Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.02.1997, Az.: VI 480/93

Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA); Anforderungen an eine Pensionszusage; Voraussetzungen für die Anerkennung einer Pensionsrückstellung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.02.1997
Aktenzeichen
VI 480/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0218.VI480.93.0A

Fundstellen

  • DStRE 1997, 596-597 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbH-StB 1997, 205 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1997, 1072 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1989

Amtlicher Leitsatz

Eine Pensionszusage für eine 50-jährige beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin ohne Vereinbarung einer Wartezeit stellt eine vGA dar, auch wenn die Geschäftsführerin zuvor ein gleichartiges Einzelunternehmen geführt hat.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 18. Februar 1997,
an der mitgewirkt haben:
Richterin am Finanzgericht ... als Vorsitzende
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Anerkennung einer Pensionsrückstellung.

2

Gegenstand des Geschäftsbetriebes der durch notariellen Vertrag vom 16. Dezember 1988 gegründeten Klägerin ist die Herstellung von Verpackungen aller Art aus Pappen und ähnlichen Materialien und deren Vertrieb, sowie der Handel mit solchen und ähnlichen Erzeugnissen. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 150.000 DM. An der Klägerin waren zum Zeitpunkt der Gründung und im Streitjahr folgende Gesellschafterinnen beteiligt:

Kauffrau C. B. (L.)114.000 DM
Hausfrau A. K.7.500 DM
kaufmännische Angestellte U. H.21.000 DM
Studentin I. B.7.500 DM
150.000 DM.
3

Die Klägerin wurde im Wege einer Betriebsaufspaltung des Unternehmens W. L., Inhaber C. L., gegründet. Die Klägerin führt das seit 1972 von Frau L. geleitete Unternehmen als Betriebsunternehmen fort.

4

Zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer in wurde unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Frau L. bestellt. Als Gehalt wurde ein Monatsgehalt in Höhe von 10.000 DM zuzüglich eines im Monat November zu zahlenden 13. Monatsgehaltes vereinbart. Ferner wurde der Gesellschafter-Geschäftsführerin eine Tantiemezusage in Höhe von 20 v.H. des tantiemepflichtigen Gewinns erteilt, wobei als Bemessungsgrundlage der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Jahresüberschuß, aufgerundet auf volle 1.000 DM vereinbart wurde. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird auf die Vertragsakte Bezug genommen. Außerdem sagte die Klägerin mit Vereinbarung vom 16. Dezember 1988 der Gesellschafter-Geschäftsführerin ein Ruhegehalt in Höhe von 60 v.H. des letzten Brutto-Monatsverdienstes zu, wobei Umsatz- und Gewinnbeteiligung sowie sonstige wechselnde und in ihrer Höhe unbestimmte Vergütungen außer Betracht bleiben sollten. Das Ruhegehalt wurde für den Fall der Berufsunfähigkeit oder des Erreichens des 65. Lebensjahres oder für den Fall erteilt, daß die Geschäftsführerin Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres (flexibele Altersgrenze) in Anspruch nehmen würde. Wegen der Einzelheiten der Regelungen des Anstellungsverhältnisses sowie der Pensionszusage wird auf den Inhalt der Vertragsakte Bezug genommen. Die Klägerin schloß wegen der Erteilung der Pensionszusage eine Rückdeckungsversicherung in Höhe von 28. v.H. des Jahreswertes der Pensionszusage ab.

5

Die Gesamtbezüge der Gesellschafter-Geschäftsführerin betrugen im Streitjahr ca. 236.000 DM. Sie setzen sich aus laufenden Bezügen in Höhe von ca. 136.000 DM, einer Tantieme von ca. 40.000 DM und dem Jahreswert der Pensionszusage in Höhe von 60.000 DM (fiktive Jahresnettoprämie, d.h. dem Betrag, der für eine entsprechende Versicherung zu zahlen wäre), zusammen. Die Klägerin bildete in ihrer Bilanz auf 31. Dezember 1989 eine Pensionsrückstellung in Höhe von 55.038 DM.

6

Das Finanzamt (FA) erteilte zunächst für 1989 einen Körperschaftsteuerbescheid, dem es die von der Klägerin abgegebene Steuererklärung sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zugrunde legte; der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer bei der Klägerin in der Zeit vom 29. Mai bis 21. Juni 1991 durchgeführten Außenprüfung gelangte der Außenprüfer zu der Auffassung, daß der Pensionszusage die Anerkennung zu versagen sei, weil eine solche Vereinbarung mit einem Arbeitnehmer, der nicht beherrschender Gesellschafter wäre, nicht geschlossen worden wäre. Der Außenprüfer ermittelte eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), die er wie folgt berechnete:

Rückstellung lt. Bilanz55.038 DM
Beiträge Rückdeckungsversicherung+ 16.285 DM
aktivierbarer Anspruch aus Rückdeckungsversicherung./. 16.009 DM
vGA55.314 DM.
8

Das FA erteilte - ohne Herstellung der Ausschüttungsbelastung - einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1989, dem es die Auffassung des Außenprüfers zugrunde legte.

9

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, daß der Gesellschafter-Geschäftsführerin L. gezahlte Entgelt sei sowohl seiner Höhe nach als auch in seiner Zusammensetzung angemessen.

10

Die Pensionszusage verstoße auch nicht gegen das Nachzahlungsverbot. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, daß zum einen auch ältere Geschäftsführer mit einer großen Berufserfahrung eingestellt würden, zum anderen sei die zugesagte Altersversorgung noch in der verbleibenden Arbeitszeit von 14 Jahren erdienbar. Der von der Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - I R 98/93 vom 21. Dezember 1994, Bundessteuerblatt - BStBl - 1995, 419) vorgegebene 10-Jahreszeitraum sei eingehalten.

11

Auch sei in der Pensionszusage der Begriff der Berufsunfähigkeit zum einen hinreichend umschrieben, zum anderen sei die Berufsunfähigkeit in verschiedenen Vorschriften, z.B. im § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 23 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG).

12

Der Umstand, daß nur für einen Teil der Pension eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen sei, stehe der Anerkennung nicht entgegen. Es sei in die Entscheidungsfreiheit des betreffenden Unternehmens gestellt, ob und in welcher Weise sie das Pensionsrisiko absichern wolle, wobei insbesondere die Ertragssituation und die Kapitalausstattung der Gesellschaft eine Rolle spiele.

13

Ebenso sei es unwesentlich, daß die Pensionszusage ohne Einhaltung einer Wartezeit zustande gekommen sei. Wartezeiten seien in der Regel bei Pensionsvereinbarungen mit jungen Geschäftsführern zu finden, insbesondere für die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Ganz anders verhalte sich dies bei älteren Geschäftsführern. Für diese stehe eher die Pensionszusage im Vordergrund als höhere Aktivbezüge. Es sei nicht vorstellbar, daß ein 50jähriger Geschäftsführer noch eine ungesicherte Wartezeit in Kauf nehme. Die Auffassung des Beklagten mache einen Arbeitsplatzwechsel für einen 50jährigen Geschäftsführer nahezu unmöglich, denn eine ungesicherte Wartezeit sei nicht zumutbar. Auch in diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß die Höhe der Gesamtbezüge insgesamt angesichts der Umsatz- und Ertragssituation der Klägerin angemessen sei,

14

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 1989 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 23. August 1993 dahingehend zu ändern, daß eine Pensionsrückstellung in Höhe von 55.038 DM, Beiträge zur Rückdeckungsversicherung in Höhe von 16.285 DM als Betriebsausgaben und eine Aktivierung des Rückdeckungsversicherungsanspruchs in Höhe von 16.009 DM anerkannt werden.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Der Pensionszusage sei bereits deshalb die Anerkennung zu versagen, weil diese vom ersten Tag der Arbeitsaufnahme, d.h. ohne Wartezeit zugesagt worden sei. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre außerdem eine Pensionszusage nicht eingegangen, ohne eine das einzugehende Risiko zeitlich wie auch betragsmäßig durch eine ausreichende Rückdeckungsversicherung abzusichern. Eine Rückdeckungsversicherung habe aber bis zum Abschluß des Rückdeckungsversicherungsvertrages am 23. Mai 1989 nicht bestanden, und dann sei sie lediglich in Höhe von 28 v.H. des Jahreswerts der Pensionszusage abgeschlossen worden.

17

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Steuerakte - St.Nr.: ... - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Das FA hat zu Recht der für den Veranlagungszeitraum 1989 gebildeten Pensionsrückstellung die Anerkennung versagt.

20

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkommen, wobei für den Einkommensbegriff und die Ermittlung des Einkommens gemäß § 8 Abs. 1 KStG die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrundezulegen sind.

21

VGA dürfen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der Körperschaft nicht mindern. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1994 I R 78/92, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 474; vom 5. November 1994 I R 50/94, BStBl II 1995, 594 Jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine Vermögensminderung ist u.a. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

22

In Ausprägung dieser Grundsätze hat der BFH regelmäßig, insbesondere bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern, Pensionszusagen die Anerkennung versagt, wenn die Pensionszusage ohne Einhaltung einer Wartezeit vereinbart wurde (Urteile des BFH vom 25. Mai 1988 I R 107/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1984, 195; vom 30. September 1992 I R 75/91, BFH/NV 1993, 330). Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sich zunächst Zeit nehmen würde, um die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Geschäftsführers zuverlässig beurteilen zu können. Zudem hat er im Falle der Neugründung einer GmbH zunächst die Ertragsaussichten der Gesellschaft abzuschätzen und zu überprüfen, ob der GmbH ein angemessener Teil des erwirtschafteten Gewinns verbleiben wird. Erst dann ist abzusehen, ob das Ergebnis auf Dauer mit einer Pensionszusage belastbar erscheint.

23

All diesen Umständen hat die Klägerin mit der ohne Einhaltung einer Wartezeit erteilten Pensionszusage nicht Rechnung getragen. Aus dem zuletzt genannten Grund ist es auch unerheblich, daß ein Geschäftsführer, der bei Aufnahme seiner Tätigkeit etwa 50 Jahre alt ist, zum einen erkennbar über Berufserfahrungen verfügt und zum anderen er an einer Pensionszusage als einem höheren laufenden Gehalt interessiert ist. Denn dieses Vorbringen trägt nicht dem Umstand Rechnung, daß zunächst die Entwicklung der GmbH am Markt und ihr wirtschaftliches Ergebnis abzuwarten sind.

24

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.