Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.06.2007, Az.: VgK-29/2007

Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Angebots wegen Nichteinhaltung der Tariftreueverpflichtung; Notwendigkeit des Nachweises der Berechnung der Lohnkosten auf der Basis verpflichtender tariflicher und gesetzlicher Vorgaben und auf der Grundlage realistischer Annahmen; Voraussetzungen eines Fortsetzungsfeststellungsantrags in einem Vergaberechtsstreit

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
26.06.2007
Aktenzeichen
VgK-29/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 36153
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB Vergabeverfahren - Umbau und Erweiterung Klinikum xxxxxxx - Installation von lufttechnischen Anlagen

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzenden RD'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl. Ökonom Brinkmann
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags in ihren Rechten verletzt gewesen ist.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.955 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 22.12.2006 die Installation von Lüftungsanlagen im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 25.01.2006 auf die beabsichtigte Vergabe hingewiesen hat.

2

Zuschlagskriterium sollte nur der niedrigste Preis sein.

3

Der Vergabeakte ist zu entnehmen, dass das von der Auftraggeberin beauftragte Ingenieurbüro in einem Vergabevermerk vom 03.05.2007 festhielt, dass die Antragstellerin die ausgeschriebene Leistung für den niedrigsten Preis anbot. Bei der Überprüfung der Tariftreue hielt das Ingenieurbüro fest, dass die Antragstellerin rein rechnerisch die Auskömmlichkeit des Mittellohnes von 11,26 EUR unter Gewährleistung der Tariftreue belegt, andererseits schreibt das beauftragte Ingenieurbüro im letzten Satz auf dieser Seite:

"Die Firma hält die Tariftreueverpflichtung nicht ein."

4

Das beauftragte Ingenieurbüro schlug vor, der zweitgünstigsten Firma den Zuschlag zu erteilen, obwohl das Büro festhielt, dass diese Firma ihm nicht bekannt sei und sie keine Erfahrung im Bereich des Krankenhausbaues besitzt. Sie hätte aber Anlagen mit ähnlichem Schwierigkeitsgrad bereits häufiger erfüllt.

5

Die Auftraggeberin informierte die Antragstellerin mit Telefax vom 31.05.2007, dass das Angebot ausgeschlossen wurde, da es nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfüllt. Ferner teilte die Auftraggeberin mit, welche Firma den Zuschlag erhalten soll.

6

Mit Schreiben vom 05.06.2007 rügte der von der Antragstellerin beauftragte Rechtsanwalt, jetzt Bevollmächtigter im anhängigen Nachprüfungsverfahren, die beabsichtigte Vergabe und führte aus, dass der Ausschluss nicht berechtigt sei, da alle Unterlagen und Erklärungen rechtzeitig vorgelegt worden seien.

7

Mit Schriftsatz vom 08.06.2007, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Antragstellerin ergänzt und vertieft Ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in den Rügeschreiben gegenüber der Auftraggeberin monierten Vergaberechtsverstöße.

8

Ferner führt sie aus, dass sie das Formular EFB-Preis 1a ausgefüllt habe und die Mindestlöhne gemäß der geforderten Tariftreue von ihr eingehalten würden.

9

Die Antragstellerin beantragte seinerzeit:

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der Antragstellerin (Hauptangebot und Nebenangebote) wieder in die Wertung zu nehmen und den Zuschlag nur unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin zu erteilen;

  2. 2.

    der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

  3. 3.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  4. 4.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

10

Die Auftraggeberin beantragte seinerzeit:

  1. 1.

    die Anträge der Beschwerdeführer als unbegründet zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB zu genehmigen;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.

11

Sie wies u.a. darauf hin, dass die von der Antragstellerin dargestellte Besetzung der Baustelle für den Umfang und die Komplexität der geplanten Baumaßnahme nicht ausreicht. Eine fach- und termingerechte Ausführung sei daher nicht möglich. Bei Einsatz von qualifiziertem Personal sei die Einhaltung der Tariftreue bei einem Mittellohn von 11,26 EUR nicht möglich.

12

Nachdem die Vergabekammer die Auftraggeberin mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 18.06.2007 darauf hingewiesen hatte, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist, teilte die Auftraggeberin der Vergabekammer mit Schreiben vom 18.06.2007 mit, dass sie dem Nachprüfungsantrag selbst abhelfen und noch einmal neu in die Wertung eintreten wird.

13

Die Antragstellerin beantragt jetzt:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrages in ihren Rechten verletzt gewesen ist, soweit die Auftraggeberin/Antragsgegnerin von dem Vergabeverfahren Baumaßnahme Klinikum xxxxxxx - Umbau und Erweiterung xxxxxxx - Bauteil C + I, Angebot für 430 - Lufttechnische Anlagen, Vergabe-Nr. xxxxxxx gem. § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen hat;

  2. 2.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB wird für notwendig erklärt;

  3. 3.

    die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu tragen.

14

Die Auftraggeberin hat keine neuen Anträge gestellt.

15

Die Beteiligten haben gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 GWB einer Entscheidung nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

16

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

17

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB zulässig und begründet. Da die Auftraggeberin mit Schriftsatz vom 18.06.2007 erklärt hat, dass sie der Rüge selbst abhelfen und unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin neu in die Wertung eintreten wird, hat sich das Nachprüfungsverfahren in sonstiger Weise erledigt. Auf Antrag der Antragstellerin vom 19.06.2007 war vorliegend jedoch festzustellen, dass die ursprüngliche Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin wegen Verstoßes gegen die Tariftreueverpflichtung aus der Wertung auszuschließen, die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.

18

1.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um das in der Rechtsform einer gGmbH organisierte Städtische Klinikum xxxxxxx und damit um eine juristische Person des privaten Rechts, die zu dem Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Sie steht in hundertprozentiger Trägerschaft der Stadt xxxxxxx und ist damit öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der ausgeschriebene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Installation der lufttechnischen Anlagen im Rahmen des Umbaus und der Erweiterung eines Krankenhauses und damit um einen Bauauftrag, für den gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 5.278.000 EUR gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet unstreitig den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

19

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als potenzielle Bewerberin im Verhandlungsverfahren ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie darauf hinweist, dass sie in ihrem Angebot die Tariftreueverpflichtung gewährleistet und ein Ausschluss daher nicht gerechtfertigt sei. Die Antragstellerin, die mit ihrem Angebot preislich nach der Auswertung der Auftraggeberin an erster Stelle liegt, hat damit Aussicht auf die Erteilung des Zuschlags. Sie hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB dargelegt.

20

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den behaupteten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer gegebenenfalls notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Antragstellerin hat die Information nach § 13 VgV am 30.05.2007 per Fax erhalten. Die durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erhobene Rüge ihres Ausschlusses aus dem Verfahren erreichte die Auftraggeberin am 05.06.2007, also binnen einer Woche. Diese Rüge erfolgte somit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Soweit sich durch telefonische Information bereits vor der Versendung der Information nach § 13 VgV die Entscheidung der Auftraggeberin abzeichnete, hat die Antragstellerin dies umgehend mündlich gerügt, also ebenfalls ihre Rügepflicht erfüllt.

21

Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag war somit zulässig.

22

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ist weiterhin, dass sich das Nachprüfungsverfahren vor Entscheidung der Vergabekammer erledigt hat. Dies ist vorliegend der Fall. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB spricht von einer Erledigung durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder von einer Erledigung in sonstiger Weise. Eine Erledigung in sonstiger Weise liegt - ebenso wie bei den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen - dann vor, wenn das Nachprüfungsverfahren gegenstandslos wird. Dies kommt vor allem bei einer Nachbesserung des Vergabeverfahrens durch die Vergabestelle vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens in Betracht, durch die dem Antragsteller seine Beschwer genommen wird (vgl. Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB, Rdnr. 50, m.w.N.). Die Auftraggeberin hat mit Schriftsatz vom 18.06.2007 erklärt, dass sie der Rüge selbst abhelfen werde. Eine Durchführung des Nachprüfungsverfahrens erübrigt sich damit. Daraufhin hat auch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19.06.2007 erklärt, dass sich das Nachprüfungsverfahren damit im Sinne von § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB erledigt habe. Gleichzeitig hat sie nunmehr beantragt, festzustellen, dass sie insoweit im Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrages in ihren Rechten verletzt war, als die Auftraggeberin ihr Angebot wegen Nichteinhaltung der Tariftreue vom streitbefangenen Vergabeverfahren ausgeschlossen hat. Im Übrigen hat sie den Kostenantrag sowie den Antrag auf Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten aufrechterhalten. Mit diesem Antrag hat sie das ursprüngliche Nachprüfungsverfahren auf ein Fortsetzungsfeststellungsverfahren umgestellt.

23

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach überwiegender Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 14.02.2001, Az.: Verg 14/00, und vom 22.05.2002, Az.: Verg 6/02 = VergabeR 2002, S. 668; OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 06.02.2003, Az.: 11 Verg 3/02 = NZBau 2004, S. 174; Byok in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 114, Rdnr. 1078; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 114 GWB, Rdnr. 50; Boesen, Vergaberecht, § 114, Rdnr. 73). Dieses Interesse ergibt sich für einen Antragsteller häufig aus der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches, da die Entscheidung der Vergabekammer für einen solchen Sekundäranspruch gem. § 124 GWB ausdrücklich Bindungswirkung entfaltet. Ferner ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse immer dann in Betracht zu ziehen, wenn eine (konkrete) Wiederholungsgefahr in Bezug auf einen nach Auffassung des Antragstellers vor Erledigung begangenen Vergabeverstoß zu besorgen ist (vgl. Reidt, a.a.O., § 114 GWB, Rdnr. 58, m.w.N.). Für diese beiden Fallkonstellationen gibt es im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

24

Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist jedoch nicht auf diese beiden Fallkonstellationen beschränkt. Vielmehr genügt darüber hinaus jedes nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (vgl. Byok, a.a.O., § 114 GWB, Rdnr. 78). Vorliegend ergibt sich das in diesem Sinne anzuerkennende wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin aus der Tatsache, dass die Antragstellerin durch die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens aufgrund des Regelungsgehaltes des § 128 GWB und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ihre eigenen Rechtsanwaltskosten selbst tragen müsste, wenn sie keinen Fortsetzungsfeststellungsbeschluss der Vergabekammer herbeiführt. Der BGH hat in seinemBeschluss vom 09.12.2003 (Az. X ZB 14/03) grundsätzlich entschieden, dass im Falle einer Verfahrensbeendigung ohne Entscheidung der Vergabekammer zur Sache der Antragsteller die für die Tätigkeit der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen hat und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten nicht stattfindet. Auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags komme es für die Kostenentscheidung nicht an. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat die Kosten abweichend von § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG der Beteiligte zu tragen, der im Verfahren unterliegt. Ein solcher Tatbestand liegt nach Auffassung des BGH im Falle der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Entscheidung der Vergabekammer aber nicht vor.

25

Ein Antragsteller kann diese für ihn negative Kostenfolge des § 128 GWB daher nur im Wege eines stattgebenden Fortsetzungsfeststellungsbeschlusses abwenden (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 18.08.2005, Az.: 13 Verg 10/05).

26

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist damit zulässig.

27

2.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin war nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen Nichteinhaltung der Tariftreueverpflichtung auszuschließen.

28

Die Auftraggeberin hatte die Antragstellerin mit der Begründung aus der weiteren Wertung ausgeschlossen, dass sie nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfüllt. Auf Nachfrage der Antragstellerin hat die Auftraggeberin dies damit begründet, dass die Antragstellerin nicht belegen könne, dass die Lohnkosten einschließlich der Zuschläge auf der Basis verpflichtender tariflicher und gesetzlicher Vorgaben und auf der Grundlage realistischer Annahmen berechnet seien.

29

Das Angebot der Antragstellerin hält jedoch eindeutig den seitens der Auftraggeberin zugrunde gelegten "Tarifvertrag für Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Klempnertechnik Niedersachsen" ein. Explizit werden die in § 3 dieses Tarifvertrags geforderten Stundenlöhne von der Antragstellerin in ihrer Kalkulation angegeben. Entsprechend hält das von der Auftraggeberin beauftragte Ingenieurbüro einerseits in seinem Vergabevorschlag vom 03.05.2007 auf Seite 3 seines Vergabevermerks unter "1.6.3.2. Fa. xxxxxxx" im ersten Satz fest, dass die Antragstellerin rein rechnerisch die Auskömmlichkeit des Mittellohnes von 11,26 EUR unter Gewährleistung der Tariftreue belegt. Andererseits schreibt das beauftragte Ingenieurbüro im letzten Satz auf dieser Seite: "Die Firma hält die Tariftreueverpflichtung nicht ein." Jedoch ist nicht nachvollziehbar und auch der Vergabeakte nicht zu entnehmen, wie das Ingenieurbüro zu dieser letztgenannten Einschätzung gekommen ist. Die im gleichen Absatz des Vergabevermerks festgehaltene Anforderung eines ständig auf der Baustelle anwesenden Bauleiters entspricht nicht den Anforderungen in den Verdingungsunterlagen. Es kann also der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden, dass sie einen Bauleiter nicht so eingeplant hat. Auch hat diese Frage nichts mit der Tariftreue zu tun. Ferner hat die Auftraggeberin nicht dokumentiert, dass sie sich der Auffassung des beauftragten Ingenieurbüros angeschlossen hat. Lediglich der Tatsache, dass die Auftraggeberin die Informationen nach § 13 VgV verfasst hat, ist dies zu entnehmen.

30

Die Auftraggeberin hat also dadurch, dass sie das Angebot der Antragstellerin wegen Nichteinhaltung der Tariftreue ausgeschlossen hat, gegen Vergaberecht verstoßen.

31

Auf Antrag der Antragstellerin war daher gem. § 114 Abs. 1, 2 GWB festzustellen, dass sie durch den ursprünglichen Ausschluss ihres Angebotes in ihren Rechten verletzt gewesen ist.

32

III.

Kosten

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.

34

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.955 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt. Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt 1.501.586,05 EUR. Dieser Betrag entspricht dem Bruttogesamtpreis des Angebotes der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

35

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.501.586,05 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.955 EUR.

36

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

37

Die in Ziffer 2 des Tenors getroffene Kostenregelung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in vollem Umfang begründet ist. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Kostentragungspflicht gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

38

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

39

IV.

Rechtsbehelf

40

...

Dr. Raab
Schulte
Brinkmann