Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.08.2015, Az.: 9 LA 307/14
Ehegatten; Gleichheitssatz; Jahreskurbeitrag; Lebensgemeinschaft, eheähnliche; Lebenspartner, eingetragene
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.08.2015
- Aktenzeichen
- 9 LA 307/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45044
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.08.2014 - AZ: 2 A 827/14
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- § 10 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es bedarf der grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass eine Kurbeitragssatzung Ehegatten, nicht aber zugleich auch eingetragenen Lebenspartner zur Zahlung eines Jahreskurbeitrags verpflichtet.
Tenor:
Auf den Antrag der Klägerin wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 2. Kammer - vom 27. August 2014 zugelassen.
Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 9 LB 120/15 geführt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie als Ehefrau des Eigentümers einer Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten mit Bescheid vom 3. Februar 2014 zu einem Jahreskurbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von 87,- EUR herangezogen worden ist. § 3 Abs. 4 der Kurbeitragssatzung der Beklagten vom 16. Juli 2007 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 16. Dezember 2009 - KBS - sieht vor: „Eigentümer oder Besitzer von Wohneinheiten und ihre Ehegatten, die ihre Hauptwohnung nicht im Erhebungsgebiet haben, zahlen unabhängig von der Aufenthaltsdauer den Kurbeitrag in Höhe des Jahreskurbeitrages“. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 3. Februar 2014 mit der Begründung abgewiesen, die in einer Ehe vorhandenen inneren Bindungen rechtfertigten die Annahme, dass die Nutzung einer Zweitwohnung durch beide Ehepartner gemeinsam erfolge, also auch durch die Klägerin.
Der dagegen gerichtete und auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt.
Die Klägerin hat zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung die Frage aufgeworfen, „ob und inwieweit die Kurbeitragssatzung das Bestehen einer Ehe zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlich negativer Rechtsfolgen nehmen darf“. Sie meint, sachliche Gründe für ein Anknüpfen an die Ehe lägen nicht vor. Die vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen inneren Bindungen bestünden nicht nur in der Ehe, sondern auch bei Lebenspartnerschaften sowie nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Da die angefochtene Entscheidung dies nicht berücksichtige, verkenne sie die besonderen verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1 GG.
Bei verständiger Würdigung dieses Vorbringens hält die Klägerin u. a. für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es mit Verfassungsrecht vereinbar ist, dass nach § 3 Abs. 4 KBS zwar die Ehegatten, nicht aber auch die eingetragenen Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266) zum Jahreskurbeitrag herangezogen werden. Diese die Wirksamkeit des § 3 Abs. 4 KBS betreffende und daher entscheidungserhebliche Frage lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung nicht im Zulassungsverfahren klären und bedarf daher der Klärung im Berufungsverfahren.
Die Heranziehung des Ehegatten zum Jahreskurbeitrag rechtfertigt sich daraus, dass aufgrund der gemeinsamen Lebensführung und der inneren Bindungen in einer Ehe vermutet werden kann, dass sich nicht nur der Eigentümer, sondern auch dessen Ehegatte zeitweise in der Wohnung im Erhebungsgebiet aufhalten wird (vgl. z. B. BayVGH, Urteil vom 13.8.1999 - 4 B 97.973 - NVwZ 2000, 225 [OVG Nordrhein-Westfalen 15.03.1999 - 22 A 391/98] sowie Urteil vom 30.1.2008 - 4 B 05.3218 -, juris). Vergleichbare innere Bindungen hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 15.11.1994 - 1 BfR 1675/91 -, juris) bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften gesehen, eine Verpflichtung zur Gleichstellung von deren Partnern mit Ehegatten aber verneint, weil die Feststellung eheähnlicher Lebensgemeinschaften auch angesichts der geringen Höhe des Jahreskurbeitrags einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mit sich bringe. Mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (- 2 BvR 909/06 - BVerfGE 133, 377) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes beim Ehegattensplitting mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, weil zwischen beiden Lebensformen umfassende Gemeinsamkeiten bestünden. Dem entspricht es, dass im Steuerrecht Ehegatten und Lebenspartner inzwischen weitgehend gleichgestellt sind (vgl. z. B. § 15 Abs. 2 Nr. 2 AO, wonach „Ehegatte oder Lebenspartner“ Angehörige sind). Bei dieser Sachlage erscheint es fraglich und bedarf es der Klärung in einem Berufungsverfahren, ob sachliche Gründe dafür bestehen, wohl die Ehegatten, nicht aber zugleich auch die eingetragenen Lebenspartner, bei denen nicht dieselben Feststellungsschwierigkeiten bestehen wie bei der eheähnlichen Lebensgemeinschaft, als zur Zahlung eines Jahreskurbeitrags nach § 3 Abs. 4 KBS verpflichtet anzusehen