Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 13.12.2001, Az.: 6 A 117/01

Anhörungsbogen; Dauerlichtzeichen; erheblicher Verkehrsverstoß; Ermittlungsaufwand; Fahrtenbuch; Fahrtenbuchanordnung; Fahrzeugführer; Luxusklassewagen; Mitwirkung; Schutzbehauptung; Zugang

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
13.12.2001
Aktenzeichen
6 A 117/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40226
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In der Nichtbeachtung der durch gekreuzte Schrägbalken mit Dauerlichtzeichen angeordneten Sperrung einer Auoubahnfahrspur handelt es sich um einen erheblichen Verkehrsverstoß iSd § 31a StVZO.

2. Zur Bedeutung eines unsubstantiierten Bestreitens des Zugangs eines Anhörungsbogens und der Behauptung, den außerhalb des Nahbereichs angetroffenen Fahrer eines Fahrzeugs der Luxusklasse nicht nennen zu können.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Halter eines Kraftfahrzeugs des Typs Daimler-Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen .... Am 27. Juli 2000 (8.52 Uhr) befuhr der Fahrer dieses Fahrzeugs auf der Bundesautobahn A 2 im Bereich des Landkreises Ohrekreis in Richtung Berlin einen Fahrstreifen, obwohl dieser durch eine Dauerlichtanzeige (rote gekreuzte Schrägbalken nach § 37 Abs. 3 StVO) gesperrt und die erste Anordnung zum Fahrstreifenwechsel schon mehr als fünf Kilometer vorher - ebenfalls durch Lichtzeichen - sichtbar war. Dieser Verkehrsverstoß wurde von einem Polizeibeamten der Polizeidirektion Stendal bemerkt und zur Anzeige gebracht.

2

Mit Anhörungsbogen vom 3. August 2000 wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich zu dem Vorfall zu äußern, worauf mit Schriftsatz vom 15. August 2000 die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Bevollmächtigung anzeigten, um Akteneinsicht baten und erklärten, dass sich der Kläger weder polizeilich noch von der Staatsanwaltschaft oder einem Richter vernehmen lassen werde. Außerdem baten sie um einen Hinweis auf den Fahrer, weil das Fahrzeug von mehreren Personen benutzt werde. Bereits mit Schreiben vom 14. August 2001 hatte der Kläger geltend gemacht, erst in der vorausgegangenen Nacht aus dem Urlaub gekommen zu sein, und um eine Verlängerung der Äußerungsfrist nachgesucht.

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Als der zu der Person des Fahrzeugführers befragte Polizeibeamte eine Täterbeschreibung nicht anzugeben vermochte, weil er lediglich das amtliche Kennzeichen abgelesen hatte, forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 14. September 2000 die Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt Magdeburg als zuständige Ordnungswidrigkeitenbehörde auf, das Verfahren einzustellen, weil der Kläger ohne Hinweise auf den Fahrer keine Angaben machen könne. Mit Verfügung vom 18. September 2000 stellte daraufhin die Zentrale Bußgeldstelle das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und setzte die Beklagte über den Verkehrsverstoß in Kenntnis.

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Mit Verfügung vom 13. Dezember 2000 gab die Beklagte dem Kläger nach vorheriger Anhörung auf, für den Pkw mit dem Kennzeichen ... oder ein Ersatzfahrzeug für die Dauer von sechs Monaten ab Bestandskraft des Bescheides ein Fahrtenbuch zu führen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 2001 - zugestellt am 26. April 2001 - als unbegründet zurückwies.

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Am 25. Mai 2001 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung der Klage trägt er vor:

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Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nicht gegeben seien. Nach dem Verstoß vom 27. Juli 2000 habe er erst am 14. August 2000 den Anhörungsbogen erhalten. Aufgrund dieses Zeitraumes von mehr als 14 Tagen habe er sich nicht mehr daran erinnern können, wer das Fahrzeug gesteuert habe. Ursächlich dafür, dass der Fahrer des Verkehrsverstoßes nicht mehr habe ermittelt werden können, sei damit nicht eine fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes, sondern allein die verspätete Übersendung des Anhörungsbogens. Die Bußgeldbehörde habe zudem nicht alle angemessenen und ihr zumutbaren Maßnahmen zur Identifizierung des Fahrers ergriffen. Insbesondere sei eine Akteneinsicht nicht zeitgerecht gewährt worden. Schließlich sei die Maßnahme auch deshalb unverhältnismäßig, weil ein einmaliger Verstoß gegen das Dauerlichtzeichen der roten gekreuzten Schrägbalken nicht erheblich gewesen sei.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 26. April 2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Sie entgegnet:

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Der Anhörungsbogen vom 3. August 2000 sei dem Kläger zeitgerecht übersandt worden. Wie der Kläger in seinem Schreiben vom 14. August 2000 selbst mitgeteilt habe, habe er bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub in der Nacht zuvor das Anhörungsschreiben vorgefunden und wegen der Abwesenheit nicht vorher zur Kenntnis nehmen können. Der Umstand, dass der Kläger erst am 14. August 2000 von dem Anhörungsschreiben Kenntnis genommen habe, sei deshalb allein ihm zuzurechnen. Zudem sei den Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits unter dem 29. August 2000 die Ordnungswidrigkeitenakte zur Einsichtnahme zugeleitet worden. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Kläger bei einer früheren Anhörung hinsichtlich des Fahrers, über dessen Person Einzelheiten nicht bekannt geworden seien, weiterführende Ermittlungen hätte anstellen können.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagte Bezug genommen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Rechtsgrundlage für die für den Kläger als Fahrzeughalter angeordnete Maßnahme der Beklagten ist § 31a Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuchs auferlegen, wenn die Feststellungen des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist hier der Fall.

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Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in dem genannten Sinne ist darin zu sehen, dass am 27. Juli 2000 mit dem Kraftfahrzeug des Klägers auf der Bundesautobahn A 2 eine durch rote gekreuzte Schrägbalken mit Dauerlicht gesperrte Fahrspur befahren wurde. Darin liegt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ein erheblicher Verkehrsverstoß, der bereits nach einem erstmaligen Vorfall die Anordnung rechtfertigt, ein Fahrtenbuch zu führen. Ein solches Dauerlichtzeichen ordnet die vollständige Sperrung der bezeichneten Fahrspur an und dient vornehmlich der Sicherung bei Unfällen oder bei Wartungsarbeiten im Fahrbahnbereich. Dies macht die erhebliche Gefahrenträchtigkeit eines Verstoßes gegen die Lichtzeichenregelung augenscheinlich. Des Nachweises einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, NZV 1995, 460 m.w.N.).

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Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug des Klägers gefahren hat, war der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus im Sinne des § 31a StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Hierbei kann sich die Art und der Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar eine ihm zumutbare Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Beschl. vom 21.10.1987, Buchholz, 442.16 § 31a StVZO Nr. 18 m.w.N.).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand der Ordnungswidrigkeitenbehörde angemessen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger auch nach erfolgter Akteneinsicht durch seine Prozessbevollmächtigten innerhalb eines angemessenen Zeitraums Hinweise auf den Kreis anderer Fahrzeugbenutzer nicht gegeben, obgleich er bereits im Anhörungsbogen für den Fall, dass er selbst nicht der Fahrzeugführer gewesen sein sollte, hierzu angehalten worden war. Mangels konkreter Hinweise auf den Kreis der Fahrzeugbenutzer waren der Ermittlungsbehörde deshalb weitere und nur wenig Aussicht auf Erfolg versprechende Ermittlungen nicht zuzumuten.

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Der Zeitpunkt des Zugangs des Anhörungsbogens bei dem Kläger war nicht ursächlich für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung. Nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen ist zwar eine zeitgerechte Anhörung regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß durchzuführen, weil gewöhnlich mangels besonderer Anhaltspunkte eine Erinnerung an den Vorfall zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit gewährleistet sein könnte; in einem solchen Fall kann die zeitliche Verzögerung der behördlichen Ermittlungshandlung zu einem Verblassen der Erinnerung führen, so dass allein wegen der verspäteten Anhörung eine zuverlässige Erinnerung nicht mehr möglich ist. Eine solche Sachlage war jedoch in diesem Fall schon deshalb nicht gegeben, weil nach der Überzeugung des Gerichts dem Kläger der Anhörungsbogen zeitgerecht zugegangen ist. Soweit der Kläger dies unsubstantiiert bezweifelt, hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung. Schon aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers steht fest, dass ihm die Mitteilung zur Anhörung, die er nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub in der Nacht vom 13. auf den 14.08.2000 (Montag) vorgefunden haben will, bereits vor dem Wochenende erhalten haben muss. Anhaltspunkte dafür, dass der Anhörungsbogen vom 3. August 2000 erst später als am 10. August 2000 in den Empfangsbereich des Klägers gelangt sein könnte, finden sich hier nicht. Der Kläger hat offenbar wegen seiner urlaubsbedingten Abwesenheit keine gesicherten Kenntnisse darüber, bis zu welchem Zeitpunkt das fragliche Schriftstück nicht in seinen Empfangsbereich gelangt war. Hierfür spricht auch, dass dieser Gesichtspunkt erstmals im Rahmen der Anhörung zu der von der Beklagten schließlich erlassenen Fahrtenbuchanordnung vom 13. Dezember 2000 - zumal mit eindeutig unzutreffenden Angaben hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Beteiligung im Bußgeldverfahren - vom Kläger geltend gemacht wurde. Dies ist jedoch letztlich nicht maßgeblich, weil der Kläger - wie bereits dargelegt wurde - nicht in der gebotenen und ihm zumutbaren Weise an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitgewirkt und den Personenkreis der Fahrzeugbenutzer konkret benannt hat (BVerwG, Beschl. vom 14.05.1997, 3 B 28.97), sondern das Ausmaß seiner Mitwirkung daran ausgerichtet hat, ob ihm selbst der fragliche Fahrzeugführer erinnerlich oder bekannt geworden ist. Ob es sich bei diesem Vorbringen ebenfalls um eine Schutzbehauptung handelt angesichts der Tatsache, dass es um ein Fahrzeug der Luxusklasse geht, das nicht beliebigen Personen überlassen worden sein dürfte und das für eine Fahrt deutlich außerhalb des Nahbereichs des Wohnorts des Klägers benutzt wurde, bedarf aus diesen Gründen ebenfalls keiner abschließenden Erörterung.

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Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG und entspricht in dieser Höhe der ständigen Rechtsprechung der Kammer sowie des Nds. Oberverwaltungsgerichts Lüneburg und des Bundesverwaltungsgerichts (500,-- DM je Monat der getroffenen Fahrtenbuchanordnung).