Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.12.2001, Az.: 6 C 215/01
Anteilsquote; Lehrauftragsstunde; Numerus clausus; Psychologie; Studium; Zulassung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 19.12.2001
- Aktenzeichen
- 6 C 215/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39567
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten ihres jeweiligen Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Verfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2001/02. Die Anträge sind auf eine Zulassung zum 1. Fachsemester gerichtet. Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin schöpfe ihre Aufnahmekapazität nicht aus und sei in der Lage, über die durch Verordnung festgesetzten Zulassungszahlen hinaus weitere Studienbewerber aufzunehmen. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründungen verwiesen.
Die Zahl der im Studiengang Psychologie (Diplom) zu vergebenden Studienplätze ist gemäß § 1 i.V.m. Anlage 1 Abschn. I A der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2001/02 und zum Sommersemester 2002 - ZZ-VO - vom 05. Juli 2001 (Nds. GVBl. 2001, 405) auf 53 festgesetzt worden. Infolge der Einführung des Studienjahrbetriebes werden nur noch jeweils zum Wintersemester Studienanfänger an der Hochschule in diesem Studiengang aufgenommen.
Die Antragsgegnerin tritt den Anträgen entgegen. Sie hält an der von ihr ermittelten Höchstzahl von 53 verteilten Studienplätzen für Studienanfänger im Wintersemester fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der Berechnungen der Antragsgegnerin, wird auf die Generalakte "Psychologie/WS 2001/02" Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung als auch der Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte haben die Anträge keinen Erfolg.
Maßstab für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl ist die Verordnung über die Grundsätze für eine einheitliche Kapazitätsermittlung und -festsetzung zur Vergabe von Studienplätzen, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. Februar 2000 (Nds. GVBl. 2000, 18) - KapVO -. Die Berechnung aufgrund der KapVO, die bis zu vier Stellen hinter dem Komma und zunächst ohne Rundung durchgeführt wird, ergibt für den von den Antragstellern gewählten Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2001/02 eine Aufnahmekapazität von 53 Studienplätzen für Studienanfänger.
In die Berechnung gehen gem. § 8 Abs. 1 und 3 KapVO alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals ein, die der Lehreinheit Psychologie zugeordnet sind. Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die am Berechnungsstichtag heranzuziehenden Ansätze des Stellenplans der Antragsgegnerin für das Jahr 2001.
Danach stehen der Antragsgegnerin für den Studiengang Psychologie insgesamt 14 Stellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:
6 C 3/4 Stellen | (Professor) |
2 C 1-Stellen | (Wiss. Assistent) |
1 A 15 Stelle | (Akad. Direktor) |
5 BAT II a-Stellen | (Wiss. Mitarbeiter befr.) |
Grundlage der für die einzelnen Stellengruppen unterschiedlich bemessenen Regellehrverpflichtungen ist die Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 11. Februar 2000 - LVVO - (Nds. GVBl. 2000, 18). Gegen die Höhe der darin festgesetzten Regellehrverpflichtungen sind - soweit diese hier maßgeblich sind - verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.
Die Summe der Lehrveranstaltungsstunden beträgt hiernach 84,0 LVS. Zu den Lehrdeputaten der Stelleninhaber von insgesamt 84,0 LVS kommen Lehrauftragsstunden (§ 10 KapVO) im Umfang von 11,0 LVS hinzu, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in dem hier maßgeblichen Bemessungszeitraum durchschnittlich je Semester zur Verfügung gestanden haben.
Weitere Lehrauftragsstunden sind nicht in die Berechnung einzubeziehen. Soweit der Privatdozent Dr. Grewe im SS 2000 im Umfang von 4,0 LVS und im WS 2000/01 2,0 LVS Lehraufträge wahrgenommen hat, erfolgte die Vergütung dieser Lehraufträge aus Haushaltsmitteln für unbesetzte Stellen, so dass die Anzahl dieser Lehrauftragsstunden nicht kapazitätsrelevant wird (§ 10 Abs. 2 KapVO). Der nach § 10 Abs. 2 KapVO erforderliche finanzielle Zusammenhang zwischen einer Stellenvakanz innerhalb dieser Lehreinheit und den erteilten Lehrauftragsstunden ist nicht zweifelhaft (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. vom 22.09.1999, 10 N 4290/00). Einen solchen Zusammenhang zwischen der in der Lehreinheit Psychologie zu verzeichnenden Vakanz einer C-4-Stelle (Prof. Dr. Micko) und den an Dr. Grewe erteilten Lehraufträgen hat die Antragsgegnerin dargelegt.
Von dem Lehrangebot sind schließlich wegen des Dienstleistungsbedarfs des Studiengangs Medienwissenschaften (Magister) 1,7230 LVS abzuziehen. An der Ausbildung in dem an der Hochschule für Bildende Künste geführten Studiengang, der auf eine Kooperationsvereinbarung der beiden Hochschulen vom 18. Februar 1997 zurückzuführen ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 NHG), ist die Lehreinheit Psychologie in den Pflichtfachbereichen Wahrnehmungslehre und Medienpsychologie (Grundstudium) beteiligt. Der darauf entfallende Curricularnormwertanteil beläuft sich auf 0,1723 und ergibt unter Berücksichtigung der Zulassungszahl für diesen Studiengang (20) einen Dienstleistungsbedarf von 1,7230 LVS je Semester (0,1723 x 20 : 2 = 1,7230). Zwar hat die Antragsgegnerin bei ihren Berechnungen die Zulassungszahl des Studiengangs Medienwissenschaften (Magister) nicht um einen etwaigen Schwundausgleich bereinigt (vgl. hierzu: Nds. OVG Lüneburg, Beschl. vom 12.11.1991, 10 N 5209/91 u.a. mit weiteren Nachweisen); dies mag jedoch auf sich beruhen, weil selbst ein (nicht realistischer) Schwund von 15 v.H. nicht zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der festgesetzten Zulassungszahl im Studiengang Psychologie führen würde. Allerdings wird die Hochschule künftig die Zulassungszahl des Studiengangs Medienwissenschaften, der erst neu eingeführt worden ist, auf der Grundlage der bisher vorliegenden Daten um die hierauf entfallende Schwundquote zu bereinigen haben.
Danach ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von insgesamt 93,2770 LVS.
Aus der Gegenüberstellung von bereinigtem Lehrangebot und bereinigter Lehrnachfrage des Studienganges nach Lehrveranstaltungsstunden wird die personalbezogene Ausbildungskapazität abgeleitet. Die Lehrnachfrage, die dem Betreuungsaufwand aller an der Ausbildung eines Studenten beteiligten Lehreinheiten während des gesamten Studiums entspricht, wird mit dem in der Kapazitätsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (CNW) zum Ausdruck gebracht. Dieser CNW beläuft sich für den Studiengang Psychologie (Diplom) auf insgesamt 4,0 (§ 13 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2 Abschn. A I KapVO). Den auf die Ausbildung in der Lehreinheit Psychologie (Diplom) entfallenden CNW-Eigenanteil hat die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Anteile, die auf die ebenfalls am Lehrangebot für den Studiengang Psychologie beteiligten Lehreinheiten Biowissenschaften (0,1999), Pädagogik (0,1333) und Mathematik (0,2666) entfallen, zutreffend mit 3,4002 ermittelt (vgl. hierzu: VG Braunschweig, Beschl. vom 03.05.1991 - 6 C 6055/91 u.a.-; OVG Lüneburg, Beschl. vom 24.09.1991 - 10 N 5449/91 -; Beschl. vom 22.12.1993 - 10 N 5838/93 u.a. -).
Sind - wie es hier ab dem Wintersemester 1996 der Fall ist - einer Lehreinheit mehrere Studiengänge zugeordnet, so sind für jeden Studiengang Anteilsquoten zu bilden, die in ihrer Summe die jährliche Gesamt-Aufnahmekapazität der Lehreinheit wiedergeben (§ 12 Abs. 1 KapVO). Die Anteilsquoten werden aus dem Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität der einzelnen Studiengänge zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller Studiengänge dieser Lehreinheit gebildet. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar dargelegt, nach welchen Gesichtspunkten sie die Anteilsquoten gebildet hat. Durch Multiplikation der Anteilsquoten mit den Curricularanteilwerten der der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge wird ein gewichteter Curricularanteil ermittelt (Formel 4 der Anlage 1 § 6 KapVO), der sich insgesamt auf 3,4246 beläuft und dem bereinigten Lehrangebot gegenüberzustellen ist:
Studiengang | CAp | zp | CAp x zp |
Psychologie (Diplom) | 3,4002 | 0,9266 | 3,1506 |
Psychologie (Magister) | 3,7334 | 0,0734 | 0,2740 |
3,4246 |
Dieser Rechengang führt bei Anwendung der Formel 5 zu einer jährlichen Aufnahmekapazität (Ap) von 50,4761 Plätzen für Studienanfänger im Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2001/02:
Ap = 2 x 93,2770: 3,4246
Ap = 54,4746 x 0,9266
Ap = 50,4761
Dieses Ergebnis ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der Abgänge von Studenten in höheren Fachsemestern wegen des Studienabbruches, des Fach- oder eines Hochschulwechsels in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Für ein derartiges Schwundverhalten ist nach den Berechnungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Studiendauer von neun Semestern im Studiengang Psychologie (Diplom) ein Wert von 1,0561 anzusetzen. Gegen die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. vom 13.07.1995 - 10 N 3455/95 - u.a.).
Soweit einzelne Antragsteller hinsichtlich der Schwundberechnung beanstanden, dass dort in zwei Fällen Übergangskoeffizienten von höher als 1,0 einbezogen worden sind, hält das Gericht diesen Einwand für nicht begründet. Ein Anspruch darauf, dass eine im Verhältnis zur Kohorte oder Zulassungszahl eines Vorsemesters höhere Zahl von Studenten im Folgesemester nicht vollständig berücksichtigt wird, besteht nicht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 30.07.1996, Nds. Rpfl 1996, 297 m.w.N.). Ob diese Erhöhung seinen Grund in einer "Überbuchung" hatte und sich die Erwartung, die Zuweisung einer höheren Zahl von Studienplätzen an Studienbewerber werde sich um die voraussichtlichen Nichtannahmen von Studienplätzen ausgleichen, in Einzelfällen nicht erfüllt hatte, kann im Rahmen dieses Verfahrens nicht geklärt werden. Rechtliche Bedenken gegen eine solche Verfahrensweise bestünden ohnehin nicht.
Danach beträgt die jährliche Aufnahmekapazität an der Antragsgegnerin insgesamt 53,3078 (gerundet: 53) Studienplätze im Studiengang Psychologie (Diplom). Diese Studienplätze hat die Antragsgegnerin in das Vergabeverfahren für das 1. Fachsemester einbezogen.
Soweit einige Antragstellerin hilfsweise eine Zulassung innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl begehrten, ist das gegen die Antragsgegnerin gerichtete Begehren unzulässig, weil ein solcher Antrag grundsätzlich gegen die zur Verteilung dieser Plätze zuständige ZVS in Dortmund hätte gerichtet werden müssen. Darüber hinaus ist nicht zu erwarten, dass ein Teil dieser Plätze auch nach der Durchführung der Nachrückverfahren unbesetzt bleibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.