Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.12.2001, Az.: 6 A 199/01

Anschrift; Beweisantrag; Fahrtenbuch; Nötigung; Straßenverkehrsgefährdung; Zeuge; Zeugenanschrift

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
20.12.2001
Aktenzeichen
6 A 199/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39565
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nach Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung. Unsubstantiiertes Bestreiten eines Verkehrsverstoßes. Unzureichender Beweisantrag bei falscher Zeugenanschrift.

2. Änderung eines im Anschluss an die Urteilsformel festgesetzten Streitwerts von Amts wegen. Festsetzung des nach § 15 GKG maßgeblichen Werts nach dem 01.01.2002 in Euro.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin war Halterin eines Fahrzeugs des Typs Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen ... sowie eines weiteren Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen .... Diese Fahrzeuge wurden inzwischen von ihr veräußert. Wegen eines zur Anzeige gebrachten Verkehrsverstoßes vom 24. Januar 2001 (13.25 Uhr) auf der Bundesautobahn A 7 in der Gemarkung Walsrode in Richtung Hannover (Walsroder Dreieck) wurde der Klägerin von dem Beklagten für die genannten Fahrzeuge oder Ersatzfahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuchs auferlegt.

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Am 24. Januar 2001 hatte die Zeugin A. B. aus Munster bei dem Polizeikommissariat Munster folgende Anzeige erstattet:

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Sie sei mit ihrem Pkw bei einer Geschwindigkeit von etwa 160 km/h auf dem Überholstreifen der in diesem Bereich zweispurig ausgebauten Autobahn in Richtung Süden gefahren. Wegen des starken Lkw-Verkehrs auf dem rechten Fahrstreifen und der zu geringen Lücken zwischen den Fahrzeugen habe sie bei der regennassen Fahrbahn nicht den Fahrstreifen wechseln können. Ab dem Walsroder Dreieck sei die Fahrbahn dreispurig ausgebaut. Dort sei sie dann auf den rechten Fahrstreifen gefahren. Zuvor habe sich etwa zehn Minuten lang ein Porsche hinter ihr befunden und ständig die Lichthupe und den Blinker betätigt. Dieses Fahrzeug sei sehr dicht aufgefahren, so dass sie das Kennzeichen nicht mehr habe sehen können. Als sie nach der Fahrbahnerweiterung auf die rechte Fahrspur gewechselt sei, sei der Porsche von der linken Fahrspur über die Mittelspur, auf der sich ein Kleinlastwagen befunden habe, ebenfalls auf die rechte Fahrspur gelenkt und unmittelbar vor ihr stark abgebremst worden. Ihre Geschwindigkeit habe zu dieser Zeit etwa 120 km/h betragen. Um einen Unfall zu vermeiden, habe sie blitzartig reagieren müssen und ihr Fahrzeug nach links an dem Kleinlastwagen vorbeigezogen. Hierdurch sei ein Unfall vermieden worden. Ein Bremsmanöver wäre für sie sehr gefährlich geworden. Der Porsche habe keinen Grund gehabt, vor ihr zu bremsen. Anschließend habe der Porsche die Geschwindigkeit wieder erheblich erhöht und sei davongefahren. Das Kraftfahrzeugkennzeichen habe sie sich gemerkt. Den Fahrer habe sie nicht erkannt. Sie könne auch nicht sagen, wie viele Personen im Porsche gesessen hätten.

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Nachdem das Polizeikommissariat Munster über den Landkreis Gifhorn eine Halterfeststellung durchgeführt hatte, veranlasste die Polizeidienststelle über die Polizeiinspektion Gifhorn am 18. Februar 2001 eine Vorladung zur Vernehmung der Klägerin als Beschuldigte zu dem Verdacht einer Nötigung und Straßenverkehrsgefährdung. Hierauf meldete sich mit Schriftsatz vom 13. Februar 2001 die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und ersuchte vor der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu dem Vorwurf um Akteneinsicht. Eine Äußerung zu dem Tatvorwurf wurde von der Klägerin jedoch weder bis zu dem von ihr genannten Datum noch zu einem späteren Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren abgegeben. Die Staatsanwaltschaft Verden stellte daraufhin am 6. April 2001 das Verfahren ein und leitete den Vorgang der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zur Prüfung zu, ob eine Maßnahme nach § 31a StVZO zu veranlassen sei.

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Mit Verfügung vom 1. Juni 2001 gab der Beklagte der Klägerin auf, für die Fahrzeuge ... und ... oder für entsprechende Ersatzfahrzeuge für die Dauer von 12 Monaten ab Bestandskraft der Verfügung ein Fahrtenbuch zu führen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 27. Juni 2001 wies die Bezirksregierung Braunschweig durch Widerspruchsbescheid vom 1. August 2001 - zugestellt am 14. August 2001 - als unbegründet zurück. Zur Begründung ihres Rechtsbehelfs hatte die Klägerin geltend gemacht, dass sie die in der angefochtenen Verfügung bezeichneten Fahrzeuge inzwischen veräußert habe, so dass schon aus diesem Grunde eine Fahrtenbuchanordnung ausscheide. Lediglich hilfsweise werde eingewandt, dass sich der Vorfall vom 24. Januar 2001 so nicht zugetragen habe. Die Angaben der Anzeigeerstatterin seien unschlüssig. Es sei nicht glaubhaft, dass sie bei regennasser Fahrbahn und stark befahrener Autobahn 160 km/h gefahren sei und dann die Geschwindigkeit auf 120 km/h reduziert habe, als die Autobahn dreispurig geworden und nicht mehr so stark befahren gewesen sei. Außerdem könne es sein, dass der Fahrer des Porsche ebenfalls lediglich auf die rechte Fahrbahn gewechselt sei und die Geschwindigkeit reduziert habe. Dass ein Ausbremsen der Zeugin erfolgt sei, wäre zu bestreiten. Schließlich werde auch bestritten, dass es sich um ihren Porsche gehandelt habe. Das Kennzeichen des Pkw sei zunächst fehlerhaft bezeichnet worden. Möglicherweise seien auch Farbe und Fahrzeugtyp falsch angegeben worden.

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Am 14. September 2001 hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg beschritten.

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Zur Begründung der Klage trägt sie vor:

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Sie habe den Porsche am 24. Januar 2001 nicht selbst gefahren, sondern ihrem Geschäftsfreund H.-G. E. aus Laatzen überlassen, den sie als besonnenen Autofahrer kenne. Dieser habe zu dem fraglichen Zeitpunkt den Pkw gefahren und sei in Begleitung eines weiteren Zeugen namens M.D. aus Hannover gewesen. Auf der Bundesautobahn A 7 habe im Bereich des Walsroder Dreiecks reger Verkehr geherrscht. Wegen des Regens habe auch der Zeuge E. nicht schneller als 160 km/h fahren wollen. Entgegen der Behauptung der Zeugin habe er weder die Lichthupe noch den Blinker betätigt. Richtig sei, dass der Zeuge E., als die Autobahn dreispurig geworden sei und der Verkehr sich "verflüchtigt" habe, ebenfalls auf die Mittelspur und schließlich auf die rechte Fahrspur gewechselt sei. Dabei habe er das Fahrzeug aber weder direkt vor die Anzeigeerstatterin gesetzt noch stark abgebremst, um sie zu der von ihr beschriebenen Reaktion zu veranlassen. Der Zeuge, der als besonnener Fahrer mit einem fremden Auto nicht derart riskante Fahrmanöver durchführe, könne es definitiv ausschließen, dass sich der Vorfall ereignet habe, wie er in der Anzeige aufgenommen worden sei. Dies könne auch der Zeuge D. als Beifahrer bestätigen. Sie habe sich erst im Nachhinein daran erinnern können, wer an diesem Tage den Pkw gefahren habe. Dies könne ihr nicht zum Nachteil gereichen; die Angaben seien nicht verspätet erfolgt.

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Die Klägerin beantragt,

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die Anordnung des Beklagten zum Führen eines Fahrtenbuchs vom 1. Juni 2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 1. August 2001 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er entgegnet:

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Die von der Klägerin im Klageverfahren vorgetragenen Gründe hätten schon im Strafverfahren vorgebracht werden können. Dies sei offensichtlich unterblieben, um eine Verfahrenseinstellung zu erreichen.

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Mit Beschluss vom 14. November 2001 hat das Gericht eine Beweiserhebung angeordnet durch Vernehmung der Frau A.B. und der Herren H.-G. E. sowie M.D. als Zeugen. Den Beteiligten ist außerdem nach § 87b VwGO aufgegeben worden, bis zum 30. November 2001 abschließend zum Klageverfahren vorzutragen und alle hierfür bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Innerhalb der gesetzten Frist hat der Beklagte mitgeteilt, dass inzwischen wegen eines weiteren Vorfalls gegen die Klägerin unter dem 22. November 2001 das Führen eines Fahrtenbuchs verfügt worden sei. Aus der hierzu vorliegenden Akte der Staatsanwaltschaft Verden gehe hervor, dass die Polizeidienststellen in Gifhorn und Fallingbostel schon des Öfteren gegen die Klägerin wegen der Straftatbestände eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und einer Straßenverkehrsgefährdung hätten ermitteln müssen, die Klägerin aber jeweils keine Äußerungen abgegeben habe.

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Nachdem die Ladungen für die von der Klägerin benannten Zeugen E. und D. als unzustellbar zurückgekommen waren, weil die von der Klägerin angegebene Adresse des Zeugen E. in Laatzen unbekannt ist und der Zeuge D. unter der für ihn angegebenen Anschrift, bei der es sich um ein Geschäftslokal (Bar) handelt, zu den Zustellzeiten nicht erreicht werden konnte, wurde die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 26. November 2001 telefonisch sowie mit gerichtlicher Verfügung vom 4. Dezember 2001 noch einmal schriftlich (per Fax) aufgefordert, bis zum 10. Dezember 2001 die ladungsfähigen (Privat-)Anschriften der Zeugen E. und D. mitzuteilen. Die Verfügung nach § 87b VwGO vom 20. November 2001 wurde insoweit abgeändert. Am 13. Dezember 2001 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sich der Zeuge D. nach ihrer Kenntnis jedenfalls bis Ende des Jahres im Ausland aufhalte und ihr für den Zeugen E. eine andere Anschrift nicht bekannt sei. Einen aus diesen Gründen gestellten Antrag auf Aufhebung des Verhandlungstermins hat das Gericht mit Verfügung vom 13. Dezember 2001, auf die wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird, abgelehnt.

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Ein unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2001 gestellter erneuter Vertagungsantrag, auf den wegen der Ausführungen verwiesen wird, ist vom Gericht in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden. Das Gericht hat außerdem die vorsorglich getroffene Anordnung über das persönliche Erscheinen der Klägerin und den Beweisbeschluss vom 14. November 2001 hinsichtlich der Zeugen E. und D. aufgehoben.

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In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Zeugin B. zu den von ihr zur Anzeige gebrachten Verkehrsabläufen vom 24. Januar 2001 auf der Bundesautobahn A 7 vernommen; hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Dem Gericht haben außerdem die Strafakten 342 Js 10468/01 der Staatsanwaltschaft Verden vorgelegen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Rechtsgrundlage für die für die Klägerin als Fahrzeughalterin angeordnete Maßnahme des Beklagten ist § 31a Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuchs auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist hier der Fall.

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Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in dem genannten Sinne ist darin zu sehen, dass am 24. Januar 2001 mit dem seinerzeit auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeug des Typs Porsche (amtliches Kennzeichen ...) die Zeugin B. durch dichtes Auffahren, Setzen des linken Blinkers und mehrmaliges Betätigen der Lichthupe bedrängt und nach dem Überholvorgang mit einem grundlosem starken Abbremsen des dicht vor ihr eingescherten Fahrzeugs gefährdet worden ist. Ein solches Verhalten erfüllt die Tatbestände einer Nötigung (§ 240 StGB) und einer Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB), so dass zu Recht ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war.

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Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass sich der von der Zeugin B. zur Anzeige gebrachte Verkehrsverstoß in der von ihr geschilderten Weise zugetragen hat. Bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung hat die Zeugin die wesentlichen Abläufe des Geschehens noch einmal und in Übereinstimmung mit den bei der Polizeidienststelle in Munster gemachten Angaben geschildert.

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Soweit die Klägerin erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet hat, dass sich der Verkehrsablauf vom 24. Januar 2001 am Walsroder Dreieck auf der Bundesautobahn A 7 nicht in der von der Zeugin B. geschilderten Weise zugetragen habe, folgt das Gericht ihrem Vorbringen nicht. Zwar ist ein Fahrzeughalter mit einem solchen Vorbringen grundsätzlich auch dann nicht ausgeschlossen, wenn erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit substantiierten Angaben bestritten wird, dass sich der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Verkehrsverstoß ereignet habe (OVG Lüneburg, Beschl. vom 14.06.1999, NZV 1999, 486 [OVG Niedersachsen 14.06.1999 - 12 M 2491/99]); das Gericht hält das Bestreiten der Klägerin jedoch für nicht substantiiert und deshalb für nicht geeignet, die Darstellung der Zeugin B. als unzutreffend anzusehen. Für ein substantiiertes Bestreiten genügt es nicht, einzelne Abläufe des von der Zeugin geschilderten Geschehens, soweit ein Fehlverhalten darin aufgezeigt worden war, aufzugreifen und in verneinender Form zu wiederholen, ohne die Abläufe des Verkehrsgeschehens in sich geschlossen und zusammenhängend aus der Sicht des Halters darzustellen. Das in das Wissen der von der Klägerin benannten Zeugen gestellte Vorbringen unterscheidet sich deshalb im Grunde nicht von einem bloßem Bestreiten der Richtigkeit der erstatteten Anzeige. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin offensichtlich erst vor der Klageerhebung die von ihr benannten Zeugen mit dem Tatvorwurf konfrontiert hatte, nachdem sie "sich erst im Nachhinein" an den Fahrer ihres Pkws habe erinnern können, hält das Gericht das Vorbringen der Klägerin zu dem Ablauf der Verkehrssituation überdies für eine Schutzbehauptung. Denn es erscheint als nicht nachvollziehbar, nach etwa acht Monaten noch eine Verkehrssituation zu schildern, die aus der Sicht der Zeugin völlig unauffällig und den Verkehrsabläufen angepasst gewesen sein soll. Besonderheiten, aus denen die Verkehrslage gerade auf diesem Teilstück der Fahrstrecke noch hätte in Erinnerung bleiben können, sind von der Klägerin nicht erwähnt worden.

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Gleichwohl hat das Gericht beschlossen, hierzu eine Beweiserhebung durchzuführen. Die unter dem 14. November 2001 beschlossene Beweisaufnahme konnte allerdings nur teilweise durchgeführt werden.

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Soweit die Beweisaufnahme unterblieben ist und dies zur Aufhebung des Beweisbeschlusses vom 14. November 2001 geführt hat, hat dies seinen Grund darin, dass die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigte, deren Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muss, innerhalb der gesetzten Ausschlussfristen des § 87b VwGO einen ordnungsgemäßen Beweisantrag nicht gestellt hat. Nach den §§ 98 VwGO, 373 ZPO wird der Zeugenbeweis durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten. Zur Zeugenbenennung gehört die Angabe der ladungsfähigen Personalien sowie die ladungsfähige Anschrift (BSG, Beschl. vom 10.05.2000, B 6 KA 49/99 B m.w.N.). Die von der Klägerin benannten Zustelladressen haben sich als unzutreffend herausgestellt. Die Zeugenladungen wurden infolgedessen als unzustellbar zurückgeschickt. Diese Sachlage ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am 26. November 2001 fernmündlich sowie noch einmal schriftlich unter dem 4. Dezember mitgeteilt und sie unter entsprechender Abänderung der Verfügung nach § 87b VwGO aufgefordert worden, bis zum 10. Dezember 2001 die ladungsfähigen Privatanschriften der benannten Zeugen anzugeben. Bis zum Ablauf der Ausschlussfrist ist indes eine Mitteilung der Klägerin hinsichtlich der ladungsfähigen Anschriften der Zeugen E. und D. unterblieben, so dass diese Zeugen für die auf den 20. Dezember 2001 anberaumte mündliche Verhandlung als nicht erreichbar angesehen werden mussten. Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem wenige Minuten vor Verhandlungsbeginn beim Verwaltungsgericht eingegangenen Fax die ladungsfähige Anschrift des Zeugen E. mitgeteilt hat, hat das Gericht keine Veranlassung gesehen, einem damit verbundenen Antrag der Klägerin auf Terminsaufhebung zu entsprechen. Zwar ist in Bezug auf den Zeugen E. nunmehr von einem ordnungsgemäßen Beweisantrag auszugehen; eine Vernehmung dieses Zeugen erforderte indes die Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins und würde die Erledigung des Rechtsstreits aus Gründen verzögern, die die Klägerin zu vertreten hat und in Bezug auf die eine genügende Entschuldigung für den verspäteten Beweisantrag nicht ersichtlich ist. Der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die bis zu einem am Vortag mit ihr geführten Telefongespräch gegenüber dem Gericht eine andere Anschrift des Zeugen E. als die von ihr zunächst mitgeteilte nicht anzugeben vermochte, am darauffolgenden Vormittag dann aber eine Ausweiskopie dieses Zeugen übersandt hat, macht deutlich, dass ihr bei einer gehörigen Anstrengung ihrer Bemühungen spätestens nach den schriftlichen Hinweisen des Gerichts vom 4. Dezember 2001 dies ohne Weiteres auch noch innerhalb der ihr gesetzten Frist möglich gewesen wäre. In Bezug auf den Zeugen D. ist eine Ergänzung des Beweisantrags vollständig unterblieben. Infolgedessen hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf diese Zeugen den Beweisbeschluss vom 14. November 2001 aufgehoben und die im Hinblick auf eine Vernehmung der Zeugen E. und D. lediglich vorsorglich getroffene Anordnung über das persönliche Erscheinen dieser Beteiligten aufgehoben.

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Hiernach ist davon auszugehen, dass am 24. Januar 2001 mit dem Fahrzeug der Klägerin (...) auf der Bundesautobahn A 7 in der Gemarkung Walsrode ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden ist, der die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs rechtfertigt. Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei diesem Verkehrsverstoß das Fahrzeug der Klägerin gefahren hat, war der zuständigen Ermittlungsbehörde darüber hinaus nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N.; Beschl. vom 21.10.1987, Buchholz, aaO., Nr. 18; OVG Lüneburg, Beschl. vom 09.12.1998, 12 M 5283/98). Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand der Behörde angemessen.

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Die Klägerin hat weder eine Stellungnahme im polizeilichen Ermittlungsverfahren abgegeben, noch ist sie der polizeilichen Vorladung zu einer Vernehmung gefolgt. Die von ihr beauftragte Rechtsanwältin hat ebenfalls weder bis zu dem von ihr angekündigten Zeitpunkt noch bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens eine Stellungnahme abgegeben. Dieses Verhalten der Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen (OVG Lüneburg, Beschl. vom 02.03.2000, 12 M 756/00 m.w.N.). Für die ermittelnde Behörde stellte sich infolgedessen die Sachlage so dar, dass die Klägerin keine Angaben zu dem Verstoß machen wollte. Hinweise darauf, dass nicht die Klägerin selbst als Fahrerin in Betracht zu ziehen gewesen wäre, hatte die ermittelnde Behörde nicht. Die Zeugin hatte angegeben, weder den Fahrer noch die Zahl der Fahrzeuginsassen erkannt zu haben. Auch die Klägerin hatte bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens es unterlassen, gegenüber den Polizeidienststellen anzugeben, dass sie in der Vergangenheit auch noch anderen Personen ihr Fahrzeug überlassen hatte, und diesen Personenkreis zu benennen. Erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat sie eingeräumt, dass an dem fraglichen Tag der Zeuge E. ihren Pkw gefahren haben soll.

29

Die Ausübung des Aussageverweigerungsrechts in dem gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahren steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO nicht entgegen. Der Halter eines Fahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, ist zwar nicht gehindert, von einem Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter oder einem Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch zu machen. Er muss jedoch dann gemäß § 31a StVZO die Anordnung in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind. Die damit dem Fahrzeughalter auferlegte Pflicht, ggf. im Rahmen einer behördlichen Anordnung nach § 31a StVZO künftig an der Aufklärung von Verkehrsverstößen mitzuwirken, ist als Maßnahme zum Schutz des Rechtsguts der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr, das die Klägerin als Fahrzeughalterin in Anspruch nimmt, rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl für das Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigte (BVerwG, Beschl. vom 20.07.1983, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 13) als auch für das Zeugnisverweigerungsrecht (BVerwG, Beschl. vom 17.07.1986, Buchholz, aaO., Nr. 15; BVerfG, Beschl. vom 07.12.1981, NJW 1982, 568). Der Beklagte hat deshalb zu Recht mit der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs der Klägerin für künftige Fälle eine Mitwirkungspflicht auferlegt, die der Erhaltung von Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr dienen soll und die die bestehende Kennzeichnungspflicht für die auf sie zugelassenen Fahrzeuge nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a StVG i.V.m. den §§ 18, 23 StVZO ergänzt, wenn dazu besonderer Anlass besteht.

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Schließlich steht der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung als Dauerverwaltungsakt (BVerwG, Beschl. vom 27.07.1970, Buchholz 442.15 § 7 StVZO Nr. 6) nicht entgegen, dass die Klägerin inzwischen die fraglichen Fahrzeuge veräußert hat. Denn die Fahrtenbuchanordnung bezieht sich auch auf die anstelle der veräußerten Fahrzeuge angeschafften Ersatzfahrzeuge. So ist inzwischen für den von der Klägerin veräußerten Porsche erneut ein Fahrzeug des Typs Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen BS-.....auf ihren Namen zugelassen worden. Hierfür sowie auf jedes weitere Fahrzeug, das anstelle der in der Fahrtenbuchanordnung aufgeführten Pkw's von der Klägerin als Halterin erworben wird, ist für die Dauer von insgesamt 12 Monaten das Fahrtenbuch zu führen.

31

Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf 500,-- DM je Monat der angeordneten Dauer des Führens eines Fahrtenbuchs.

Sonstiger Langtext

32

Beschluss vom 16.01.2002

33

Änderung eines im Anschluss an die Urteilsformel festgesetzten Streitwerts von Amts wegen.

34

Festsetzung des nach § 15 GKG maßgeblichen Werts nach dem 01.01.2002 in Euro.

35

Die Streitwertfestsetzung vom 20. Dezember 2001 wird geändert.

36

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.135,50 Euro (12.000,00 DM) festgesetzt.

37

Die Streitwertfestsetzung im Urteil vom 20. Dezember 2001 ist insoweit unrichtig, als hierbei übersehen wurde, dass die von der Klägerin angefochtene Fahrtenbuchanordnung des Beklagten vom 1. Juni 2001 nicht nur das Fahrzeug des Typs Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen GF - AZ 999, sondern außerdem das Fahrzeug mit dem Kennzeichen GF - CT 666 (oder die anstelle dieser Pkw`s angeschafften Kraftfahrzeuge) betraf. Infolgedessen ist der Streitwert, für den gemäß § 15 GKG der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist, mit 500,00 DM je Monat der getroffenen Fahrtenbuchanordnung (hier: 12 Monate) für jedes der beiden betroffenen Fahrzeuge und damit insgesamt auf 12.000,00 DM zu bemessen (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. vom 29.03.1999, 12 L 1008/99 m.w.N.). Dieser Betrag ist, weil der Streitwertänderungsbeschluss nach dem 01.01.2002 ergeht, in Euro (6.135,50 Euro) umzurechnen (KostREuroUG vom 27.04.2001, BGBl 2001 I, 751).

38

Dieser Entscheidung steht weder entgegen, dass eine Streitwertfestsetzung in dem Verfahren bereits getroffen wurde, noch dass die ursprüngliche Festsetzung im Anschluss an den Urteilstenor erfolgt ist. Denn die Festsetzung des Streitwerts zusammen mit dem Urteilstenor wird, wie auch die Rechtsmittelbelehrung deutlich macht, hierdurch nicht Bestandteil des Urteils (BVerwG, Beschl. vom 10.03.1971, Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 45; OVG Saarlouis, Beschl. vom 28.06.1996, NVwZ-RR 1997, 391 m.w.N.) und kann von Amts wegen innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder einer anderweitigen Erledigung geändert werden (§ 25 Abs. 2 Satz 2 und 3 GKG).