Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.08.2015, Az.: 2 LA 92/15
Abwägung; Abwägungsgebot; Auflösung; Förderschule; Schließung; Schule; Schulorganisation; Schulorganisationsmaßnahme; Sprache
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.08.2015
- Aktenzeichen
- 2 LA 92/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45040
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 09.02.2015 - AZ: 5 A 1579/14
Rechtsgrundlagen
- Art 6 Abs 2 GG
- Art 7 Abs 1 GG
- § 106 SchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Überprüfung einer schulorganisatorischen Entscheidung hat das grundsätzlich zu beachtende allgemeine rechtsstaatliche Abwägungsgebot nicht notwendig die gleichen Konturen wie im Bau- oder Fachplanungsrecht. Insbesondere ist es nicht unabdingbar geboten, die Vorgangs- und Ergebnisrichtigkeit jedweder Facette einer von den zuständigen Gremien vorgenommenen Gesamtabwägung zu überprüfen, vielmehr darf der Schulträger in gewissem Umfang auch eine eigene Schulpolitik betreiben. Die Einschränkung der Prüfungsdichte auf unzumutbare Beeinträchtigungen und/oder grobe Planungsfehler ergibt sich aus dem Gewicht des in Art. 7 Abs. 1 GG niedergelegten staatlichen Bildungs- und Erziehungsrechts, das entsprechende organisatorische Handlungsbefugnisse voraussetzt (vgl. auch Sen., Urt. v. 22.4.2013 - 2 KN 57/11, juris).
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 9. Februar 2015 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagte führt(e) in ihrem Gebiet acht Grundschulen. Angestoßen durch einen Bericht des Landesrechnungshofes aus 2012/2013 sollen nur noch vier weitergeführt werden. Die Kläger wenden sich gegen die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 7. April 20.. , mit der die Beklagte in Ausführung des Beschlusses des Rates der Beklagten vom 17. November 20.. beginnend zum Schuljahr 2015/2016 die auslaufende Aufhebung der Grundschule I. und die endgültige Auflösung der Grundschule spätestens zum Ende des Schuljahres 2016/2017 (31.7.2017) beschlossen hat. Der bisherige Schulbezirk der Grundschule I. wurde der Grundschule J. zugeordnet. Ebenso ist durch - nicht streitgegenständliche Verfügung - die K. -Schule zum 1. August 2014 aufgehoben worden. Die Schule L. war bereits faktisch aufgehoben, weil dort zum Schuljahr 2013/2014 keine Kinder mehr angemeldet wurden. Die Grundschule M. soll ab dem Schuljahr 2017/2018 auslaufen (BA C Bl. 341, 370).
Der Kläger zu 3. besucht zurzeit die 1. Klasse der Grundschule I., d. h. er könnte möglicherweise noch bis Ende des Schuljahres 2016/2017 auf dieser Grundschule bleiben, müsste sie dann aber, also nach dem 3. Schuljahr, verlassen. Die gegen die Allgemeinverfügung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit dem angefochtenen Urteil abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Im Hinblick auf die begrenzte Reichweite des elterlichen Erziehungsrechts seien unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Schulaufhebungen im Klageweg gerichtlich nur insoweit überprüfbar, als eine nach § 106 Abs. 1 NSchulG zu treffende Entscheidung dem Gebot der gerechten Abwägung genügen müsse, dessen Verletzung die betroffenen Kinder bzw. ihre Erziehungsberechtigten lediglich im Hinblick auf eigene Belange rügen könnten. Im Rahmen der Abwägung müssten insbesondere etwaige unzumutbare Beeinträchtigungen durch die Schulaufhebung berücksichtigt werden. Vorliegend könnten die Kläger als eigenen Belang nur die Schulwegsituation geltend machen, die unter rechtlichen Gesichtspunkten indes keine übermäßige Belastung darstelle, und im Übrigen in der Abwägung ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. Das etwaige Fehlen von zureichenden Wirtschaftlichkeitserwägungen könnten die Kläger dagegen nicht als Abwägungsdefizit geltend machen; denn die Belange objektiven Rechts könnten auch unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Abwägung keiner Überprüfung zugeführt werden. Unabhängig davon sei der Vortrag der Kläger zu einer angeblich fehlenden Wirtschaftlichkeit der getroffenen schulorganisatorischen Maßnahme unzutreffend. Auch eine Alternativprüfung sei in zureichendem Maße erfolgt.
Mit dem dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger zum einen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Hierzu führen sie aus, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, nur die Verhinderung eines unzumutbaren Ergebnisses sei relevant, treffe nicht (mehr) die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts; denn mit Urteil vom 7. Januar 1992 (- 6 B 32.91 -, juris) habe es das Abwägungsgebot bei schulorganisatorischen Maßnahmen dem im baurechtlichen Planungsbereich gleichgestellt. Im Baurecht sei anerkannt, dass über das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) nicht nur Rechte, sondern auch Interessen in die gerichtliche Überprüfung einzubeziehen seien. Übertragen auf den vorliegenden Fall liege ein Abwägungsausfall vor, weil eine „saubere Kosten-Nutzen-Bilanz“ nicht erstellt worden sei. So seien die Kosten des Landkreises für Ersatzstandorte, Sprachheilförderklassen und zusätzliche Aufwendungen der Schülerbeförderung in die Abwägung ebenso wenig eingestellt worden, wie Gebäudeunterhaltungskosten der stillgelegten Schulen. Diese Mehrkosten seien nicht unerheblich. Der hilfsweisen Behauptung des Verwaltungsgerichts, zureichende Wirtschaftserwägungen seien (doch) angestellt worden, liege kein aufgeklärter Sachverhalt zugrunde. Zudem sei im Rahmen eines Variantenvergleichs nicht die Lösung der geringsten Belastung, nämlich der Erhalt der Grundschule I. als Außenstelle der Grundschule J., gewählt worden. Diese Variante sei vielmehr aus sachlich nicht begründeten Erwägungen verworfen worden. Die fehlerhafte Ausübung des Planungsermessens führe zugleich zu einer Verletzung eigener Rechte der Schüler und Eltern, selbst wenn die Schwelle der Unzumutbarkeit noch nicht überschritten worden sei.
Zum anderen sei grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob im Rahmen einer schulorganisatorischen Abwägungsentscheidung die Richtigkeit dieser Entscheidung im gerichtlichen Verfahren auch daraufhin überprüft werden kann, ob alle Belange ihrem Gewicht entsprechend Berücksichtigung gefunden haben auch dann, wenn diese nicht im Einzelfall Individual-Rechtspositionen begründen (Beispiel Wirtschaftlichkeit) und wenn das Entscheidungsergebnis noch nicht die Grenze zum Entstehen unzumutbarer Verhältnisse überschreitet“.
Die Beklagte tritt dem entgegen und führt aus, Eltern/Schüler könnten sich selbst bei einer Verletzung objektiven Rechts auf eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte durch Schulorganisationsmaßnahmen nur bei einer unzumutbaren Beeinträchtigung berufen. Insoweit unterscheide sich das Schulrecht weiterhin vom Bauplanungsrecht; denn während es im Planungsrecht darum gehe, Einschränkungen des Art. 14 GG durch Bauleitplanung konfliktbereinigend zu steuern, sei das Schulwesen als staatliche Aufgabe (Art. 7 GG) darauf ausgerichtet, ein funktionierendes Bildungswesen vorzuhalten. Eltern und Schüler seien mithin nicht primäre Adressaten des Schulgesetzes. In der Werteordnung des Grundgesetzes habe ein funktionierendes Bildungswesen vielmehr eine gewisse Priorität gegenüber dem Erziehungsanspruch der Eltern. Daraus resultiere, dass Eltern sich nur erfolgreich gegen staatliche schulorganisatorische Maßnahmen zur Wehr setzen könnten, wenn diese Maßnahmen für sie unzumutbar seien. Schüler und Eltern könnten dagegen allgemeine Interessen - z.B. die Auflösung einer Schule sei unwirtschaftlich, andere Standorte seien besser geeignet, es fehle an einem Nachnutzungskonzept, die Unterbringung der Sprachheilförderklassen sei nicht geregelt - nicht geltend machen.
II.
Die von den Klägern dargelegten Zulassungsrügen greifen nicht durch.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634; Beschl. d. 2. K. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546; Sen., Beschl. v. 20.5.2014 - 2 LA 124/14 -, vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Gemäß § 106 NSchulG sind die Schulträger verpflichtet, Schulen u. a. einzuschränken, zusammenzulegen oder aufzuheben, wenn die Entwicklung der Schülerzahlen dies erfordert (Abs. 1). Bei diesen schulorganisatorischen Entscheidungen haben die Schulträger die Vorgaben nach Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 (Vorgaben zur Größe der Schulen unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines differenzierten Unterrichts, früher Abs. 8 Satz 1 Nr. 2) sowie die Vorgaben zur Festlegung von räumlichen Bereichen, auf die sich das Bildungsangebot am Schulstandort bezieht (Einzugsbereich), einzuhalten (Abs. 5 Satz 1 Nr. 1), das vom Schulträger zu ermittelnde Interesse der Erziehungsberechtigten (bei Grundschülern) zu berücksichtigen (Abs. 5 Satz 1 Nr. 2), die raumordnerischen Anforderungen an Schulstandorte und Einzugsbereiche zu erfüllen (Abs. 5 Satz 1 Nr. 3) sowie zu berücksichtigen, dass schulorganisatorische Maßnahmen der Entwicklung eines regional ausgeglichenen Bildungsangebotes nicht entgegenstehen sollen (Abs. 5 Satz 1 Nr. 4).
Danach sind die Beklagte und das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die demografische Entwicklung in dem Gebiet der Beklagten grundsätzlich die Schließung mehrerer der bislang im Gebiet der Beklagten vorhandenen acht Grundschulen erfordert, weil die Schülerzahl u. a. in den Grundschulen in I. und J. kontinuierlich sinkt und die in der Schulorganisationsverordnung (SchulOrgVO) vorgeschriebenen Klassenstärke von mindestens 24 Schülern in etlichen Grundschulen nicht (mehr) erreicht werden. In I. kann z.B. eine Einzügigkeit für alle vier Grundschulklassen nicht angeboten werden. Es ist aufgrund der geringen Schülerzahl vielmehr ein jahrgangsübergreifender Unterricht erforderlich (Schülerzahl I., Schuljahr 2013/14: insgesamt 31 inklusive Doppelzählung wegen Inklusion). Die durch den Bericht des Landesrechnungshofes angestoßenen Entscheidung der Beklagten, aufgrund der Entwicklung der Schülerzahlen die acht vorhandenen Grundschulen auf vier Standorte zu reduzieren, ist daher dem Grunde nach nicht zu beanstanden und rechtfertigt sich aus den Aufzeichnungen über die Entwicklung der Schülerzahlen (BA C Bl. 109 ff.).
Bei der Entscheidung, welche Schulstandorte zu schließen sind, steht dem Schulträger ein planerisches Ermessen zu, das die Gerichte nur eingeschränkt überprüfen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.1964 - VII C 65.62 -, BVerwGE 18, 40, Beschl. v. 23.10.1978 - 7 CB 75.78 -, DVBl. 1979, 352, Beschl. v. 7.1.1992 - 6 B 32.91 -, DVBl. 1992, 1025; Sen., Urt. v. 8.4.2015 - 2 KN 351/13 -, Urt. v. 22.4.2013 - 2 KN 57/11 -, juris).
Während früher im Wesentlichen geprüft wurde, ob die schulorganisatorische Entscheidung für die Beteiligten zu unzumutbaren Ergebnissen führt (BVerwG v. 31.1.1994 u.v. 23.10.1978, jeweils aaO.), ist später in Anlehnung an die allgemein im Planungsrecht entwickelten Grundlagen neben dem Abwägungsergebnis auch der Abwägungsvorgang als solcher mit in den Blick genommen worden (BVerwG v. 7.1.1992, aaO), wobei etwaige Abwägungsdefizite in der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung zum Schulrecht unterschiedlich gewichtet werden (vgl. z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.9.2003 - 2 M 435/03 2003 -, juris, das weiter eine unzumutbare Beeinträchtigung der Eltern/Kinder fordert; VG Minden, Urt. v. 27.4.2012 - 8 K 1318/11 -, juris, Beschl. v. 25.2.2011 - 8 L 716/10 -, das einen generellen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens bejaht; vermittelnd VGH München, Beschl. v. 10.9.2013 - 7 CS 13.1880 -, der eine unzumutbare Beeinträchtigung annimmt, wenn die organisatorische Maßnahme entweder für die Schüler/Eltern unzumutbare Nachteile bringt oder sich als eindeutig rechtswidrig erweist).
Der Senat geht - darauf sei lediglich präzisierend hingewiesen - davon aus, dass das hier in Rede stehende allgemeine rechtsstaatliche Abwägungsgebot (dazu grundsätzlich BVerwG, Urt. v. 23.1.1981 - 4 C 4.78 -, BVerwGE 61, 295 = NJW 1981, 2137; Urt. v. 28.6.2000 - 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276 = NJW 2000, 3584) nicht notwendig die gleichen Konturen hat wie das Abwägungsgebot im Bau- und Fachplanungsrecht (vgl. dazu jüngst Lege, DÖV, 2015, 361); in seiner jeweiligen Ausprägung richtet es sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorgaben und im Übrigen nach dem rechtsstaatlich für jede Abwägung unabdingbar Gebotenen (BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03 -, BVerwGE 121, 152 = NVwZ 2004, 1229; Urt. v. 18.12.2014 - 4 C 35.13 -, NVwZ 2015, 656). Gerade in Ansehung der vielfältigen Bestimmungen, die im Bau- und Fachplanungsrecht dem Planerhalt dienen sollen (und die bei ihrer Einführung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten teilweise sehr umstritten waren), verbietet sich die Annahme, unabdingbar geboten in diesem Sinne sei bei der Überprüfung schulorganisationsrechtlicher Entscheidungen die Vorgangs- und Ergebnisrichtigkeit jedweder Facette einer Gesamtabwägung. Der sinngemäßen Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden (aaO.), wonach generell ein (umfassender) Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens bei Schulorganisationsakten besteht, folgt der Senat daher nicht.
Die organisationsrechtliche Entscheidung ist vielmehr nur eingegrenzt auf unzumutbare Beeinträchtigungen und grobe Planungsfehler daraufhin zu überprüfen, ob alles an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge hätte eingestellt werden müssen, ob das Gewicht der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt worden oder aber der Ausgleich zwischen den Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zur objektiven Bedeutung der Belange außer Verhältnis stehen, sowie ob naheliegende Planungsalternativen erwogen worden sind BVerwG, (Beschl. v. 7.1.1992 - 6 B 32.91 -, DVBl. 1992, 1025). Diese Einschränkung der Prüfungsdichte ergibt sich aus dem Gewicht des in Art. 7 GG niedergelegten staatlichen Bildungs- und Erziehungsrechts, das entsprechende organisatorische Handlungsbefugnisse voraussetzt (Rux/Niehues Schulrecht, 5. Aufl., Rnr. 851, 918 ff.). Der staatliche Erziehungsauftrag der Schule, der aus Art. 7 GG abgeleitet wird, steht zwar eigenständig neben dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; er ist diesem nicht nach-, sondern gleichgeordnet (BVerfG, Urt. v. 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97 -, BVerfGE 98, 218,244; BVerwG, Beschl. v. 8.5.2008 - 6 B 64.07 -, DÖV 2008, 775 [BVerfG 28.05.2008 - 2 BvL 11/07]). Anders verhält es sich aber mit dem damit einhergehendem Organisationsrecht. Um den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag zureichend umsetzen zu können, ist der Staat bzw. hier die Beklagte als Schulträger auf eine wirtschaftliche Planung unter Berücksichtigung der schulischen (Bildungs-)Vorgaben angewiesen. Bei der Planungsentscheidung ist dabei nicht das individuelle Interesse einzelner Schüler an der Erhaltung gerade ihrer Schule maßgeblich, sondern zu prüfen, ob angesichts der Gesamtsituation des Schulwesens in dem Raum ein solches (bisheriges) Bildungsangebot weiter anzubieten ist (Sen., Urt. v. 22.4.2013 - 2 KN 57/11 -, juris; Rux/Niehues, aaO., Rnr. 964). Der Schulträger darf dabei in gewissem Umfang auch eine „eigene Schulpolitik“ betreiben (Sen., Urt. v. 22.4.2013. aaO.). Ihm obliegt es daher, die ausschlaggebenden Prioritäten in der politischen Auseinandersetzung zu finden, mag diese - wie hier - auch knapp ausgehen (15 - 14 - 2 Enthaltungen, C 341). Aufgrund der erheblichen planerischen Gestaltungsfreiheit (vgl. allg. für ein weites Planungsermessen auch im baulichen Bereich: Lege, Abkehr von der „sog. Abwägungsfehlerlehre“, DÖV 2015, 361) kann die schulorganisationsrechtliche Entscheidung daher grundsätzlich nur auf unzumutbare Folgewirkungen für Schüler/Eltern (wie Länge des Schulwegs, Gegebenheiten in der neuen Schule) oder auf grobe Planungsfehler (Rux/Niehues, aaO., Rnr. 964, 968 f., Planungsfehler, wenn erhebliche Belange missachtet oder fehlgewichtet worden sind) überprüft werden. Das hindert den Senat allerdings nicht, gleichsam überobligatorisch auch sonstige Abwägungsvorgänge mit in die Prüfung einzubeziehen, solange die Überprüfungsmaßstäbe nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Den innerhalb der maßgeblichen Frist vorgetragenen Darlegungen der Kläger im Zulassungsverfahren, auf deren Überprüfung der Senat gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO beschränkt ist, sind weder grobe Planungsfehler noch unzumutbare Beeinträchtigungen zu entnehmen. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass sonstige Abwägungsfehler vorliegen.
Die Beklagte hat vorliegend vielmehr in zureichendem Maße die Interessen der Erziehungsberechtigten ermittelt und berücksichtigt, welche Interessen der Kläger im Fall einer Schulaufhebung dem in der SchORGVO offenbarten öffentlichen Interesse an der Einhaltung von Mindestgrößen von Schulen oder anderen öffentlichen Belangen entgegenstehen und für eine Fortführung der Schule sprechen. Der Entscheidung durch den Rat der Beklagten ist eine intensive längere Diskussion über die Standortfragen vorausgegangen. Das Für und Wider einer Schließung wurde in Bezug auf alle acht Grundschulen erörtert (vgl. BA C, 39 ff., Aufstellung der Beklagten zur „Reformgrundschulstruktur E.“, Stand: August 2013). Die Einwendungen der Betroffenen sind entgegengenommen und bewertet worden (BA C 270 ff.). In der maßgeblichen, von der Verwaltung erarbeiteten Ratsvorlage (Drucks. ………. v. 26.9.2013) sind ebenfalls die im Laufe des Verfahrens vorgetragenen Erwägungen im umfassenden Sinne erörtert und dargestellt worden (BA C 313 ff.).
Die im Zulassungsverfahren von den Klägern im Einzelnen behaupteten Mängel der Entscheidungsfindung vermag der Senat nicht zu bestätigen.
Dabei kann offen bleiben, welcher Zeitpunkt für die Überprüfung maßgeblich ist.
Betont man den Planungscharakter der Allgemeinverfügung und damit die Nähe zu einem bauplanungsrechtlichen Satzungsbeschluss, käme es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Rates (14.11.2013) an. Damals konnten die Beteiligten aufgrund der Diskussion über ein Änderungsgesetz zum Nds. Schulgesetz noch davon ausgehen, dass die Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Sprache ab dem Schuljahr (ursprünglich 2014/2015, später verlängert auf) 2015/2016 keine neuen Schüler mehr aufnehmen, also auslaufen und Sprachförderung nur noch an den herkömmlichen Grundschulen im Rahmen der Inklusion angeboten wird, so dass die zwei Sprachheilklasse an der Grundschule J. neben den (später freiwerdenden) Klassen für die Förderung der Geistig Behinderten als Raumreserven zur Verfügung stünden, um die Schüler der sukzessive aufzulösenden Grundschulen mit aufzunehmen (vgl. BA C, 47, 250, 258, 316, 337).
Stellt man dagegen den Charakter der Allgemeinverfügung als einen noch nicht endgültig vollzogenen, in die Zukunft verweisenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in den Vordergrund, hätte der Rat der Beklagten seinen Beschluss bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Allgemeinverfügung von sich aus gegebenenfalls an veränderte Umstände anzupassen (vgl. z.B. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 23.5.2013 - 4 L 345/13 -, juris, unter Verweis auf OVG NW, Urt. v. 3.5.1991 - 19 A 2516/89 -). Maßgeblich für die Überprüfung der planerischen Entscheidung wäre dann das Schulgesetz in der Fassung vom 3. Juni 2015 (Nds. GVBl. 2015, 90, NSchulG 2015, Inkrafttreten: 1.8.2015). Gemäß § 183 c Abs. 6 NSchulG 2015 können „am 31. Juli 2015 bestehende Förderschulen im Förderschwerpunkt Sprache … fortgeführt werden“. Entgegen der ursprünglichen politischen Planung ist also im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens - auch auf Initiative der betroffenen Eltern, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - den bestehenden Förderschulen Sprache Bestandsschutz eingeräumt worden; denn mit Geltung des NSchulG 2015 unterfallen Sprachschulen an sich nicht mehr den Förderschulen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 NSchulG 2015). Indes hat die Beklagte auf diese Änderung reagiert und Ende 2014 eine aktualisierte Planung unter Beibehalt der beiden Sprachheilklassen vorgelegt. Danach stehen in J. abzüglich der beiden Sprachheilklassen noch 13 Klassenräume, abzüglich der 4 Klassen für Geistig Behinderte (als Außenstelle der Förderschule Lernen und geistige Behinderung in N.) mithin letztlich 9 Klassen sowie weitere kleinere Räume (u.a. Werkraum, Gruppenraum) zur Verfügung. Benötigt werden bei endgültigem Abschluss der Grundschulstrukturreform zwar 12 Klassenräume, da J. nach vollständiger Aufnahme der aufzulösenden bzw. bereits faktisch aufgelösten Grundschule in I., der K. -Schule sowie der Schule L. in Zukunft 3-zügig geführt werden soll. Da aber die Auflösung der betreffenden Grundschulen sukzessive erfolgt und die 4 Klassen für Geistig Behinderte zum Ende des Schuljahres 2016/2017 in die Förderschule nach N. übersiedeln (GA Bl. 202 ff.), ist die Einschätzung der Beklagten, die Räumlichkeiten seien zureichend, nicht als fehlerhaft, erst recht nicht als grob fehlerhaft zu beanstanden. Gewisse Engpässe, die sich vorübergehend aus den für einen befristeten Zeitraum noch in J. verbleibenden Klassen für Geistig Behinderte ergeben, sind hinzunehmen.
Dass sich daraus auf Dauer unzumutbare Beeinträchtigungen im schulischen Ablauf in J. ergeben, ist nicht anzunehmen, weil nach den - nicht substantiiert in Frage gestellten - Berechnungen der Beklagten nicht nur die Schülerzahl bei den sukzessive auslaufenden Grundschulen, sondern auch die Zahl der Schulkinder aus dem bisherigen unmittelbaren Einzugsbereich der Schule J. zurückgehen wird (BA C Bl. 116 ff.). Zudem hat die Beklagte im Rahmen der Grundschulstrukturreform - was ebenfalls keinen Bedenken begegnet - die Praxis, auch Schüler aus der Nachbargemeinde O. in der Schule in J. aufzunehmen, beendet und damit weitere freie Kapazitäten in der Grundschule J. geschaffen. Dass der Mensabetrieb in der Pausenhalle vorübergehend zunächst in zwei „Schichten“ stattfinden muss, stellt sich weder für den Kläger zu 3. als unzumutbar, noch als (sonstiger oder grober) Planungsfehler dar.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Besuch der Grundschule J. für den Kläger zu 3. aus anderen Gründen unzumutbar ist. Davon ist schon deswegen nicht auszugehen, weil nach Aktenlage bereits etliche Kinder aus I. seit Jahren die Schule in J. besuchen - die Entfernung zwischen beiden Schulstandorten beträgt ca. 10 km (BA C Bl. 135) -, da diese, anders als die Schule in I., eine Ganztagsbetreuung vorhält. Überlange Schulwege werden nicht entstehen, weil die Beklagte bzw. der Landkreis die Schülerbeförderung anpassen werden.
Soweit die Kläger sinngemäß bemängeln, die steigenden Schülerbeförderungskosten und die „Schattenwirkung“ der beschlossenen Schulauflösung, wie z.B. die zukünftigen Unterhaltungskosten der (sukzessive) stillzulegende Schule in I. seien nicht zureichend berücksichtigt worden, werden auch hiermit weder grobe noch sonstige Planungsfehler aufgezeigt. So ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Beklagten der Anstieg der Beförderungskosten bei einer Neukonzeption der Grundschulstandorte und Schließung von drei oder vier Schulen deutlich vor Augen stand (vgl. etwa BA C 140, 145). Zudem „steht und fällt“ die Abwägungsentscheidung nicht damit, dass die von der Beklagten gewählte Lösung die kostengünstigste war (Sen., Urt. v. 22.4.2013 - 2 KN 57/11 -, juris). Vorliegend kommt die Besonderheit hinzu, dass aufgrund deutlich zurückgehender Schülerzahlen die Schließung von vier Grundschulen unumgänglich geworden war; denn ohne die grundlegende Strukturmaßnahme würde die Auslastung aller Schulen auf unter 50% sinken (vgl. Aufstellung der Beklagte: Reform Grundschulstruktur E., Stand. August 2013, S. 19, BA C Bl. 57). Die Frage nach steigenden Schülerbeförderungskosten und den Unterhaltungskosten stillzulegender Schulen hätte sich daher im Prinzip - lediglich mit graduellen Abweichungen - ebenso gestellt, wenn die Auswahl auf andere Schulen gefallen wäre. Vor diesem Hintergrund stellt es keinen Abwägungsfehler dar, wenn die Beklagte sich in erster Linie an der örtlichen Lage der Grundschulen (J. liegt in der Mitte der Kommune, I. im südlichen Bereich, vgl. BA C Bl. 126) und der Raumausstattung (die Grundschule in J. kann mehr Schüler aufnehmen als die in I. und verfügt zusätzlich über sonstige Räume, u.a. einer Küche mit Mensa in der Pausenhalle, vgl. die Aufstellung der Beklagten: Reform Grundschulstruktur E., Stand. August 2013, S. 12, BA C Bl. 50) orientiert.
Der Vortrag der Kläger, die Beklagte habe im Rahmen eines Variantenvergleichs nicht die Lösung der geringsten Belastung ausgesucht, führt ebenfalls zu keinen Planungsfehlern. Allerdings hatte die Beklagte ursprünglich die Alternative bevorzugt, die Schule I. als Außenstelle der Schule J. weiterlaufen zu lassen. Hiervon hat sie indes Abstand genommen, nachdem der Ortsrat von I. dieser Lösung nicht zugestimmt, sondern sich für die Aufrechterhaltung als eigenständige Schule in I. entschieden hat (BA C Bl. 293). Den vorliegenden Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte diese Alternative aus generell nicht tragbaren Gründen verworfen hat. In der Drucksache wird vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schulverwaltung der Beklagten die Alternative einer Außenstelle fachlich „nach wie vor für die beste Lösung“ halte, die Möglichkeit einer politischen Umsetzung jedoch nicht (mehr) gesehen und daher der politischen Entscheidung der maßgeblichen Gremien (Schulausschuss, Verwaltungsausschuss, Rat) überlassen werde. Wenn die maßgeblichen Gremien die Alternative einer Außenstelle mangels Akzeptanz bei dem Ortsrat in I. nicht weiter verfolgen, liegt das in dem weiten ihnen einzuräumenden planungsrechtlichen Gestaltungsermessen. Der knappe Ausgang der Abstimmung zeigt zudem, dass es für beide Alternativen tragfähige Überlegungen gab.
2. Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage erfordert nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens; denn sie würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen, wie sich aus den Ausführungen unter 1. ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG. Da aus den Anträgen der Kläger nicht die für sie jeweils bestehende Bedeutung der Sache ersichtlich ist (vgl. § 52 Abs. 1 GKG), bringt der Senat in Anlehnung an Nr. 38.1 des Streitwertkatalogs den Auffangstreitwert von 5.000,-- EUR in Ansatz (§ 52 Abs. 2 GKG). Dieser Auffangstreitwert ist bezogen auf die Kläger zu 1. bis 3. (subjektive Klagehäufung) in Anlehnung an Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit allerdings nur einmal anzusetzen; denn insoweit handelt es sich um einen wirtschaftlich einheitlichen Streitgegenstand (Senat, Beschl. v. 25.8.2014 - 2 MN 229/14 -).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).