Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.02.2001, Az.: 6 A 81/00
Haft; Haftanordnung; Haftbefehl; Suchbefehl; Syrien; Verfolgungsgefahr
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 22.02.2001
- Aktenzeichen
- 6 A 81/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39271
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine Gefahr einer erneuten Haft wegen desselben Tatvorwurfs nach erster Entlassung als unschuldig. Zum Verfahren bei der Zustellung eines Haftbefehls in Abwesenheit des Gesuchten.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. April 1998 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Zur Begründung dieses Begehrens trug er vor:
Er habe am 18. April 1998 Syrien mit seinem Bruder verlassen und sei illegal über die Grenze in die Türkei gewechselt. Mit einem Lkw seien sie nach Istanbul gebracht worden; von dort hätten sie weiter nach Dänemark zu einem Onkel reisen wollen. Sie wären auf diesem Weg mit mehreren Fahrzeugen befördert worden und seien schließlich in Berlin abgesetzt worden. In Syrien sei er 12 Jahre zur Schule gegangen und habe das Abitur gemacht. Eine Aufnahme an der Universität habe er 1997 nicht erreicht, weil ihre finanzielle Situation nicht sehr gut gewesen sei. Er habe zeitweise auf dem Bau gearbeitet. Außerdem habe er Probleme gehabt. In dem Zeitraum zwischen dem 05. und 08. Oktober 1997 sei in Akraba eine Bombe gezündet worden. Ihr Wohnort sei nur zehn Minuten davon entfernt gewesen. Sie hätten gehört, dass die Moslem-Brüder dafür verantwortlich gemacht worden seien. Der Präsident habe durch Akraba fahren sollen. Eine Woche oder zehn Tage später sei beim Abendessen an ihre Tür geklopft worden. Ihr kleiner Bruder habe geöffnet. Eine Person habe ihn und seinen Bruder Anas aufgefordert, mitzukommen. Als sie der Person gefolgt seien, habe er einen weißen Peugot-Kombi gesehen. zwei Männer hätten ihn und zwei andere seinen Bruder festgehalten und in das Auto gesetzt. Insgesamt seien es fünf Leute gewesen. Er habe auf dem Rücksitz gesessen. Wo sein Bruder gesessen habe, wisse er nicht. Man habe ihm auch die Augen verbunden. Dann habe er nichts mehr sehen können. Bei der Dienststelle habe man ihn in eine kleine Zelle ohne Licht gebracht. Er glaube, dass er drei Tage in der Zelle geblieben sei. An diesen Tagen habe man ihn verhört und wissen wollen, wo Personen wohnten, die zu den Moslem-Brüdern gehörten. Der Vernehmer habe ihm vier Namen vorgelegt und nach deren Wohnung gefragt. Auch habe er einen Zettel mit einer Art Aussage unterschreiben sollen. Das habe er abgelehnt, weil er darauf hätte zugeben sollen, zu den Moslem-Brüdern zu gehören. Weil er nicht habe unterschreiben wollen, habe man ihn zweimal in das Gesicht geschlagen. Dann seien zwei Personen gerufen worden, zu denen der Vernehmer gesagt habe: "Zeigt ihm Gottes Gesicht!" Er sei in einem Raum gefoltert worden. Man habe ihm auf die Fußsohlen geschlagen und in das Gesicht sowie an den Körper getreten. Als er sich weiter geweigert habe zu unterschreiben, habe man ihm mit einer Art Kalaschnikow auf den Mund geschlagen. Er habe drei Zähne verloren und sei genäht worden. Man habe einen Arzt geholt, der bei der Geheimstelle gewesen sei. Er sei wieder in die Einzelzelle gebracht worden und habe Schreie gehört. Er vermute, dass es Schreie seines Bruders gewesen seien. Danach seien ihm die Augen verbunden worden, und er sei in ein anderes Gefängnis gebracht worden, wo er vier Monate geblieben sei. Am 17. oder 18. Februar 1998 sei er entlassen worden. Man habe zu ihm gesagt: "Verzeihung, Entschuldigung, dass wir dich so lange eingesperrt haben. Die Person, die wir gesucht haben, sind sie nicht. Sie sind unschuldig." Er habe dann das Land verlassen, weil er von demjenigen, bei dem er nebenbei gearbeitet habe, keine andere Arbeit bekommen habe. Wenn er mit Freunden unterwegs gewesen sei, habe man seine Personalien festgestellt. Dadurch habe er viele Freunde verloren. Ein weiterer schwerwiegender Grund sei gewesen, dass er nicht an der Universität habe studieren dürfen. Als Grund sei ihm gesagt worden, dass er das wisse und sie dies ebenfalls wüssten. Auch einige Verwandte hätten nicht mehr mit ihm zu tun haben wollen. Weitere Gründe gebe es nicht. Wenn er nach Syrien zurückkehren müsste, würde ihm sehr viel passieren. Sie hätten Syrien ohne gültige Pässe verlassen. Außerdem hätten sie von Berlin aus mit ihren Freunden in Syrien telefoniert. Der Freund habe geraten, nicht wieder anzurufen. Er habe erzählt, dass die Sicherheitsbehörde zu ihrem Vater gegangen sei und nach ihnen gefragt habe. Ihr Vater habe gesagt, dass sie nicht mehr in Syrien seien. Deshalb würde die damalige Beschuldigung auf ihn zurückfallen.
Am 25. Februar 1999 gab der Bruder des Klägers bei der zuständigen Ausländerbehörde an, dass sie am 01. März 1998 mit dem Lkw nach Österreich gekommen und kurz danach von der Polizei kontrolliert worden seien. Nach der Festnahme hätten sie Asylanträge gestellt und angegeben, Palästinenser aus der Westbank zu sein. Am 31. März 1998 hätten sie Österreich verlassen und seien in die Türkei gereist. Von dort seien sie am 25. April 1998 nach Deutschland gekommen. Freiwillig werde er nicht nach Österreich zurückkehren.
Mit Bescheid vom 28. Juni 1996 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.
Gegen den am 01. Juli 1999 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 07. Juli 1999 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor:
Seit seiner Verhaftung hätten sich alle möglichen Arbeitgeber aus Angst vor Ärger mit der Polizei geweigert, ihn zu beschäftigen. Der Verdienst seines Vaters habe nicht ausgereicht, um die Familie zu ernähren. Er und sein Bruder hätten deshalb auf dem Markt oder bei Feiern ausgeholfen. Sonst hätten sie nicht überleben können. Seine Angaben seien nicht widersprüchlich gewesen. Bei der Aufregung über die Verhaftung habe er der Erinnerung daran, was sie an dem Abend gegessen hätten und wer genau als erster in das Auto gebracht worden sei, wenig Bedeutung beigemessen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG vorliegen, und den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Juni 1999 insoweit aufzuheben.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Der Asylantrag des Bruders des Klägers war ebenfalls mit Bescheid vom 28. Juni 1999 als unbegründet abgelehnt worden. Im Oktober 1999 hatte der Bruder versucht, illegal nach Belgien einzureisen und dort unter falschen Angaben sowohl hinsichtlich seiner Person als auch hinsichtlich der Gründe einen Asylantrag zu stellen. Im Verlauf der Rückführung nach Deutschland war der Bruder zunächst untergetaucht und nach seiner Ergreifung vom Amtsgericht Goslar mit Beschluss vom 07. Januar 2000 gegen ihn Untersuchungshaft wegen des Verdachts einer Beteiligung an einer mit dem Kläger begangenen strafbaren Handlung angeordnet worden. Durch Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 24. Januar 2001 wurde der Bruder schließlich wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aus der Untersuchungshaft heraus hatte der Bruder des Klägers im November 2000 einen Asylfolgeantrag gestellt, den er jedoch weder bei dem Bundesamt noch innerhalb der ihm gesetzten Fristen im gerichtlichen Verfahren (6 A 552/00) begründet hatte. Der Kläger wurde wegen seiner Tatbeteiligung vom Amtsgericht Goslar durch Urteil vom 19. Januar 2000 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
Auf die gerichtliche Verfügung nach § 87b VwGO hat der Kläger nach Ablauf der ihm gesetzten Frist zunächst ergänzend vorgetragen, dass er in einem Telefongespräch vom 23. Januar 2001 von seinem Vater erfahren habe, dass gegen ihn und seinen Bruder Haftbefehle ergangen seien, die man den Eltern zugestellt habe. Darin werde ihnen wohl wegen der Attentate gegen den früheren Präsidenten, die in der Nähe ihres Wohnorts in Syrien begangen worden seien, eine Mitgliedschaft in der Muslim-Bruderschaft vorgeworfen.
Der Kläger hat sodann ausgeführt, dass sein Vater von einem Sicherheitsbeamten aufgesucht worden sei, der angegeben habe, Haftbefehle zu haben, diese aber nicht herausgegeben, sondern ihn an die Sicherheitsbehörde verwiesen habe, um dort einen Antrag auf Überlassung der Haftbefehle zur Weiterleitung an seine Söhne zu stellen. Diesen Antrag habe der Vater bereits gestellt. Ob die Haftbefehle schon dem Vater zugegangen seien, wisse er nicht.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Asylvorbringen informatorisch angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben und der von ihm überreichten Unterlagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens. Der Kammer haben außerdem die Gerichtsakten 6 A 80/00 und 6 A 552/00 sowie die den Kläger betreffenden Ausländerakten des Landkreises Goslar vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.
Es besteht kein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft. Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).
Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89] m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38 [BVerwG 26.10.1989 - BVerwG 9 B 405.89]; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze rechtfertigen die Angaben des Klägers, soweit ihnen überhaupt gefolgt werden kann und sie nicht unglaubhaft sind, nicht den gestellten Antrag.
Sofern der Kläger und sein Bruder tatsächlich aus Anlass eines versuchten Attentats auf den damaligen syrischen Staatspräsidenten vorübergehend in Haft genommen und dabei - teilweise unter Misshandlungen - verhört worden sein sollten, rechtfertigt dieser Vorfall nicht die Annahme, dass der Kläger sein Heimatland wegen einer politischen Verfolgung oder einer ihm insoweit drohenden Gefahr verlassen hat. Der Kläger hat selbst angegeben, dass er unter Hinweis darauf, nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Sicherheitsbehörde nicht an dem fraglichen Anschlag beteiligt gewesen zu sein, als unschuldig aus der Haft entlassen worden sei. Schon aus diesem Grunde ist nach der Auskunftslage nicht damit zu rechnen, dass - zumal nach längerer Zeit - wegen desselben Tatvorwurfs erneut ein Ermittlungsverfahren gegen den Betreffenden eingeleitet wird. Hierauf hat bereits das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen. Außerdem fehlt es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesem Vorfall und der erst geraume Zeit später erfolgten Ausreise aus Syrien. Der Kläger hatte bei seiner Anhörung geschildert, dass er den Vorfall nicht zum Anlass genommen hatte, das Land zu verlassen, und sich dazu erst entschlossen habe, als er von seinem frühren Arbeitgeber keine andere Beschäftigung erhalten habe. Als weiteren Grund für die Ausreise hatte er angegeben, häufig kontrolliert und beobachtet worden zu sein. Hierbei handelt es sich jedoch um nicht asylerhebliche Vorgänge, die die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes nicht rechtfertigen. Die Behauptung des Klägers, wegen der unschuldig erlittenen Untersuchungshaft nicht an der Hochschule aufgenommen zu sein und auch sonst keine Arbeitsstelle erhalten zu haben, hält das Gericht zudem für unglaubhaft. In dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Goslar hatte der Kläger angegeben, in Syrien für die Dauer von zwei Monaten an der Universität studiert zu haben. Nach der Auskunftslage ist außerdem nicht wahrscheinlich, dass der Kläger, zumal er als unschuldig aus dem Ermittlungsverfahren entlassen worden sein will, landesweit jedenfalls in der Privatwirtschaft keine Beschäftigung hätte erhalten können.
Die im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Behauptung, kürzlich mit einem Haftbefehl wegen eines Vorfalls überzogen worden zu sein, der bereits mehr als drei Jahre zurückliegt und auf den die Sicherheitsbehörden bereits in Bezug auf den Kläger eine Beteiligung verneint hatten, ist ebenfalls unglaubhaft. Ungeachtet des Umstandes, dass dieses Vorbringen - obwohl dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag bereits zwei Wochen zuvor bekannt - nach Ablauf der vom Gericht nach § 87b VwGO gesetzten Ausschlussfrist geltend gemacht wurde, entsprechen die diesbezüglichen Angaben nicht der Auskunftslage hinsichtlich des Erlasses und der Zustellung von Haftbefehlen gegenüber abwesenden Personen. Auffällig ist insoweit auch, dass der Kläger die ursprüngliche Behauptung, die Haftbefehle seien seinem Vater zugestellt worden, später dahin abgeändert hat, ein Sicherheitsbeamter habe den Vater hinsichtlich der Überlassung von Haftbefehlen an die Sicherheitsbehörde verwiesen, bei der der Vater inzwischen einen Antrag auf Überlassung der Haftbefehle gestellt habe. Auch dies deutet auf ein unglaubhaftes Vorbringen hin. Ein gegenüber einem Abwesenden ergangener Haftbefehl wird in Anwesenheit des Bürgermeisters und einer weiteren Person bzw. zweier anderer Zeugen nach Maßgabe der syrischen Strafprozessordnung am letzten Wohnsitz des Betreffenden niedergelegt. Die vom Kläger geschilderte Vorgehensweise bei der Zuleitung der vorgeblichen Haftbefehle ist danach ebenso wenig wahrscheinlich wie der Umstand, dass nach einer derart langen Auslandsabwesenheit überhaupt ein solcher Haftbefehl ergehen würde (Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 02.10.2000 an das VG Ansbach).
Soweit der Kläger mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftstück geltend macht, es handele sich um eine Suchanordnung der Sicherheitsbehörde und nicht um einen gerichtlichen Haftbefehl, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Das Gericht hält das als Kopie vorgelegte Schriftstück für eine Fälschung. Dies ist schon daran zu erkennen, dass der Stempelabdruck offensichtlich nachgemacht ist und dem verwendeten Formular das üblicherweise darauf angebrachte Hoheitszeichen fehlt. Dem Schriftstück fehlt außerdem eine präzise Angabe des Behördensitzes; als Ausstellungsort ist lediglich aus dem Stempelaufdruck "Damaskus" ersichtlich. Auch die sonstigen Umstände lassen auf eine Fälschung schließen. Der "Suchbefehl" soll von Oktober 1998 stammen. Obwohl der Kläger seit seiner Ankunft in Deutschland etwa alle drei Wochen mit den Eltern telefoniert haben will, will er erst jetzt von diesem Schriftstück erfahren haben, das zudem dem Vater entgegen den bisherigen Angaben zu dem im Januar 2001 geführten Telefonat bereits seit Ende 1998 vorliegen soll. Der Grund für die späte Übersendung des Schriftstücks nach Deutschland, der Vater habe bisher Angst gehabt, es zu schicken, überzeugt nicht. Im Übrigen weist das Gericht die Urkunde als verspätet i.S.d. § 87b VwGO zurück. In Anbetracht der regelmäßigen Postlaufzeiten (mit Luftpost von Syrien nach Deutschland längstens fünf Tage) hätte der Kläger das Schriftstück nach dem Telefonat von Mitte Januar 2001 innerhalb der ihm gesetzten Frist vorlegen können und müssen.
Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG nicht ersichtlich. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9/95]). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würde.
Der Kläger hat sein Heimatland offenbar aus asylfremden Gründen verlassen. Hierauf deutet auch sein strafbares Verhalten in Deutschland. Die dabei entwickelte erhebliche kriminelle Energie in einem Land, in dem der Kläger vorgeblich Schutz vor einer politischen Verfolgung erhalten möchte, macht deutlich, dass sein Verhalten in Deutschland nicht von einer Furcht vor der Rückführung in sein Heimatland und einer ihm dort drohenden Verfolgungsgefahr geprägt war. Andernfalls wäre er dieses Risiko nicht eingegangen.
Da das Bundesamt den Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigten anerkannt hat und er keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, hatte die Behörde ihn gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1
AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.