Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 14.02.2001, Az.: 6 B 25/01

Aussetzungsantrag; Gebühren; Haftpflichtversicherung; Pkw; Stilllegung; Streitwert; Zwangsstilllegung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.02.2001
Aktenzeichen
6 B 25/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 39551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Erfordernis eines Aussetzungsantrags gegen eine Geführenforderung bei der Behörde, bevor ein gerichtlicher Eilantrag gestellt wird.

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.025,-- DM festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Halter des Personenkraftwagens der Marke Nissan mit dem amtlichen Kennzeichen ....

2

Am 17.01.2001 erhielt die Antragsgegnerin von der Haftpflichtversicherung für den genannten Pkw eine Mitteilung nach § 29c Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO), dass seit dem 01.01.2001 ein Versicherungsverhältnis für das genannten Fahrzeug nicht mehr bestehe.

3

Daraufhin gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 19.01.2001 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, innerhalb einer Frist von drei Werktagen nach Bekanntgabe der Verfügung zur Vermeidung einer zwangsweisen Außerbetriebsetzung des PKW den Fahrzeugschein einzureichen und die Kennzeichenschilder zur Entstempelung vorzulegen. Dafür setzte sie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 51,-- DM einschließlich Auslagen fest.

4

Gegen den ihm am 20.01.2001 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller am 25.01.2001 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides begehrt und auf eine "beigeheftete Deckungszusage" verweist.

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Eingehend am 06. Februar 2001 hat der Antragsteller ferner Antrag auf "Eilentscheidung" gestellt und diesen damit begründet, die Antragsgegnerin habe trotz des anhängigen Klageverfahrens und der Vorlage des Versicherungsscheines sein Fahrzeug stillgelegt. Er sei als außergewöhnlich Gehbehinderter für Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche auf sein "Autochen" angewiesen und habe am 07.02.2001 gegen den angefochtenen Bescheid Widerspruch eingelegt.

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Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.01.2001 wiederherzustellen bzw. - hinsichtlich der festgesetzten Kosten - anzuordnen.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (6 A 13/01 und 6 B 25/01) sowie auf den vorgelegten Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

11

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Soweit er sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung wendet, die sich lediglich auf die dem Antragsteller aufgegeben Vorlage des Fahrzeugscheins und des amtlichen Kennzeichens erstreckt, ist er nicht begründet. Im Übrigen, hinsichtlich der Verpflichtung, die festgesetzten Kosten zu begleichen, ist er bereits unzulässig.

12

Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

13

Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sofern nicht die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Eine derartige Vollziehungsanordnung setzt zu ihrer Rechtswirksamkeit voraus, dass ohne sie das öffentliche Interesse in schwerwiegender Weise beeinträchtigt würde, so dass demgegenüber die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen zurücktreten. Dies ist hier der Fall.

14

Die Verfügung vom 19.01.2001 findet ihre Rechtsgrundlage in § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO. Danach muss die Zulassungsstelle, wenn sie durch eine Anzeige im Sinne des § 29 c StVZO oder auf andere Weise erfahren hat, dass für ein Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht, unverzüglich den Fahrzeugschein einziehen und das amtliche Kennzeichen entstempeln. Diesem Gebot zum Tätigwerden gegenüber dem beim Führen seines Kraftfahrzeuges nicht mehr haftpflichtversicherten Fahrzeughalter entspricht dessen Verpflichtung nach § 29 d Abs. 1 StVZO, den Fahrzeugschein sowie das amtliche Kennzeichen seines Kraftfahrzeuges unverzüglich der Zulassungsstelle zum Zwecke der Einziehung bzw. Entstempelung vorzulegen.

15

An diese gesetzlichen Bestimmungen hat die Antragsgegnerin sich ersichtlich gehalten. Sie hat auf die ihr zugegangene Mitteilung der (letzten) Haftpflichtversicherung des Antragstellers, dass ab 01.01.2001 der gesetzlich zwingend vorgeschriebene Versicherungsschutz für das genannte Kraftfahrzeug nicht mehr besteht, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen pflichtgemäß eingeleitet.

16

Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, sein Fahrzeug sei auch gegenwärtig (noch) haftpflichtversichert, lässt sich dies nicht nachvollziehen. Der Antragsteller hat es unterlassen, seinen Vortrag zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Aus dem von ihm eingereichten Anschreiben für einen Versicherungsnachweis (sog. Doppelkarte) ergibt sich eine Bestätigung seines Vorbringens nicht. Dieses Anschreiben enthält weder Angaben über das versicherte Fahrzeug noch über den Beginn des Versicherungsschutzes. Es belegt noch nicht einmal, dass der Antragsteller einen entsprechenden Versicherungsnachweis je bei der Antragsgegnerin eingereicht hat. Dass er dieses in jüngster Zeit, nach Erlass der streitigen Verfügung, getan haben könnte, kann ausgeschlossen werden. Auf entsprechende telefonische Anfragen hat die zuständige Mitarbeiterin der Antragsgegnerin Solches verneint und die im Anschreiben genannte (mit der letzten Haftpflichtversicherung nicht identische) Versicherung hat auf die Frage zu der im Anschreiben genannten Versicherungsnummer angegeben, die entsprechende Doppelkarte sei bereits 1998 ausgegeben worden und könne schon deshalb seit längerem nicht mehr verwendet werde, da die entsprechenden Formulare geändert worden seien.

17

Vor dem Hintergrund der offenkundigen Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin hat das geltend gemachte private Interesse des Antragstellers fraglos zurückzutreten. Es kann nicht hingenommen werden, dass die gesetzlich gebotenen Maßnahmen, die erforderlich sind, den weiteren Gebrauch des nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges zu unterbinden, durch die Einlegung eines aussichtslosen Rechtsbehelfs aufgeschoben werden. Die Tatsache, dass der Antragsteller vielleicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, kann ihn nicht davon entbinden, ggf. die dafür erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen und sich an die zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer erlassenen gesetzlichen Bestimmungen zu halten.

18

Soweit der Antragsteller sich auch gegen die Kostenfestsetzung wendet, ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits nicht zulässig. Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sich - wie hier - gegen den grundsätzlich bestehenden Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wendet, muss zunächst ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde gestellt und von dieser abgelehnt worden sein (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der Antragsteller hat bislang bei der Antragsgegnerin lediglich Widerspruch erhoben, nicht aber den besonderen Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gestellt. Selbst wenn ein solcher Antrag in den (erst nach Anhängigkeit dieses Rechtsschutzantrages nach § 80 Abs. 5 VwGO ) mit Schreiben vom 07.02.2000 eingelegten Widerspruch hineingedeutet werden könnte, was hier nicht entschieden zu werden braucht, hätte der Antragsteller die diesbezügliche Entscheidung der Antragsgegnerin abwarten müssen.

19

Aber auch wenn der Antrag zulässig wäre, könnte ihm nicht stattgegeben werden, da Gründe, die gegen die streitige Kostenerhebung sprechen könnten, weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind.

20

Rechtliche Grundlage für die vom Antragsteller angefochtene Kostenfestsetzung in dem Bescheid vom 19.01.2001 der Antragsgegnerin ist § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) in der hier anzuwendenden Fassung vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1090) i.V.m. Nr. 254 der Anlage zu § 1 GebOSt. Diese Gebührenordnung hat in § 6a StVG ihre gesetzliche Grundlage. Soweit die Gebührenordnung keine abweichenden Regelungen enthält, ist außerdem gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG i.V.m. § 6 GebOSt das Verwaltungskostengesetz (VwKG) i.d.F. der Gesetzesänderung vom 05. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) ergänzend anzuwenden.

21

Nach Nr. 254 GebOSt ist für "Sonstige Anordnungen" nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, mithin auch für die vorliegende Anordnung zur Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs, ein Gebührenrahmen von 28,-- DM bis 560,-- DM vorzusehen, innerhalb dessen Grenzen die im Einzelfall angemessene Gebühr nach den in § 9 VwKG aufgestellten Kriterien des Verwaltungsaufwands für die einzelne Amtshandlung und des Wertes des Gegenstands der Amtshandlung zu bestimmen ist. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer Entscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es allerdings nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung, deren Aufwand regelmäßig außer Verhältnis zu der hier in Betracht zu ziehenden Gebühr stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwands und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung nicht grob übersetzt ist (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urt. vom 11.04.1981 - 9 OVG A 12/80 - m.w.N.; VG Braunschweig, Urt. vom 23.08.1999 - 6 A 6390/98 -, Gerichtsbescheid vom 29.07.1997 - 6 A 61117/96 -).

22

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, nach welchen Kriterien die festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von jeweils 40,-- DM für den Bescheid vom 19.01.2001 bemessen ist. Denn die Behörde ist mit diesem Betrag nahezu an der untersten Grenze des Gebührenrahmens geblieben, der sich von 28,-- DM bis 560,-- DM erstreckt. Die außerdem für die Zustellung der Verfügungen angefallenen Postzustellungsgebühren in Höhe von je 11,-- DM konnten von dem Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt in Ansatz gebracht werden.

23

Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Soweit sich der Antrag gegen die Stilllegung eines Kraftfahrzeugs richtet, hat sich das Gericht am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff.), in dem unter Ziff. 45.8 für die Stilllegung eines Kraftfahrzeugs der halbe Auffangwert (mithin 4000,-- DM) zugrunde gelegt wird, orientiert. Da sich der Antrag auch gegen die Kostenfestsetzung richtet, ergibt sich das (Hauptsache-) Interesse des Antragstellers ohne Weiteres aus dem Betrag der festgesetzten Kosten (51,-- DM). Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat das Gericht hiervon jeweils die (abgerundete) Hälfte (2000,-- und 25,-- DM) festgesetzt.