Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.02.1997, Az.: XI 375/94

Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer bei der Umwandlung von Barlohn in einen Sachbezug; Lohnsteuerrechtliche Beurteilung eines Pkw der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unentgeltlich zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt wird; Beurteilung einer Änderung der Höhe des Barlohn eines Arbeitnehmers zugunsten einer privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber unentgeltlich zur Verfügung gestellten Pkw

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.02.1997
Aktenzeichen
XI 375/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0206.XI375.94.0A

Fundstelle

  • DStRE 1997, 538-539 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer bei Umwandlung von Barlohn in Sachbezug

Haftung 1990-1993

Redaktioneller Leitsatz

Verzichtet ein Arbeitnehmer ihm Rahmen einer Änderungsvereinbarung auf einen Teil seines Barlohn zugunsten einer Nutzungsvereinbarung eines vom Arbeitgeber unentgeltlich zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Leasingfahrzeugs, besteht sein ursprünglich vereinbarter Barlohnanspruch nicht fort, sondern nur in ermäßigter Höhe. Zudem wird der ursprünglich vereinbarte Barlohn teilweise durch die Nutzungsvereinbarung ersetzt, die ihrerseits gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort im Wert anzusetzen ist. Die Verhältnisse vor Abschluß und nach Ablauf einer Änderungsvereinbarung hinsichtlich des Anspruchs auf Barlohn sagen nichts darüber aus, in welcher Höhe der Lohnanspruch des Arbeitnehmers während der Dauer der Nutzungsvereinbarung eines vom Arbeitgeber unentgeltlich zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Pkw entstanden ist.

Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 6. Februar 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Kreisoberamtsrat ...
ehrenamtliche Richterin ... Grafiker ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 19.11.1993 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 17.08.1994 wird der Haftungsbetrag Lohnsteuer auf 13.108 DM und der Haftungsbetrag Solidaritätszuschlag auf 218,84 DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Streitig ist die Wirksamkeit eines Barlohnverzichts.

2

Die Klägerin betreibt ein Teppichwerk. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung, die in der Zeit zwischen dem 03.05.1993 und dem 15.07.1993 stattfand und sich auf die Zeit vom 01.01.1989 bis zum 31.12.1992 erstreckte, stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin einigen leitenden Angestellten im Prüfungszeitraum erstmalig Firmenfahrzeuge (Leasing-Fahrzeuge) auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt hatte. Für die Dauer der Nutzungsüberlassung verzichteten die Arbeitnehmer unter Änderung ihrer Anstellungsverträge auf einen Teil der ihnen zustehenden Sonderzuwendung bzw. Weihnachtsgratifikation. Die Höhe dieses Gehaltsverzichtes wurde wie folgt ermittelt:

Leasingrate brutto... DM
+Benzinkosten für private Fahrten1.800 DM
./.Erstattung für dienstliche NutzungDM
(dienstlich gefahrene km × 0,30 DM)... DM.
3

Dem Lohnsteuerabzug unterwarf die Klägerin den tatsächlich ausgezahlten Barlohn sowie einen nach Abschnitt 31 Abs. 7 Nr. 4 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 1990 bemessenen geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung des Firmenfahrzeugs.

4

Demgegenüber vertrat der Prüfer die Ansicht, daß es sich bei der im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung vereinbarten Minderung des Barlohns nicht um einen steuerlich anzuerkennenden Gehaltsverzicht, sondern um eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung handele. Die Minderung des Barlohns erfolge zu dem ausschließlichen Zweck, die Vorteile abzugelten, die dem Arbeitnehmer aus der privaten Nutzung des von der Klägerin geleasten Fahrzeuges erwüchsen. Hiernach sei davon auszugehen, daß den Arbeitnehmern der volle arbeitsvertraglich vereinbarte Barlohn zugeflossen sei. Der Prüfer erhöhte die Arbeitslöhne der betroffenen Arbeitnehmer daher um die Differenz zwischen der Höhe des von der Klägerin angesetzten geldwerten Vorteils und der vereinbarten Barlohnminderung und ermittelte ausgehend von den individuellen Besteuerungsmerkmalen der Arbeitnehmer eine Nachforderung an Lohnsteuer in Höhe von 25.086 DM sowie an Solidaritätszuschlag in Höhe von 802,32 DM. Da die Klägerin die Absicht bekundet hatte, eine ggf. im Wege der Haftungsinanspruchnahme nachgeforderte Lohnsteuer nicht an die betroffenen Arbeitnehmer weiterbelasten zu wollen, ermittelte der Prüfer aus der Übernahme der Steuerabzugsbeträge eine zusätzliche Lohnsteuernachforderung in Höhe von 17.854 DM. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Nrn. 7 und 7 a der Anlage 2 zum Prüfungsbericht vom 02.09.1993 Bezug genommen.

5

Durch Haftungsbescheid vom 19.11.1993 nahm der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Klägerin wegen dieser und weiterer - hier nicht streitiger - Beträge in Anspruch.

6

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, daß der arbeitsvertragliche Barlohnanspruch der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung der geleasten Fahrzeuge getroffenen Vereinbarungen von vornherein in geringerer Höhe entstanden sei. Die dem Haftungsbescheid zugrundeliegende Annahme, der Barlohnanspruch habe in der ursprünglich vereinbarten Höhe weiterbestanden und sei in Höhe der Leasingraten mit einem der Klägerin aus der Überlassung der Fahrzeuge zustehenden Nutzungsentgelt verrechnet worden, gehe an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. Entgegen der Ansicht des FA setze eine wirksame Barlohnumwandlung nicht voraus, daß ein geldwerter Vorteil dem Arbeitnehmer zusätzlich zu dem zuvor geschuldeten Arbeitlohn gewährt werde. Die Berufung des FA auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.07.1993 VI R 87/92 (BStBl II 1993, 84 [BFH 28.01.1992 - VIII R 7/88]) gehe fehl. Der darin aufgestellte Rechtsgrundsatz, daß ein Gehaltsverzicht dem Zufluß von Arbeitslohn nur dann entgegenstehe, wenn er nicht mit Verwendungsauflagen hinsichtlich der freiwerdenden Mittel verknüpft sei, beziehe sich auf den hier nicht vorliegenden Fall eines Gehaltsverzichts zugunsten Dritter.

7

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Haftungsbescheids vom 19.11.1993 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 17.08.1994 die Nachforderung der Lohnsteuer auf 13.108 DM DM und die Nachforderung von Solidaritätszuschlag auf 218,84 DM herabzusetzen;

8

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

9

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung mit der Maßgabe, daß gegen eine Herabsetzung der Lohnsteuer um 17.854 DM und entsprechend des Solidaritätszuschlags Einwendungen nicht erhoben werden.

10

hilfsweise

Revisionszulassung.

11

Er hält an der Auffassung fest, daß den Arbeitnehmern der Klägerin Arbeitlohn in Höhe des ursprünglich vereinbarten Barlohns zugeflossen sei. Ein wirksamer Barlohnverzicht liege nicht vor, weil die Minderung des Barlohnanspruchs als Gegenleistung für die Fahrzeuggestellung vereinbart worden und daher nicht - wie in dem Urteil des BFH in BStBl II 1993, 84 [BFH 28.01.1992 - VIII R 7/88] vorausgesetzt - bedingungsfrei erfolgt sei.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet. Das FA hat die Klägerin im Streitpunkt zu Unrecht als Haftungsschuldnerin nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 42 d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch genommen. Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Beurteilung hat die Klägerin die Lohnsteuer in zutreffender Höhe einbehalten und an das FA abgeführt.

13

Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer ist nach § 38 a EStG der tatsächlich ausgezahlte Bruttoarbeitslohn. Dazu gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen, überläßt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Kraftwagen unentgeltlich zur privaten Nutzung, so ist der darin liegende Sachbezug mit dem Betrag zu bewerten, der dem Arbeitnehmer für die Haltung und den Betrieb eines eigenen Kraftwagens des gleichen Typs an Aufwendungen entstanden wäre (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 21.06.1963 VI 306/61 U, BStBl III 1963, 387). Nach Abschnitt 31 Abs. 7 Nr. 4 LStR 1990 kann der Arbeitgeber den privaten Nutzungswert auch mit monatlich 1 v.H. des auf volle hundert DM abgerundeten Kaufpreises (Listenpreises) des Kraftfahrzeugs zuzüglich des auf der Grundlage des Kilometersatzes von 0,42 DM ermittelten Nutzungswerts für die einzubeziehenden Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ansetzen.

14

Im Streitfall hatten die Arbeitnehmer der Klägerin für die Dauer der Nutzungsüberlassung keinen Anspruch auf den ursprünglich vereinbarten Barlohn mehr. Ihnen stand nur noch der geschmälerte Barlohnanspruch sowie der nach Abschnitt 31 Abs. 7 Nr. 4 LStR 1990 zu bewertende Anspruch auf unentgeltliche Nutzung der Leasingfahrzeuge für private Zwecke zu. Nur in dieser Höhe sind ihnen Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis tatsächlich zugeflossen. Die gegenteilige Auffassung des FA, der Barlohnanspruch habe in der ursprünglich vereinbarten Höhe weiterbestanden und sei in Höhe des Barlohnverzichts mit einem der Klägerin zustehenden Anspruch auf Nutzungsentgelt für die Überlassung des Leasingfahrzeugs verrechnet worden, steht in Widerspruch zu den zivilrechtlichen Gegebenheiten. Sie ersetzt den tatsächlich verwirklichten durch einen lediglich gedachten Sachverhalt. Entgegen dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21.03.1995 III 506/91 (EFG 1995, 836) läßt sich eine solche Fiktion auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, daß den betroffenen Arbeitnehmern bis zum Abschluß der Änderungsvereinbarung ein höherer Barlohnanspruch zugestanden hat und nach Ablauf der Nutzungsüberlassung möglicherweise auch wieder zusteht. Die Verhältnisse vor Abschluß und nach Ablauf der Änderungsvereinbarung sagen nichts darüber aus, in welcher Höhe der Lohnanspruch der betroffenen Arbeitnehmer während der Dauer der Nutzungsvereinbarung entstanden ist.

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Die Betrachtungsweise des FA übersieht im übrigen auch, daß die von den Arbeitnehmern hingenommene Barlohnminderung wegen des geringen Erstattungssatzes für dienstliche Fahrten im allgemeinen über den Betrag hinausging, der dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der von der Klägerin zu tragenden Gesamtkosten des Fahrzeugs entsprach.

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Schließlich kann sich das FA auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil in BStBl II 1993, 84 [BFH 28.01.1992 - VIII R 7/88] berufen, wonach ein Gehaltsverzicht dem Zufluß von Arbeitslohn nur dann entgegensteht, wenn er nicht mit Verwendungsauflagen hinsichtlich der freiwerdenden Mittel verknüpft ist. Abgesehen davon, daß diese Entscheidung einen anders gelagerten Sachverhalt (Gehaltsverzicht zugunsten Dritter) betraf, ergibt sich daraus für den Streitfall keine abweichende Beurteilung. Denn die Arbeitnehmer der Klägerin hatten keinen Anspruch darauf, daß die Klägerin Mittel, die sie durch die infolge der Umwandlung des Barlohns in einen Sachbezug eingetretene Minderung der Bezüge ersparte, in bestimmter Weise verwendete.

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Hiernach vermindern sich die Haftungsbeträge wie folgt:

LohnsteuerSolidaritätszuschlag
Haftungsbetrag lt. angefochtenem Bescheid56.0485 DM1.021,16 DM
./. Haftungsbeträge aus PKW-Überlassung42.940 DM802,32 DM
verbleibende Haftungsbeträge:13.108 DM218,94 DM.
18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung in Verbindung mit § 151 Abs. 1 und 3 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.