Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.08.2015, Az.: 11 LA 313/14

Ausschluss; Feuerwehr; Freiwillige Feuerwehr; Vertrauensverhältnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.08.2015
Aktenzeichen
11 LA 313/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45047
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.10.2014 - AZ: 5 A 91/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein grundlegend gestörtes bzw. zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen einem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und einem erheblichen Teil der übrigen Mitglieder und/oder seinen Vorgesetzten kann einen den Ausschluss des Mitglieds rechtfertigenden wichtigen Grund darstellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Auszuschließende das aufgetretene Zerwürfnis verursacht hat oder in welchem Maße auch das Verhalten anderer Personen dazu beigetragen hat.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 24. Oktober 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat keinen Erfolg.

Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr B., Ortsfeuerwehr B., in der er seit 1971 aktives Mitglied ist. Beruflich ist der Kläger bei der Berufsfeuerwehr C. beschäftigt. Seit dem Jahr 2001 wurden gegen den Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr B. verschiedene Vorwürfe erhoben. Im Januar 2011 wurde er von seinen Funktionen als Ausbildungsleiter und Objektplaner der Ortsfeuerwehr B. entbunden. Am 22. März 2012 beschloss das Ortskommando der Ortsfeuerwehr, gegen den Kläger und drei weitere Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Nach Anhörung des Klägers verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juni 2012 dessen Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr B., Ortsfeuerwehr B.. Zur Begründung gab die Beklagte an, dass ein wichtiger Grund für den Ausschluss nach § 15 Abs. 4 Satz 1 ihrer Feuerwehrsatzung vorliege. Der Kläger verhalte sich seit der Entziehung seiner Führungspositionen obstruktiv und störe die Gemeinschaft innerhalb der Ortsfeuerwehr B.. Sein Verhalten habe zu Spaltungserscheinungen und zu der Bildung gegnerischer Gruppen geführt, so dass das kameradschaftliche Verhältnis unter den Mitgliedern gefährdet und zerstört und dadurch die ständige Einsatzbereitschaft der Ortsfeuerwehr gefährdet sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Die Berufung kann nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Die von dem Kläger geltend gemachten Gründe sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufzuzeigen.

Soweit der Kläger seinen Zulassungsantrag damit begründet hat, dass ein etwaig fehlendes Vertrauensverhältnis zwischen dem Ortsbrandmeister D. und ihm als einfaches Mitglied der Ortsfeuerwehr B. entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen seinen Ausschluss rechtfertigenden wichtigen Grund darstelle, kann er damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines die Entscheidung tragenden Rechtssatzes schon deshalb nicht darlegen, weil das Verwaltungsgericht den behaupteten Rechtssatz nicht aufgestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr eine Gefahrengemeinschaft bildeten, innerhalb derer es eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses unter den Mitgliedern bedürfe, damit die Freiwillige Feuerwehr ihre Aufgaben zuverlässig zu erfüllen in der Lage sei. Im Hinblick auf das seiner Auffassung nach fehlende Vertrauensverhältnis hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe ausdrücklich auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und einem erheblichen Teil der Mitglieder der Ortsfeuerwehr  abgestellt, so dass die auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Ortsbrandmeister bezogenen Darlegungen ins Leere gehen.

Die Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts, dass zwischen dem Kläger und einem erheblichen Teil der Mitglieder der Ortsfeuerwehr B. das erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis nicht mehr bestehe, hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Sein Vorbringen, dies ergebe sich weder aus dem Sachvortrag der Beteiligten noch aus der durchgeführten Beweisaufnahme, reicht nicht aus, um die auf einer umfassenden Würdigung des Sachverhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme beruhende Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass das fehlende Vertrauensverhältnis deutlich in der von 24 Mitgliedern unterzeichneten Unterschriftenliste zum Ausdruck komme, in der die Unterzeichner sich für einen Ausschluss des Klägers ausgesprochen und andernfalls mit einer Einschränkung ihres Dienstes gedroht hätten. Zudem hat das Verwaltungsgericht die Aussage des als Zeugen vernommenen Ortsbrandmeisters D. der Ortsfeuerwehr B. berücksichtigt, der geschildert hat, dass nach der Entbindung des Klägers von seinen Führungspositionen zunächst keine der vier Löschgruppen bereit gewesen sei, diesen aufzunehmen, und er selbst sich eine sachliche Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr vorstellen könne. Seine Feststellungen zur Bildung von zwei Fraktionen innerhalb der Ortsfeuerwehr B. hat das Verwaltungsgericht überzeugend auf die vorliegenden Listen mit den Unterschriften der Befürworter und Gegner eines Ausschlusses des Klägers aus der Feuerwehr sowie auf die Aussage des Zeugen D. gestützt, der auch bekundet hat, dass die Spannungen innerhalb der Ortsfeuerwehr fünf bis sechs Monate nach der Freistellung des Klägers vom Dienst beseitigt gewesen seien.

Der Kläger macht außerdem geltend, dass die Umstände, die einen Ausschluss rechtfertigen könnten, unabhängig von der Frage der Vorwerfbarkeit und des Verschuldens grundsätzlich zumindest auf einem dem Auszuschließenden zurechenbaren Verhalten beruhen müssten. Dazu habe das Verwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen. Auch dieses Vorbringen gibt keinen Anlass, an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstlich zu zweifeln.

Rechtsgrundlage für den mit Bescheid vom 19. Juni 2012 verfügten Ausschluss des Klägers aus der Freiwilligen Feuerwehr ist § 15 Abs. 4 Satz 1 der Satzung für die Freiwillige Feuerwehr B. in der Fassung vom 1. September 1987, zuletzt geändert durch die 2. Änderungssatzung vom 21. März 1997 (Feuerwehrsatzung). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nach dieser Vorschrift der Ausschluss eines Mitglieds aus der Freiwilligen Feuerwehr aus wichtigem Grund möglich, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, die ordnungsgemäße Erfüllung der der Beklagten nach dem NBrandSchG obliegenden Aufgaben zu gefährden oder zu beeinträchtigen. Neben den in § 15 Abs. 4 Satz 2 Feuerwehrsatzung genannten Regelbeispielen, die ein persönliches Fehlverhalten des Auszuschließenden voraussetzen, kommen als wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 Feuerwehrsatzung unabhängig von ihrer Ursache weitere Umstände in Betracht, die die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr beeinträchtigen und dem Gesetzeszweck der Gewährleistung eines effektiven Brandschutzes entgegenstehen. Ein solcher wichtiger Grund ist hier gegeben. Nach den - mit Zulassungsgründen nicht erfolgreich angegriffenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichts besteht zwischen dem Kläger und einem erheblichen Teil der Mitglieder der Ortsfeuerwehr B. das für eine zuverlässige Erfüllung der der Feuerwehr obliegenden Aufgaben notwendige gegenseitige Vertrauensverhältnis nicht mehr. Dies hat, wie das Verwaltungsgericht weiter festgestellt hat, dazu geführt, dass sich innerhalb der Ortsfeuerwehr B. zwei Fraktionen für und gegen den Ausschluss des Klägers aus der Feuerwehr gebildet haben, deren Angehörige jeweils Konsequenzen im Hinblick auf die eigene Mitgliedschaft bzw. die Mitarbeit in der Feuerwehr angekündigt haben.

Ein grundlegend gestörtes bzw. zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen einem Mitglied der Feuerwehr und einem erheblichen Teil der übrigen Mitglieder und/oder seinen Vorgesetzten kann einen den Ausschluss des Mitglieds rechtfertigenden wichtigen Grund darstellen. Die aktiven Mitglieder der Feuerwehr bilden im Einsatzfall eine Gefahrengemeinschaft, die ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis voraussetzt. Ein erfolgreicher und reibungsloser Feuerwehreinsatz, bei dem es gerade auf jedes einzelne Mitglied ankommen kann, wäre nicht gewährleistet, wenn die Mitglieder auf Grund zerrütteter Verhältnisse die weitere Zusammenarbeit mit anderen oder die im Einsatzfall angetragene notwendige Übernahme von Aufgaben ablehnen (vgl. zum insoweit vergleichbaren Landesrecht: OVG Sachsen, Beschl. v. 23.5.2012 - 5 B 300/11 -, juris, Rn. 9; Bay. VGH, Beschl. v. 9.5.2011 - 4 ZB 11.726 - juris, Rn. 10). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Auszuschließende das aufgetretene Zerwürfnis verursacht hat oder in welchem Maße auch das Verhalten anderer Personen dazu beigetragen hat (vgl. Senatsbeschl. v. 3.8.2012 - 11 LA 172/12 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.2.1996 - 12 B 10229/96 -, juris, Rn. 6 f.; Hess. VGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 8 B 2476/09 -, juris, Rn. 7). Dauerspannungsverhältnisse weisen die Eigentümlichkeit auf, dass sie nach einiger Zeit gleichsam ein Eigenleben gewinnen und ihre Prägung gar nicht mehr durch die Vorgänge erhalten, die sie ausgelöst haben. Es ist deshalb nicht sachgerecht, entscheidend auf die ursprünglichen Ursachen und die Schuld hieran abzustellen; denn wesentlich für die Fortdauer des Spannungsverhältnisses ist nunmehr die mangelnde Verständigungsbereitschaft der Beteiligten oder des einen oder anderen von ihnen (vgl. zum Beamtenrecht: BVerwG, Urt. v. 25.1.1967 - BVerwG VI C 58.65 -, juris, Rn. 40, sowie zur Anwendung dieser Grundsätze auf das Dienstverhältnis der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in Niedersachsen: Senatsbeschl. v. 3.8.2012 - 11 LA 172/12 -; VG Oldenburg, Urt. v. 7.3.2012 - 11 A 1228/11 -, juris, Rn. 27). Dies wird vorliegend auch dadurch deutlich, dass außergerichtliche Vergleichsverhandlungen während des erstinstanzlichen Verfahrens gescheitert sind. Zudem würde eine als erforderlich angesehene Feststellung einzelner dem auszuschließenden Mitglied vorzuwerfender Verhaltensweisen, die zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses geführt haben, letztlich nicht einen anderen unbenannten Ausschlussgrund kennzeichnen, sondern nur mit anderen Worten den bereits in § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Feuerwehrsatzung geregelten Ausschlussgrund umschreiben, wonach ein wichtiger Grund zum Ausschluss bei einer erheblichen Störung der Gemeinschaft innerhalb der Feuerwehr durch das Verhalten des Betroffenen gegeben ist.

Die von dem Kläger im Hinblick auf die Ermessensausübung der Beklagten geltend gemachten Bedenken reichen ebenfalls nicht aus, um die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernstlich in Zweifel zu ziehen. Wie bereits dargelegt worden ist, kommt es für das Vorliegen eines den Ausschluss eines Mitglieds aus der Freiwilligen Feuerwehr rechtfertigenden wichtigen Grundes nicht auf die Feststellung der Ursächlichkeit einzelner Verhaltensweisen des Auszuschließenden an. Die Ursachen für die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses sind damit nicht völlig unbeachtlich. Soweit hierfür Anlass besteht, ist vielmehr im Rahmen des bei Annahme eines wichtigen Grund auszuübenden Ermessens zu prüfen, ob andere Mitglieder die Zerrüttung (mit-)verursacht haben und stattdessen oder zusätzlich auszuschließen sind. Dass und bezogen auf welches andere Feuerwehrmitglied vorliegend Anlass für eine solche Prüfung bestanden hat, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen jedoch nicht.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die getroffene Entscheidung gegen Art. 3 GG verstoße, da das gegen ihn und drei weitere Mitglieder eingeleitete Ausschlussverfahren nur in seinem Fall zum Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr geführt habe und mit ihm im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern auch kein Mediationsverfahren durchgeführt worden sei, vermag auch dies die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, dass die Beklagte in ihrer Ermessensentscheidung andere Maßnahmen erwogen und die Folgen eines Ausschlusses für den Kläger in den Blick genommen, letztlich aber richtigerweise den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr in den Vordergrund gestellt habe. Dies ist nicht zu beanstanden. Vom Kläger ist zudem weder vorgetragen worden, noch liegen sonstige Anhaltspunkte dafür vor, dass im Falle der anderen drei Mitglieder die gleichen Ausschlussgründe wie bei ihm vorgelegen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.