Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.02.1997, Az.: IX 251/96

Steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Vermietung von Wohnmobilen; Anfechtung eines Sammeländerungsbescheides; Betrieb steuerlich unbeachtlicher Liebhaberei; Erfordernis der Auslegung; Erlass eines negativen Gewinnfeststellungsbescheides; Betrieb eines gewerblichen Unternehmens; Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht; Berücksichtigung der Anlaufzeit; Möglichkeit des Anscheinsbeweises; Widerlegung der Indizien durch Finanzamt

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.02.1997
Aktenzeichen
IX 251/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 15981
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0213.IX251.96.0A

Fundstelle

  • DStRE 1997, 494-497 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1988 bis 1992

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht müssen alle ein gewerbliches Unternehmen kennzeichnenden Merkmale bei einer Personengesellschaft gegeben sein. Die Gewinnerzielungsabsicht muss folglich auf eine Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft, einschließlich des Sonderbetriebsvermögens der Gesellschafter, in Gestalt eines Totalgewinns zwischen der Gründung und der Beendigung des Betriebs der Personengesellschaft gerichtet sein.

  2. 2.

    Die ernsthafte Möglichkeit, dass ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und/oder der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann.

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
am 13. Februar 1997
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Feststellungsbescheide 1988 bis 1992 vom 2. September 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1996 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verluste aus der Vermietung von Wohnmobilen steuerlich zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger (Vater und Sohn) betreiben seit 1. Oktober 1988 in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) die Vermietung von Wohnmobilen. Sie sind Mitglied im Verband MI-Mobile, der über 2.000 eigenständige Vermietunternehmen zu seinen Mitgliedern zählt. In der Zeit von 1988 bis zum 30. September 1996 waren insgesamt 13 Fahrzeuge auf die Kläger zugelassen; zeitweise bis zu fünf Fahrzeuge gleichzeitig. Außerhalb der Vermietsaison (April bis Oktober) melden die Kläger die Fahrzeuge, die ihren Standort am Wohnsitz des Klägers zu Nr. 2 haben, ab. Die Kundenwerbung erfolgt durch Anzeigen in einem örtlichen Wochenblatt, einer Zeitung für Kleinanzeigen und auf den "Gelben Seiten" des amtlichen Fernsprechverzeichnisses. Mit Interessenten werden Termine zur Besichtigung der Fahrzeuge vereinbart, der Mietvertrag anschließend auf einem einheitlichen, vom MI-Verband herausgegebenen Vordruck schriftlich abgeschlossen (vgl. Bl. 48 der FA-Akte). Der Verband stellt auch kurzfristig Ersatzfahrzeuge, soweit die Kläger ein solches Fahrzeug benötigen. Zu Beginn und bei Rückgabe der Fahrzeuge werden diese im Beisein der Kläger und der Kunden gemeinsam untersucht, anschließend wird bei Rückgabe die Endrechnung erstellt.

3

In den Streitjahren 1988 bis 1992 haben sie folgende Ergebnisse erzielt:

1988:Verlust15.786 DM
1989:Vertust8.133 DM
1990:Verlust27.342 DM
1991:Verlust19.506 DM
1992:Verlust7.438 DM
4

Für die Jahre 1993 und 1994 erklärten sie einen Verlust von 9.779 DM und 30.364 DM.

5

Insgesamt stellten sich die Verluste bis 1994 auf 118.348 DM ein. Für 1995 erklärten die Kläger einen Gewinn von 29.537 DM. Die Einkünfte wurden als solche aus Gewerbebetrieb erklärt und vom Beklagten (dem Finanzamt - FA -) zunächst nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig gesondert und einheitlich festgestellt.

6

Durch Änderungsbescheid vom 2. September 1995 wurden die Feststellungsbescheide der Streitjahre geändert. Die Einkünfte wurden nun mit 0 DM festgestellt, weil das FA den Klägern die Gewinnerzielungsabsicht absprach und die Vermietungstätigkeit in einer Anlage zum Änderungsbescheid als sog. steuerliche Liebhaberei einstufte. Es begründete seine Änderung damit, daß die Einnahmen trotz einer relativ hohen Auslastung der Fahrzeuge rückläufig seien. Warum gleichwohl das Unternehmen weiter betrieben werde, hätten die Kläger nicht erklärt.

7

Der Einspruch blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die Klage.

8

Die Kläger tragen vor, im Einspruchsverfahren habe es mit der Sachbearbeiterin des FA am 28. März 1996 eine telefonisch getroffene tatsächliche Verständigung über die steuerliche Anerkennung der Verluste gegeben. In diesem von einem Mitarbeiter des Prozeßbevollmächtigten geführten Gespräch habe die Sachbearbeiterin erklärt, sie habe nun genügend Unterlagen und Angaben der Kläger erhalten, daß sie sachlich entscheiden könne. In einem weiteren Telefongespräch habe die Sachbearbeiterin angekündigt, daß sie dem Einspruch aufgrund der Verständigung vom 28. März 1996 stattgeben werde. Aufgrund dieser Ereignisse habe das FA seine ablehnende Einspruchsentscheidung nicht mehr darauf stützen dürfen, die Kläger hätten zur weiteren Entwicklung ihrer Geschäftstätigkeit keine ausreichenden Unterlagen vorgelegt und vorgetragen. Der Einspruchsbescheid sei rechtswidrig, weil den Klägern nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei.

9

Sie betrieben ihren Betrieb mit der Absicht, auf Dauer Gewinn zu erzielen. Die Verluste bis 1994 seien als Anlaufverluste zu werten, da sie bereits 1995 mit Gewinn abgeschlossen hätten. Für 1996 werde sich ein Gewinn von 56.798 DM ergeben. Hätten sie ihren Betrieb zum 30. September 1996 verkauft, so würde sich ein Veräußerungsgewinn von 137.655 DM ergeben haben, wodurch bereits für die Jahre 1988 bis 1996 ein Totalgewinn entstanden wäre.

10

Auf Nachfrage erklärten die Kläger, sie hätten in den Streitjahren keine Urlaubsfahrten mit ihren Wohnmobilen unternommen. Wegen der Aufstellung der einzelnen Urlaubsreisen wird auf den Schriftsatz vom 28. Oktober 1996 Bezug genommen. Anhand der vorgelegten Mietverträge und der dort wiedergegebenen Kilometerstände der einzelnen Fahrzeuge sind Privatnutzungen der Fahrzeuge nicht erkennbar.

11

Die Kläger beantragen,

den Sammeländerungsbescheid vom 2. September 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1996 aufzuheben.

12

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

In dem Telefongespräch vom 28. März 1996 sei der Mitarbeiter des Prozeßbevollmächtigten befragt worden, warum die Kläger trotz anhaltender Verluste den Betrieb noch aufrecht erhielten. Die bisherige Darstellung, für 1995 werde ein Gewinn erzielt, habe dafür nicht ausgereicht. Der Mitarbeiter des Prozeßbevollmächtigten habe sich darauf eine Frist bis zum 3. April 1994 erbeten. Bis zu diesem Termin sei jedoch keine Stellungnahme mehr erfolgt. Der Entwurf des Einspruchs sei von der Bearbeiterin am 9. Mai 1995 gezeichnet worden. Am 10. Mai 1995 habe dann der Mitarbeiter des Bevollmächtigten angerufen. Dabei habe die Bearbeiterin erklärt, daß sie die Sache nun entschieden habe. Eine tatsächliche Verständigung habe somit nicht stattgefunden. Diese könne sich auch allenfalls auf Sachverhaltsfragen, nicht aber auf die steuerrechtliche Beurteilung beziehen.

14

In der Sache bleibt das FA bei seiner Beurteilung, die Verluste seien steuerlich nicht zu berücksichtigen, da es den Kläger an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Der von ihnen vorgetragene Totalgewinn könne sich aufgrund der Buchwerte der Fahrzeuge nicht ergeben. Die Kläger hätten keine Gründe dafür angegeben, warum sie den Betrieb trotz anhaltender Verluste weiterführten. Die Kläger hätten jeweils andere Einkünfte, bei denen es durch die Berücksichtigung der Verluste zu einer Minderung der steuerlichen Belastung komme.

15

Im übrigen unterlägen die Verluste auch nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG einem Abzugsverbot.

16

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt und auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist begründet.

18

Der angefochtene Sammeländerungsbescheid vom 2. September 1995 und die Einspruchsbescheidung vom 29. Mai 1996 sind rechtswidrig. Die Kläger werden dadurch in ihren Rechten verletzt. Die Steuerbescheide waren deshalb aufzuheben.

19

Es ist nicht darüber zu entscheiden, ob sich die Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide bereits aus dem Gesichtspunkt einer von den Klägern behaupteten tatsächlichen Verständigung oder der Versagung des rechtlichen Gehörs ergibt. Die Steuerbescheide sind in jedem Fall deshalb rechtswidrig, weil das FA die Verluste steuerlich nicht berücksichtigt hat.

20

1.

Zur Auslegung des Feststellungsbescheids

21

Der angefochtene Berichtigungsbescheid stellt sich als negativer Gewinnfeststellungsbescheid dar.

22

Mit dem auf § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) beruhenden Sammeländerungsbescheid wollte das FA deutlich machen, daß die Kläger eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei betreiben. Es hätte zu diesem Zweck die früheren Bescheide aufheben und die in den Feststellungserkärungen der Kläger enthaltenen Anträge auf Erlaß von Gewinnfeststellungsbescheiden ablehnen müssen; durch diesen Ablehnungsbescheid (§ 181 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 AO) wäre mit verbindlicher Wirkung für die Einkommensteuerveranlagung festgestellt worden, daß die fragliche Betätigung der Kläger keinen Besteuerungstatbestand erfüllt und keine Besteuerungsgrundlage für die Einkommensteuer abgibt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Januar 1985 IV B 65/84, BFHE 143, 10, BStBl II 1985, 299, m.w.N.).

23

Im Streitfall hat das FA die Einkünfte der Kläger demgegenüber jeweils auf 0 DM festgestellt. Ein derartiger Bescheid kann besagen, daß die Kläger im Jahr der Feststellung einen gewerblichen Betrieb unterhalten haben, daß sich aber Aufwendungen und Erträge ausgeglichen haben. Es würde sich in diesem Fall um einen positiven Feststellungsbescheid handeln, dessen Änderung im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erreicht werden kann, während gegenüber einer negativen Gewinnfeststellung Verpflichtungsklage mit dem Ziel erhoben wird, dem FA die Feststellung von Gewinnen oder Verlusten in bestimmter Höhe aufzugeben (BFH-Urteil vom 27. Januar 1977 IV R 173/75, BFHE 122, 5, BStBl II 1977, 510).

24

Im Wege der Auslegung läßt sich jedoch ermitteln, daß das FA einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid erlassen hat. Auch Verwaltungsakte sind der Auslegung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches zugänglich. Dabei kommt es jedoch nicht auf dasjenige an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern darauf, wie der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung vor Treu und Glauben verstehen konnte; dabei gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde (BFH-Beschluß vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34; BFH-Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23; BFH vom 28. November 1985 IV R 178/83; BStBl II 1986, 293; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 28. Februar 1961 I C 54/57, BVerwGE 12, 87, 91; vom 18. Juni 1980 6 C 55/79, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 448.0.(?), § 25 a WPflG Nr. 2).

25

Im Streitfall erschöpfte sich der den Klägern bekanntgegebene Sammelbescheid für 1988 bis 1992 nicht in der Feststellung eines Gewinns von 0 DM. In ihm ist vielmehr ausdrücklich durch den Klammerzusatz darauf hingewiesen worden, daß es sich um eine negative Feststellung handelt. Weiter wird auf die Anlage verwiesen, in der auf die Problematik des Totalüberschusses und der Gewinnerzielungsabsicht eingegangen wird. Die Kläger mußten den Änderungsbescheid also als negative Feststellung verstehen, wenngleich die Feststellung über 0 DM unzutreffend ist.

26

2.

Zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht

27

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielen die Gesellschafter einer GbR nur unter der Voraussetzung positive oder negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, daß die Gesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG betreibt und die Beteiligten Mitunternehmer sind. Der Tatbestand des Gewerbebetriebs setzt nach § 15 Abs. 2 EStG u.a. die Absicht der Gewinnerzielung voraus.

28

Nach der im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 765) ständigen Rechtsprechung müssen alle ein gewerbliches Unternehmen kennzeichnenden Merkmale bei der Personengesellschaft gegeben sein. Die Gewinnerzielungsabsicht muß deshalb auf eine Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft, einschließlich des Sonderbetriebsvermögens der Gesellschafter (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), in Gestalt eines Totalgewinns zwischen der Gründung und der Beendigung des Betriebs der Personengesellschaft gerichtet sein (Urteil des erkennenden Senats vom 21. August 1990 VIII R 25/86, BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564, 565). Die Betriebsvermögensmehrung umfaßt auch - steuerpflichtige - Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen (BFH-Urteil vom 5. Mai 1988 III R 41/85, BFHE 153, 374, BStBl II 1988, 778, 779; BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766) und - wie im Streitfall - die Einnahmen aus Versicherungserstattungen, abzustellen ist auf die gesamte voraussichtliche Betriebsdauer (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1986 IV R 175/84, BFHE 148, 119, BStBl II 1987, 89, 92).

29

Unerheblich ist die Höhe der durchschnittlichen Jahresgewinne. Maßgebend ist der Totalgewinn (BFH-Urteil vom 13. April 1989 IV R 30/87, BFHE 157, 98, BStBl II 1989, 718, 719). Ob eine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das sich nur anhand objektiver Merkmale beurteilen läßt (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767; Urteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278, 280). Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden. Maßgebend ist, wie sich die Verhältnisse aus der Sicht des an objektiven Gegebenheiten orientierten Steuerpflichtigen dargestellt haben (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291). Erforderlich ist eine in die Zukunft gerichtete, langfristige Beurteilung. Die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums können wichtige Anhaltspunkte bieten. Einzelne Umstände können einen Anscheinsbeweis liefern, der jedoch durch einen Gegenbeweis entkräftet werden kann (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767; Urteil vom 13. November 1979 VIII R 93/73, BFHE 129, 53, BStBl II 1980, 69, 71).

30

Dieser Anscheinsbeweis entfällt bereits dann, wenn das FA die ernsthafte Möglichkeit darlegt, daß im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des Unternehmens bestimmend waren (BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291). Dauernde Verluste allein reichen nicht aus, um einen für eine Gewinnabsicht sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften (BFH-Urteil vom 21. Januar 1993 XI R 18/92, XI R 19/92, BFH/NV 1993, 475). Bei Längeren, über die Anlaufzeit hinaus andauernden Verlustperioden müssen vielmehr weitere Umstände hinzu kommen, die die Feststellung ermöglichen, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt (BFH-Entscheidungen in BFH/NV 1993, 475; BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564, 565; BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291; BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767).

31

Bei neu gegründeten Gewerbebetrieben, zu denen der klägerische Betrieb zu rechnen ist, spricht der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht (Urteile in BFH/NV 1993, 475 betr. Automatenaufsteller; vom 7. Dezember 1989 IV R 78/88, BFH/NV 1991, 364, nur Leitsatz, betr. Druckerei; BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291 betr. Getränkegroßhandel, dazu Anm. u.a. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1986, 236, und Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. November 1986 1 BvR 330/86, HFR 1988, 34, 35; ferner ohne Einschränkung bei von Privaten betriebenen Gewerbebetrieben der Bundesgerichtshof - BGH - im Urteil vom 18. Januar 1968 VII ZR 101/65, BGHZ 49, 258, 260), es sei denn, die Art des Betriebs bzw. seine Bewirtschaftung sprächen von vornherein dagegen, weil das Unternehmen nach der Lebenserfahrung typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, persönlichen Neigungen der Steuerpflichtigen (Urteile vom 26. November 1992 IV R 6/91, BFH/NV 1994, 240, 241; vom 15. September 1992 IX R 15/91, BFH/NV 1994, 301, 302 betr. Mietkaufmodell; vom 28. August 1987 III R 273/83, BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, 11 betr. Vercharterung eines Motorbootes; vom 11. April 1990 I R 22/88, BFH/NV 1990, 768, 769 betr. Vercharterung einer Segeljacht; vom 19. Juli 1990 IV R 82/89, BFHE 161, 144, BStBl II 1991, 333, 335 betr. Trabrennstall) oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommensphäre zu dienen (Urteile in BFH/NV 1994, 240, 241; BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564, 565 betr. Verlustzuweisungsgesellschaft; Urteil vom 28. Januar 1988 IV R 148/85, BFH/NV 1988, 627, 628 betr. Filmgesellschaft als Verlustzuweisungsgesellschaft; Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767).

32

Die ernsthafte Möglichkeit, daß ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und/oder der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn, d.h. mit einem Totalgewinn, arbeiten kann (BFH/NV 1993, 475, 476; BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291; Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, 207). Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Steuerpflichtige es trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterläßt, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebs zu ergreifen (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 240, 241; BFH/NV 1993, 475, 476; vom 7. August 1991 X R 10/88, BFH/NV 1992, 108, 110; vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278, 280; BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, 207).

33

Die Anlaufzeit eines neu aufgebauten Betriebs, während der die allgemeinen Grundsätze für die Annahme steuerlicher Liebhaberei in der Regel nicht gelten, ist je nach der Eigenart des Betriebs betriebsspezifisch festzulegen (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, 207 - fünf Jahre und dort zu der Ausnahme, daß von vornherein die Erzielung eines Totalgewinns ausgeschlossen war -; BFH/NV 1990, 768, 769; BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, 12). Ist der Anscheinsbeweis erschüttert, so entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei die objektive Beweislast beim Kläger liegt (BFH/NV 1993, 475, 476; BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291).

34

3.

Beweis des ersten Anscheins oder Indizienbeweis für die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht

35

Die Anwendung dieser Grundsätze läßt die Entscheidung des FA im Ergebnis als nicht zutreffend erscheinen.

36

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 1985 VIII R 4/83 (BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289) kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß bei einer gewerblichen Wohnmobilvermietung der Beweis des ersten Anscheins für die Gewinnerzielungsabsicht spricht, weil Unternehmen dieser Art nach der Lebensführung typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen der Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen.

37

Zutreffenderweise handelt es sich bei der Feststellung, ob ein Gewerbebetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, jedoch nicht um einen Beweis des ersten Anscheins, sondern um die Würdigung bestimmter Indizien (Indizienbeweis). Anhand objektiver Umstände als da sind Art des Gewerbebetriebs, Art des Geschäftsgegenstands, Gewerbeanmeldung, büromäßige Organisation, Art der Geschäftsanbahnung und Geschäftsabwicklung, Anwendung betriebswirtschaftlicher Erkenntnismuster, Nähe zu klassischen Hobbytätigkeiten u.ä.) wird eine Einordnung der Tätigkeit in eine private oder betriebliche Sphäre vorgenommen. Demgegenüber beruht der Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) auf dem Resümee zahlreicher Erfahrungen des Lebens oder von Erkenntnissen einer großen Zahl von Personen, die sie bei wesensgleichen Ereignissen immer wieder gewonnen haben. Diese wesensgleichen Ereignisse müssen serienmäßig typisch gleich verlaufen. Wo sich ein rechtlich zu beurteilendes Geschehen immer wieder gleicht oder sich ähnliche Verbindungen von Ursache und Wirkung ständig zeigen, wird der Richter kraft sich stetig wiederholender Lebenserfahrung von einem feststehenden Ereignis auf ein anderes schließen, weshalb im allgemeinen von "typischen Geschehensabläufen" gesprochen wird (Sanden, Der prima-facie-Beweis in der Verkehrsrechtsprechung des BGH und seine Ausstrahlung auf die Haftpflichtschäden, VersR 1966, 201). So beruht der Anscheinsbeweis auf der Erfahrung, daß gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder daß umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten (BVerwG-Urteil in Buchholz, a.a.O., und vom 26. Mai 1966 II C 11.63, Buchholz, 310, § 86 VwGO Anhang Nr. 34, jeweils m.w.N. der Rechtsprechung; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 96 FGO Anm. 11). Der Beweis des ersten Anscheins enthält vielmehr eine Anwendung von Erfahrungsregeln auf einen bestimmten Geschehensablauf in dem Sinne, daß bei einem feststehenden typischen Geschehensablauf und nach den Erfahrungen des Lebens auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Kausalverlauf geschlossen werden kann (BGH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BStBl II 1989, 534, BFHE 156, 66; vom 14. Januar 1992 VII R 112/89, BFH/NV 1992, 365; vgl. dazu auch Harenberg. Der Anscheinsbeweis und seine Bedeutung für den Nachweis des Zugangs von Verwaltungsakten, DStR 1990, 236). Der so verstandene Anscheinsbeweis ist auf die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht nicht anwendbar.

38

Im Streitall liegen die für das Vorliegen einer Gewinnabsicht besonderen Indizien darin, daß die Kläger ein klassisches Vermietungsgewerbe angemeldet haben, mehr als ein Wohnmobil angeschafft haben, mit ihren Fahrzeugen in den Streitjahren keine Urlaubsfahrten unternommen und die Fahrzeuge auch sonst nicht zu eigenen Zwecken genutzt haben. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß sie nicht nur ein Fahrzeug, sondern zeitweise bis zu fünf Fahrzeuge gleichzeitig zur Vermietung vorgehalten haben und einem Unternehmensverband angeschlossen sind, der die Geschäftstätigkeit der Kläger als Vermietunternehmen unterstützt. Darüber hinaus haben die Kläger eine büromäßige Organisation, nutzen die Hilfe des Interessenverbands und machen Werbung in verschiedenen Publikationen.

39

Diese für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechenden Indizien hat das FA nicht widerlegt. Ihm ist zuzustimmen, daß den Klägern die Beweislast dafür obliegt, daß sie mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sind. Dem haben die Kläger mit dem Vortrag der genannten Indizien genügt. Doch verkennt das FA insoweit, daß die Kläger nicht die Beweislast für das Fehlen der privaten, steuerlich nicht relevanten Motive haben. Es ist Aufgabe des FA, diese Indizien zu erschüttern. Das ist nicht geschehen. Das FA hat im Einspruchsbescheid lediglich angeführt, daß ein persönlicher Grund für die Erzielung von Verlusten in einer Minderung der gesamten, persönlichen Steuerlast gesehen werden kann. Diese Argumentation geht in Fällen wie diesem jedoch fehl, wenn die Art der gewerblichen Tätigkeit an sich und die Art der Durchführung grundsätzlich geeignet sind, mit Gewinn zu arbeiten. Die Absicht, Verluste zu erzielen, um die aus anderer Quelle stammenden Einkünfte zu mindern, hat der BFH als persönliches, steuerlich nicht relevantes Motiv zu Recht nur in den Fällen zugelassen, in denen der Gewerbebetrieb von vornherein auf die Erzielung von Verlustzuweisungen angelegt ist (BFH vom 21. August 1990 VIII R 25/86, BStBl II 1991, 564, betr. Verlustzuweisungsgesellschaften). Zu dieser Art von Gesellschaften gehört der Betrieb der Kläger mit Sicherheit nicht.

40

Auch die Tatsache, daß die Kläger in den Streitjahren nur Verluste erzielt haben, spricht allein nicht gegen eine Gewinnerzielungsabsicht. Dabei ist zu beachten, daß es die Anfangsjahre des Unternehmens sind und die Kläger für 1995 mit Gewinn abgeschlossen haben. Dem steht nicht entgegen, daß die zu einem Gewinn führenden Geschäftsvorfälle Anlagenverkäufe und Einnahmen aus einer Versicherungsentschädigung waren. Die Einnahmen aus dieser Art von Geschäftsvorfällen führen zu einer Vermögensvermehrung und sind unstreitig steuerpflichtig. Sie können deshalb bei der wirtschaftlichen Betrachtung des Betriebs nicht außer acht gelassen werden.

41

Nicht unberücksichtigt bleiben kann, daß die Vermietung von Wohnmobilen in gewissem Umfang witterungs- und insgesamt konjunkturabhängig ist, so daß nicht immer gleichbleibende oder gar immer ansteigende positive wirtschaftliche Ergebnisse zu erwarten sind. Wie lang die sog. Anlaufphase des vorliegenden Betriebs zu bemessen sein wird, muß nicht entschieden werden, da den Kläger jedenfalls vier Jahre, nämlich die Streitjahre, für den Aufbau eines rentablen Unternehmens zuzubilligen sind.

42

Die Ausführungen, die Kläger hätten zu einer weiteren Entwicklung des Betriebs und zu seiner Aufrechterhaltung nicht ausreichende Angaben gemacht, kann den Indizienbeweis ebenfalls nicht erschüttern, denn es war Aufgabe des FA, substantiiert vorzutragen, daß die Kläger trotz einer relativ hohen Auslastung der einzelnen Fahrzeuge und der gleichwohl auflaufenden Verluste den Betrieb aus ganz bestimmten privaten Motiven heraus aufrechterhalten. Dazu hat das FA sich aber weder im Rechtsbehelfsverfahren noch im Klageverfahren substantiiert eingelassen.

43

4.

Zur Anwendung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG

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Soweit das FA die steuerliche Berücksichtigung der Verluste der Streitjahre unter Hinweis auf § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG abgelehnt hat, verkennt es die Tragweite dieser Vorschrift. Danach dürfen Werbungskostenüberschüsse bei der Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden, wenn die Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG herrühren. Im Feststellungsverfahren ist über den Ausgleich der Werbungskostenüberschüsse nicht zu entscheiden. Im Feststellungsbescheid ist vom zuständigen Betriebs- oder Belegenheits-Finanzamt lediglich über die Art der Einkünfte und ihre Höhe, nicht aber über die Behandlung der Einkünfte im Rahmen der Einkommensermittlung zu entscheiden. Kommt die Finanzbehörde - wie im Streitfall - zu der Auffassung, daß aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht keine Einkünfte aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegen und der Tatbestand des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG erfüllt ist/so hat es die von den Steuerpflichtigen erklärten Werbungskostenüberschüsse (Verluste) festzustellen über die Ausgleichsmöglichkeit nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entscheidet anschließend das für die Einkommensteuerveranlagung zuständige FA im Veranlagungsverfahren.

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5.

Nebenentscheidungen

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.