 07.07.2006 in die Vergabeakte aufgenommen wurden und mit einem darauf aufbauenden ausführlichen Schreiben der B.... GmbH & Co. KG vom 07.02.2007 wiederholt wurden. Wie bereits dargelegt, hat sich die Auftraggeberin auch bei der Bewertung des Sondervorschlags der Antragstellerin im Rahmen ihres vergaberechtlichen Ermessens gehalten. Die Tatsache, dass sich der b.... Gesellschafter der Auftraggeberin, vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn H...., letztlich mit ausführlich dargelegten Bedenken innerhalb der Auftraggeberin bei der Entscheidung durchgesetzt hat, ist, wie dargelegt, nicht als diskriminierendes Verhalten zu bewerten.

      Dabei steht unabhängig davon außer Frage, dass Geschäftsführer oder sonstige Mitarbeiter eines Auftraggebers gehalten sind, despektierliche Äußerungen über Bieterunternehmen zu unterlassen. Die Antragstellerin hat unter Beifügung einer entsprechenden Aktennotiz vom 03.05.2007 erklärt, dass der Geschäftsführer des zu ihrer Bietergemeinschaft gehörenden Unternehmens ... anlässlich der Sitzung des Mitglied des Ausschusses in Anschluss an die Sitzung durch den ... darüber informiert wurde, dass Herr H.... seiner Auffassung nach gegen eine Vergabe an die B....-Gruppe vorgehe und sich für eine Vergabe an die H-Gruppe einsetze. Am Rande einer Veranstaltung mit mehreren Teilnehmern aus ... habe der ... gehört, dass Herr H.... öffentlich erklärt habe, dass für den Bau dieses Hafens keine mittelständischen "Torfstecher", sondern nur "renommierte Aktiengesellschaften" in Frage kämen.

      Herr H.... ist daraufhin öffentlich, so auch durch den ... aufgefordert worden sich für diese Verunglimpfung zu entschuldigen. Herr H.... hat daraufhin in der Presse zu den Vorwürfen Stellung genommen und dementiert, dass er gesagt habe, dass die Bietergruppe der Antragstellerin den Auftrag nicht bekommen dürfe. Die Verwendung des Begriffs "Torfstecher" hat er dagegen eingeräumt. Er habe dies aber in keiner Weise böse oder abwertend gemeint. Es sei ihm lediglich darum gegangen, die beiden in der Endrunde übrig gebliebenen Bietergruppen zu beschreiben, es handle sich um einen in der Baubranche üblichen, nicht diskriminierend gemeinten Begriff. Die an der Bietergemeinschaft der Antragstellerin beteiligten Firmen hätten sogar im Jahre 2001 auf einer ...-Baustelle mit der Bezeichnung "Torfstecher" für sich geworben.

      Ungeachtet dieser Erklärungen von Herrn H.... ist aber unstreitig, dass Äußerungen, die von Bietern als diskriminierend aufgefasst werden können, mögen sie auch unbedacht und nicht in böser Absicht in die Welt gesetzt werden, nicht geeignet sind, das Vertrauen der Bieter in einen fairen Wettbewerb zu stärken. Sie haben daher ebenso zu unterbleiben wie vorzeitige öffentliche Hinweise oder Äußerungen über voraussichtlich im Vergabeverfahren obsiegende Firmen, wie sie dem Leiter des vormaligen Vergabeteams unter Hinweis auf die Presseberichterstattung von der Auftraggeberin vorgeworfen werden. Den vergaberechtlichen Tatbestand eines zwingenden Ausschlusses von der Mitwirkung am Vergabeverfahren gem. § 16 VgV erfüllen derartige unbedachte oder voreilige Äußerungen in der Öffentlichkeit jedoch nicht.

    Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des unter 2a festgestellten Defizits bei der Entscheidung über den Ausschluss der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Insolvenz der zur Bietergemeinschaft gehörenden Firma ... ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und im Rahmen des ihr gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. a VOB/A obliegenden Ermessens zu prüfen, ob die antragstellende Bietergemeinschaft auch mit den verbliebenen vier, von der Insolvenz nicht betroffenen Unternehmen für den streitbefangenen Auftrag geeignet ist. Ferner hat die Auftraggeberin aufgrund der Erläuterungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer Anlass, gem. § 24 VOB/A aufzuklären, ob der Auftraggeberin im Zusammenhang im Falle des Zuschlags auf das Hauptangebot der Beigeladenen konzeptbedingte Nachtragsforderungen im Zusammenhang mit dem Kajenschluss und der Kajenhinterfüllung drohen. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen als unbegründet zurückzuweisen.

61

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die

62

DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1: 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2 500 Euro, die Höchstgebühr 25 000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50 000 Euro beträgt.

63

Es wird eine Gebühr in Höhe von 25 000 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

64

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... € brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

65

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2 500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80 000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25 000 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... € ergibt sich eine Gebühr in Höhe des regelmäßigen Höchstwertes von 25 000 €.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

67

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

68

Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise begründet war. Die Vergabekammer hat festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, soweit die Auftraggeberin von einem zwingenden Ausschluss der Antragstellerin aufgrund der Insolvenz ihres Gesellschafters ... ausgegangen ist. Hinsichtlich des Begehrens, die Auftraggeberin zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit oder Abweichung von den Verdingungsunterlagen von der Wertung zwingend auszuschließen, war der Nachprüfungsantrag jedoch erfolglos. Die Vergabegabekammer hat der Auftraggeberin lediglich aufgegeben, im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu prüfen, ob ihr im Hinblick auf die Kajenhinterfüllung und die strömungsbedingte Belastung der Kaje durch den vorzeitigen Polderschluss konzeptbedingte Mehrkosten durch das Angebot der Beigeladenen drohen. Erfolglos war der Nachprüfungsantrag auch, soweit die Antragstellerin die Berücksichtigung ihres Sondervorschlages begehrt.

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Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03 ). Die Beigeladene hat die Kosten gem. §§ 128 Abs. 3, 4 GWB, 91, 100 Abs. 1, 101 ZPO auf Seiten der Auftraggeberin als Gesamtschuldnerin mit zu tragen, weil sie sich durch ihren mündlichen Vortrag in der Verhandlung vor der Vergabekammer aktiv am Verfahren beteiligt und die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages beantragt hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14.09.2006, Az.: 13 Verg 3/06 ).

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Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostGbefreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04). Allerdings darf eine persönliche Kostenbefreiung bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Kostenschuldnern nicht zu einer Mehrbelastung des nicht befreiten anderen Gesamtschuldners führen, so dass sich der Gesamtbetrag der Gebühren um den Betrag vermindert, den der befreite Gesamtschuldner an den nicht befreiten zu erstatten hätte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az. 13 Verg 9/05 ), d.h. hier um ? der Gebühren.

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Kosten der Antragstellerin

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Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte. Ihr Kostenanspruch gegen die Auftraggeberin und die Beigeladene ist wegen des teilweise Unterliegens der Antragstellerin jedoch auf je 1/4 zu begrenzen, so dass sie insgesamt die Hälfte ihrer Kosten erstattet bekommt.

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Kosten der Auftraggeberin

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Die anteilige Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

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Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte ( BVerwGE 55, 299, 306 ). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren teilweise unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Auftraggeberin zu 1/2 zu tragen.

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Kosten der Beigeladenen:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00 ). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

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Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

80

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

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Der Kostenanspruch der Beigeladenen ist wegen des teilweise Obsiegens der Antragstellerin jedoch auf 1/2 zu begrenzen.

82

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 12 500 € unter Angabe des Kassenzeichens

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...

84

innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

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....

86

Die Beigeladene wird aufgefordert, den Betrag von 6 250 € unter Angabe des Kassenzeichens

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...

88

innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

89

....

MR Gause
BOAR'in Schulte
Dipl.-Ing. Lohmöller