Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.12.2001, Az.: 6 A 335/00

Fahrlehrerprüfung; Gebührenbescheid; Gebührentatbestand; Prozesszinsen; Rechtswidrigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
21.12.2001
Aktenzeichen
6 A 335/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39281
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein zweiter Gebührenbescheid in derselben Angelegenheit ist rechtswidrig, wenn der erste Bescheid nicht vorher aufgehoben worden ist. Geltendmachen von Prozesszinsen.

Tenor:

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 15.02.1999 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 04.04.2000 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger 1.240,-- DM nebst Zinsen in Höhe von 4 v.H. seit dem 09.06.2000 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.240,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger verlangt die Rückzahlung von Gebühren für seine Prüfung zum Fahrlehrer.

2

Am 05.10.1998 begann der Kläger einen auf 5 Monate angelegten Fahrlehrerlehrgang. Im November 1998 wurde er zu den Fahrlehrerprüfungen der Klassen 1,2 und 3 zugelassen.

3

Mit Bescheid vom 07.12.1998 setzte der Beklagte daraufhin die Prüfungsgebühren für die Klasse 3, um die es in diesem Verfahren geht, auf 320,-- DM fest. Er wandte dabei die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26.06.1970 (BGBl. I. S. 865) an.

4

Am 01.01.1999 traten Änderungen der genannten Gebührenordnung in Kraft. Daraufhin erließ der Beklagte den nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Gebührenbescheid vom 15.02.1999, mit dem er für die Prüfungen zur Klasse "BE" Gebühren in Höhe von insgesamt 1560,-- DM festsetzte, ohne den vorangegangenen Gebührenbescheid zu erwähnen.

5

Der Kläger entrichtete diese Gebühren, um an der betreffenden Prüfung, deren erster Teil am 05.03.1999 stattfand, teilnehmen zu können. Den letzen Teil der Fahrlehrerprüfung III bestand er am 12.04.1999.

6

Mit Schreiben vom 07.12.2000 erhob der Kläger gegen den Gebührenbescheid vom 15.02.1999 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausführte:

7

Nach § 49 Abs. 6 Fahrlehrergesetz (FahrlG) würden für ihn die früheren Vorschriften zur Erteilung der Fahrlehrererlaubnis gelten. Dies betreffe auch die früheren Gebührensätze, weshalb er die Differenz zum dem weiterhin anzuwendenden Gebührsatz von 320,-- DM, mithin 1.240,-- DM, zurückfordere.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2000 wies der Vorsitzende der Beklagten den Widerspruch zurück: § 46 Abs. 6 FahrlG betreffe lediglich die Vorschriften über die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis, nicht aber über die Erhebung der Prüfungsgebühren. Diese seien durch § 34a FahrlG in Verbindung mit der Fassung der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26.08.1998 bestimmt.

9

Mit der am 09.06.2000 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

10

Der Kläger beantragt,

11

den Gebührenbescheid vom 15.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm 1240,-- DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 08.02.2000 zu erstatten.

12

Der Beklagte verteidigt seine Bescheide und beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des vorgelegten Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

15

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§101 Abs. 2 VwGO), ist überwiegend begründet.

17

Der angefochtene Gebührenbescheid vom 15.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist aufzuheben, da der mit dem angefochtenen Gebührenbescheid geltend gemachte Anspruch des Beklagten auf Entrichtung der geforderten Gebühren nicht besteht.

18

Dem Gebührenbescheid vom 15.02.1999 steht bereits entgegen, dass der Beklagte die Gebührenforderung für die in Rede stehende Fahrlehrerprüfung der Klasse III (alt) bereits mit dem Gebührenbescheid vom 07.12.1998 geregelt hat. Eine doppelte Erhebung von Gebühren sieht das Gesetz nicht vor. Entgegen der wahrscheinlichen Intention des Beklagten kann auch nicht angenommen werden, der zweite Gebührenbescheid ersetze ohne Weiteres den ersten Gebührenbescheid, der dieselbe Verwaltungshandlung betrifft. Dem ist nicht so. Die mit dem ersten Bescheid getroffene Regelung hätte aufgehoben (widerrufen) werden müssen, um Raum für eine andere Regelung desselben Sachverhalts zu schaffen. Weder dem angefochtenen Gebührenbescheid, dessen formularmäßige Ausgestaltung dem ersten Gebührenbescheid sehr ähnlich ist, noch dem Widerspruchsbescheid lässt sich indessen entnehmen, der vorangegangene Bescheid solle aufgehoben werden. Ohne jeglichen Anhaltspunkt im Wortlaut der genannten Bescheide können diese auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, wie er dem Beklagten wohl vorgeschwebt haben mag.

19

Unabhängig davon - rechtlich selbständig tragend - ist das Gericht im Übrigen der Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht von der Maßgeblichkeit der neuen Gebührentatbestände ausgegangen ist.

20

Durch Art. 5 der am 18.08.1998 erlassenen Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I S. 2214) ist die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) geändert worden, und diese Änderung ist gemäß Artikel 8 Abs. 1 der Verordnung vom 18.08.1998 am 01.01.1999 in Kraft getreten. Die damit bewirkten Neuregelungen der Gebührentatbestände u. a. für die Fahrlehrerprüfungen beanspruchen nach Auffassung des Gerichts keine Geltung für Prüfungen, die - wie hier - noch nach altem Prüfungsrecht durchgeführt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Gebührentatbestände, die allein auf die nach dem neuen Recht durchzuführenden Fahrlehrerprüfungen abstellen, wie sich bereits aus der Differenzierung anhand der neuen Fahrerlaubnisklassen ergibt. Dieses Ergebnis wird unterstrichen durch die amtliche Begründung der neuen, deutlich erhöhten Gebührensätze, die wesentlich auch auf die durch das Gesetz vom 24.04.1998 (BGBL. I S. 747) bestimmte Neugestaltung der Fahrlehrerprüfung abstellt (vgl. Bundesratsdrucksache 443/98, S. 37 ff der Empfehlungen und S. 35 ff des Beschlusses).

21

Diese vom neuen Gebührenrecht (allein) ins Auge gefasste neukonzipierte Fahrlehrerprüfung hat der Kläger indessen unstreitig nicht absolviert. Für die hier in Rede stehende "Fahrlehrerprüfung III" ist ihm die Übergangsregelung des § 49 Abs. 6 FahrlG zugute gekommen, wonach bei Bewerbern, die ihre (näher bestimmte) Ausbildung vor dem 1. Januar 1999 begonnen und vor dem 1. Januar 2001 abgeschlossen haben, sich die "Erteilung der Fahrlehrererlaubnis während dieser zwei Jahre noch nach den vor dem 1. Januar 1999 geltenden Vorschriften" richtet. Zu den in diesem Sinne fortgeltenden Vorschriften sind auch die vor dem 01.01.1999 geltenden Gebührenbestimmungen zu rechnen. Auch sie zählen zu den Vorschriften, die die "Erteilung der Fahrlehrererlaubnis" betreffen. Andernfalls hätte die Neufassung der Gebührentatbestände, die - wie ausgeführt - im Wesentlichen auch auf die Neukonzeption der Fahrlehrerprüfung abstellt, für die weniger aufwendigen Prüfungen nach dem früheren Fahrlehrerprüfungsrecht ebenfalls Übergangsregelungen vorgesehen, um die erforderliche Äquivalenz zwischen (dem gleichgebliebenen) Verwaltungsaufwand und der (nicht allein mit Preissteigerungen zu erklärenden wesentlich erhöhten) Gebühr zu wahren. 

22

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nur teilweise, nämlich ab Rechtshängigkeit der Klage begründet. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht - wie hier - keine gegenteilige Regelung trifft, wohingegen Verzugs- und andere materiellrechtliche Zinsen in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden (vgl. BVerwG, Urt. vom 22.02.2001 - 5 C 34/00 - NVwZ 2001, 1057 m.w.Nw.). Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger Verzinsung (erst) ab dem 09.06.2000 (Eingang der Klage) verlangen (entsprechend §§ 291, 288 Abs.1 BGB, § 88 VwGO) ; sein weitergehender Zinsanspruch ist unbegründet.

23

Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO stattzugeben, da der Unterliegensanteil des Klägers unerheblich ist.

24

Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus den §§ 13 Abs. 1 GKG.